Mittwoch, 28. März 2012

Wer Äpfel sät, wird Bäume ernten

Samenbomben sind ja jetzt in aller Munde, oder besser: Hände. Da haben die kreativen Stadtgärtner mit dieser subversiven Begrünungstaktik mal wieder einen ganz großen Wurf gelandet - oder? Nun ja - scheinbar sind Samenbomben wohl doch gar nicht so neu, wie es den Anschein hat.

Wer hat's erfunden? Nein, nicht die Schweizer, und wenn doch, dann wohl Wilhelm Tell. Aber auch der hat nur am Rande mit ihrer Entstehungsgeschichte zu schaffen. Denn auf die eigentliche geniale Idee kam wohl wieder mal Mutter Natur ganz allein, genauer: ein Apfelbaum. Und zwar vermutlich kein hochgezüchteter Tafelapfel, sondern ein kleiner, bescheidener Zierapfel. Die Fruchtzwerge bringen nämlich das beste Keimsubstrat als Saatgutverpackung gleich mit. Gut durchfeuchtet und auch noch in einer schützenden Hülle untergebracht. Wo der Apfel hinfällt, da lässt er gleich seine Kerne keimen - zur Not auch nicht weit vom Stamm.


Der Vermehrung zuträglicher wäre natürlich die weiträumige Verteilung der handlichen Samenbömbchen. Vielleicht vergessen die Drosseln manchmal, die erbeuteten Zieräpfel aufzuessen und lassen sie ganz oder in Teilen irgendwo fallen. Fertig ist die biologische Samenbombe! Egal, wie der Boden beschaffen ist - der Apfelkern bringt sein liebstes Substrat gleich im Handgepäck mit. Ist er am unteren Ende der Fruchthülle angelangt, wird einfach weiter in den Untergrund gewurzelt. Ganz schön clever!


Und heißt es nicht sowieso, dass jeder einmal in seinem Leben ein Apfelbäumchen gepflanzt haben sollte? Das geht jetzt sogar im Vorbeigehen und ganz lässig aus der Hüfte. Die Apfelbomben passen in jede Handtasche und sind jetzt zum Frühling ausgehfein! Der Samen hat bereits gekeimt und muss nur noch mit Fruchtfleisch an der gewünschten Stelle ausgebracht werden. Natürlich nur dort, wo sowieso schon fremdländische Gewächse absichtlich gepflanzt wurden, denn zur heimischen Flora zählen Zieräpfel auch wieder nicht. Man kann sie auch ganz konventionell in einen Topf pflanzen und mal schauen, ob etwas Gartentaugliches dabei herauskommt. Könnte doch ganz spannend werden!

Alles was man also braucht, sind richtig schön angegammelte Zieräpfel. Die wachsen vielleicht im eigenen Garten oder fallen vom Nachbarn herüber.
Mein Golden Hornet geizt heuer mal wieder nicht mit Fruchtmumien, da die Äpfelchen bei dem zuerst so milden Herbst- und Winterwetter schneller verfaulten, als die Amseln sie fressen mochten. So kann ich ausgiebig Samenpakete ernten - und die Schrumpfköpfe können sich auch noch nützlich machen:



Ab damit ins nächste Parkgebüsch, vielleicht blüht uns dann bald was!


PS: Ein ganz besonderes Paket habe ich heute von der lieben Alex aus dem Schweizer Gwundergarten bekommen!
Im Tausch gegen wilde Rosen reisten zahme Märzenbecher und selbstgemachte Seifen an - eine verführerischer als die andere:


Die Märzenbecher wohnen bereits zwischen Schneeglöckchen, Akelei und Lerchensporn, und zwar unterm Zierapfel!


Die Reise scheinen sie ganz gut überstanden zu haben! Hoffen wir nun, dass ihnen keine Apfelbombe auf den Kopf fällt!
Vielen Dank, Alex, für die schönen Sachen!

Donnerstag, 22. März 2012

Die Gemeine Woll-Laus

Einer der größten Haus- und Vorratsschädlinge hat wieder zugeschlagen: Die Gemeine Woll-Laus. Ihr Lebensraum sind angenehm temperierte Häuser und Wohnungen, wobei sie zur Not auch winterhart wäre. Aber nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Denn eigentlich liebt die Woll-Laus Behausungen mit Zentralheizung, Vollpension und guter Sofa-Anbindung. Dort ist sie häufig schlafend anzutreffen, was nicht darüber hinwegtäuschen darf, welches Zerstörungspotential von ihr ausgeht: Am Tag zuvor noch prächtig aussehende Jungpflanzen können über Nacht ins Elend gestürzt werden, wenn sich der gefräßige Schädling einen Salat daraus zubereitet hat:


Eine Spur der Verwüstung trifft der schlaftrunkene Gärtner am Morgen an, während die Woll-Laus Unschuld heuchelt und jetzt gerne ein richtiges Frühstück serviert bekommen würde. Und zwar ein bisschen plötzlich. Denn dieses Tier ist von Hause aus ein Karnivor und gönnt sich nur ab und an einen kleinen, grünen Imbiss zur Entschlackung.


Archivbilder. Da war die Laus zarte 4 Jahre jung.

Wie man sieht, liebt meine schwarze Woll-Laus Grünlilien (Chlorophytum), neigt aber offenbar zu suizidalen Tendenzen, wenn sie sich in der Nachtschattenabteilung bedient. Zum Glück passiert aber meistens nichts Schlimmes - das durchgekaute Blattwerk tritt postwendend den Rückweg an. Trotzdem bleibt ein ungutes Gefühl, weswegen der Korallenstrauch lieber außer Reichweite bleibt. Das ist besser für alle Beteiligten.

Dass sie sich aber neuerdings auch an meinem jungen Gemüse vergreift, geht entschieden zu weit. Das bedauernswerte Arrangement oben auf dem ersten Bild war mal ein Topf voll von vielversprechenden Jalapeño-Pflänzchen. Gut, dass ich schon einige der Chili-Geschwister außer Katzenreichweite vereinzelt hatte. So soll eine Jungpflanze nämlich eigentlich aussehen:


Wer also die Woll-Laus zuhause beherbergt (man schleppt sie oft als winzige Jungtiere ein) und nicht ständig seine wertvollen Zimmerpflanzen austauschen möchte, weil sie bis zur Unkenntlichkeit zerkaut wurden, sollte möglichst dickblättrige Exemplare auswählen. Sukkulenten werden meistens verschmäht, so auch der genügsame Geldbaum (Crassula). Aloe und Sansevierien stehen ebenfalls nicht hoch im Kurs, ebenso wie Spathiphyllum, Kaffeestrauch (wird scheinbar nur mal aus Versehen angebissen), Schefflera, Efeutute (Epipremnum), Ficus oder Ceropegia

Wahre Katzenmagneten dagegen sind die erwähnte Grünlilie und Dracaena-Blätter, am liebsten solche von D. marginata. Aber auch D. reflexa wurde völlig überraschend in die Mangel genommen, obwohl diese Art schon bemerkenswert derbes Laub hat und damit nicht ins Beuteschema passen sollte. Allein D. fragrans scheint verschont zu werden. Das Usambara-Veilchen hingegen wird sehr gern zum Snack zwischendurch erklärt. Völlig untypisch dann wieder das Verspeisen vom dickblättrigen Brutblatt (Kalanchoe tubiflora).

Zu meinem ganz großen Glück hat Madame Woll-Laus bisher noch immer die Zähne von meinen Tomatensämlingen gelassen, und das jedes Jahr zuverlässig. Ich könnte mir vorstellen, dass das an dem strengen Geruch des Laubes liegen könnte. 

Wer aber ganz auf Nummer sicher gehen möchte, der zieht jetzt schon mal Opferpflanzen heran, auch Katzengras genannt. Besonders einfach und günstig ist Hafer! Dann findet man die Woll-Laus vielleicht auch nicht an den Chilis!

Sonntag, 18. März 2012

Frühling zum Feierabend

Neulich ist mir etwas aufgefallen. Das kommt nicht oft vor, aber manchmal habe auch ich einen hellen Moment. Und zwar fiel mir auf, dass ich keine einzige gefüllte Krokussorte kenne. Vermutlich gibt es gar keine. Und das ist auch gut so, denn Krokusse sind wahrhaft unverbesserlich. Sie haben es gar nicht nötig, sich aufzurüschen. Zum einen wären sie dann nicht so eine fabelhafte Bienenweide, zum anderen würde das Sonnenlicht nicht so schön durch ihre Blütenblätter scheinen. Und dafür lieben wir sie schließlich.



Das Einzige, über das man sich bei ihnen beschweren kann, ist ihre schmerzlich kurze Blütezeit. Nein, Krokusse sind keine Blumen für Berufstätige. Ihrem Gebaren nach sollten sie eher zu den Pilzen gezählt werden, so rasant schießen sie aus dem Boden und so schnell liegen die Blüten wieder matt auf selbigem. Und sie werden ja so schnell groß! Kaum hat man sie eine Woche nur in der Dämmerung gesehen, weil man Geld verdienen musste, schon ist die ganze Pracht dahin. Ein Jammer. Wenn dann am Wochenende kein sonniges Wetter herrscht, sieht man sie überhaupt nur mit zugekniffenen Blüten. Deshalb sollte es einen eigenen Feiertag nur ihnen zu Ehren geben! Die Holländer sind uns da mal wieder weit voraus und widmen den kleinen Blumen sogar die Krokusferien!

Einer von der ganz schnellen Truppe ist ausgerechnet mein großer Liebling, der dicke, pausbäckige "Pickwick", seines Zeichens zu den holländischen Krokussen zählend, dem Crocus vernus.



So fein gestreift wie er ist keiner, und auch nicht so flüchtig, scheint mir.



Trotz der kurzen Blütezeit kommt man um Krokusse nicht herum. Erstens sind sie im Herbst preiswert als Knollen zu bekommen, zweitens sind sie eine wichtige erste Nahrung für Bienen, und drittens sind sie nun mal schlicht und einfach unwiderstehlich. Wenn man sie gut behandelt, erfreuen sie über Jahre und vermehren sich sogar.

Mit verschiedenen Arten im Garten kann man die kostbare Krokuszeit zum Glück auch ein bisschen in die Länge ziehen.

Der zierliche Elfenkrokus (Crocus tommasinianus) ist einer der ersten und sagenhaft fruchtbar: Die rosafarbene Wildform vermehrt sich ausgiebig durch Samen - da stimmt das Preis-Leistungsverhältnis! Auch Crocus sieberi schießt schon im Spätwinter aus dem Boden.

Crocus chrysanthus folgt ein wenig später, danach blüht Crocus vernus.

In meinem Garten hält eine Frau den Blührekord. Nicht "Prins Claus", nicht "Ard Schenk", sondern die zauberhafte Crocus chrysanthus "Miss Vain", die eine beachtlich lange Blütezeit an den Tag legt (man kann hier mit Fug und Recht die Zeiteinheit Wochen wählen!), und zwar in edlem Weiß:



Dass die kleinen Pflanzen uns nur so kurz mit ihrer Blüte erfreuen, verzeihen wir ihnen natürlich. Frühlingsblüher können sich sowieso fast alles erlauben, so sehr erfreuen sie uns nach dem langen Winter. Was wir einer Sommerblume nicht durchgehen lassen würden - die Krokusse dürfen das.

Nur gefüllt müssen sie nun wirklich nicht sein, denn keiner spielt so schön mit der Frühlingssonne wie sie:


Mittwoch, 14. März 2012

Dem Alltag mehr Würze geben

Dem Ingenieur ist nichts zu schwör. So heißt ein alter Spruch, der zwar durch keine Rechtschreibprüfung kommt, aber immerhin große Hochachtung vor einem ganzen Berufszweig offenbart. Nun mögen Ingenieure zwar mit allen Wassern gewaschen sein, was aber viele unter ihnen doch sehr schwör finden, ist das Wässern von Pflanzen - Kunststück: die brauchen ja auch keinen Strom und sind damit äußerst suspekt. Und so bieten die meisten Räume, in denen technisch gearbeitet wird, einen erschütternden Anblick. Entweder die armen Büropflanzen werden ertränkt oder vertrocknen.
Was dem Verursacher dann am Ende zu erfolgreich dahingemeucheltem Grünzeug einfällt, ist lediglich ein triumphales: "Na, wenigstens muss ich die jetzt nicht mehr gießen.", als wäre der stille Tod der armen Pflanze nur eine weitere gelungene Effizienzsteigerung im Arbeitsablauf. 

Umso erfreulicher ist, dass es doch auch Ingenieure gibt, die sich für Pflanzen interessieren. Eines dieser seltenen Exemplare hat sein Büro ein paar Räume entfernt von meinem und kümmert sich nicht nur vorbildlich um die Büro-Dracaenas, sondern baut auch Gemüse dort an. Chilis, um genau zu sein. Die Peperonipflanzen gedeihen sogar verblüffend gut in trockener, von PC-Lüftern gequirlter Atmosphäre.


Such die Peperoni - leider noch grün

Wer also zuhause keinen Platz für die Pflanzenzucht hat, keine sonnige Fensterbank findet, oder gar Ärger von seinem Partner bekommt, wenn auch nur eine weitere Pflanze einzieht, der sollte ernsthaft über den Anbau von Gemüse am Arbeitsplatz nachdenken. Allerdings gilt es dabei ein paar Regeln zu beachten:

  • Ein Übertopf sollte schon sein und muss zur Einrichtung passen, sonst kann es Ärger mit dem Innenarchitekten geben. Ob neu oder vom Trödel - rein weiße Kübel passen immer. Dicht sollten sie natürlich auch sein, denn Wasser verträgt sich schlecht mit elektronischem Gerät.
  • Keine Pflanzen anbauen, die abfärben. Wer schon einmal eine Tomate gestreift hat, weiß wovon ich rede - die gelben Flecken machen sich ganz schlecht auf dem weißen Hemd vom Chef.
  • Ganz wichtig: Für eine zuverlässige Urlaubsvertretung sorgen. Grund siehe oben: Wer sein junges Gemüse drei Wochen am Stück unter der fragwürdigen Aufsicht von Gießgegnern lässt, der wird am Ende nur Bedauern ernten, aber keine Früchte.
  • Nur selbstfruchtbare Arten wählen, denn gegen einen Bienenstock im Büro hat selbst der toleranteste Mitinsasse etwas einzuwenden. Paprika und Peperoni fallen in diese Kategorie, genauso wie ein Kaffeestrauch.
  • Die Pflanzen vor dem Einzug in ihr neues Zuhause gründlich auf Schädlinge untersuchen. Schildläuse können schlecht zielen, dafür aber ihren Honigtau weiträumig in der Gegend verteilen, was zu Kurzschlüssen führen kann. Mindestens führt das aber dazu, dass die Kollegen das Experiment Büro-Landwirt bald nicht mehr so gern haben. Wer ganz sicher gehen will, zieht die Pflanzen gleich vor Ort heran, wird zum Umtopfen aber das Gebäude verlassen müssen.
  • Auf kompatible Kollegen achten. Wer das Zimmer mit einem lichtscheuen Verdunklungfanatiker teilt, sollte lieber Champignons züchten. Die schmecken ja auch ganz gut.
  • Kalter Kaffee dagegen schmeckt zwar gar nicht, ist aber in Büros häufig anzutreffen und kann gut zum schnellen Gießintermezzo herhalten, sofern er keinen Zucker und keine Milch enthält. Diese Art der Entsorgung spart sogar Zeit und unnötige Wege!
  • Kaffeesatz taugt zum Wahrsagen wie zum Düngen von Pflanzen. Man kann zum Beispiel mit seiner Hilfe prophezeien, dass darin hauptsächlich Schimmel gedeihen wird - und das trifft sogar leider meistens zu. Daher aus Akzeptanzgründen lieber auf Langzeitdüngekegel zurückgreifen.
  • Nicht zuviel gießen - sonst droht eine Trauermückeninvasion, was die Kollegen auf die Palme treiben kann.

Wer Chilis mag, hat seine ideale Büropflanze schon gefunden. Die Aussaat aus Samen ist denkbar einfach - unnötigen Frust muss man bei eigener Anzucht nicht befürchten - die Kerne keimen binnen Tagen, wenn es warm genug ist. Mehrjährig sind sie außerdem noch, daher ungemein treue Büro-Begleiter. Also ran ans verschärfte Arbeitsplatzgemüse, der Alltag ist schon fad genug!


Übrigens: Wer besagte Urlaubsvertretung für die Peperoni war? Moi! Als Dankeschön durfte ich auch ein paar Früchte meiner Arbeit ernten. Und so kann ich ab sofort meinen Alltag mit eigenen Chilipflanzen aufpeppen - die Nachzucht hat schon begonnen!

Mittwoch, 7. März 2012

Enthemmte Schneeglöckchen

Ein Garten ohne Schneeglöckchen ist wie ein Garten ohne Frühling. Daher erfreuen sich Galanthus nivalis und Anverwandte bei Gärtnern großer Beliebtheit. Aber hier gibt es deutliche Unterschiede in der Art der Hinwendung zu den kleinen Zwiebelblumen: Da sind zum einen die einfachen Schneeglöckchen-Möger und zum anderen die Sammler, die Galanthophilen, die schon einmal einen dreistelligen Betrag für eine einzige Zwiebel einer ganz besonderen Varietät bezahlen. Der Sortenreichtum ist schwindeleregend - mal ist ein grüner Fleck irgendwo an der Blüte hinzugekommen, mal ist die Form ganz absonderlich, mal kommt die Farbe Gelb hinzu.



Diese Vielfalt suggeriert, dass das Gemeine Schneeglöckchen oft und gern mutiert und durchaus offen für Neues ist. Und so robbe ich jedes Jahr wieder durch meinen Garten und hoffe insgeheim, beim Drehen und Wenden einzelner Blüten auch einmal eine innovative Neuerscheinung zu entdecken. Bisher habe ich aber keinen einzigen Abweichler gefunden, so gründlich ich auch gesucht habe. Dabei wäre es doch zu schön, eine neue Sorte auf eigenem Grund und Boden aufzustöbern. Ob Form, Farbe oder Tupfen anders sind als bei der Standardausgabe, wäre mir sogar völlig egal. Ich erwarte auch nichts Unmögliches - keinen Blauschimmer oder gar rote Tupfen. So anspruchsvoll bin ich ja gar nicht. Bei meinen Blümchen jedoch ist alles soweit normal geblieben. Jede Blüte hat ihre grünen Abzeichen dort, wo sie laut Schneeglöckchenhandbuch hingehören, und auch die Form ist eher konservativ.



Ob es daran liegt, dass der komplette Bestand meines Gartens von einer großzügigen Spende aus einem Paderborner Garten abstammt? Glöckchen aus der Bischofsstadt benehmen sich offenbar grundanständig und mutieren nicht einfach so, denn das gehört sich nicht. Schließlich legt man dort Wert auf Traditionen. Obwohl die Zwiebeln jetzt schon Jahre im liberalen Bielefelder Boden verbracht haben, treiben sie immer noch keine Stilblüten. Dabei finden sich im Stadtpark allerorten immerhin gefüllte Formen, und zwar in den hintersten Gebüsch-Ecken, wo höchstens mal Hunde und sensationsgierige Hobbyfotografen nach dem Rechten sehen - kurz: wo gärtnerische Absicht wohl ausgeschlossen werden kann.

Gefüllte Grazien im hintersten Parkgestrüpp


Allein meine Schneeglöckchen werden wohl völlig frei von Aufregern und Medienrummel bleiben. Vielleicht entstehen neue Sorten auch gar nicht so einfach, sonst könnte das ja jeder und die einzelnen Varianten wären nicht so teuer. Macht ja nichts, ich mag sie auch so. Und mal ehrlich: von Weitem fallen ein paar kleine grüne Flecken zusätzlich auf den Blütchen doch sowieso nicht auf.


Wer also das große Glück hat, Exemplare aus einem anderen Garten geschenkt zu bekommen, sollte unbedingt zugreifen, auch wenn die Pflanzen ganz gewöhnlich sind. Ganz ungewöhnlich ist nämlich ihre Robustheit und Vermehrungfreude - sowohl durch Zwiebeln als auch über Samen, den Ameisen sei Dank. Damit die Initialzündung aber gelingt, sollte man Schneeglöckchen nach der Blüte mit Laub ("In the Green", wie der Galanthophile sagt) verpflanzen, anstatt trockene Zwiebeln im Herbst zu kaufen, wie es für nahezu alle andere Zwiebeln angezeigt ist. Dann wachsen sie gut an und schon bald hat man einen üppigen Bestand, in dem man auf Schatzsuche gehen kann. Möglicherweise findet sich ja doch einmal ein Sonderling, der uns vielleicht nicht reich, aber unsagbar stolz machen wird.

Donnerstag, 1. März 2012

Monsterstaude zum Anbeißen

Schade. Die Staude, die schneller wächst als ihr Schatten, hat leider auch letztes Jahr nicht geblüht. Und das, obwohl ich dieses Mal wirklich Hoffnung hatte, dass gelbe Sonnen auf mich herunterschauen würden aus luftiger Höhe. 
So ungefähr hätten sie wohl ausgesehen:


Denn Knospen hatte sie schon, wie ich feststellen konnte, als ich einen Stengel zur Leibesvisitation auf Augenhöhe hinunterzog. Zu dem Zeitpunkt, es war September, konnte ich ohne Leiter oder Dehnübungen schon nicht mehr sehen, was sich dort über meinem Kopf abspielte, so groß waren die Pflanzen gewachsen. Denn Topinambur (Helianthus tuberosum) ist kein Kind von Traurigkeit und bringt es locker auf die Höhe einer gedopten Riesensonnenblume. Und das jedes Jahr auf's neue, denn im Gegensatz zur kopflastigen Verwandtschaft ist er eine Staude, dessen unterirdische Knollen garantiert jeden noch so kalten Winter überleben. Aber auch in die Breite geht er, was ihn lästig werden lässt, wenn ihm keine Grenzen gesetzt werden. Entsprechend wüst sah mein Kräuterkreis mit Kübelteich im Herbst auch aus (der grüne lange Lulatsch ist der Topinambur). Man erahnt hier auch das Problem: Der Standort ist wohl zu schattig.


Gegen seinen Ausbreitungsdrang hilft nur eins: Aufessen! Den ganzen Winter lang, wenn der Boden nicht gefroren ist! Denn wenn er auch die Blüte versagt, so ist der Topinambur doch das einzige Gemüse, dass mein Garten ohne zu Murren und im Halbschatten reichlich hervorbringt. Geerntet werden kann wirklich laufend, die Knollen bleiben im Boden schön frisch und knackig - ganz im Gegensatz zum Kühlschrank, wo sie nicht lange haltbar sind.


Topinambur wächst so rasend schnell, dass eine Knolle ausreicht, um nach ein paar Jahren einen küchenfertigen Bestand zu erreichen. Warum also nicht mal einen preiswerten Sichtschutz aus ihm anlegen? Einfach ein paar Reihen Pflastersteine an der Terrassenseite aussparen, Erde rein und ein paar Knollen - fertig ist ein über 2 Meter hoher, essbarer Sommerzaun, der absolut pflegeleicht ist. In voller Sonne wird er sogar blühen. Netter Nebeneffekt: Aus diesem Alcatrazbeet kann er auch nicht ausbrechen.

Wer den eigenwilligen und äußerst dominanten Geschmack nicht so gerne mag, der sollte einmal diese edle Suppenvariante ausprobieren. Seitdem ich das Rezept habe (aus dem Buch Alte Gemüsesorten - neu gekocht: Topinambur, Petersilienwurzeln, Steckrüben, Haferwurzeln, Spaghettikürbis, Rote Beete, Schwarzwurzel), ist Topinambur mein neuer bester Freund:

Für vier Personen: 
450 g Topinambur
2-3 Kartoffeln
1 Zwiebel (ich nehme zusätzlich noch Knoblauch)
 Öl
500 ml Gemüsebrühe
150 ml Rahm
Salz und Pfeffer
In Scheiben geschnittene getrocknete Feigen sowie gehackte Haselnüsse zum Garnieren nach Belieben.

Die Zwiebel andünsten, in Würfel gehackten Topinumbur und Kartoffeln dazugeben und ebenfalls andünsten. Dann die Brühe hinzugeben und kochen, bis alles gar ist. Pürieren, würzen und den Rahm hinzugeben. Mit kleingeschnittenen Feigen und gehackten Haselnüssen garnieren - fertig!

Das habe ich am Wochenende mal wieder gekocht, und meiner Monsterstaude nach dieser sensationellen Suppe wieder mal verziehen, dass sie nicht blühen wollte. Liebe geht eben doch durch den Magen.