Mittwoch, 26. Oktober 2011

Edelmetalle

Auch im goldenen Oktober ist nicht alles Gold, was glänzt. Noch nicht mal Katzengold.
Und erst recht kein Silber. Hier ein Beispiel:


Dieses zarte Geschmeide ist kein wie auch immer geartetes Edelmetall, sondern die Kriechspur einer Schnecke.
Sowas findet man auch schon mal quer über die Terrassentür geschleimt vor, vorzugsweise nach dem Fensterputzen.

Das schlimmste an den Weichtieren ist aber nicht der Schleim, sondern ihre Gefräßigkeit.
Wobei ich nach wie vor der Überzeugung bin, dass von den Schnirkelschnecken weniger Gefahr ausgeht.

Gut, ich vermute mal, diese hier gehen nicht nur auf den Hosta-Blättern spazieren:



Und das Loch in diesem Beinwellblatt ist sicher nicht ganz zufällig unter dem Winzling:


Aber sei's drum: Beinwellblätter hat's genug und auch Lochfraß an den Funkien stört mich weniger als der komplette Kahlfraß einer Pflanze oder gar dieses feinschmeckerhafte Gebahren, wenn ausschließlich die Blüten vertilgt werden. Und die sind schließlich das Beste an einer Staude.

Bei solchen Missetaten habe ich bis jetzt immer nur die Nacktschnecken erwischt. Und zwar oft genug inflagranti, was mir bei der Gattung Cepea noch nicht gelungen ist.

Und seien wir mal ehrlich - wer könnte diesen Wesen schon ernsthaft böse sein?


Können diese Augen lügen?

Helix aspersa mit Anhalter (keine gestellte Szene)

Hier zeigt eine Schnirkelschnecke ihr ganzes athletisches Können bei der Verschönerung der Multiflora-Hagebutten, deren mittlerweile wenig dekoratives Anhängsel sie mit chirurgischer Präzision entfernt, ohne der Frucht zu schaden (ich habe das kontrolliert):



Zugegeben, auch die Nacktschnecken können sich nützlich machen, wie hier beim Eliminieren von Grasschnitt:


Aber sie können eben auch anders.

Da allerdings das Schneckenkorn nicht zwischen ihnen und den Häuschenbesitzern unterscheiden kann, bin ich mittlerweile dazu übergegangen, es nur noch im absoluten Notfall zu verwenden, etwa im Frühjahr, wenn wieder mal die Narzissenblüten in Gefahr sind oder die der Scillas.

Im Sommer benutze ich eher die Schere. Nur zum Drohen natürlich. Na, ihr wisst schon...
Ist eklig und kostet anfangs einige Überwindung, diese Waffe wirklich einzusetzen, aber die Entschlossenheit steigt proportional zu der Anzahl der ruinierten Pflanzen.
Ist auch billiger als das teure Ferramol. Nur eben nicht so anonym.

Aber die Schnirkelschnecken sind mir das wert.

Sonntag, 23. Oktober 2011

Der botanische Kettenbrief

Es gibt Pflanzen, die bergen gleich mehrere Kindheitserinnerungen in sich.
Und damit meine ich schöne Erinnerungen, nicht etwa kulinarische Entgleisungen wie Rosenkohl auf dem Teller, den ich bis heute nicht leiden kann.

Diese Pflanze, die ich meine, vermehrte sich damals ausschließlich durch Kindergeburtstage, wo sie unter der Hand als ganz heiße Ware vom Geburtstagskind zu den Gästen weitergereicht wurde.
Wir nannten sie Babywerfer, weil sie so lustige, schon fix-und-fertige Jungpflanzen an ihren Blättern hervorbrachte. Ohne jemals Blüten produziert zu haben. Das war eine Sensation.
Jedes Kind muss damals eine gehabt haben. Selbst bis in die Grundschule auf die Fensterbank hatten sie es geschafft. Trotzdem konnten sie am Ende weder Lesen noch Schreiben.

Korrekt heißt es Brutblatt und war vermutlich eine Kalanchoe daigremontiana.

Die Dinger haben das Schneeballsystem erfunden - man musste sie immer weiterreichen, bis das System am Ende kollabierte. So ähnlich wie die Kettenbriefe, die wir als Kinder auch mit Begeisterung verfasst haben.

Die winzigen Nachkommen, die man ergattert hatte, wurden zu Hause sorgfältigst eingepflanzt und dann mit Spannung beobachtet.
Wann kamen den nun endlich die ersehnten Babies? Und dann erschienen sie, und zwar mehr als man weiterverschenken konnte. Schließlich hat man nur einmal im Jahr Geburtstag.
Darüberhinaus lehnten irgendwann alle Gäste dankend ab. Komisch.

Der Nachwuchs landete als Trittbrettfahrer schon bald in den benachbarten Blumentöpfen, sehr zum Leidwesen meiner Mutter, die dadurch auf der Fensterbank mehr jäten musste als im Garten.
Als der Reiz des Neuen schließlich vergangen war und die Babywerfer eher aussahen wie sukkulentes Unkraut und nicht wie eine vorzeigbare Zimmerpflanze, wurden sie irgendwann entsorgt. Wahrscheinlich mussten sie den Winter draußen verbringen, das kommt der Todesstrafe gleich.
Meine Mutter hatte in den darauffolgenden Jahren endlich Ruhe vor dem Zeug, bis auch meine Schwester in das kindergeburtstagsfähige Alter kam, dann ging der Spaß von vorne los.

Tja, und so dachte ich, die Zeiten des Babywerfers auf der Fensterbank wären Geschichte, bis, ja bis ich letztes Jahr auf einer Landesgartenschau in der Ausstellungshalle ein paar Exemplare entdeckte, die ihre Babies bereits auf den Boden geworfen hatten.
Das war höhere Gewalt, die gestrandeten Exemplare mussten mit.

Zu meiner Entschuldigung kann ich anführen, dass es nicht die unkrautige Variante war, sondern die architektonisch wertvolle im modischen Fischgrät-Look mit Leopardenmuster:





Es handelt sich hierbei um Kalanchoe tubiflora, syn. Bryophyllum tubiflorum oder auch Kalanchoe delagoensis.

Dieses Brublatt ist wirklich ausnehmend hübsch. Filigran gebaut mit aparten Flecken, die sich erst mit zunehmendem Alter zeigen.
Pro Blatt kann es 4, oft sogar 6, Jungpflanzen hervorbringen, das macht bei 100 Blättern nach Adam Riese bereits mindestens 400 - und ein Exemplar kann im Laufe seines Lebens deutlich mehr Blätter haben!



Einmal hat es draußen im Regen auf der Terrasse gestanden - schon wurzelt in den Fugen der Nachwuchs.

Selbst Katzen versucht es zu besiedeln, allerdings scheiterte dieses kühne Vorhaben schon bald, obwohl das Basislager an der Westflanke vielversprechend aussah:


Man kann sich vorstellen, dass diese ausbreitungswütige afrikanische Pflanze nicht überall auf der Erde Freunde hat. In den Tropen kann sie einmal eingeschleppt zu einem Problem werden.

In unseren Breiten scheitert die Übernahme des Gartens und darüber hinaus zum Glück am jährlich wiederkehrenden Frost.

Die Kultur des schlanken Brutblatts ist denkbar einfach. Ein sonniger Platz wird vertragen, es kommt wochenlang ohne Wasser aus und lässt sich zur Not einkürzen, wenn es zu groß wird.

Kommen wir nun zum Kettenbrief: Wer dieses interessante Pflänzchen sein Eigen nennen möchte, nur zu, bitte melde dich. Ein paar Briefchen mit Babies kann ich verschicken - wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Ihr verpflichtet euch lediglich, den Nachwuchs eurerseits an 10 Freunde weiterzugeben. Nein, war natürlich nur Spaß.
Ihr geht mit der Annahme einer Lieferung keine weiteren Verpflichtungen ein. Außer natürlich Unkrautzupfen auf der Fensterbank. Versprochen.

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Fehlermeldung

"Woran arbeiten Sie?" wurde Herr K. gefragt. Herr K. antwortete: "Ich habe viel Mühe, ich bereite meinen nächsten Irrtum vor."

Dieser kleine, harmlos erscheinende Text von Bertold Brecht wurde damals im Deutschunterricht als Klassenarbeit vorgelegt. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich mit meiner Interpretation ganz gründlich danebenlag und mich um Kopf und Kragen argumentiert habe, um meinen Irrtum in halbwegs brauchbare Bahnen zu lenken.

Auch im Garten kann man viel oder wenig Mühe darauf verwenden, seinen nächsten Fehler vorzubereiten.
Dass das einer werden wird, weiß man natürlich vorher nicht, das wäre zu einfach.
Sie aber niederzuschreiben wirkt vielleicht dem Vergessen entgegen und man kann es im nächsten Jahr zur Abwechslung einmal richtig machen.

Und da Schadenfreude doch die schönste Freude ist, zeige ich jetzt meine diesjährigen Lieblingsfehler.
Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, stattdessen habe ich mir die Fehler herausgesucht, die auch ausreichend mit Bildmaterial dokumentiert wurden - oder unter die Kategorie "Was ich noch sagen wollte" fallen.
Diverse Freiluft-Slapstickeinlagen der Gärtnerin höchstpersönlich werden hier bewusst nicht aufgeführt, da zum Glück keine bildhaften Dokumente darüber vorliegen (hoffe ich...).

Auf Platz 5: Gut verpackt ist halb gekeimt

Wer Samen verschickt, die mehr sein sollen als ein schlechtes Beispiel (oder Mehl), sollte sie in Watte packen.
Sonst erhält der Empfänger Saatgut mit akuter Keimhemmung, die weder Frost noch Wasser noch gute Worte aufzubrechen vermögen.
So geschehen bei meiner Sendung an Verena, bei der ich die Samen leichtsinnigerweise in einen einfachen Papierumschlag gesteckt hatte. Aber seht selbst, was daraus wurde - besser als Verena kann ich das Drama nicht dokumentieren. Es fand schließlich eine Ersatzlieferung statt - diesmal in einem Luftpolsterumschlag, die ich seitdem für solche Zwecke aufhebe, falls sich einer in meinem Briefkasten befindet.

Auf Platz 4: Basilikum ernten will gelernt sein

Hier kann man doch nichts falsch machen, oder? Doch kann man, leider. Bei der ersten Ernte an einem Basilikumtopf merkt man noch nichts, da reicht es noch für eine Pesto-Mahlzeit.
Erst danach zeigt sich, ob man alles richtig gemacht hat. Zupft man nämlich wahllos einzelne Blätter ab, schwächt man die Pflanze und sie setzt an zum Notprogramm, das da heißt: Blüte. Dann ist es Essig mit der Ernte.
Stattdessen sollte man die Kräuter lieber entspitzen. Dann treiben die Nebenknospen aus und man hat wieder eine schöne, geschlossene Blattkrone für's nächste Pesto.

Hier zwei Töpfe, die den Unterschied zeigen - links richtig, rechts falsch gemacht:


Blühen die Pflanzen erst, muss man aus der Not eine Tugend machen: Die Hummeln freuen sich und werden für einen reichen Samenansatz sorgen - damit man auch im nächsten Jahr wieder ernten kann.

Auf Platz 3: Die Sache mit der fettleibigen Blüte

Da hatte ich mich aber ganz schön ins Bockshorn jagen lassen, als meine Taglilie plötzlich mit einer besonders aufgeblähten Knospe daherkam. Besagte Hemerocallis ist eine ganz hundsgewöhnliche fulva:


Umso größer mein Erstaunen, als dieses verdickte Etwas erschien, direkt neben einer normalgroßen Knospe:


Nun, wenn Rosen Sprossmutationen haben können, warum sollen Taglilien nicht zu etwas Ähnlichem fähig sein? Und so freute ich mich schon auf eine ganz extravagante Blüte, eine gefüllte, von nie gesehener Pracht.
Jeden Tag schlich ich um die Knospe herum, aber sie wollte sich einfach nicht öffnen. Die macht es aber spannend, dachte ich noch, bis ich doch misstrauisch wurde, und so fand ich bei Internet-Recherchen heraus, dass hier ein Parasit am Werk ist, nämlich die Hemerocallis-Gallmücke. Na, prima, aus der Traum von der neuen Sorte.

Auf Platz 2: Pazifismus wird manchmal überbewertet

Wer die Sempervivum-Minierfliege unterschätzt, wird mit matschigen Blättern nicht unter drei Monaten bestraft. 
Das hier ist sie übrigens nicht, das ist Megachile willughbiella, die Blumentopf-Blattschneiderbiene, die auch gerne in Sempervivum-Töpfen haust, aber dort nur ihre Nester anlegt:


Hier ist sie nun: Cheilosia caerulescens, eine Fliege, die ihre Eier an die Blätter legt. Die Larven fressen diese von innen heraus leer, was zu unschönen, braunen Blättern und geschwächten Pflanzen führt:





Faulheit und Pazifismus sind hier fehl am Platze, wie ich feststellen durfte. Am besten sammelt man die befallenen Blätter konsequent ab, sonst sehen die kleinen Immergrünen eher schäbig aus.

Auf Platz 1: Russisches Roulette mit Buchs

Das hier ist mit Abstand der teuerste Irrrtum. Und der ärgerlichste.
Schon einmal musste der Buchsbaum an einer Stelle entsorgt werden, weil er bereits wenige Tage nach dem Kauf den Buchsbaumpilz präsentierte.Was für eine unglaublich dumme Idee, zu glauben, der Pilz wäre noch nicht im Boden etabliert. War er wohl entweder doch, oder aber es werden nur noch hochgradig verseuchte Pflanzen verkauft - jedenfalls zeigte auch die zweite Charge in Bälde böse Krankheitszeichen.
Also wieder auf zum Vernichtungsfeldzug.
Aber nun ist auch mal gut, keine Experimente mehr. Ab jetzt sitzen dort Stecklinge von Lonicera nitida.Und wenn sie nicht gestorben sind, so wachsen sie noch heute.

Freitag, 14. Oktober 2011

Ehrenkranz

Ich habe eine schlechte Angewohnheit.
Na gut, stimmt nicht. Ich habe Unmengen schlechter Angwohnheiten, sehr zum Entzücken meiner Mitmenschen.
Eine davon ist, dass ich im Supermarkt gerne die Gartenzeitschriften durchblättere, bevor ich mich zum Kauf entscheide. Meistens kaufe ich dann gar keine, weil mich doch nichts so richtig angesprochen hat.

Neulich musste ich mich dabei vor Schreck am Einkaufswagen festhalten, so sehr hatte mich ein Kranzgebinde in der "Flora Garten special" geschockt: Es bestand zur Abwechslung mal aus Zimmerpflanzen, und zwar aus dem Osterkaktus Hatiora gaertneri und dem Felsendickblatt Crassula rupestris, auch bekannt als Crassula Hottentot. Zumindest Ersteres kann nicht ganz der Wahrheit entsprechen, denn den Bildern nach zu urteilen tippe ich eher auf H. salicornioides.



Hmm, warum nicht an Halloween mal etwas ganz Extravagantes zaubern, nämlich einen Kranz aus Lebenden Steinen (Lithops) und den Fangapparaten der Venusfliegenfalle?
Oder wie wäre es außerdem mit Orchideenblüten als Tischdekoration? Oder gar Bonsais als Grillanzünder?

Gut, ich übertreibe maßlos, aber ich finde, extrem langsam wachsende und/oder teure Zimmerpflanzen gehören in den Blumentopf, nicht in die Wohnzimmerdeko.
Es sei denn, man braucht sowieso gerade 20-30 Stecklinge vom Felsendickblatt, dann ist es durchaus statthaft, sie vorher noch übergangsweise in einem floristischen Arrangement unterzubringen.

Meine Hottentotte, die ich seit einem halben Jahr mühsam aus zwei Kopfstecklingen heranziehe, würde bestenfalls zu einem Minikranz taugen und ist damit absolut tabu.


Selbst wenn es die Zutaten zu diesem Gebinde im Floristikbedarf käuflich zu erwerben gäbe - ich kenne mich: Bevor sie auch nur ansatzweise den Umweg über den Kranz nehmen würden, täten sie mir schon wieder leid und ich hätte eine zweistellige Anzahl Stecklinge feinsäuberlich in Töpfen - und damit ein hausgemachtes Platzproblem.

Muss ja auch nicht sein, schließlich gibt der Garten genug her an Material zum Kränzebinden.
Und auch der Park ist voll von dekorativen, kompostierbaren Materialien:



Meinen Fallobstkranz aus Zieräpfeln hatte ich bereits vorgestellt:


Hier mein neuestes Gebinde aus Staudenwicke, Zieräpfeln, Heuchera-Samenständen und Lysimachia ciliata "Firecracker":


Lysimachia ciliata "Firecracker"
Zugegeben, ein Siegerkranz ist es nicht. Selbst der Wind fand ihn nicht gelungen und hat das Machwerk ohne große Umscheife vom Tisch gefegt. Naja, man muss auch verlieren können.

Und daher werde ich jetzt meine neue Gartenzeitschrift zuende lesen, die ich schließlich nur zu Recherchezwecken gekauft habe, der Kränze wegen....

Freitag, 7. Oktober 2011

Kleine Schätze

Frostkeimer sind anstrengend, nervtötend geradezu.
Wenn man sich selbst eher als Warmkeimer und Langtagpflanze fühlt, kann man sich überhaupt nicht vorstellen, warum gerade ein Kältereiz viele Samen zum Austreiben veranlasst.
Auch mit Lichtkeimern - obwohl schon viel sympathischer als die Frostfraktion - kann man sich nicht so richtig anfreunden. Das Versenken von Saatgut in die Erde und das Zudecken mit Substrat wie mit einem warmen Mantel ist für uns Hobbygärtner der Inbegriff des Säens. Das hat etwas Fürsorgliches an sich, während das ungeschützte Liegenlassen der Samen auf der Oberfläche sich so lieblos anfühlt.
Dunkelkeimer sind daher etwas intuitiver in der Handhabung.

Lichtkeimer reagieren unter der Erde beleidigt und Kaltkeimer neigen im Sommer zum Warnstreik.
Nichts ist frustrierender als das versehentliche Aussäen von Kaltkeimern in warmen Temperaturen - auch wenn Vorfreude die schönste Freude ist, irgendwann ist's doch mal gut mit Warten...
Schwerkeimer sind auch kein Kindergeburtstag. Die heißen nicht so, weil ihre Keimlinge so viel auf die Waage bringen, sondern weil sie uns in den sicheren Wahnsinn treiben können mit ihrer Weigerung, in annehmbarer Zeit ein paar läppische Keimblätter zu präsentieren. Sie keimen extrem unregelmäßig und verschlafen lieber noch ein Jahr, bevor es losgeht.

Leider ist es nicht immer einfach, herauszufinden, zu welcher Kategorie die Pflanze gehört, die man gern vermehren möchte.
Manchmal kommt man aber über Umwege und mit ein bisschen Detektivarbeit an die richtige Lösung.

Blüte vom Herbst-Alpenveilchen

Wie beim Herbst-Alpenveilchen (Cyclamen hederifolium), dessen Samen von Ameisen verschleppt werden sollen. Aha - klingt nach Dunkelkeimer, denn in deren Nestern ist es zappenduster.
Leider konnte ich aber keine flinken Ameisen, sondern lediglich träge, aber mit gutem Appetit gesegnete  Nacktschnecken an den frischen Samen beobachten.
Da die Mollusken nicht gerade dafür bekannt sind, pfleglich mit Saatgut umzugehen und es unverdaut und vor allem keimfähig an geeigneter Stelle wieder an die Luft zu setzen, wurden die Samen konfisziert, und zwar von mir.

Samenkapsel der letztjährigen Blüten im Juli

Und dann ohne große Umwege dahin, wo die Sonne nie scheint: Unter die Erde.
Freie, schattige Beetstellen wurden mit Alpenveilchen in spe geimpft, und auch in einem großen Holzkübel habe ich Samen versenkt.

Und dort zeigt sich nach ein paar Monaten nun dieses kleine Wunder - man braucht zwar fast eine Lupe, aber es ist da:



Wenn das nicht das schönste erste Blatt einer Jungpflanze überhaupt ist?
Ganz die Frau Mama, zeigt der Knirps bereits eine feine weiße Zeichnung.
Ausgewachsen kann das dann so aussehen:



Die Blumenerde im fraglichen Kübel ist auch neu und weit weg von der Mutterpflanze, so dass ausgeschlossen werden kann, dass bereits im letzten Jahr Samen per Ameisenkurier dorthin gelangten.
Dass dieses eine Alpenveilchen kein Kaltkeimer ist, sei damit hinreichend bewiesen.

Nun gilt es, den Zwerg über den Winter zu bringen. Könnte im Topf schwierig werden, vor allem, weil Herbst-Alpenveilchen auch in der kalten Jahreszeit ein bisschen Himmel sehen wollen und sich deshalb nicht gern zudecken lassen.
Aber wer so entschlossen keimt, muss doch eine Kämpfernatur sein.
Vielleicht geht die Alpenveilchen-Saga also im nächsten Jahr weiter. Und wer weiß, womöglich wird der Sämling in ein paar Jahren sogar weiß blühen? Vorfreude ist eben doch die schönste Freude....

Dienstag, 4. Oktober 2011

Pilzpost

Pilze im Garten sind nicht immer ein Geschenk des Himmels...

Manche sind zwar durchaus essbar, aber trotzdem möchte man sie weit weg wissen, denn sie bedeuten nichts Gutes, wie der Hallimasch, der böse Baumzerstörer.

Dann wären da noch die für den Garten harmlosen, die zwar nicht essbar sind, aber wenigstens hübsch aussehen.

Unbekannt, aber dekorativ

Flaschenstäubling (Lycoperdon perlatum)

Specht-Tintling (Coprinopsis picaceus)


Eine Pilzart, die sich gern freiwillig und reichlich im Garten ansiedelt, ist jedoch jeden Pfifferling wert: Der Schopftintling (Coprinus comatus).


Wenn er auf dem Rasen oder im Blumenbeet auftaucht, sollte man sich glücklich schätzen, da er ein hervorragender Speisepilz ist. Unterirdisch benimmt er sich auch, greift keine Pflanzen an und soll sogar Nematoden fangen können, die ja immer einen eher zwielichten Ruf genießen, weil einige Arten Wurzelschädlinge sind.

Gut, einen Schönheitsfehler hat er: Erstrahlt er zunächst in fast reinem Weiß (das ist auch der richtige Zeitpunkt, ihn in die Pfanne zu hauen), zeigt er schon bald seine dunkle Seite und verflüssigt sich zu einer pechschwarzen, tintenartigen Substanz (daher der Name). So verbreitet er seine Sporen, zum Beispiel mit der Schneckenpost.


Das sieht zwar nicht appetitlich aus, aber aus diesem schwarzen Matsch könnten literarische Meisterwerke entstehen! Man kann nämlich aus dem verflossenen Tintling eigene Tinte herstellen!

Geht ganz einfach: Sobald die Substanz flüssig genug ist, kann man sie einsammeln und bei Bedarf mit etwas Wasser verdünnen. Das Odeur, das diesem Gebräu enströmt, ist ein typischer, ganz schwacher Pilzgeruch, aber keinesfalls riecht es unangenehm.

Früher hat man so tatsächlich Tinte hergestellt und mit Nelkenöl konserviert. Das hatte ich dummerweise gerade nicht vorrätig.
Außerdem habe ich zuviel Wasser zugesetzt. Macht aber nichts: In dieser Form hat man wunderbare Aquarellfarbe zur Hand, wenn auch nur in tristem Dunkelgrau. Was anderes kann der Pilz eben nicht - entweder ist er Weiß oder Schwarz, mit karnevalistischen Einlagen hat er nichts am Hut.

Schreiben muss man allerdings immer noch selbst, der Tintling hat wenig eigenes literarisches Talent.

Und was wäre stilvoller, als die selbsthergestellte Tinte auch mit einer selbstgebastelten Feder zu verwenden?
Dazu nehme man eine Vogelfeder, die gut in der Hand liegt. In Parks und Gärten sind abgefallene Ringeltaubenfedern meist keine Mangelware, an der See dagegen ist eher Möwenfederlese ortsüblich. Der Klassiker schlechthin ist natürlich eine Gänsefeder.

Den Kiel ganz unten schräg abschneiden, fertig.
Nach Gebrauch ist so eine Feder, die sich zum Schreibgerät gemausert hat, garantiert biologisch abbaubar, auch mit Tinte.




Meine ist eine Austernfischerfeder von der Nordseeküste.



Wer weiß, wieviele Tintlinge sich früher mit handgeschriebender Pilzpost verbreitet haben?
Schneller, höher, weiter als über Briefwechsel kann wohl keine Ladung Sporen Neuland betreten...