Montag, 26. November 2012

Zweiter Frühling

So, liebe Gemüseindustrie, lieber Bauernverband und sonstige mit der Agrarwirtschaft verschwägerte Leser, dieser Beitrag wird euch nicht gefallen. Denn er wird alles andere als verkaufsfördernd sein, aber zu meiner Verteidigung möchte ich ausdrücklich und ganz entschieden betonen: Es ist ein Notfall. Wirklich. Da der Grüne Daumen nämlich im Winter nichts zum Austoben hat, muss er stattdessen mit dem Essen spielen. Aber nur in bester Absicht und nicht verschwenderisch. Im Gegenteil.

Wir wollen nämlich aus gebrauchten Frühlingszwiebeln neue machen. Geht ganz leicht: Alles, was man dazu braucht, sind - nicht ganz überraschend - Frühlingszwiebeln und ein bisschen Wasser. Hat man aus den grünen Bestandteilen einen leckeren Quark oder ein wahnsinnig gutes Wok-Gericht zubereitet, bleibt sehr viel Zwiebel übrig - dieser weiße, schlanke Teil mit Wurzeln dran. Den kann man einfach in eine Vase stellen, ein paar Wochen warten  - und schon gibt es neues Grün frei Haus! Gerade zu dieser Jahreszeit, wo das schlanke Gemüse von weit her kommt, macht es besonders viel Sinn, es noch mal wiederzubeleben.

Damit das gelingt, sollte man so kurz vor dem weißen Wurzelbereich aufhören mit dem Schneiden, so dass ein grüner Blattansatz übrig bleibt.

Nachgewachsen - man kann den Schnittpunkt noch erkennen

Dann hat die Zwiebel genug Kraft, um mit ihren gespeicherten Reserven noch einmal neues leckere Laub zu produzieren. Wenn die Temperaturen und die Jahreszeit es erlauben, können die Pflanzen alternativ auch in den Garten gepflanzt werden an einen sonnigen Platz. Dort wachsen sie sich bei guten Bedingungen noch zu einer schönen neuen Zwiebel aus, vielleicht sogar mit Blüte im nächsten Jahr.


Aber auch in der Vase auf der Fensterbank bekommt man mindestens noch eine neue Ernte hin, bis die Pflanzen dann langsam mal in Erde gesteckt werden möchten, denn ein so hoher Wasserstand ist auf Dauer nicht ihre Sache. Vielleicht machen sie eingetopft sogar als äußerst nützliche Zimmerpflanze eine gute Figur?

Dieser Art der Beschäftigungstherapie für gelangweilte Grüne Daumen eignet sich insbesondere, wenn man

  • konventionelle Frühlingszwiebeln zu Bioware aufbrezeln möchte
  • hoffnungslos eingeschneit ist und nicht zum Gemüsehändler kommt
  • nie weiß, wann der nächste Heißhunger auf Frühlingsquark sich meldet
  • gerade keine dekorativen Zimmerpflanzen oder Schnittblumen zur Hand hat

Ganz und gar nicht geeignet ist diese Methode für Menschen, die lieber das weiße untere Ende der Frühlingszwiebel mögen, denn das wächst leider überhaupt nicht nach, wenn man die Blätter allein ins Wasserbad stellt. Auch muss man sich keiner Illusion hingeben, dass die lustig bunten Gummibänder nachwachsen, von denen die Strünke so verkaufsfördernd zusammengehalten werden...

Aber ansonsten ist der zweite Frühling der Frühlingszwiebel eine tolle Beschäftigung für dunkle Wintermonate, die einem wieder mal Ehrfurcht-heischend beweist, wie viel Kraft doch in jedem noch so dünnen pflanzlichen Speicherorgan steckt. Hoch lebe Allium fistulosum!

Mittwoch, 21. November 2012

Gärtnerseelen

Bücher über gärtnernde Menschen gibt es viele. Meist sind es Hochglanzbände mit perfekten Grünflächen und deren Besitzern stolz mittendrin. Doch allzu oft überzeugen mich die Berichte über Frau Von-und-Zu oder so manches Mitglied des Geldadels nicht, die gestützt durch eine Armada von bezahlten Helfern es sich leisten können, bestens gekleidet und ohne Dreck unter den Fingernägeln für's Foto zu posieren - im Hintergrund ein Garten ganz ohne Fehler.

Überhaupt - diese perfekten Gärten! Sind sie doch bei Lichte betrachtet eigentlich noch viel einschüchternder als ihre wie aus dem Ei gepellten Eigner. Kein Kräutlein stiehlt einem anderen frech die Schau, pilz- und sorgenfrei überragen gut gelaunte Rosen einen strahlenden, sattgrünen Buchsbaum. Der Rasen ist einfarbig und gutgenährt, kein Gänseblümchen erdreistet sich ihn zu diffamieren in seinem grünen Ernst.

Schopftintling in meinem Rasen

Nein, so sieht mein Garten beileibe nicht aus, und seine Gärtnerin kommt oft genug mit dreckstarrender Jeans und zerzauster Räuberfrisur aus selbigem hervorgekrochen. Und doch macht nichts zufriedener als ein zünftiger Muskelkater nach gelungener Komposttransplantation auf die Staudenbeete.

"Sonst habe ich immer geträumt von anderen Gärten, die so hundertprozentig gelungen daherkommen. Vielleicht ist meiner nur zehnprozentig... egal, denn es ist meiner. Zu einhundertprozent meiner." - Mit diesem so treffenden Satz beginnt das neue Buch "Gärtnerseelen" aus dem Ulmer-Verlag, mit dem vielsagenden Untertitel "Warum Dreck unter den Fingernägeln glücklich macht".



Um dieser Frage nachzugehen, hat die Autorin Christiane Büch über eine Gartensaison hinweg 9 Gärten, einschließlich ihres eigenen, besucht und deren Besitzer durch die grüne Zeit begleitet.

Herausgekommen ist ein etwas anderes Gartenbuch, das die Gärtner in ihrem natürlichen Lebensraum ganz ungeschönt und in Interaktion mit ihren Pflanzen zeigt. Die Fotos sind eher Schnappschüsse als gestellte Hochglanzszenen, die Gartenbilder zeigen ungewohnte Perspektiven und intime Einblicke in durchaus auch mal wildkrautaffine Staudengesellschaften. Es werden Winterlinge aus Mäuseperspektive gezeigt, Türkenbundlilien unter schattigem Gehölz und immer wieder die Gärtner selbst in scheinbar unbeobachteten Augenblicken. Das Zymbelkraut darf im Efeu wachsen, als Experiment wird in einem Garten sogar ein Stück Beet sich selbst überlassen, um zu schauen, was sich spontan ansiedelt. Perfekt sind die Gärten in diesem Buch also nicht, aber dafür umso sympathischer.


Die Texte - mehr poetisch als praktisch - beschäftigen sich in Tagebuchform mit den Besuchen der Autorin in den jeweiligen Gärten, immer aufgelockert durch Gedichte, Briefe oder Gedankenspiele.

Die Gärten sind alle sehr unterschiedlich. Da ist der Familiengarten mit viel Gemüse, oder der Garten des Lilienzüchters. Da ist das große Parkanwesen einer alten Dame, und der Raritätengarten eines Ehepaares.

An Pfingsten werden alle teilnehmenden Gärtner zu einem Treffen eingeladen (doch nanu: sieht man auf dem Bild dazu nicht Schnee im Hintergrund?), um sich kennenzulernen und eine ganz besondere Blume mitzunehmen, eine Nördliche Dreiblattspiere (Gillenia trifoliata), deren Name aber nur der Leser sofort erfährt. Stattdessen sollten die Gartenbesitzer intuitiv herausfinden, wo die Staude gerne wachsen möchte. Das ist eine nette Idee, und so ist im weiteren Verlauf des Bandes viel Bild- und Textmaterial zur Gillenia zusammengekommen.


Ich habe dieses schön gestaltete, hochwertige Buch wirklich gern gelesen, zum Ende aber schlichen sich immer mehr Themen ein, mit denen ich nichts anfangen konnte, wie Bachblüten, Gärtnern nach dem Mond und immer wieder Adjektive wie "heilig" oder "urmütterlich", die mich nüchtern denkende Gärtnerin gestört haben. Richtiggehend irritiert hat mich schließlich das Zwiegespräch mit einer Cerinthe, die der Autorin offenbart, sie sei aus Atlantis. Wer sich gern mit diesen Aspekten des Gärtnerns beschäftigt, wird auch mit solchen Passagen Freude haben, denn Christiane Büch ist ein sehr persönliches Buch gelungen, und diese eher esoterischen Ausflüge in die Materie scheinen ihr wichtig zu sein.

Es sind dann Sätze wie "Sämlinge zu unterscheiden ist nicht einfach und nicht viele Gärtnernde könnes es. Bedauerlicherweise, denn ihnen entgehen die Geschenke des Zufalls.", die überzeugen.

Andere Passagen wie diese hier lassen mich glauben, Frau Büch wäre heimlich auch in meinem Garten zu Besuch gewesen, und zeigen außerdem, dass ein Garten nicht teuer sein muss:
"Viele der Pflanzen hier haben kuriose oder spannende Hintergründe. Sie sind weniger gekauft als zusammengetragen, abgezwackt, eingesammelt, aufgelesen, gebracht und geschenkt worden."

Ich hätte gern mit der Autorin geplaudert. Und vielleicht hätte sie auch in meinem wilden, winzigen, und gar nicht perfekten Garten irgendeinen Pflanzenschatz gefunden, über den es sich zu schreiben gelohnt hätte.

Samstag, 17. November 2012

Zermürbte Zieräpfel

Nach dem Riesenerfolg des Zierapfel-Wodkas letztes Jahr bin ich diesmal in die Großproduktion eingestiegen: Ein Zweiliter-Einmachglas musste her, um etwa 800g unschuldige Zieräpfel Marke Golden Hornet mit einem ganzen Liter Alkohol zu fluten. Selbstverständlich habe ich auf das Fehlen von Wurmlöchern geachtet, um nicht der Tierquälerei bezichtigt zu werden.

Es sind zwei hübsche Fläschchen à 0,75 Liter mit Hochprozentigem dabei herausgekommen - prächtig golden wie vormals die Früchte. Der schnöde Wodka konnte schließlich etwas Farbe vertragen und wurde gleichzeitig zum Bio-Getränk veredelt.


Nur die alkoholisierten Äpfelchen haben ein wenig unter der Prozedur gelitten. Schwammen sie zunächst noch fröhlich gelb in ihrem Aquarium umher, büßten sie allmählich etwas an Spannkraft und Gesichtsfarbe ein. Braun sind sie geworden im gelben Gesöff - unansehnlich und außerdem so besoffen wie die berüchtigte Piemontkirsche in ihrem Schokoladengefängnis

Was also tun, nachdem der leckere Trunk sicher in Flaschen eingesperrt war? Die ausgelaugten, hochprozentigen Früchtchen einfach in den Müll zu werfen, widerstrebte mir. Das hatten sie nicht verdient, außerdem waren es ja immer noch so etwas wie Lebensmittel, wenn auch an der Grenze zur biologischen Waffe. Der Kompost schied auch aus, schließlich wären die dort ansässigen Rötelmäuse schnell blau geworden und die Würmer hätten sich gekringelt, aber nicht vor Lachen.

Einfach in den Garten kippen geht auch nicht, es sei denn, man mag keine Amseln und möchte sie gern torkeln sehen.


Letztes Jahr habe ich die Zieräpfel durchgekocht, durch ein Sieb gestrichen und mit ein bisschen Gelierzucker zu Marmelade verarbeitet. Der Alkohol war dadurch zuverlässig verduftet, die Farbe dieser Frühstückskonfitüre aber gar nicht tischfein - braun war sie und am Rande von unappetitlich anzuschauen. Geschmeckt hat sie trotzdem.

Dieses Jahr bin ich dann auf die glorreiche Idee mit den Apfelpfannkuchen gekommen. Äpfelchen also halbiert und entkernt, was in deren mürben Zustand leichter geht als vor dem Alkoholbad. Die Küche riecht dabei wie die nächste Eckkneipe und man kann wirklich froh sein, dass die Fruchtfliegen um diese Jahreszeit schon Feierabend haben, sonst hätten sie sicher liebend gern ein kleines Gastspiel gegeben.

Als der ganze marode Haufen zubereitet war, habe ich den Teig in die Pfanne gehauen und mit den winzigen Apfelhälften garniert. In der Annahme, dass der Wodka schleunigst in der Hitze verdampft, hatte ich auf eine alkoholfreie Mahlzeit gehofft. Und was soll ich sagen? Der Alkohol ist geblieben. Geschmeckt hat es nicht schlecht, aber durchaus ungewöhnlich - wie Pfannkuchen mit Mon-Cherie-Pralinen oder einem guten Schuss Glühwein. Auf jeden Fall war es ein bisschen zu viel des Guten, aber ich war immerhin froh, die kleinen Bomben nicht an den Gartenvögeln ausprobiert zu haben.

Diese Art der Zierapfel-Zubereitung eignet sich besonders, wenn

  • man mit sofortiger Wirkung vom Küchendienst entbunden werden möchte.
  • ungeliebte Gäste schnell loswerden will, denn das Gericht ist Dessert und Absacker in einem, spart also Zeit.
  • man ein prima Mitbringsel für die Halloween-Party braucht.
  • man seinen Kummer mit Obst ertränken möchte (das klingt wenigstens besser und gesünder).

Wenn also niemand von euch eine bessere Idee hat, werde ich die Zieräpfel beim nächsten Versuch in süßem Teig versiegeln, ordentlich bei großer Hitze ausnüchtern und als Apfelkuchen auf den Tisch bringen. Dann ist der Wodka draußen und die braune Farbe auch schon egal. Alternativ kann man natürlich auch gleich Schnapspralinen draus basteln und somit aus der Not eine (Un)Tugend machen. Prost.

Sonntag, 11. November 2012

Dresdner Allerlei

Achtung, hier kommt ein Reisebericht. Ich möchte mich jedoch schon vorab in aller Form entschuldigen, dass ich ein ganz miserabler Tourist bin. Dabei gebe ich mir wirklich viel Mühe, sage pflichtschuldig "Ah" und "Oh" beim Anblick altehrwürdiger Architektur, wandere brav durch jede Form von Altstadt und tue alles nur Menschenmögliche, um meinen Respekt vor sämtliche Hütten und Palästen auszudrücken, die als sehenswert gekennzeichnet sind. Und das war's dann aber auch schon. Museumsbesuche und die Besichtigung sakraler Inneneinrichtungen stehen zumindest als guter Vorsatz stets auf dem Programm, aber wenn es dann vor Ort nicht gerade stürmt und schneit, versuche ich mich um derartige lichtscheue Aktivitäten herumzudrücken. Vorzugsweise im Grünen.

Ja, ich bin ein schlechter Tourist und sicher der Albtraum eines jeden Stadtführers. Mein Blick verweilt nie so lange auf historischen Gemäuern, wie es sich für einen respektablen Reisenden geziemt. Stattdessen entdecke ich unweigerlich Straßenbäume, die mich brennend interessieren, oder ich erspähe Turmfalken am Kirchturm, die mich fortan mehr fesseln als die Kirche selbst.

Bringen wir es also hinter uns. Für alle, die gerne wissen wollen, wie es in Dresden so ausschaut, hier nun die (fast) klassische Sicht auf die Altstadt, wie sie im Buche steht:

So, das wäre geschafft. Nun zu den kleinen, aber feinen Details, die die Stadt sonst noch zu bieten hat. Da wären zum einen die Blaseneschen (Koelreuteria paniculata) in der Altstadt, die sich in Dresden außerordentlicher Beliebtheit erfreuen. Ich kann verstehen, warum - ihre Herbstfärbung ist grandios.



Mitten in der Stadt gibt es schöne Staudenbeete mit Lampionblumen, Gräsern und Astern. Am Zwinger war ich außerdem von einer sehr großen Baumhasel (Corylus colurna) in Trauerform beeindruckt:


Zum Glück hat Dresden auch einen botanischen Garten, der allerdings nicht gut ausgeschildert ist. Man muss schon wissen, dass er da ist, um ihn zu finden. Wahrscheinlich ist er nicht das bevorzugte Ziel des braven Touristen, dabei kostet er noch nicht mal Eintritt. Und so hatten wir ihn an einem grauen Novembermorgen auch ganz für uns allein - unser eigener, privater botanischer Garten.

Allerdings wurden wir dort schon vor dem Betreten von allerhand Strauchdieben und Wegelagerern überfallen, die die sofortige Herausgabe von Esswaren forderten:


Ein Rudel von fünf Kohlmeisen sowie mehrere Eichhörnchen wurden extrem zudringlich. Das Mitführen von Nüssen oder Körnern als Wegezoll ist dringend zu empfehlen, um die gefräßige Bande zufriedenzustellen. Wer schon immer mal eine Kohlmeise in der Hand haben oder einem Eichkater ebendiese schütteln wollte, dem sei der botanische Garten in Dresden unbedingt ans Herz gelegt.

Weitere Attraktionen sind einige Tropen- und Kalthäuser mit allerhand kuriosen Pflanzengestalten wie Bandbusch, Baumtomate und Lulo (Solanum quitoense).


Die Außenanlage hat auch im November noch so einiges Staunenswertes im Angebot, wie die herbstblühende Virginische Zaubernuss (Hamamelis virginiana) oder den Asiatischen Spindelbaum (Euonymus hamiltoniana) mit Früchten im "Prinzessin Lillifee"-Farbschema (oben rechts im Bild). 

Für mich war diese Pflanze hier die ganz große Sensation: Ein Pärchen des zweihäusigen Osagedorns oder Milchorangenbaums (Maclura pomifera) gab mit seinen großen, enorm schweren Früchten an. Diese Dinger sehen aus wie der Muppetshow entsprungen, riechen verführerisch fruchtig und sind durch und durch rätselhaft. Der bedornte Baum mit seinem relativ kleinen Verbreitungsgebiet in den USA hat mittlerweile wenig Kundschaft - seine Früchte kommen in der Tierwelt nicht mehr gut an und werden kaum noch natürlich verbreitet. Man nimmt daher an, dass die Pflanze ein Relikt aus der Eiszeit ist und die Früchte in ferner Vergangenheit von Präriemammuts und Riesenfaultieren gefressen wurden (ein botanischer Krimi: The Ghosts Of Evolution - Nonsensical Fruit, Missing Partners, And Other Ecological Anachronisms). Ich für meinen Teil hätte jedenfalls fast hineingebissen, bis ich den Totenkopf auf dem Schild entdeckt habe.




Der Garten hat es verdient, in Dresden mehr Beachtung zu finden, und sollte auf jedem touristischen Programm stehen.
Der Reisende darf nur nicht unter Verfolgungswahn leiden: Man wird ständig von den Hörnchen und Meisen umkreist, die den Besucher nie ganz aus den Augen lassen, falls er nicht doch noch seine Taschen öffnet. Aber diese fast handzahmen Tiere sind es am Ende, die mir von meinem Dresdenbesuch in Erinnerung bleiben werden, wenn ich den Anblick der historischen Gebäude schon lange vergessen habe.

Dienstag, 6. November 2012

Fallstudien

Wenn ich eines gut kann, dann leugnen. Ich kann leugnen, dass sich die Balken biegen. Zum Beispiel die Tatsache, dass auch ich älter werde. Oder dass manche meiner Gartenpflanzen mittlerweile zu groß sind für den Reihenhausgarten. Leugnen ist der Luxus des kleinen Mannes - und klappt zumindest eine Weile recht gut und nebenwirkungsfrei.

Ganz besonders gerne leugne ich das Heranrücken der dunklen Jahreszeit, die sich stets ganz langsam heranschleicht. Solange nämlich noch Blätter an den Bäumen sind, die Kraniche noch nicht gezogen und vor allem noch nicht auf Winterzeit umgestellt wurde, kann man so tun, als wäre noch Sommer. Doch spätestens dann, wenn in den Blumenläden statt eben diesen nur noch Grabgestecke herumlungern, wird es ernst. Das wissen die Bäume auch und lassen allmählich ihren hübschen Blattschmuck unter sich gehen.

Pfaffenhütchen pfeift noch auf den Winter

Dieses Jahr mit der voreiligen Winterepisode Ende Oktober scheint die heitere Schönfärberei jedoch eine durch und durch ernste Angelegenheit zu sein - in einer konzertierten Aktion verloren die Bäume eines frostigen Sonntagmorgens gleich scharen- und haufenweise ihr Laub. Ich habe mit sogar eingebildet, das Abnabeln der Blätter am Ast hören zu können. Ganz besonders schlimm haben es die immer etwas ernst aussehenden Eschen getroffen, die auch zu den leugnenden Bäumen gehören und mit als letzte ihre Blätter abwerfen - und das haben sie nun davon: viel erfrorenes Grün.


Aber trotzdem gibt es auch dieses Jahr wieder die Partylöwen unter den Bäumen, die ihre Pracht wie jeden Herbst mit viel Pomp verlieren und dick mit Farbe auftragen - die eher introvertierten, wie meine Süßkirsche, haben dagegen meistens tarnfarben-grüne Blätter. Nur wenn der Kirschbaum ausnahmsweise ganz neckisch wird, färbt er sich in Teilen auch mal Fastgelb oder Nahezubraun. Aber alle haben eines gemeinsam: Das Laub liegt am Ende einträchtig auf dem Rasen herum.



Und da muss es schleunigst runter, sonst ist die Grasnarbe auf Dauer beleidigt. Also den Blättern schnell zeigen, was eine Harke ist, und ab damit ins Beet.

Letzten Winter stand folgendes Ensemble in meinem Garten unter kritischer Beobachtung, um herauszufinden, welche Bestandteile im Laubmulch von allein verschwinden, und bei welchen man im Frühjahr handgreiflich werden muss:


Diese Blattarten bekomme ich entweder aus dem nahen Park eingeflogen oder produziere sie im großen Stil vor Ort, wie Kirsche, Apfel und Hasel.

Im Frühling zeigte sich: Problematisch und hartnäckig ist vor allem die Hasel, deren Blätter auch im nächsten Jahr noch weitgehend unversehrt herumlungern, während Apfel- und Kirschlaub wie von Zauberhand verschwindet. Wenn man den Rasenmäher zum Zerkleinern etwaiger Reste dann noch nicht bereit hat und es sind überschaubare Mengen Laub, kann man die Blätter ganz leicht mit der Hand zerbröseln und damit die Schneeglöckchen ins Rampenlicht rücken. Das gilt auch für größere Ahornblätter, die sich schön angerottet gut zu Kleinteilen zerquetschen lassen. Zum Wegwerfen ist das Laub jedenfalls zu schade - im Wald fegt schließlich auch niemand die Blätter weg.

Lässt man die Fragmente jedoch liegen, deckt man den Regenwürmern den Tisch und macht den Vögeln Freude. Außerdem hält ein Boden mit Laubmulch als Oberschicht besser die Feuchtigkeit und schützt vor Frost. Ist es im Frühjahr doch zu viel gewesen mit den Blättern, können sie dann immer noch in die Biotonne oder besser noch: auf den Kompost. Erstmal sollte man es ruhig mit der flächigen Verrottung auf Erdboden versuchen.

Liegt das Laub aber erstmal unten im Beet, kann man den Winter nur noch ganz schlecht leugnen, aber man darf immerhin sicher sein, dass man dem Frühling einen guten Start bereitet hat. Und Vorfreude ist schließlich die schönste Freude.