Samstag, 26. Februar 2011

Jetzt oder nie

Der Tag heute begann perfekt. Die Wettervorhersage hatte mal wieder gründlich daneben gelegen und so gab es Sonne und milde Temperaturen.
Schneeglöckchen, Krokusse und Anverwandte schauten allerdings trotz Bombenwetters etwas missmutig aus der Wäsche, bzw. aus altem Laub und Staudengestrüpp vom Vorjahr.


Hier gab es eindeutig Handlungsbedarf.
Manchmal muss eine Frau eben tun, was eine Frau tun muss.

Mit diversen Scheren, Harken und einem Sammelbehälter bewaffnet ging es den Wintererinnungen an den Kragen.
Unter der Vertonung von Erlenzeisig, Heckenbraunelle und Grünling schritt ich zur Befreiung der Frühlingsflora.


Wo ich gerade dabei war, schnitt ich auch gleich noch das Waldgeißblatt (die Schere über Kopf) und die Carex-Halme vom Kübelteich.

Erste Erfolge wurden sichtbar: Das Rotkehlchen trank sogleich an der nun freien Wasserstelle, die Heckenbraunelle kam sogar zum Baden und meine Arme begannen, sich etwas puddingähnlich anzufühlen.

Meine Haare standen bald in alle Richtungen, dank tatkräftiger Hilfe mehrerer Wild- und Kletterrosenzweige, die sich nicht minder wild gebährdeten. Die Neuentdeckung meiner Rückenmuskulatur (Schmerzen sei Dank) spornte mich nur zu weiteren Höchstleistungen an und so zupfte und rupfte ich an den widerspenstigen Halmen des Frauenmantels wie eine Amsel am Regenwurm, nur noch weniger elegant.
Schließlich war es vollbracht, die erste Schlacht des Jahres geschlagen und ich schleppte soviel ehemaliges Grünzeug aus meinem winzigen Garten, dass ein Biomassekraftwerk davon einen Tag Strom erzeugen könnte. So fühlte sich zumindest mein Rücken an.

Jetzt konnte ich den Lockruf des Sofas laut und deutlich vernehmen.
Aber halt, etwas fehlte doch noch. Höchste Zeit, das einzige ertragreiche Gemüse meines recht schattigen und viel zu vollgestopften Gartens zu ernten: Topinambur (Helianthus tuberosus)!


Dieses mit der Sonnenblume verwandte Knollengemüse lässt sich im Winter gut ernten, aber nicht lange lagern. Daher sollte man es nur bei akutem Bedarf aus dem Boden holen.

Die recht stattliche Staude neigt sehr zum Wuchern. Mein ganzer Bestand stammt von einer einzigen Knolle ab, die ich vor Jahren im Bioladen gekauft habe. Mittlerweile reicht es für ein ganzes Abendessen.
Jedesmal habe ich dennoch arge Bedenken, dass ich meinen Topinambur komplett aufgegessen hätte. Diese Zweifel werden noch genährt durch die Tatsache, dass er relativ spät austreibt.
Schließlich kommt er aber doch jedes Jahr zuverlässig wieder und schafft es sogar noch, sich zu vermehren.

Damit er es nicht allzu bunt treibt, habe ich ihn in mein Alcatraz-Beet gepflanzt - unten Schotter und an den Seiten Pflastersteine - wenn er dort ausbricht, Respekt, dann hat er sich sein Bleiberecht verdient!
Bis jetzt verhält er sich aber zahm. Leider verwehrt er mir auch hartnäckig die Blüte, und das seit Jahren, schade.



Jetzt steht sie also in der Küche, die Schüssel mit der tollen Knolle.
Ob ich heute abend allerdings kochen mag, sei mal dahingestellt. Ihr wisst ja - mein Rücken.

Sonntag, 20. Februar 2011

Das Parfum II - Fluch der Karibik

Hatte ich neulich noch den Bogenhanf als natürliches Raumparfum empfohlen, musste ich jetzt feststellen, dass es eine höllische Steigerung gibt. Und die ist im wahrsten Sinne atemberaubend.

Sansevieria ist das reinste Waisenkind gegenüber dem größten Stinker aller Zeiten.
Was jetzt kommt, ist nichts für schwache Nerven!

Diese Pflanze ist kein Raumparfum, nein, wir wollen mal nicht untertreiben - sie wäre vermutlich in der Lage, unten im Kölner Dom aufgestellt, dafür zu sorgen, dass noch der Glöckner ganz oben ohnmächtig wird!

Mit Dracaena fragrans kann sich niemand messen.
Diesen Angriff auf die Riechzellen muss man selbst erlebt haben, um das zu glauben.

Dabei fing alles ganz harmlos an: In unserem Büro befinden sich drei dieser großen Drachenbäume in ein und derselben Hydrokultur. Sie sind in etwa gleich alt, gleich groß und setzten wie abgesprochen zur gleichen Zeit Blüten an.


Was für eine Freude! Da kommt der Hobbybotaniker doch gleich viel lieber zur Arbeit!

Aber das infernalische Trio ließ sich Zeit. Gemächlich über Wochen wuchsen die Blütenstände heran und vom vielgerühmten Duft keine Spur. Welche große Enttäuschung - sollten diese etwa duftlos sein?


Nein, sie waren es nicht. Als sich die ersten Blüten öffneten, entströmte ihnen endlich ein bezaubernder Wohlgeruch - schwer, süßlich und mit dem Aroma einer schwülen Tropennacht.

 
Etwas Bemerkenswertes ließ sich feststellen: Die drei Grazien schienen irgendeiner obskuren Pflanzengewerkschaft anzugehören, öffneten sie ihre Blüten doch erst um 15.30 Uhr herum.
Morgens war der ganze Spuk vorbei, die am Tag vorher geöffneten Blüten schon wieder vertrocknet.
Der Duft aber blieb.

Die Kundschaft dieser Pflanze müssen Gestalten der Finsternis sein - Nachtfalter oder Fledergetier.

Am nächsten Tag waren es noch mehr Blüten, aber da das ein Freitag war, bekam ich von dem Spektakel nicht mehr allzu viel mit. Am Montagmorgen, es war Valentinstag, konnte ich erste Duftschwaden schon beim Betreten der Büroetage feststellen - etliche Meter von der Quelle entfernt! Die Pflanzen hatten offenbar am Wochenende ordentlich einen drauf gemacht.

Das war jetzt doch ein bisschen zuviel des Guten.
Wer auch immer diese Art fragrans benannt hat - vielleicht wäre foetida doch passender gewesen?
Diese Pflanze sollte nur mit Warnhinweisen verkauft werden!
Während die Frauen den Geruch einigermaßen ertrugen, drohten die Männer mit Zwangskastration der potenten Bäume. Scheren wurden geholt und Messer gewetzt, doch wir warfen uns schützend vor unsere Dracaenas. Schließlich hatten sie in acht Jahren nicht ein einziges Mal geblüht, wer würde denn da jetzt so kleinlich sein?
Sollte man ihnen nicht einmal im Leben diese Zurschaustellung ihrer Vermehrungsfreude gönnen?

Am späten Nachmittag (es muss gegen 15:30 Uhr gewesen sein) klagte der erste Kollege über Kopfschmerzen.
Lüften brachte nur kurz Erleichterung - prompt nach dem Schließen der Luken war die olfaktorische Belästigung wieder da als wäre nichts gewesen.
Nun war der Zeitpunkt auch denkbar schlecht gewählt - im Winter Dauerlüften ist keine gute Idee.
Ersticken oder Erfrieren - da hat man die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Also wurde der ganze Hydrokulturcontainer vor das Büro verfrachtet und die Tür geschlossen.
Der Duft aber blieb.
Jetzt war er zwar auszuhalten, aber dennoch deutlich wahrnehmbar.

Außerhalb des geschlossenen Raumes witterten die Bäume nun Morgenluft und dehnten ihren Einflussbereich gleich mal auf die ganze Etage aus.

Zur Strafe wurden sie daraufhin ins Treppenhaus verbannt.
Der Duft aber blieb.
Wie ein Mahnmal schwebte der Geruch genau über dem Platz, wo der Topf gestanden hatte. Die Exilanten wussten offenbar, wie man einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Das Schauspiel ging tagelang so weiter, mit dem Unterschied, dass man nun schon beim morgentlichen Betreten des Gebäudes die im vierten Stock lauernden Blütenmonster riechen konnte. Nach etwa einer Woche war dann aber schließlich auch die allerletzte Blüte dahin. Da der Blütenstand nicht besonders selbstreinigend ist, sieht er mit den anhaftenden vertrockneten Blüten nach einiger Zeit sehr schäbig aus.

Harzen tun sie außerdem:


Daher wurden die Blütenstände entfernt und die Geschwister Fürchterlich durften endlich zurück an ihren alten Platz.

Der Duft aber blieb. Da hilft wohl nur renovieren...

Trotz allem - sollten die Duftbäume in absehbarer Zeit wieder einnmal gekappt werden müssen, weil sie sonst an die Zimmerdecke stoßen, werde ich Stecklinge ziehen. In Wasser bewurzeln Dracaenas ja mehr als leicht.

Auch auf die Gefahr hin, dass mein Mann dann vorübergehend ins Hotel zieht - aber schön sind sie ja schon, die Drachenbäume des Grauens.

Mittwoch, 16. Februar 2011

Die lieben Kleinen

Diese kleine Blume muss man einfach lieb haben.
Nicht nur, dass sie noch vor Schneeglöckchen und Märzenbechern den Vorfrühling einläutet, wofür wir ihr alle sehr dankbar sind.
Noch dazu bedient sie das pure Kindchenschema - pausbäckig, stämmig und mit niedlichem Ballettröckchen.

So zart und winzig ist sie, dass man sie am liebsten in den Arm nehmen und ihr versichern möchte, dass alles gut wird, obwohl schon die nächsten Tiefdruckgebiete mit Frost und Schnee im Anmarsch sind.
Das macht ihr bei aller Zartheit aber zum Glück gar nichts aus. Zimperlich ist sie nicht - kämpft sich zur Not auch aus einer dicken Schneedecke hervor.

Die Rede ist vom Winterling (Eranthis hyemalis), der jetzt ab Februar am liebsten auf Wiesen, unter Sträuchern und Bäumen zum Spitzentanz im Tutu auffordert.
Wie Miniaturaufführungen von Schwanensee tanzen sie sich durch jedes Wetter:


Standing Ovations sind ihnen dabei sicher - die Nachbarn würden auch komisch gucken, wenn ich mich vor ihnen auf die Knie werfen würde (den Winterlingen, nicht den Nachbarn).

Also, Spot an für die Ballerina des Monats:


Eigentlich ist die Kleine ja ein rechter Giftzwerg, der herzwirksame Substanzen enthält.
Das kümmert den frühlingshungrigen Gärtner allerdings nicht die Bohne, dessen Herz sowieso schon beim puren Anblick der zarten Pflanze in Wallungen gerät.



Das wahrscheinlich kleinste Hahnenfußgewächs der Welt gehört zu den Knollengeophyten.

Knollen und Zwiebeln von Frühlingsblühern soll man zwar lieber im Herbst pflanzen, aber genau wie sein Kollege, das Schneeglöckchen, mag der Winterling es lieber, wenn er mit Laub verpflanzt wird, das mindert die Gefahr des Austrocknens der Speicherorgane.
Im Gegensatz zu einer Zwiebel weiß man bei den Knöllchen ohnehin nicht so recht, wo oben und unten ist. Mit Blättern kann man dies aber sogar noch im Halbdunkel erkennen.


In belaubtem Zustand wurde auch mein Ensemble aus dem Garten meiner Schwägerin vom Fleck weg engagiert, denn unter ihren Sträuchern vermehren sich die Zwerge sagenhaft gut.

Diese Art des Castings ist dem Kauf deutlich vorzuziehen. Zum einen ist es billiger, zum anderen erspart man den kleinen Ballerinen viel Leid am Naturstandort, denn ein Großteil der Winterlinge stammt noch aus türkischen Wildfängen. Politisch korrekt ist es dagegen, nicht verkaufte, bereits verblühte Ware aus dem Gartencenter vor der Tonne zu retten - das sind dann auch echte Schnäppchen.

Haben die Pflanzen Samen angesetzt, kann man diese an anderen Stellen wieder ausbringen. Für so eine zierliche Pflanze hat der Winterling ziemlich überdimensioniertes Saatgut, was die Aussaat stark vereinfacht.


Hat man die Choreografie dann glücklich über die Bühne gebracht, sollte man die Diven am besten in Ruhe lassen. So sehr sie den Elementen trotzen, so sehr verabscheuen sie es, wenn auf ihnen herumgehackt wird.
Winterlingbeete allzu penibel mit Spaten und Grubber zu bearbeiten führt zum Zickenkrieg.
Die Tänzerinnen gehen dann schnell ein wie eine Primel.


Mein Vorgartenballett habe ich daher mit zwei botanischen Bodyguards gesichert:
Frauenmantel und Herbstanemone sorgen dafür, dass das Beet nach dem großen Auftritt der kleinen Frühlingsblumen schnell mit Blättern bedeckt wird, so dass ich gar nicht erst auf die dumme Idee komme, etwas anderes einzupflanzen und damit den Boden aufzuwühlen.

Wenn das Bühnenbild erstmal steht und ihnen zusagt, werden sich die Winterlinge schnell zu großen Teppichen ausbreiten.


Dann hat man jeden Frühling mehr Grund für Beifallsstürme.

Freitag, 11. Februar 2011

Schmetterlinge im Februar

Der Februar ist nicht Fisch, nicht Fleisch. Nicht mehr ganz Winter und noch nicht ganz Frühling.

Als Wonnemonat ist er nicht gerade bekannt, doch immerhin ist er gnädigerweise der kürzeste von allen, was mich immer ein bisschen versöhnlich stimmt.

Wenn man ganz großes Glück hat, zeigt der Februar bereits die ersten Frühlingsblumen.
Falter allerdings sind in normalen Wintern eindeutig Mangelware. Einzig die äußerst hyperaktive Spezies "Schmetterlinge im Bauch" ist hoffentlich aus dem Winterschlaf erwacht - wenn auch meist von hochoffizieller Stelle verordnet, denn der Nationalfeiertag der Blumenindustrie rückt bedrohlich näher: Der Valentinstag.

Und zu diesem passen natürlich die allseits beliebten pflanzlichen Flattermänner: Schmetterlingsorchideen (Phalaenopsis)!


Orchideen kann man sich ganz hervorragend zum Valentinstag schenken lassen.
Sollte das wider Erwarten nicht klappen- wie klappt's denn stattdessen mit der Do-it-Yourself-Variante?

Die für Laien wie uns, die wir kein Arsenal von Tinkturen, keimfreien Gefäßen und mittelgroßen Gewächshäusern in der Hinterhand haben, geeignetste Vermehrungsvariante ist die vegetative.

Gerade die Schmetterlingsorchidee neigt wie sonst keine zur Kindelbildung am Blütenstiel. Sie ist netterweise lebendgebärend und produziert fertige Orchideenjungspunde inklusive Blättern und Wurzeln.
Die Babies muss man nur noch abtrennen und einpflanzen, sobald sie auf eigenen Beinen stehen können.

Meine beiden Orchideenkindel aus dem Schwitzkasten (ich berichtete) sind zwar im grünen Bereich seit August nicht merklich gewachsen, haben aber seit Monaten fleißig an Blüten gebastelt, um sie mir im garstigen Monat Februar zu präsentieren, als hätten sie gewusst, welchen Aufruhr das gerade dann verursachen würde.
Zu groß war wohl ihre Angst, zu einem späteren Zeitpunkt unter einer Übermacht von Rosen, Tulpen und Nelken keinerlei Beachtung mehr zu finden. Die Sorge ist zweifelsohne völlig unbegründet - Phalaenopsis würden bei mir niemals ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom erleiden.

Der zwergenhafte Wuchs meiner beiden Grazien macht sie nur umso entzückender - diesem Charme muss man einfach erliegen. Apart im Leopardenmuster kommen sie daher.


So einfach diese Variante der Vermehrung ist, so sehr geizen die meisten Flattermänner leider damit.

Bliebe noch die geschlechtliche Vermehrung. Die ist erstmal kinderleicht.
Man nehme zwei Phalaenopsis in Blüte und einen Zahnstocher, Schaschlikspieß oder was auch immer der Haushalt so hergibt.

Mit Hilfe des Stabes kann man einer Blüte ihr Pollenpaket entnehmen. Dazu greift man der Orchidee von unten in den Rachen, bis das Paket am Stöckchen klebt und nicht mehr an der Blüte.



Und das klebt verdammt gut! Kein Wunder, dass bestäubende Insekten auf diese Art ein merkwürdiges zweites Fühlerpaar erhalten, was sicher ziemlich albern aussieht, so dass sie ihre Hörnchen schnellstmöglich wieder loswerden wollen.


Bestäuben geht so: Dazu navigiert man den Stab mit dem Pollen jetzt zur zweiten Pflanze und versucht, damit die Lippe von unten zu treffen.

 

Etwas knifflig ist, das klebrige Paket dazu zu überreden, zur Abwechslung mal nicht mehr am Zahnstocher, sondern am Stempel der Pflanze zu halten. Aber man muss auch loslassen können und schließlich hält das ganze dort, wo es von Natur aus halten soll.
Nein, nicht am Finger...


Nach ein paar Monaten schwillt der bestäubten Blüte eine Samenkapsel, voll mit Millionen winziger Samen.

Und jetzt beginnt der frustrierende Teil, denn die Aussaat gelingt meist nur dem Profi.
Die mikroskopisch feinen Samenkörner sind nämlich deshalb so schmächtig, weil sie die Sparvariante eines Vermehrungsvehikels darstellen: Sie enthalten keinerlei Nährgewebe, so dass sie ohne fremde Hilfe nach der initialen Keimung nicht lange überleben können.
Dazu brauchen sie einen speziellen Wurzelpilz, den man leider nicht in Wohnzimmern antrifft. Das wäre zu einfach.

Orchideenzüchter besitzen solcherlei Hilfsmittel natürlich, sonst könnte das ja jeder.

Wenn man also auf den Anblick einer selbstproduzierten Samenkapsel gut verzichten kann, tut man seiner Orchidee einen großen Gefallen damit, sie nicht zu bestäuben. Dann blüht sie auch schneller wieder.

Langsam bekommt man eine leise Ahnung, warum Orchideen nicht für ein paar Cent zu haben sind.

Außer man hat das ganz große Glück, eine Pflanze zuhause zu haben, die als Hobby gern Ableger treibt.
Das ist dann wie Ostern und Valentinstag und Schmetterlinge im Bauch zusammen!

Samstag, 5. Februar 2011

Wünsch dir was!

Manchmal ist es geradezu unheimlich, wie prompt manche Wünsche doch erfüllt werden.
Und noch dazu an einem Sonntag, und zwar keinem verkaufsoffenen, wo man sich selbst mit monetärer Hilfe und entschlossenem Zücken der Geldbörse nur allerkleinste - meist kalorienhaltige - Dinge schenken kann.

Unzählige Male hatte ich bereits die sagenhaften Sperrmüllfunde anderer bewundert, doch immer wenn ich  einem solchen Ereignis beiwohnen durfte, hinderten mich irgendwelche Widrigkeiten daran, wirklich wahre Schätze an mich zu reißen.

Hinderungsgrund Nummer ein: Ich eilte gerade zur Arbeit und nahm nur noch aus dem Augenwinkel und im Halbdunkel eine möglicherweise absolut begehrenswerte alte Kommode wahr, hatte aber nun überhaupt keine Zeit, der Sache gründlich auf den Grund zu gehen.
Bei derartigen Ablenkungen hilft nur: Die Augen geradeaus, bevor man unsanft mit dem nächsten Laternenpfahl Bekanntschaft macht (stand der eigentlich schon immer da?). Naja, sicherlich waren die inneren Werte des guten Stücks halb von Moder zerfressen oder enthielten unliebsame Mitbewohner: So ungefähr tröstet sich frau dann über den entgangenen Fang hinweg.

Hinderungsgrund Nummer zwei, und das ist der weit häufigere: Der Sperrmüllhaufen sieht aus wie die Tagesproduktion eines mittleren Spanplattenwerkes mit noch dazu schlechtem Farbgeschmack. Wann waren noch mal schwarze Regale aus mitteldichter Faserplatte modern? Ach ja, die guten alten 80er. Tolle Musik, deprimierende Möbel. Auch leukoplastfarbene Küchenschränke halten sich bevorzugt an Straßenrändern auf, ebenso wie altgediente Ledersofas mit eindeutigen Spuren eines Kratzbaumes beraubter Sofatiger.

Aber man muss ja auch mal Glück haben. Letzten Sonntag war es dann endlich soweit.

Beim langen Spaziergang durch Felder, Wiesen und Schrebergärten entdeckte ich in meinem Lieblings-Kleingarten diesen zauberhaften bepflanzten Topf, absolut witterungstauglich und farblich durchaus ansprechend:


So einen großen Topf, den wollte ich auch, und zwar möglichst gestern.

Nach einer großen Schleife durch die Parkwiesen (wir waren schon etwas müde gelaufen), etwa auf gleicher Höhe des topfreichen Schrebergartens, aber einige Parallelstraßen weiter, lag plötzlich ein unförmiges, übergroßes Hindernis im Weg. Ich traute meinen Augen kaum: Ein Sperrmüllhaufen!

Und was für einer! Nicht zu übersehen lag an vorderster Front ein Berg Altmetall, dessen Hauptdarsteller ein alter Einkochtopf oder Waschkessel der Marke "Constantia" war.

Der musste selbstverständlich mit, hatte ich mir doch eben noch einen antiken Topf zum Bepflanzen gewünscht!

Der Rückweg wurde mit diesem sperrigen Gewicht dann zwar etwas beschwerlich, allerdings auch kurzweilig, denn jeder zweite Passant wollte die Geschichte des schönen Topfes wissen und stellte Mutmaßungen über Zweck und Alter an, bis letzte Schätzungen sich auf die 40er Jahre konzentrierten.

Für das Foto steht übergangsweise mein Kaffeestrauch Modell, der ob der Jahreszeit etwas beleidigt ist und einigermaßen gerupft aussieht. Trotzdem erfreut er mit Kaffeekirschen in rot und grün.


Nach draußen darf der Topf leider nicht, da das zeitgenössische, ungemein zierende Etikett ein Aufkleber ist und sich schleunigst in Wohlgefallen auflösen würde - Was andererseits darauf hindeutet, dass das gute Stück nicht oft mit Wasser in Berührung gekommen sein muss.

Wir werden sehen, welchem meiner grünen Lieblinge der Kessel am besten zu Gesicht steht. Der Kaffee ist schon mal ein guter Anfang, allerdings hätte der etwas dagegen, wegen seines Übertopfes im Sommer Stubenarrest zu bekommen, bloß weil dessen Etikett so eine Mimose ist.

Wünschen lohnt sich also doch und das Glück liegt manchmal auf der Straße. In einem Sperrmüllhaufen.

Mittwoch, 2. Februar 2011

Das Parfum

Das haben sie nun davon. Ertrugen klaglos Zugluft, völlige Vernachlässigung und fehlende Beachtung.
Sie waren die schweigenden und unfreiwilligen Gäste verstaubter und verräucherter Bahnhofskneipen und anderer zwielichtiger Etablissements.
Sie wurden als Aschenbecher missbraucht oder mussten als beblätterter Büroinsasse so manche Tasse kalten Kaffee verschwinden lassen, was gleichzeitig ihre einzige Gelegenheit darstellte, überhaupt Nahrung in flüssiger Form aufzunehmen. Denn das Gießen wurde oft einfach gänzlich unterschlagen.

Sie waren das pflanzengewordene Symbol für Tristesse und Einsamkeit schlechthin.


Und doch: Diese Zimmerpflanze mit Migrationshintergrund hat es trotzdem geschafft. Die grünste Nebensache der Welt hat sich durchgebissen.

Es handelt sich um die Sansevieria, den Bogenhanf, oder auch gar nicht liebevoll Schwiegermutterzunge genannt. Sansevieria, die Verkannte, die stiefmütterlicher behandelt wurde als jedes Stiefmütterchen.

Einen geradezu legendär schlechten Ruf hatte Sansevieria trifasciata inne. Gerade sie musste wie keine zweite als Mauerblümchen vielen Glasbauwänden den letzten Schliff geben und schmückte so manches öde Treppenhaus.

Dabei ist ihre Anspruchslosigkeit sprichwörtlich: Zuviel Wasser bringt sie eher um als zuwenig.
Die ideale Pflanze für Gießmuffel und vergessliche Zeitgenossen!

Nach jahrzehntelanger Funkstille sieht man sie zum Glück erneut überall.
Und schon wieder bewohnen sie Kneipen, doch diesmal können sie sich was drauf einbilden, sind es doch in der Regel schicke Szenelokale, die die Sansevierie als Stilmittel wiederentdeckt haben - denn was dem Küchenchef der reduzierte Aceto Balsamico an Rucola-Salat, ist dem Innenarchitekten die Sansevierie.

Doch können Pflanzen denn tatsächlich ganz ohne fremde Hilfe altmodisch sein oder gar spießig?
Da sie hauptberuflich aussehen wie eine grüne Skulptur, sind Sansevierien eher für das moderne Wohnzimmer als für den Landhausstil geeignet. Im richtigen Übertopf und als Alleinherrscher auf der Fensterbank sind sie durchaus ein extravaganter Blickfang.

Ich gebe zu, auch bei mir war es keine Liebe auf den ersten Blick. Ich war mit dem Bogenhanf am Wohnzimmerfenster großgeworden und war fest entschlossen, nicht auch noch mit ihm alt zu werden.
Aber manchmal ist es eben höhere Gewalt - und die kam in Form von diversen Plagen wie Thripse und Spinnmilben über alle Pflanzen, die eine schöne grüne Senkrechte an mein eigenes, sonniges Wohnzimmerfenster zaubern sollten, aber bitte ohne allzusehr in die Breite zu gehen.

Also bat ich eben doch meine Mutter, mir Ableger von ihrem greisen Bogenhanf zu schenken, der gut und gern so alt sein wird wie ich.
Dabei handelte es sich um den Kneipen-Klassiker schlechtin: Sansevieria trifasciata "Laurentii" - seit jeher heiß geliebt oder glühend gehasst. Ich beschloss, ihn zur Abwechslung mal zu lieben.

Und er hat es verdient: Toleriert Heizungs- wie Zugluft, verzeiht kleinere Nachlässigkeiten und größere Urlaube ohne Pflege und sieht immer gut dabei aus. Schädlinge können ihm den Buckel runterrutschen.

Den Bogenhanf kann man mittlerweile in allen möglichen Sorten wieder käuflich erwerben.
Aber das kann man auch lassen, wenn man jemanden kennt, der noch so ein Schmuckstück besitzt.
Am besten ist natürlich so ein altehrwürdiges Exemplar mit Kultfaktor - aus der Zeit, als die Welt noch schwarz-weiß war.

Die Pflanze kann man ganz leicht teilen - selbst, wenn die Ableger nur eine homöopathische Dosis Wurzeln mit auf den Weg bekommen haben, das wird schon. Die Sansevieria bringt so schnell nichts um.

Ganz Geduldige können sich auch an Blattstecklingen versuchen.

Und wer sich die ganze Bogenhanf-Bande trotz nachweislicher Braune-Daumen-Toleranz dann doch nicht so recht zutraut, der versuche es doch einmal mit selbstgebastelten Sansevierien-Püppchen.
Aber beschwere er sich nachher nicht, dass die nicht blühen!



Das ist nämlich die größte Ehre, die einem eine Sansevieria zuteil werden lassen kann - der Duft ist unbeschreiblich und kann ein ganzes Zimmer erfüllen - das reinste Raumparfum.
Wer hätte gedacht, dass das ehemalige Kneipenkind so ein Gespür für das Ätherische hat?