Freitag, 28. Januar 2011

Moderne Zeiten

Aha. Das Trendbarometer hat also mal wieder Neues zu berichten und schon grübelt man, ob man jetzt völlig spießig und unmodern ist.
Nicht genug, dass uns die Mode jedes Jahr wieder zur kritischen Durchsicht des Kleiderschranks zwingt, jetzt macht  uns auch noch die Blumenindustrie ein schlechtes Gewissen.
Der Zimmerpflanzentrend geht nämlich weg vom kleinteiligen, wuseligen Blumenfenster, hin zu riesigen Solisten, je größer, desto besser.


Okay, mit ein paar Urwaldriesen kann ich auch aufwarten, aber das Wohnzimmerfenster sieht in der Tat aus wie ein Pflanzenkindergarten auf Wandertag - hier ein Babygeldbaum, dort ein Echeverien-Kindel, dazwischen auch noch ein Blattsteckling von Sansevieria cylindrica, der natürlich schief angewachsen ist und so lustig Schlagseite hat wie nach einer durchzechten Nacht.
Über all diesem unruhigen Gewimmel thront würdevoll mit eiserner Contenance der alte Geldbaum. Die ganze bunte Bagage wird darüberhinaus flankiert von zwei Sansevieria trifasciata-Töpfen, die streng und aufrecht wie Gouvernanten über die Krabbelgruppe wachen - so wie weiland Fräulein Rottenmeyer.
(Gibt es möglicherweise ein pflanzliches Pendant zum "Animal hoarding"? Ich mache mir ernsthaft Sorgen.)

Das Ganze Durcheinander würde eventuell so eben noch der Stilpolizei entgehen, wenn die Töpfe wenigstens einheitlich aussehen würden. Tun sie aber nicht. Schnäppchen, Geschenke und Fundstücke lassen sich in den seltensten Fällen in eine Uniform zwingen.

Frau Katze würde den Trendsettern sicher von Herzen beipflichten, denn die Fensterbank ist auch für ihren Geschmack viel zu voll. Wie gerne würde sie die ganze Fläche zu ihrem Catwalk umwidmen, aber immer steht ein blöder Topf im Weg und hindert beim Fliegenfangen und Meisenbeobachten.

Übersichtlich und aufgeräumt soll sich das Wohnzimmer gefälligst präsentieren mit dezent eingestreuten pflanzlichen "Accessoires":

Szene auf der Landesgartenschau Hemer 2010

Ach, Moden und Katze hin oder her, ich habe beschlossen, das Dilemma auszusitzen.
Das kann ich sowieso am besten. Auf dem Sofa, neben meinen Pflanzenkindern.

Ist es nicht bei der Haute Couture auch so, dass sich irgendwann jeder Trend wiederholt - kaum wartet man mal 20 bis 30 Jahre?
Genauso ist es auch bei Zimmerpflanzen. Kommt alles wieder - siehe Sansevieria trifasciata, die das Comeback des 21. Jahrhunderts feiert. So unmodern ist meine Fensterbank also doch nicht, halleluja!

Die als Stilmittel gehandelten Pflanzensolitäre sind auch vor allem eines: Sauteuer!
Gerade die in Würde gealterten, langsam wachsenden Vertreter, die so richtig was hermachen, sind unbezahlbar. Nie würde man sich verzeihen, so ein kostbares Exemplar zu Tode gegossen oder einer marodierenden Horde Spinnmilben überlassen zu haben.

Günstig und überall zu haben sind der altbekannte Gummibaum, Ficus benjamini, Dracaena marginata oder Schefflera.
Beim Discounter bekommt man so ein Exemplar in der Größe 1,40 - 1,60 Meter für etwa 10 Euro.
Die sind dann aber in dieser immer noch bescheidenen Größe gleich wieder am Rande von langweilig und haben nicht das Zeug, die eigene Wohnung zum Stilolymp zu erheben.
Gefragter ist da schon die Geigenfeige, Ficus lyrata. Die ist nicht allzu teuer und wächst schnell, allerdings auch schnell über ihre Verhältnisse hinaus, so dass alsbald Folgekosten in Form eines neuen Wintergartens anstehen - oder die Schere.

Extravagant und ein echter Blickfang ist die Drachenbaum-Sippschaft, nämlich die eher selten in Wohnungen anzutreffenden Dracaena deremenis, Dracaena fragrans und Dracaena reflexa. Letztere wächst sehr langsam, wird aber im Alter gigantisch. Am ehesten zum Turbo neigt D. fragrans. Alle genannten Drachenbäume kann man ganz einfach über Stecklinge vermehren, die im Wasserglas leicht bewurzeln.

Palmen oder gar Palmfarne sind extrem angesagt, aber leider relativ teuer und überdies eher empfindlich.


Zu meiner Ehrenrettung greift möglicherweise ein altes, ausuferndes Einblatt (Spathiphyllum) ein, welches das Wohnzimmer dominiert und vehement mit seinem Blattwerk ins abendliche Fernsehprogramm eingreift.
Irgendwie wirken in letzter Zeit selbst die Nachrichten so merkwürdig tropisch.

Letzten Endes gibt es doch auch Wichtigeres, als in Sachen Zimmerpflanzen jedem Trend hinterherzueilen. Ökologisch wäre das sowieso nicht - Wegwerfmentalität lässt grüßen.

Und haben nicht auch die teuren Geldbaummethusalems aus den Hochglanz-Werbebroschüren der Blumenindustrie mal ganz klein angefangen?
Vielleicht als Blattsteckling in einem winzigen Topf, so wie meine Kindergartengruppe.

Freitag, 21. Januar 2011

Halali!

Obacht allerseits! Wer einen Stadtpark oder eine öffentliche Grünfläche persönlich kennt, sollte ab sofort nicht mehr ohne Gartenschere aus dem Haus gehen!

Die Stadtgärtner haben nämlich schon zum Angriff auf Gebüsche, Sträucher und Bäume geblasen.


Und so liegt die Jagdstrecke dann für mehrere Tage bis Wochen zur Anschauung bereit.
Wer zum Freiluft-Mikadospielen keine rechte Lust hat, der kann sich aus der Schnittmenge seine eigene Hecke ziehen.
Materialentnahme stört sicher niemanden, am allerwenigsten die Gärtner, die somit weniger Mühe beim Zusammensammeln und Zerkleinern haben. Vorausgesetzt natürlich, man hinterlässt beim Aussuchen der vermehrungsfreudigsten Äste kein mittleres Chaos.

Je nach botanischer Grundausstattung der Grünfläche ist die Gemengelage mal mehr oder mal weniger artenreich.
Wenn man Pech hat, gibt es nur Haselhaufen weit und breit.


Wer ganz großes Glück hat, der findet einen schön buntgemischten Haufen, und das ist tatsächlich wörtlich zu nehmen, denn was sich am allereinfachsten aus Zweigen vermehren lässt, ist Hartriegel.
Den gibt es in leuchtend rot und grün - Cornus alba und Cornus sanguinea in Sorten.


Solche Astansammlungen kann man kaum übersehen und wird geradezu magisch hingezogen, denn ein bisschen Farbe in dieser Jahreszeit ist ein echter Magnet.

Zuhause dann ab in die nächstgelegene Vase mit der Beute, Wasser drauf und abwarten.

In der wohligen Wärme beginnen die Zweige bald zu sprießen - optimal wäre oben und unten.
Nicht alle Arten eignen sich für diese Art der Vermehrung. Die Kornelkirsche zum Beispiel blühte wunderbar in der Vase, weigerte sich dann aber beharrlich, mit Wurzelmasse rauszurücken.
Zum Glück gibt sie aber noch einen ganz passablen kostenlosen Osterstrauch ab.



Arten, die ich schon erfolgreich aus winterlicher Schnittmasse in der Vase bewurzelt habe, sind:

Das sind sicherlich nicht alle möglichen Vermehrungskandidaten. Einfach mal ausprobieren, was der Park so hergibt.
Im schlimmsten Fall hat man eine zeitlang eine langweilig aussehende Vase mit Zweigödnis herumstehen.

Sollte der Wiederbelebungsversuch von Erfolg gekrönt sein, kann man die selbst vermehrten Sträucher vom Wasser entwöhnen und einpflanzen. Wir wollen ja nicht, dass sie am Ende Schwimmhäute bekommen.

Bald kann man sich dann an seiner selbstgezogenen Hecke erfreuen.

Also, ich wünsche euch guten Jagderfolg und "Gut Holz"!

Dienstag, 18. Januar 2011

Schuster, bleib bei deinen Leisten

Schusterpalme, Metzgerblume, Bahnwärterlilie - in diesen Namen schwingt das Gewöhnliche mit, das Allgegenwärtige, das Unverwüstliche. Alles Berufe, denen der grüne Daumen nicht nachgesagt wird, daher müssen Pflanzen, die es dort aushalten, der Inbegriff an Robustheit sein - als grünes Beiwerk im unwirtlichen Schaufenster oder einer staubigen, dunklen Werkstatt.
Eigentlich gemein, oder? Nie hat man von einer Juweliers-Yucca gehört oder einer Goldschmiedgeranie - da schämt sich die Schamblume und der Mottenkönig wundert sich.
Heutzutage bedürfen solche Pflanzennamen auch einer dringenden Modernisierung: Internetcafe-Iris oder Spielhallen-Spathiphyllum würden ähnlich desolate Bedingungen der Neuzeit charakterisieren.
Die Douglasie gilt übrigens nicht, die findet man eher seltenst in Parfümerien.

Die Schusterpalme (Aspidistra elatior) soll sich wie der Name sagt seit altersher in Schusterwerkstätten aufgehalten haben und ist der Überlebenskünstler schlechthin. Extrem schattenverträglich vegetiert sie noch vor sich hin, wo jede andere Pflanze eingeht wie ein Primelpott.
Ihr englischer Name "Cast-iron Plant" zeigt, wo's langgeht: Die Gusseiserne.

Die eiserne Lady unter den Zimmerpflanzen ist so gewöhnlich, dass sie schon als langweilig gilt.
Ihre große Zeit hatte die Chinesin zwischen 1860 und den 50er Jahren das 20. Jahrhunderts, danach ging es bergab.
Als Omablume ist sie daher verschrien.

Dabei besaßen meine Großmütter beide keine einzige Schusterpalme. Die eine nannte einen einzigen, unverzweigten Gummibaum ihr eigen, die andere war vernarrt in Weihnachtskakteen jeglicher Couleur.
Vielleicht schaffe ich es deshalb, dieser Allerweltspflanze so unvereingenommen zu begegnen.

Aber zugegeben, es war auch nicht irgendeine Aspidistra elatior, in die ich mich verguckt habe, sondern die Luxusausgabe: Die unvergleichliche Aspidistra lurida "Milky Way".
Die heißt nicht so, weil sie in Milch schwimmt, sondern weil ihre dunkelgrünen Blätter übersät sind mit weißen Punkten - wie die Milchstraße eben.


Die Pflanze befand sich ebenfalls an einem ganz lebensfeindlichen Ort, nämlich ein paar Büros entfernt von meinem.
Just, als ich entdeckt hatte, dass Milky Way ihre Galaxis mit Hilfe von ingwerwurzelähnlichen Ausläufern erweitern wollte, bis jetzt aber offensichtlich jeder Aufstand am Topfrand niedergemetzelt worden war - die Scherenspuren waren unübersehbar - rückte das Sondereinsatzkommando Pflanzenpflege an!

Da uns Bürohengsten und -stuten nicht zugetraut wird, die teilweise recht wertvollen Hydrokulturpflanzen am Leben zu erhalten (dieses Misstrauen ist zugegebenermaßen nicht ganz unbegründet), wird mehrmals im Jahr ein mobiler Pflegedienst engagiert, der das Düngerdepot auffüllt, die Gewächse ausputzt und sogar abstaubt. Bei soviel Luxus gedeihen die meisten auch prima trotz teilweise mutwilliger Verschattung.

Mit Argusaugen verfolgte ich jeden Schritt der Pflanzenpflegerinnen, bis sie schließlich beim Objekt der Begierde angekommen waren. Die Frage, ob sie mir den Stoßtrupp schenken würden, wenn sie ihn sowieso eliminieren, wurde nicht nur bejaht, sondern mein Wunsch übererfüllt, indem sie mir sogar ein bisschen mehr fleischiges Rhizom ausgruben, das schon etwas bewurzelt war.

Der Zeitpunkt war günstig: Nicht nur konnte ich bei den milden Temperaturen die Ableger ohne Frostbeulen aus der Firma entfernen, darüberhinaus war sogar der Sack Blumenerde auf der Terrasse nicht tiefgefroren.

Ältere Exemplare kann man auch wie eine Staude durch Teilung vermehren, was in meinem Fall natürlich nicht in Frage kam. Die Sauerei auf Teppichboden wäre ein Fall für die Personalakte gewesen.

Da die Schusterpalme zwar Schatten verträgt, aber bloß keine direkte Sonne, kann man sie an Orte verbannen, wo sonst nichts wachsen will. Allerdings hatte ich bei meiner Astronomen-Aspidistra Bedenken, dass ihre Milchstraße dadurch über kurz oder lang in einem schwarzen Loch verschwinden wird. Panaschierte Formen möchten ja stets nicht ganz so stiefmütterlich behandelt werden.

Also residiert sie jetzt im Badezimmer am Ostfenster, hinter Milchglasfolie:


Ich hoffe, inständig, dass sie anwächst und nicht etwa einen auf Sternschnuppe macht.
Schließlich habe ich ihretwegen reichlich Dekorationsmaterialien von der Fensterbank entfernt.

Vielleicht sollte ich ihr damit drohen, sie beim ersten Anzeichen von Schwäche zum Schuster zu bringen, der wird ihr schon gehörig den Hintern versohlen.

Freitag, 14. Januar 2011

Pudding und Pillepoppen

Einige mögen die Existenz der Stadt Bielefeld leugnen, aber viele Bielefelder schaffen es sogar, den Botanischen Garten zu verfehlen.
Dabei hat Bielefeld viel mehr zu bieten als nur die gleichnamige Verschwörung und den berühmtesten Autobahnblitzer der Republik.

Es sind nicht die Ausmaße der Herrenhäuser Gärten und wir haben auch (noch) kein Tropenhaus zu bieten, dafür ist unser Botanischer Garten klein, aber fein - und vor allem ist er, wie viele Attraktionen der ostwestfälischen Metropole, sogar kostenlos zu besichtigen.

Also nichts wie los - hier eine Empfehlung für einen botanischen Stadtrundgang.

Da der Botanische Garten von der Innenstadt aus gut zu Fuß zu erreichen ist, fangen wir am besten in der Altstadt an. Nach der Besichtigung der schönen alten Gebäude laufen wir bis zum Ende der Fußgängerzone, lassen die Kunsthalle links liegen und gehen direkt weiter bis zur denkmalgeschützten Villa Bozi. Hier kann man sich mit edlem Gartenzubehör sowie Geschirr aus Meissen eindecken - oder sich auch mal wie der Elefant im Porzellanladen benehmen (nur für Auswärtige zu empfehlen). Man musss aber nichts kaufen, man kann auch einfach nur das sagenhaft historische Ambiente bewundern oder Englischen Tee mit Scones oder Kakao in Variationen zu sich nehmen und das alles bei freundlicher Bedienung, auch wenn man aussieht wie ein Schneemann.

Weiter geht's durch die Unterführung und links am Oetker-Seniorensttift vorbei, wo man sich mal kurz vorstellen kann, wie man im Alter nicht leben wird, falls kein Wunder oder ein Lottogewinn geschieht.

Die Schnellstraße ignorieren wir geflissentlich, stattdessen schauen wir lieber zur Sparrenburg, die trutzig vom Hügel gegenüber herabblickt.
Sobald der Puddingpulverbau von Puddingtown's berühmtestem Einwohner in Sichtweite kommt, halten wir uns rechts. Auf der anderen Seite der Straße geht es über einen historischen Friedhof mit altem Baumbestand, auf dem die halbe Bielefelder Prominenz begraben liegt.

Dann haben wir ihn endlich erreicht, den Botanischen Garten! Der Eintritt ist frei - soviel Garteninspiration für lau direkt am Teutoburger Wald bekommt man selten geboten.
Wer jetzt immer noch weiterwandern möchte, kann den Tierpark Olderdissen besuchen, der ebenfalls keinen Eintritt kostet und mal eben auf der anderen Seite des Hügels liegt.

Hier ein paar Appetithäppchen aus dem Botanischen Garten Bielefeld:

Das Herzstück ist das alte Bauernhaus:




 Im Herbst glänzt der große Tulpenbaum in Gelb - die Buchen im angrenzenden Teutoburger Wald staunen und schweigen. Vorne rechts wuchert die Domina der Stauden, Gunnera manicata, die im Winter unter einer dicken Decke Buchenlaub verschläft.

Die große Rasenfläche im Eingangsbereich wird jedes Jahr anders mit Blumenzwiebeln und danach Einjährigen bestückt. In einem Jahr waren es unter anderem Zier-Süsskartoffeln (Ipomoea batatas) - ein Fest für die Mäuse.


Zwischen der größenwahnsinnigen Gunnera und dem Bauernhaus befindet sich ein Großstaudenbeet mit Astern, Herbst-Margerite (Leucanthemum), Bergenien, Monarden, Helenium und Eisenhut, das einfach immer neidisch macht:







Ein Fächerahorn-Wäldchen mit knorrigen Vertretern in diversen Sorten schließt sich daran an:



Eine artenreiche Rhododendron- und Azaleensammlung unter alten Bäumen liefert Inspirationen für schattige Gartenbereiche:




Die Farntreppe - in den Fugen ungezogener Knotiger Storchschnabel (Geranium nodosum), der sich überall aussät. Im Hintergrund macht ein Baumwürger seine Arbeit:


Elfenkrokus, Bärlauch und Gelber Scheinmohn (Meconopsis cambrica) bringen ebenfalls einen Hauch von Anarchie in die Beete, da sie bei jeder Gelegenheit und in jeder Ritze auftauchen:
 




Ein besonderes Spektakel ist die Blumenzwiebelwiese, die von den ersten Frühlingszwiebeln bis zu den Herbstzeitlosen alles bietet:



Eine weitere Attraktion ist das Bienenhaus mit garteneigenen Völkern, die hier wie im Schlaraffenland leben. Den Blütenhonig kann man mit ein bisschen Glück dort auch kaufen, wenn der Imker gerade zugegen ist.


Auch so manch andere kuriose Gestalten im Pyjama trifft man in rauen Mengen (Streifenwanze):


Ein großes Steinbecken mit Wasserpflanzen ist Badeanstalt und Kinderstube von Grasfröschen und Erdkröten:



Natürlich hat der Ostwestfale ein eigenes Wort für ihre Nachkommen, nämlich "Pillepoppen". Fragt mich bitte nicht, woher das nun wieder kommt, ich bin auch nur zugereist.

Das Kräuter- und Heilpflanzenbeet wird von einer Pfingstrosenhecke flankiert:


Ein Heidegarten darf nicht fehlen:



... ebensowenig wie ein Steingarten:




Selbst überzeugte Wasserratten statten ihm gerne mal einen Besuch ab:


Aussicht vom Steingarten auf das Gewächshaus mit Sukkulenten sowie diverse Mammutbäume:


Bis auf eine Apothekerrose und einige Rosa hugonis wird man keine Diven hier finden. Aber dafür gibt es einen eigenen Rosengarten auf der anderen Seite der Stadt - der ebenfalls keinen Eintritt kostet.

Wem der Rundgang gefallen hat, der hat Gelegenheit, etwas in die Spendensammelbüchse zu werfen. Größere Summen nimmt Bielefelds bester Mitarbeiter ganz vollautomatisch entgegen, wenn man auf der Autobahn zu schnell ist. Dafür bekommt man auch ein schönes Foto als Erinnerung an einen Tag in der Stadt, die keiner kennt.

Samstag, 8. Januar 2011

Kulinarische Keimprobe

Nichts zu tun für Gärtner im Winter? Still und starr ruht der Garten?


Der grüne Daumen fühlt sich unterbeschäftigt und ihm ist schon schwindlig vor lauter Däumchendrehen?
Spätestens, wenn man anfängt, das Katzengras auf der Fensterbank mit der Rasenkantenschere zu bearbeiten, die Äste vom Weihnachtsbaum auf Zimmertanne zu veredeln oder die Zweige vom Ficus waagerecht  zu binden, damit er besser blüht, wird es allerhöchste Zeit, zu handeln!

Ein bisschen kann man nämlich doch schon gärtnern: Jetzt gibt es keine Ausrede mehr, denn man kann auch im Haus Gemüse ziehen. Das hat zwar nur homöopathischen Anteil am Abendessen, so gering sind die Mengen, aber es ist dafür auch ganz frisch und man muss noch nicht mal die warme Stube verlassen, um es zu ernten.

Alles, was man dazu braucht, ist Wasser, Saatgut für Keimsprossen und ein Behältnis, worin man sie ziehen kann. Am besten eignen sich extra dafür hergestellte Sprossentürme, in denen die Samen auf mehreren Etagen gewässert werden und die Feuchtigkeit von oben nach unten automatisch durchläuft.

So kann man gleich mehrere Varianten auf einmal keimen lassen. Die Wassermenge ist immer dieselbe, egal, wieviele Etagen man im Sprossenhochhaus auftürmt: Morgens und abends lässt man je 500ml Wasser durchlaufen. Wenn es unten angekommen ist, kann man es noch zum Zimmerpflanzengießen verwenden.


Nach 3-5 Tagen ist Erntezeit!
Mit ein bisschen Erfahrung schafft man es auch, die Keimzeit so zu berechnen, dass man die Sprossen passend parat hat, wenn Gäste kommen oder ein besonderes Gericht gekocht werden soll.
Am Anfang dagegen hat man die Keimlinge leider oft zu ganz unpassenden Zeitpunkten erntereif, wenn man gar keine Zeit hat zum Kochen oder überhaupt nicht zuhause ist.
Sollte das passieren, besser die Sprossen einfach mit einer Scheibe Brot und Käse essen, denn wenn sie erstmal anfangen, einen Ausbruchsversuch zu wagen und den Deckel von ihrem Aquarium hochheben, schmecken sie auch nicht mehr so gut. Frischkäse ist ganz hervorragend dafür geeignet, denn er klebt die Keimlinge ein bisschen an und man muss sie am Ende nicht vom Boden aufklauben...

Wenn die Sprossen also so richtig lecker aussehen, bloß nicht weichwerden!
Ja, ich weiß, sie sehen tatsächlich aus wie niedliche kleine Babypflanzen und man kommt sich ganz schändlich vor, dieses junge Leben in einer Quarkspeise ertrinken zu lassen, aber nur zu, man muss es tun, sonst hat man spätestens dann ein mittelgroßes Problem, wenn die Mungbohnen anfangen, die Fensterscheiben zu verdunkeln...

Falls man Angst bekommt, weil die Sprösslinge aussehen, als würden sie schimmeln, keine Sorge. Das sind nur die feinen Haarwurzeln, die sich wie ein Pelz an der Hauptwurzel breitmachen.

Das ist nämlich der große Vorteil der Sprossenzucht zuhause: Frischer geht's nicht, ist günstiger als im Supermarkt und garantiert frei von unliebsamen blinden, pilzlichen Passagieren.
Klar, den Keimsprossenturm muss man kaufen, aber das macht man nur einmal. Der hält ewig und spülmaschinentauglich ist er auch. Meiner war glücklicherweise ein Geschenk.
Wer keinen kaufen möchte - hier gibt es eine Anleitung zum Keimmaschinen-Selbstbau, vorgestellt im Mauerblumen-Blog.

Für winterlich gartenentwöhnte Menschen zwar kein wirklicher Vergleich zum In-der-Erde-Wühlen, aber eine ganz nette Ersatzhandlung und obendrein richtig lecker!

Etwas für den grünen Daumen und den Gaumen also - was will man mehr.

Montag, 3. Januar 2011

Alarmstufe Rot!

Schnee kann bekanntlich viele Farben annehmen - wie eine eiskalte Leinwand.
Kommt er zunächst in makellosem und sprichwörtlichen Schneeweiß daher, wird er bei übermäßiger Beanspruchung und im fortgeschrittenen Alter eher schmuddelig grau bis schwärzlich.
Auch gelb ist wirklich keine Seltenheit - vor diesem Schnee haben uns unsere Mütter immer gewarnt ("Iss keinen gelben Schnee!") und wir sind dank artiger Befolgung dieses Ratschlages auch alle groß geworden.

Die Farbe Rot aber ist durchaus ungewöhnlich und verheißt meistens nichts Gutes...

Was ist denn hier passiert? Mord und Totschlag? Streit und Zwistigkeiten am Feldrain?


Tatsächlich fand hier ein martialisches Massaker statt, wenn auch ein durchaus erfreuliches, handelt es sich doch um die verräterischen Spuren einer Vogelmahlzeit am Gewöhnlichen Schneeball (Viburnum opulus).
Die Beeren wurden regelrecht zerquetscht, so dass der Saft in alle Richtungen entfleuchte.
Nur die Fruchthäute hängen noch und sorgen weiterhin für eine enorme Fernwirkung der Sträucher.


Moment - Beeren als Vogelfutter? Das klingt ja erstmal nicht so spannend, wenn der Verzehr auch meistens etwas dezenter vonstatten geht mit mehr Tischmanieren, so dass man nicht gleich an ein Attentat denken muss.

Das eigentlich Interessante ist die Tatsache, dass ich diese Sträucher schon jahrelang kenne. Wir sind quasi auf Du und Du. Und trotzdem ist es das erste Mal, dass ich sie besuche und die Beeren angetastet vorfinde, hängen sie doch sonst unbeschadet und massakerfrei bis mindestens März am Strauch.
 

Der Schneeball scheint eine ganz besondere Kundschaft zu bewirten. In diesen elitären Kreis möchte nicht jeder Vogel aufgenommen werden.

Auch Bernd Heinrich hat sich in Winter World: The Ingenuity of Animal Survivalgewundert, warum in seiner Heimat Vermont, USA, die Beeren von Viburnum opulus (Highbush cranberry) so vehement gemieden werden. Giftig sind sie nicht, sagt er, das hat er selbst ausprobiert - und lebt noch!
Bis das Rätsel am Ende doch gelöst wurde, als ein großer Schwarm Seidenschwänze über die Sträucher herfiel und sie mit Genuss plünderte.
Da dies (auch in Europa) Invasionsvögel sind, die erratisch, aber dann in großer Zahl, auftreten, folgert er daraus, dass der Schneeball mit seinen monatelang haltbaren Beeren solche Winter- und Frühjahrszieher bedient.

Dieser Winter ist zwar in der Tat ein Seidenschwanzwinter, allerdings sind sie dafür bekannt, dass sie die Beeren im Ganzen verschlucken und kein Gemetzel veranstalten, bis der Schnee rot wird.
Waren vielleicht Finken hier am Werk? Gierige Gimpel beispielsweise, die am Waldgeißblatt nämlich ähnliche Gelage veranstalten?

 Gimpel-Männchen (das Bild hat mein Mann gemacht)

Angeblich sollen mehr als 20 Vogelarten sich gern von Schneeballbeeren ernähren. Allein, welche das sind, verraten die Quellen nicht. Das scheint das bestgehütete Geheimnis der Naturgartenbewegung zu sein, die den Gewöhnlichen Schneeball immer und immer wieder als Vogelnährgehölz von allererster Güte empfiehlt.

Schön ist er ja auch. Sowohl die Blüten, die Herbstfärbung als auch die Beeren sind ein Spektakel sondergleichen, das man eher bei exotischen Gehölzen vermuten würde - gerade weil die Früchte so ungern gefressen werden und daher monatelang zieren.


Günstig zu bekommen ist er auch - oder man versucht sich in der Stecklingsvermehrung im Herbst.

Wenn man den Gewöhnlichen Schneeball an einen nicht zu trockenen Standort pflanzt (das ist wichtig, denn sein zweiter Name ist Wasserschneeball) und der Schneeballblattkäfer ihn nicht findet, wird man viel Freude daran haben.

Nur sollte man eben nicht erwarten, dass die Gartenvögel deswegen in allzu euphorische Beifallsbekundungen ausbrechen. Dafür muss man schon ein paar Meisenknödel hineinhängen.