Dienstag, 27. Dezember 2011

Die Kleiderklinik

Die meisten Unfälle passieren zwar im Haushalt, aber die meisten Löcher in Kleidungsstücken entstehen wohl im Garten. Entgegen anderslautender Meinungen rührt das Gros der Kratzer an meinen Händen und Unterarmen sowie die meisten aufgerissenen Pullover nämlich nicht von meiner Katze, sondern von meinen Rosen her. Rosensträucher sind in dieser Beziehung eindeutig den Destruenten zuzuordnen.
Auch das Radfahren zum Gartencenter und zu Ausflügen in die öffentlichen Gärten der Region hinterlässt Spuren: Die Lieblingsjeans bekommt Löcher. Nun wäre es nicht meine Lieblingsjeans, wenn der Verlust nicht schmerzen würde: Etliche glückliche Jahre haben wir zusammen im Garten verbracht. Ein geübter Blick auf das Gebiss ihres Reißverschlusses lässt auf ein Alter von etwa 7 Jahren schließen. Historische Bilddokumente unterstützen diese erste Schätzung. Aber Jeansjahre sind Hundejahre und sieben Sommer damit für ein Beinkleid, das oft getragen wird, ein geradezu biblisches Alter.


Was also tun, wenn man sich mit diesem Kleidungsstück nur noch vermummt ins nächste Gartencenter traut? Wegwerfen ist zwar naheliegend, aber der Ersatz nicht billig und die Tat nicht umweltfreundlich. Eine Reparatur wäre schön, aber geht das?


Um das herauszufinden, habe ich mit Spannung das Buch "Hilfe, meine Jeans hat ein Loch - Repair-Ideen für Kleiderkatastrophen" aus dem Frechverlag gelesen. Ich stelle es hier vor, weil es ein Zeichen setzt gegen die Wegwerfgesellschaft. Das Titelbild ist meiner maroden Gartenhose außerdem wie aus dem Gesicht geschnitten:



Die Autorin des Buches, Laura Hertel, ist erst Anfang 20, und so jugendlich frisch sind auch ihr Schreibstil sowie die Bilder und Zeichnungen. Die Zielgruppe sind daher auch junge Leute oder Junggebliebene - schließlich wird der Leser hier geduzt.

Die ersten Kapitel beschäftigen sich mit Stoffkunde und Nähzubehör, bis es um die eigentlichen Kleiderkatastrophen geht. Damit man gleich mit dem Reparieren anfangen kann, werden zunächst einfache Malheure beschrieben, die man mit der Hand ohne Nähmaschine kurieren kann: Aufgeplatzte Nähte, abgefallene Knöpfe, ausgerissene Säume, Löcher in T-Shirts oder gezogene Fäden an Strickjacken (das Spezialgebiet der Rosen).
Im nächsten Kapitel wird dann maschinelle Hilfe hinzugezogen: Löcher in Jeans und ausgefranste Säume sowie kaputte Reißverschlüsse werden repariert, bis es im dritten Abschnitt schließlich nicht mehr um akute, sondern um chronische Kleiderdefizite geht: Was nicht passt, wird hier passend gemacht, sei es ein zu kurzer Rock oder ein schlabberiges T-Shirt.



Zu jeder Katastrophe gibt es die Pflicht und die Kür: Erstmal den Schaden konventionell beheben und dann kreativ noch eins draufsetzen mit bunten Flicken oder Pailletten, um jeden Zweifel am Kleidungsstück aus dem Weg zu räumen und etwas ganz Individuelles zu schaffen.

Die Autorin verspricht, dass ihr Buch Lust macht, den Kleiderschrank nach möglichen Patienten zu durchsuchen und unverzüglich zu deren Rettung zu schreiten. Bei mir zumindest hat es geholfen: Ich habe gleich mehrere Löcher in T-Shirts und Strickwerk gestopft, bis ich schließlich besagter und betagter Lieblingsjeans zu Hilfe kam: Ich habe unter das Loch von links mit einer paar Handstichen einen Flicken genäht - mit Blümchenmuster, ist doch Ehrensache. Anschließend habe ich die Hose gewendet, um die Stofftransplantation mit der Maschine für die Ewigkeit zu bannen. Hier ergab sich gleich die erste Hürde: Wie bekomme ich die dicke Jeans unter den Nähfuß? Mit Geduld und Spucke sowie ein paar Dehnübungen (des Stoffes) ging es endlich. Dann begann der Nahkampf: Um die zu reparierende Stelle mit der Maschine zu erreichen, ohne die Hosenbeine zuzunähen, habe ich diese in immer neuen Verrenkungen um das Gerät geschlungen. Einmal musste ich ein Stück wieder auftrennen, hatte ich es doch erfolgreich fertiggebracht, eine Falte in die Jeans zu nähen, wo vorher keine war und auch keine sein sollte.

Noch ein bisschen rumgeschnippelt und so sieht nun das Endprodukt aus:



Taugt sicher nicht für einen feudalen Theaterbesuch, aber vielleicht doch für den Tripp ins nächste Gartencenter?

Schade fand ich, dass das Buch keine Fotos zu der klassischen Jeansrettungsmethode mit einem farblich passenden Flicken und anschließendem flächigen Drübernähen mit der Nähmaschine zeigt. Anhand der Zeichnungen kann man sich das Endergebnis nur schwer vorstellen - wie unauffällig ist diese Lösung wirklich? Gefehlt hat außerdem eine kreative Variante für den vom Fahrradfahren zerschlissenen Hosenboden, der immerhin beiläufig erwähnt wird. So eine Jeans habe ich nämlich auch noch im Fundus und einfach keine Idee, wie etwaige Flicken dort ausgehfein werden können. Ansonsten sind die Anleitungen aber verständlich geschrieben und die Zeichnungen so aufbereitet, dass man sich den Fadenlauf gut vorstellen und nachmachen kann. Nähprofis werden das Buch nicht brauchen, Anfänger dagegen bekommen eine gute Einführung in die einzelnen Techniken.

Und jetzt entschuldigt mich - ich muss einen Flicken annähen, um ein bereits repariertes Loch in einem T-Shirt endgültig ungesehen zu machen. Wie wäre es mit einem in Rosenform?

PS: Vielen Dank an bloggdeinbuch und den Frechverlag für das Rezensionsexemplar.

Samstag, 24. Dezember 2011

Frohe Weihnachten!

Ich wünsche allen Lesern wundervolle Feiertage!



Dem Wetter ist schon seit Wochen alles andere als weihnachtlich zumute, und so hatte ich genug Zeit und Muße, Stoffreste zu foltern und einige Selbstversuche an der Nähmaschine zu unternehmen. Wie man unschwer erkennen kann, herrscht zwischen dem Gerät und mir auch nicht immer eitel Sonnenschein - unser Verhältnis ist eher von Missverständnissen geprägt - aber zu Weihnachten haben wir uns wenigstens ein bisschen zusammengerissen:



Also, feiert schön und genießt die freie Zeit mit Freunden und Familie!
Elke

Dienstag, 20. Dezember 2011

Jetzt wird's wild - Teil III

Auch heute heißt es wieder - Wilde Rosen: Gute Idee oder gefährliche Liebschaft - Wie wild gebährden sie sich im kleinen Garten?

Ich stelle dieses Mal wieder zwei sehr gegensätzliche Rosenpersönlichkeiten vor: Zum einen wäre dort der personifizierte Stacheldraht schlechthin, zum anderen die auf Nordseeinseln mittlerweile allgegenwärtige Asiatin, die den Rekord im Dauerblühen einer Wildart hält. Beide haben aber eines gemeinsam: Sie sind  Expertinnen für Extremstandorte.

Zimtrose / Mairose (Rosa majalis)



Besonderheiten und Wuchs:
Warum die einheimische Zimtrose so heißt, darüber streiten sich die Geister: Während die einen einen zimtartigen Geruch wahrnehmen wollen, meinen die anderen, der Name käme von der Färbung der Zweige. Letzteres scheint mir wahrscheinlicher zu sein. Diese Rose kann 1,5 m, aber auch mal 2 m Höhe erreichen und wächst mit überhängenden Zweigen in alle Richtungen. Sie ist eine der wehrhaftesten Rosen überhaupt - der Albtraum von Einbrechern wie Kleidungsstücken gleichermaßen. Diese militante Mitbewohnerin hat hakenförmigen Stacheln, die so anhänglich wie zahlreich sind und stets dazu neigen, sich den Gärtner beim Schlafittchen zu packen. Die Blütezeit ist früh, die Blüten selbst aber wenig spektakulär, das Laub gesund, aber unscheinbar mattgrün. Daher scheint diese Rose im Mittelmaß zu versinken und ist äußerst selten überhaupt in Gärten zu finden. Wenn da nicht ihre besondere Fähigkeit wäre, auch schwierige Standorte zu besiedeln: Sie verträgt Überschwemmungen und kann daher auch in feuchteren Böden gepflanzt werden!

Ansprüche:
Kennt sie nicht. Toleriert nasse Füße, Halbschatten und Vernachlässigung.

Stacheln:
Sie hat nicht einfach nur welche, sondern daraus eine Kunst gemacht und bildet einen regelrechten Verhau aus wehrhaften Klauen. Eine Begegnung kann schmerzhaft enden. Da im Winter stets sehr viele Zweige im Inneren des Strauches absterben, wird das Auslichten zum Gewinn für die Wundpflasterindustrie.

Herbstfärbung:
Recht spät vereinzelt gelb werdend.

Blüte:
Pinkfarbene, kleine, duftende Blüten im Mai.

Blattgesundheit:
Relativ gesund.

Hagebutten:
Kugelige, kleine Hagebutten - zerstreut und mit geringer Fernwirkung.

Ausläufer:
Ausufernd und Allerorten aus dem Boden schießend. So selten sie ist, so sehr arbeitet sie daran, es nicht zu bleiben.

Wildtiernutzen:
Bei Hummeln sehr begehrt. Hagebutten werden von Vögeln nicht verschmäht. Durch ihren Stacheldrahtwuchs als Brutgehölz zu empfehlen.


Kartoffelrose (Rosa rugosa)

Besonderheiten und Wuchs:
Die Ostasiatin ist der Blütenstreber unter den Wildrosen, denn sie ist die einzige, die zuverlässig dauerblühend ist. Dazu ist sie salztolerant, weswegen sie zur Dünenbefestigung eingesetzt wird.  Ihr runzeliges Laub gab ihr den Namen Kartoffelrose, und sowohl Gemüse als auch Rose kommen von weit her. Deshalb gilt sie mittlerweile als Neophyt und man möchte sie jetzt doch nicht mehr so gerne in den Nordseedünen haben. Dabei ist sie der Traum vieler Urlauber und eine der stachligsten Ferienerinnerungen seit es Seeigel gibt. Weil sie so gut mit versalzenen Böden klarkommt, ist sie auch an der Autobahn vielerorts allgegenwärtig. Im Garten kann man sich das zunutze machen und sie straßenseitig als Hecke pflanzen, falls dort winterlicher Streusalzeinsatz stattfindet. Überhaupt ist eine Hecke aus Rosa rugosa immer abwechselnd in der Blütenfarbe Rosa und Weiß gesetzt einfach umwerfend - und der günstigste Kurzurlaub, den man haben kann ohne zu verreisen.
Es gibt viele Zuchtsorten mit stärker gefüllten Blüten (Foto unten rechts).

Ansprüche:
Sonne möchte sie bitte. Und wenig Kalk im Boden, weswegen sie bei mir vielleicht immer schwächer wird, da der ganze Garten mit Eierschalen versetzen Kompost bekommt.

Stacheln:
Sie ist kein Kuscheltier, sondern bis obenhin mit dichten, gerade abstehenden Borsten besetzt - daher nur mit Handschuhen zu genießen.

Herbstfärbung:
Eine der schönsten - von Gelb bis Rot über Orange kann alles dabei sein.

Blüte:
Sehr große, duftende, knittrige Blütenblätter in Rosa bis Pink. Auch Weiß kommt vor. Dauerblüte den ganzen Sommer lang. Auch die überdimensionalen Knospen sind sehenswert.

Blattgesundheit:
Kann höchstens mal Mehltau haben.

Hagebutten:
Riesige Hagebutten, die schon zur Blüte reifen. Der Juckpulverlieferant par Excellence!

Ausläufer:
Ja. Kommt gern in einem Meter Abstand zur Mutterpflanze beim Nachbarn wieder zum Vorschein, wo sie nicht immer gern gesehen ist.

Wildtiernutzen:
Hummeln und Honigbienen besuchen die großen Blüten. Die Hagebutten werden von Grünlingen geschreddert, um die Samen herauszupflücken (Bild oben links).


Also, welches Sondereinsatzkommando soll es sein: Die wehrhafte Dame mit den nassen Füßen, oder lieber die würzige Variante inklusive Urlaubsflair für salzige Standorte?

Diese Wildrosenliste ist noch nicht vollständig, es wird aber zunächst bei einer Trilogie bleiben müssen, weil mir noch Bildmaterial zu den restlichen Kandidatinnen fehlt. Alle habe ich nämlich auch nicht leibhaftig im Garten, denn dann könnte ich wirklich nur noch im Kettenhemd hinein....

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Jetzt wird's wild - Teil II

Herzlich willkommen zum zweiten Teil der Reihe "Der Widerspenstigen Zähmung" oder: Wildrosen im Garten - Wahnsinn oder Wohltat?

In der heutigen Folge zwei Kandidatinnen wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten: Auf der einen Seite die wilde Alpen-Heckenrose, die durch züchterische Bearbeitung von der Kratzbürste zum Salonlöwen domestiziert werden sollte, und auf der anderen Seite die Chinesin mit der weißen Weste, die ein echtes Naturtalent ist und von Hause aus überzeugen kann. Aber urteilt selbst:

Alpen-Heckenrose (Rosa pendulina var. x salaevensis)



Besonderheiten und Wuchs:
Diese Züchtung der wilden Gebirgsrose weist einige besondere Tugenden auf, die ihr erstmal jemand nachmachen muss. Zum einen wären da ihre wahnsinnig eleganten Knospen und später ihre reizvollen flaschenförmigen Hagebutten, zum anderen ihr spektakulärer Winteraspekt. In der kalten Jahreszeit kleidet sie sich nämlich passend zu ihren Früchten mit korallenroten Zweigen. So eine Modenschau ist wirklich selten. Die Pflanze bildet einen lockeren, aufrechten Strauch von über 2 m Höhe, der wunderbar in eine Wildhecke passt. Dabei ist sie äußerst robust - selbst wenn man beim Umpflanzen vergessen hat, die Wurzeln dranzulassen, macht ihr das gar nichts. Sie verweigert dann ein Jahr lang die Blüte, wächst aber trotzdem an.

Ansprüche:
Keine Allüren. Halbschattentolerant, verträgt auch Sonne. Der Boden ist ihr egal. Große Hitze zur Blütezeit mag sie nicht.

Stacheln:
Nur im unteren Bereich der Zweige, und dort auch eher von der borstigen Sorte und somit kaum schmerzhaft.

Herbstfärbung:
Die Blätter veranstalten einen regelrechten Karneval - von Grün, Gelb und Orange bis nach Rot ist alles dabei.

Blüte:
Pinkfarbene, federleichte Blüten mit gutem Duft. Knospen mit überlangen Hüllblättern - elegant wie der Augenaufschlag einer Filmdiva. Frühe Blüte Ende April, Anfang Mai. Kommt es hier zu einer Hitzewelle (so geschehen in 2007), welkt die ganze Pracht schneller in sich zusammen, als man "Klimawandel" sagen kann. Insgesamt lange Blütezeit.

Blattgesundheit:
Hat ab Sommer öfter mal Blattflecken, die aber nicht schaden auf Dauer. Vorher tadellose Erscheinung, Blätter aber eher von der matten Sorte.

Hagebutten:
Längliche, knallrote Hagebutten. Halten lange, hängen aber zerstreut am Strauch mit geringer Fernwirkung.

Ausläufer:
Jawoll, und zwar nicht zu knapp!

Wildtiernutzen:
Besonders Hummeln lieben die Blüten. Die Hagebutten werden in meinem Garten größtenteils verschmäht. Raupen finden sich oft auf dieser Rose, die von den insektenfressenden Vögeln aufgeklaubt werden.


Büschelrose (Rosa multiflora)



Besonderheiten und Wuchs:
Diese asiatische Wildrose ist in vielen Gärten vertreten, allerdings meist inkognito als Veredelungsunterlage. Wie gemein. Dabei hat sie durchaus einen Platz um ihrer selbst willen verdient. Nicht umsonst ist sie auch noch die Stammform vieler Rambler und ein bisschen benimmt sie sich selbst wie einer. Sie wächst sehr schnell, wird mächtig groß (bis 2 m) und geht noch mehr in die Breite. Platz braucht sie also, ist zur Not durchaus schnittverträglich. Ihr locker ausladender Wuchs passt perfekt in eine freiwachsende Hecke, aber auch als Solitär macht sie eine gute Figur. Junge Triebe ragen peitschenförmig in die Gegend, verzweigen sich spätestens zur Blütezeit und wirken dann gefälliger.

Ansprüche:
Kaum. Sonne mag sie gern, Halbschatten auch.

Stacheln:
Eher im unteren Astbereich - gekrümmt wie man sich Rosenstacheln vorstellt. Blütentriebe stachellos.

Herbstfärbung:
Kurzzeitig hübsch gelb.

Blüte:
Weiße, kleine Blüten in lockeren Büscheln mit leichtem Duft im Juni. Es gehen immer neue Knospen auf, daher wirkt der Strauch über mehrere Wochen wie ein Traum in Weiß. Die Fernwirkung ist spektakulär! Garantiert nicht öfterblühend.

Blattgesundheit:
Das dunkle, glänzende Laub wirkt immer tadellos. Ein wirklich blattschöne Rose.

Hagebutten:
Wie die Blüten wachsen auch die Früchte in Büscheln, was sie zu den attraktivsten Hagebuttenträgern macht. Die Einzelfrucht ist zwar nur erbsengroß, aber in der Gruppe wirken sie schon von weitem über lange Zeit.

Ausläufer:
Meine ist bis jetzt nicht auffällig geworden. Sie setzt ihre Revieransprüche eher durch rigoroses Verschatten der Nachbarpflanzen durch.

Wildtiernutzen:
Honigbienen bringen gleich den halben Stock mit, so beliebt ist diese Rose. Auch Hummeln - vor allem die kurzrüsseligen Baumhummeln - lieben die Blüten. Lederwanzen treiben sich gern im Geäst rum, genauso wie die waghalsigen Schnirkelschnecken. Die kleinen Hagebutten werden von den Amseln geschätzt und im Ganzen verschluckt, die Finken dagegen zerfleddern sie, um an die Samen zu gelangen. Unter einer Büschelrose sieht es im Winter daher immer aus, als hätte der Garten Masern - aber Hauptsache, es schmeckt.


Also, lieber Gärtner, wer ist dein Herzblatt? Kandidatin Eins mit dem tollen Augenaufschlag, die auch ohne Wurzeln wächst und so schnell errötet - oder Kandidatin Zwei, die umschwärmte Chinesin ganz in Weiß, mit der man prima Erbsenzählen kann? Oder doch lieber eine ganz andere? Fortsetzung folgt...

Donnerstag, 8. Dezember 2011

Jetzt wird's wild

Wildrosen haben viele Gesichter. Sie können wuchernde Wandervögel sein, die mit ihren Ausläufern zur Hangbefestigung geeignet sind, undurchdringliche Dornröschenhecken bilden, als Wildobst punkten oder einfach eine ökologisch wertvolle Gartenpflanze abgeben. Auf jeden Fall sind sie sehr günstig zu bekommen, sei es im Handel oder im Idealfall als Ableger über den Zaun getauscht. Doch wie gartentauglich sind sie wirklich, wenn man wenig Platz hat und auch noch mehr haben möchte als einen blühenden Stacheldraht, der alle paar Meter wieder fröhlich aus dem Boden schießt und dem Gärtner mit dieser Eigenschaft den letzten Nerv raubt? Wie vogelfreundlich sind sie? Welche sehen bei aller Wildhaftigkeit am adrettesten aus?


Zunächst einmal dürfen wir ruhig ein bisschen anspruchsvoll an die Damen sein und einen Wunschzettel schreiben mit den Eigenschaften, die eine perfekte Wildrose mitbringen müsste. Schließlich ist bald Weihnachten:
  • Öfterblühend wäre ganz reizend
  • Eher pazifistisch veranlagt, also keine kämpferische Kratzbürste
  • Schöne Hagebutten, die lange halten und den Vögeln munden
  • Üppige Bienenweide mit Fernwirkung
  • Zurückhaltend mit Ausläufern
  • Glänzendes, gesundes Laub
  • Schöne Herbstfärbung
  • Bunte Zweige im Winter
  • Vollständig winterhart

Zunächst die schlechte Nachricht: Die eierlegende Wollmilchrose mit all diesen guten Eigenschaften gibt es nicht. Die gute Nachricht: Fast alle erhältlichen Wildrosen trotzem dem Frost recht gut und bilden mehr oder weniger reichlich Hagebutten aus. Die meisten sind sogar öfterblühend, wobei die herbstliche Nachblüte aber nicht der Rede wert ist und nie so üppig ausfällt wie die Hauptblüte. Die einzige wirklich durchblühende ist Rosa rugosa.

Im Folgenden eine kleine Entscheidungshilfe mit Pro und Contra:

Bibernellrose (Rosa spinosissima, syn. pimpinellifolia)


Besonderheiten und Wuchs:

Eine der kleinsten heimischen Rosen. Wächst trichterförmig aufrecht, Höhe 1 - 1,50 m.
Das Laub ist zart und zierlich, was ihr einen zerbrechlichen, filigranen Habitus verleiht. Auch für beengte Gartensituationen geeignet. Zur Blüte herrliche Fernwirkung.

Ansprüche:
Hat sie nicht. Nur sonnig sollte der Standort sein. Kommt auch mit mageren Böden zurecht.

Stacheln:
Hat sie. Nahezu im rechten Winkel abstehende, borstige Waffen, die keine Kleiderhaken sind, dafür aber bei unsanfter Behandlung leicht in der Haut abbrechen - aua.

Herbstfärbung:
Nicht von schlechten Eltern! Hübsch rot-gelb mit Fernwirkung.

Blüte:
Reinweiße bis leicht rosa Schalenblüten, die schon im Mai erscheinen können. Nur geringe Nachblüte im Herbst, dazwischen absolute Blühpause. Duftet leicht.

Blattgesundheit:
Nicht völlig keimfrei, aber unauffällig. Eingreifen lohnt bei ihr nicht, die haut so schnell nichts um.

Hagebutten:
Ungewöhnlicherweise über Braun nach Schwarz wechselnd und früh reifend.

Ausläufer:
Und wie! Da muss man hinterher sein, oder ihr gleich einen ganzen Hang zum Austoben spendieren!

Wildtiernutzen:
Blüte bei Bienen, Hummeln und Käfern rasend beliebt. Für die Hagebutten habe ich noch keinen Vorkoster entdeckt - vielleicht liegt das an der frühen Reife und der unauffälligen Farbe?


Hundsrose (Rosa canina)

Besonderheiten und Wuchs:
Ein geradezu hundsgewöhnliche heimische Rose, die überall anzutreffen ist. Stellt sich oft freiwillig im Garten ein, da sie gern von den fliegenden Gärtnern gesät wird. Mit ihren überhängenden Zweigen kann sie stattliche Ausmaße von über 2 m Höhe erreichen. Die ideale Heckenrose, um Einbrecher abzuwehren. Laub eher stumpfgrün und wenig zierend - das wehrt auch den wohlmeinendsten Gärtner ab, und so ist sie eine selten absichtlich gepflanzte Wildrose. Braucht außerdem Platz, denn unbeschnitten ist sie am schönsten.

Ansprüche:
Keine besonderen. Sonne ist gut, Halbschatten tut's auch.

Stacheln:
Relativ kurze, hundsgemeine. Es gibt aber schlimmere Vertreter ihrer Zunft.

Herbstfärbung:
Entfällt, genauso wie das Laub, das oft schon im September weitestgehend in alle Winde zerstreut ist.

Blüte:
Ende Mai bis Juni. Große, hellrosa Blüten mit wenig Duft, erscheinen zerstreut und über einen längeren Zeitraum am Strauch, daher geringe Fernwirkung.

Blattgesundheit:
Siehe Herbstfärbung - Laub wird schon früh wehleidig abgeworfen. Könnte am Sternrußtau liegen, könnte aber auch Programm sein, um die Hagebutten besser anpreisen zu können. Klappt auf jeden Fall - die Hundsrose ist mit Fruchtschmuck fast ein größerer Hingucker als zur Blütezeit.

Hagebutten:
Groß, oval und rot, die typische Hagebutte eben.

Ausläufer:
Eher wenig in meinem Garten - neigt aber dazu, langsam immer dichter und breiter zu werden. Kann so andere Sträucher über kurz oder lang aus dem Weg drängeln, denn sie möchte gern der Platzhirsch sein.

Wildtiernutzen:
Blüten bei Insekten beliebt. Hagebutten sind die Leib- und Magenspeise diverser Finkenvögel, wie Gimpel und Grünling. Daher schon früh weggefressen. Ältere Exenplare werden unbeschnitten so dicht, dass die Spatzen gerne ihre Palaverrunden darin abhalten.


Fortsetzung folgt....

Freitag, 2. Dezember 2011

Blattschmucktalente

In diesen Tagen heißt es wieder: "Deutschland einig Schmuddelland": Kein Wilder Wein, der gnädig die Graffitis vom vorletzten Jahr an den Lärmschutzwänden unter seinem Blättermantel verschwinden lässt, kein Lindenlaub, das großzügig die Bausünden des vorigen Jahrhunderts ungesehen macht. Schonungslos zeigt sich die ganze Trostlosigkeit so mancher Vor- und Großstadtarchitektur - wobei die Dörfer auch nicht unbedingt alle einen Schönheitspreis gewinnen.

Es ist daher höchste Zeit, den Blick bescheiden gen Boden zu richten, denn dort verwöhnt das dezembergeplagte Gärtnerauge so manch botanischer Knalleffekt. Zum Beispiel die gute alte Heuchera. Die sieht ja meistens aus wie aus dem Ei gepellt, aber in dieser Jahreszeit brilliert sie ganz besonders mit ihrem exquisiten Farbgeschmack. Während ihre Staudenkollegen wie die winterscheuen Hostas bereits dem Schönheitsschlaf frönen, geben die Heucheras immer noch den Pausenclown - ein Blatt schöner als das andere.


Dabei wurden sie früher eher der Blüten wegen gepflanzt, wie die schon vor 50 Jahren äußerst beliebte Heuchera sanguinea. Der deutsche Name "Purpurglöckchen" deutet darauf hin. Heute sind es eher ihre extravaganten Blattfärbungen, die uns zu Beifallsstürmen veranlassen. Ja, die Gattung Heuchera hat wirklich Karriere gemacht. So aufsehenerregend ihr Farbspiel, so wenig Allüren hat sie, wie dieses Bild hier beweist - wegelagernde Heuchera an einem denkbar ungünstigen Standort in einer Stadtmauer - ein echtes Steinbrechgewächs also:



Dass sie oportunistisch veranlagt sind, kann auch folgende Geschichte unterstreichen: Eine Heuchera "Palace Purple" in meinem Garten war vor ein paar Jahren offensichtlich mit ihrem Standort so kreuzunglücklich, dass sie bei einem Herbststurm einfach ungefragt ein paar Meter weiter umgezogen ist. Am nächsten Morgen habe ich nicht schlecht gestaunt ob dieser Eigeninitiative - und den Flüchtling am Schopfe gepackt und am alten Platz wieder eingepflanzt. Wir verstehen uns trotzdem immer noch prächtig.
Diese Beispiele zeigen, wie robust die bunten Kerlchen sind.

Wenn sie blühen, beweisen sie außerdem, was sonst noch in ihnen steckt und zeigen in Blatt und Blüte eine exzellente Farbabstimmung:






Bei so viel Tugend und züchterischem Stammbaum erwartet man automatisch einen hohen Preis. Für nagelneue, noch seltene Züchtungen kann dies auch zutreffen. Massenvermehrte, bewährte Sorten wie die dunkelviolette Palace Purple kann man dagegen bereits für ein paar Euros bekommen. Dummerweise haben diese typischen Pflanzen des Herbstsortimentes auch dann noch Saison, wenn andere Stauden bereits verramscht werden. Spätestens wenn die Gartencenter Platz schaffen müssen für Grabgestecke und anderes Koniferenhafte, kann man schon mal Glück haben und eine Heuchera für wenig Geld ergattern.

Doch es geht auch ganz ohne Geld, vorausgesetzt, wir finden ein Exemplar mit reifen Samenständen:




Die Samen sind noch winziger als die von Mohn und mit ein bisschen Glück gelingt die Aussaat. Diesen Winzling hier habe ich sogar aus einer Pflasterfuge neben meiner Palace Purple gezogen:



Wie man sieht, kleiden sich die Sämlinge oft schon im Kindesalter in aufregenden Farben - so können wir unsere eigenen Sorten heranziehen!

Und mit so einem Anblick lässt sich auch das winterliche Schmuddelwetter aushalten. Ein bisschen zumindest.