Sonntag, 28. Juli 2013

Hütten oder Paläste?

Kaufen oder selber machen, das ist gerade im Garten oft die Frage. Wer mit zwei rechten Händen gesegnet ist, der kann sich mit Hammer und Säge austoben, ich aber kann da nicht mithalten. Jedoch bringe selbst ich es oft genug ohne fremde Hilfe fertig, hohle Pflanzenstängel in wasserdichte Behälter zu stopfen, meistens sogar einigermaßen waagerecht. Insektennisthilfen habe ich daher schon so einige improvisiert, meistens mit kaputten Metallgießkannen oder Dosen - alles mit dem gewissen Trödelmarktflair, das heute liebevoll Vintage genannt wird.



Nun kann man Behausungen für Krabbeltiere aber auch käuflich erwerben. Tut das Not oder sollte man sich das Geld lieber sparen und stattdessen in Gießkannen investieren, um sie dann während jahrelanger Benutzung zum Bienenhotel herunter zu wirtschaften?

Um herauszufinden, was professionell hergestellte Nist- und Überwinterungshilfen für Insekten leisten können, habe ich mir das große Hotel von Neudorff bestellt, der Firma mit der weißen Öko-Weste. Es schlägt mit fast 40 Euro zu Buche. Maße: 56 x 36 x 9 cm (H x B x T).

Der hölzerne Plattenbau ist hübsch anzuschauen und wie ein Mehrfamilienhaus aufgebaut: Oben der Dachboden mit Rindenschnippseln für Marienkäfer, unten im Keller stecken Tannenzapfen für Florfliegen. Im Zentrum prangt ein Hohlraum, der aussieht wie eine Spardose: Er ist für überwinternde Schmetterlinge gedacht. Der Rest ist für Wildbienen und -wespen eingerichtet. Es gibt ein Fach mit Ästen, in die Niströhren gebohrt wurden, sowie zwei Fächer mit mehr oder weniger hohlen Pflanzenstängeln.

Hier nun im einzelnen die Vor- und Nachteile dieses Häuschens:

Pluspunkte:

  • Die Nist- und Überwinterungshilfe sieht blendend aus und wird so auch die kritischsten Verwandtenbesuche überstehen.
  • Die Kundschaft ist vielseitig, so dass in jedem Garten wohl ein Teil der Bewohner vorhanden sein sollte.
  • Beigelegt ist ein Tütchen mit Wildblumensamen, um der Zielgruppe auch zünftige Vollpension bieten zu können.
  • Der Karton ist mit der kompletten Anleitung groß und breit bedruckt, so dass man nichts übersehen kann.
  • Das Häuschen enthält keine Holzschutzmittel und wird bei der Paritätischen Lebenshilfe Schaumburg-Weserbergland handgefertigt.

Minuspunkte:

  • Das Insektenhotel ist absolut wasserscheu und muss unbedingt regengeschützt aufgehängt werden. Ein wenig überstehende Dachpappe hätte man dem Konstrukt ruhig spendieren können.
  • Wobei wir beim nächsten Kritikpunkt wären: Als Halterung befindet sich auf der Rückseite lediglich ein vorgebohrtes Loch, das man über einen Nagel stülpen soll. Das ist fummelig und nicht sehr stabil. Ich habe zusätzlich eine alte Halte-Kette in die Rückwand geschraubt (siehe Bild unten) - so etwas kriege sogar ich ohne Werkzeug und Vorkenntnisse hin.
  • Am schlimmsten ist aber, dass die Nistlöcher für Mauerbienen exakt so gebohrt sind, wie man es nicht machen sollte: Vermutlich ist es Weichholz, denn die Eingänge sind mit Holzsplittern verstellt und nicht sauber gearbeitet. Außerdem wurde diese Splittergruppe ins Hirnholz gebohrt, besser wäre quer zur Wuchsrichtung des Astes.
  • Die Pflanzenstängel in den beiden darunterliegenden Fächern sind nur teilweise hohl. Bienen und Wespen, die sich ihre Gänge selbst in markhaltiges Holz bohren, tun dies aber lieber in senkrechten Stängeln. Hier wäre es sinnvoller, auf diese Anteile ganz zu verzichten und nur vollständig hohle Bestandteile einzubauen.

Fazit: Hübsch anzuschauen und möglicherweise für Marienkäfer, Florfliegen, Ohrenkneifer und Schmetterlinge die erste Adresse, für Bienen und Wespen aber eher mit Vorsicht zu genießen. Positiv ist, dass dem Käufer mit den beigelegten Samen durch die Blume klargemacht wird, dass nur ein naturnaher Garten wirklich helfen kann und Nisthilfen alleine keine Wunder vollbringen können.
Ob die Mauerbienenhölzer wirklich besiedelt werden, wird sich im nächsten Frühjahr zeigen. Man darf gespannt sein - und vorher noch einmal zum Bohrer greifen, um die Löcher splitterfrei zu bekommen.

Vielen Dank an GartenXXL für den Test-Gutschein. Die Bestellung war unkompliziert und die Lieferung schnell.

Dienstag, 23. Juli 2013

Statt Blumen

Jeder kennt sie, diese perfekt arrangierten Terrassen- und Balkonszenen aus den Gartenzeitschriften. Viele lieben sie, bei mir sind sie dagegen fast schon ein gefürchteter Anblick, zeigen sie doch ganz schonungslos den Gegensatz zu meiner Gartenwelt. In den Magazinen sieht man immer perfekt Blühendes in feinen Pastellfarben, oder auch mal Ton in Ton, je nach Jahreszeit - immer jedoch in Hochglanzqualität und stets ohne Fehl und Tadel. Auf meiner Terrasse aber stehen Töpfe, in denen letzte Saison Gemüse wuchs und nun eine muntere Schar frecher Pionierpflanzen - von der Akelei über den Feldsalat bis zum Schnittlauch und Oregano ist in meinen Kübeln immer alles vertreten, was sich gekonnt selbst aussäen kann. Ich bringe es nie über's Herz, diese kleinen Schätze heimatlos zu machen, also wird es auch nie etwas mit dem Blütenrausch vorm Wohnzimmerfenster. Bald ist sowieso der Blick versperrt durch üppiges Tomatengrün, dann sehe ich das Elend wenigstens nicht mehr. Zu meiner Ehrenrettung schreitet immerhin eine lustige Sonnenblume von zwergenhaftem Wuchs ein, die so tut, als würde hier ganz fabelhaft im Topf gegärtnert. Ich kann nur leider nichts dafür, sie war ein Geschenk.

Wenn also der Inhalt der Kübel schon keinen Schönheitspreis gewinnt, dann doch wenigstens die Töpfe selbst. Also habe ich mir dieses Jahr einiges an Recyclingbehältern angelacht, Hauptsache bunt sollten sie sein.

Der Klassiker schlechthin ist diese olle Olivenöldose. Die Idee ist ja nicht neu. Ich wollte das schon immer mal nachmachen, allein das schmucke Behältnis fehlte bis vor Kurzem. Das Motiv ist zwar etwas befremdlich (warum bitteschön gießt die Dame auf dem Bild denn bloß das ganze Olivenöl hinfort, während der Mann arbeitet?), aber trotzdem hübsch anzusehen. Nun steht Basilikum darin.

Genauso wie in der "I love Robins"-Verpackung aus England. Die ist schließlich so dekorativ, dass ich sie einfach noch mal in den Mittelpunkt rücken musste.

Um das Trio abzurunden, musste am Ende noch eine knallgelbe M&Ms-Tüte herhalten und sich schmutzig machen. In diesem fröhlichen Gelb wächst das Basilikum komischerweise am allerbesten - kein Wunder, schließlich habe ich den Inhalt auch mit Liebe aufgegessen. Auch die Schnecken haben sich an dieses grell-bunte Behältnis bezeichnenderweise noch nicht heran getraut, obwohl sie ansonsten stets sehr bemüht waren, jedes Basilikum dem Erdboden gleich zu machen.

Wer also seine wuchernde, nicht-blühende Terrasse oder den Balkon kaschieren möchte, der mag vielleicht auch zu so lustigen Verpackungen greifen. Material gibt es genug, Hauptsache schön bunt - schließlich ist Sommer, da darf man sich ruhig im Farbton vergreifen. Das Grünzeug wirkt dann gleich nicht mehr so langweilig. Die Gartenzeitschriften empfinde ich zwar immer noch als Provokation, aber nun kann ich mich beruhigt zurück lehnen - meine Terrasse ist jetzt bunt, basta!

Mittwoch, 17. Juli 2013

Bückware

Jeder kennt sie aus dem Supermarkt: Bückware. Die steht immer ganz unten im Regal und ist billig, aber man muss eben ein bisschen Kniebeugen betreiben, um sie zu bekommen. Außerdem fallen sie da unten nicht so leicht ins Auge, weshalb man oft an ihnen vorbeigeht.

Bückware gibt es auch im Garten. Die ist aber keineswegs minderwertig oder irgendein Ramsch, sondern durchaus lecker und auf jeden Fall ein bisschen sportliche Betätigung wert: Erdbeeren. Aber nicht so eine von den dicken hochgezüchtete, sondern die kleine, bescheidene Wald-Erdbeere (Fragaria vesca).

Dieses essbare Bodenpersonal mit dem außergewöhnlichen Geschmack sollte in keinem Beet fehlen. Aber keine Sorge: das wird es auch nicht, denn wenn man erst einmal ein paar von den Pflänzchen ergattert hat, werden sie sich früher oder später an jede Stelle des Gartens geschmuggelt haben. Sie werden in Töpfe und Pflasterfugen kriechen und ab zum Nachbarn, denn mit der Verbreitung per Langstreckenausläufer kennen sie sich bestens aus. Auch durch Samen vermehren sie sich mit Leichtigkeit. Lästig werden die frechen Früchtchen dabei aber nie. Was zu viel ist kann ganz leicht gejätet werden. Dabei ist die kleine Pflanze auch noch ein prima Lückenbüßer, wenn frisch gepflanzte Stauden ihre zugewiesenen Plätze noch nicht ausgefüllt haben.

Die kleinen Kriecher halten nicht nur das Erdreich gekonnt unter Verschluss, sondern bieten auch noch eine feine Zugabe, die sonst kein Bodendecker bietet:  Duftende, köstliche Erdbeeren. Die sind zwar nicht die allergrößten, aber geschmacklich ganz weit vorne. Und wehe, man vergisst die Ernte der knallroten Snacks - dann machen sie mit unglaublich starkem Wald-Erdbeer-Geruch schon von weitem auf ihre Schmach aufmerksam. Selbst die Blätter kann man zu einem heilsamen Tee verarbeiten.

Sie kommen auch im Schatten gut zurecht, nur zu trocken und karg sollte der Boden nicht sein, denn vor allem im Sommer muss man bei aller Pflegeleichtigkeit ein bisschen auf die erdverbundenen Stauden achtgeben: Unter Sträuchern können sie bei längerer Trockenheit schon einmal großen Durst bekommen. Welke Wald-Erdbeeren sind allerdings so ein Mitleid erregender, elender Anblick, dass man sofort mit der Gießkanne zur Rettung eilt.

Die Pflanzen bekommt man in guten Staudengärtnereien - es reichen ein paar wenige Exemplare, sie werden dann rasch mehr.  Günstiger ist die Anzucht aus Samen - noch besser aber sind natürlich Geschenke aus anderen Gärten.

Die Wald-Erdbeere hat nun wirklich eine weitere Verbreitung in den Gärten verdient, denn kaufen kann man das winzige Obst schon mal gar nicht. Weder als Bückware noch in bester Regal-Lage. Also lasst sie kriechen, wo immer es geht, eure Geschmacksknospen werden es euch danken.


PS: Wie mir der Garten einfach so einen Rosenbogen zum Geburtstag schenkte, könnt ihr hier nachlesen.

Mittwoch, 10. Juli 2013

Das Gutschein-Paradoxon


Jeder Hobbygärtner kennt es sicher: Das Gutschein-Paradoxon. Auch unter dem Namen Kaufrausch-Kalamität bekannt, bezeichnet es den geistigen Zustand von Personen, die mit einem wie auch immer gearteten geldwerten Vorteil bewaffnet ein Gartencenter betreten. Äußere Anzeichen sind ein irrer Blick und das hastige Hin-und-Her-Rennen mit dem Einkaufswagen, um nur kein Objekt der Begierde zu verpassen. Zu diesem Syndrom gehört auch der sofortige Verlust der Grundrechenarten. Der Patient neigt dazu, vor allem die simplen Gesetze der Addition und Multiplikation unverzüglich zu vergessen. 

So kommt es dann, dass im Vollbesitz eines Gutscheins stets ein jeder Betrag ab- statt aufgerundet wird, vor allem bei Schwellenpreisen, so dass dieser raffinierte Schachzug des Einzelhandels seine psychologische Wirkung zeigt. Aus 1,99 Euro wird dann ganz schnell 1,00 Euro, vier mal 1,99 sind also schlappe 4 Euro (Herr Adam Riese würde sich im Grabe umdrehen) - und weiter geht's im Fieberwahn, denn nichts ist schöner, als das Geld anderer Leute auszugeben.


Wer dann am Ende nur das doppelte bezahlen muss, hat noch einmal Glück gehabt. Natürlich war dann in unserer Wahrnehmung alles umsonst, denn wer könnte noch genau beziffern, was von den Waren von dem Gutschein bezahlt wurde und was nicht? So hat man immer noch ein gutes Gefühl. Auch das ist ein Charakteristikum des Gutschein-Paradoxons.
In Gartencentern ist dieser Gemütszustand ein besonders tückisches Problem. Es gibt schließlich so viele Kleinigkeiten zu kaufen. Da gibt es verschiedenste vermeintlich nützliche Gartengeräte, zu jeder Jahreszeit Blumenzwiebeln und Sämereien, sowie zu allem Überfluss auch noch Topfpflanzen bis zum Horizont. Und alles so schön bunt hier. Wer will da noch standhaft bleiben?


Wenn man ein neues Beet oder gar einen ganzen Garten mit Leben füllen muss, hat man es gut und kann beruhigt aus dem Vollen schöpfen. Wenn die winzige Anlage aber schon an Völlegefühl leidet, kann so ein Kaufrausch für die Pflanzen sehr unbequem werden. Kaufe ich mir zum Beispiel ein neues Tränendes Herz, gibt es am Ende bei den schon vorhandenen Pflanzen - und bei mir sowieso - nur ein blutendes. Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass die Ausdehnung meines Gartens in der Erinnerung stets proportional zur Entfernung von ihm steigt - also bilde ich mir immer ein, ich würde noch massenhaft freie Pflanzplätze von der Größe eines mittleren Marktplatzes haben. 


Um mir und meinen Stauden also viel Kummer zu ersparen, habe ich mit den Jahren ein paar Strategien zur Vermeidung von pflanzlichen Spontankäufen entwickelt, für die ich eigentlich keinen Platz mehr habe. Zum einen reise ich mit dem Fahrrad an, dann kann man nicht so viel mitnehmen.
Außerdem halte ich mir immer vor Augen, dass so ein Gutschein nicht sofort das Zeitliche segnet, wenn er nicht komplett ausgegeben wird. Mittlerweile kann ich mir so etwas gut einteilen, denn was ich vor allem brauche, ist torffreie Blumenerde, und das immer wieder. Die ist nicht so billig wie die böse herkömmliche, aber durch Gutscheine wird der Gemüseanbau im Topf zum wahrhaft kostenlosen Vergnügen. Ein 20-Liter-Sack passt übrigens prima und unfallfrei auf den Fahrradgepäckträger!

 
Viel lieber kaufe ich sowieso auf Pflanzenbörsen, Sammler- und Staudenmärkten, wo es mehr Raritäten gibt als im Baumarkt um die Ecke. Für seltene Stauden, die man auf einem schönen Ausflug gekauft hat, tut man einfach alles und reißt sich ein Bein für sie aus. Oder einen Frauenmantel. Für diese Veranstaltungen gibt es leider selten Gutscheine. Sonst wären wir Gärtner aber auch wirklich hoffnungslos verloren - das Gutschein-Paradoxon lässt grüßen...

Mittwoch, 3. Juli 2013

Hütchenspiele

Die Geschichte des Fingerhuts ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Dabei gibt es kaum eine einheimische Wildpflanze, die so sehr umworben wird, sich doch bitte im Garten anzusiedeln, wie Digitalis purpurea. Sie ist ja auch so überaus hübsch und praktisch - gliedert sich rank und schlank in Staudenbeete ein und bringt mit Leichtigkeit und Eleganz ein bisschen Höhe in die Pflanzung.

Die Missverständnisse allerdings fangen schon mit der Standortfrage an. Oft ist zu lesen, der Fingerhut sei eine Schattenpflanze. Das kommt daher, dass er naturgemäß in Wäldern zu Hause ist. Pflanzt man ihn aber in das Herz der Finsternis, wird man bitterlich enttäuscht, und die Pflanze auch. Dann blüht Digitalis nicht und wird ohne Nachkommen sterben. Ich habe ihn schon erfolglos in dunkle Ecken gesteckt und werde es nicht wieder tun. Das mag dort vielleicht mit diesen bereits blühenden, gemästeten Pflanzen vom Wochenmarkt klappen, aber wenn erst noch Blüten gebildet werden müssen, kommt das Kraut dort auf keinen grünen Zweig.

Bei einem Waldspaziergang kann man jetzt sehen, wo der Fingerhut sich wohlfühlt. Er ist ein echter Opportunist - wo sich die gähnende Leere einer Kahlschlagfläche auftut, oder ein Baum umgekippt ist, dort blüht gleich eine ganze Gruppe Hütchenspieler. Ebenso kann man ihn an Waldrändern oder wenigstens zwielichtigen Stellen sein Bestes geben sehen. In voller Sonne blüht er jedenfalls auch ganz hervorragend.


Das nächste Rätsel, das er aufgibt, betrifft seine Lebenserwartung. Mal ist zu lesen, er sei eine Staude, dann wiederum soll er nur zweijährig sein und nach der Blüte absterben. Was stimmt denn nun bitte? Beides ist irgendwie richtig. Manche Exemplare überleben ganz von allein ein weiteres Jahr, andere machen sich nach erfolgreicher Samenproduktion vom Acker. Nachhelfen kann man, indem man ihnen dieses Erfolgserlebnis nimmt: Schneidet man den Blütenstand genau dann ab, wenn sich unten schon reife Samen gebildet haben, oben aber gerade die letzten Blüten welken, schafft er es oft über den Winter und tanzt einen weiteren Sommer - Hut ab! So kann man die unteren Samenkapseln immerhin auch noch großzügig im Garten ausschütteln.

Dann wäre da noch die Blütenfarbe: Der Name Digitalis purpurea deutet es an - eigentlich ist er violett mit hübschen Flecken im Rachen. Manchmal aber erscheinen einfach so hell rosafarbene Exemplare oder gar weiße. Das passiert auch mitten im Wald, das ist keine gärtnerische Errungenschaft.


Auch ansonsten neigt der Fingerhut zu Extravaganzen: Wenn er ganz ausgeflippt ist, setzt er sich einen komischen Hut auf in Form einer Riesenblüte ganz an der Spitze, die dann auch noch zuerst aufgeht, obwohl normalerweise die unteren Blüten anfangen. Daher wird sie auch Königsblüte genannt. Oder er lässt benachbarte Blüten zusammenwachsen.


Wo gar keine Missverständnisse aufkommen, ist seine Giftigkeit. Ich vermute allerdings, dass kein vorsichtiger Gärtner jemals zu Schaden gekommen ist durch die bloße Anwesenheit der kleinen Giftspritze namens Digitalis purpurea. Schließlich wäre da ja noch seine anerkanntermaßen so hübsche Blüte, dass man ihn gerne in jedem Beet vertreten wüsste. Er sät sich auch bereitwillig selbst aus, hat aber in schon besetzten Staudenbeeten kaum eine Chance, Boden gutzumachen. So kommt es dann, dass er am Ende mitten zwischen Buchsbaumhecke und Rasen wächst. Dort kann ich ihm trotzdem nichts abschlagen, so gern habe ich ihn.

Daher rühre ich diesen Sommer nicht nur die Werbetrommel für diese Pflanze, sondern schüttle auch wieder fleißig die Samenstände aus, in der Hoffnung, dass er in meinem Garten bleibt. Er darf sich ruhig eingeladen fühlen, da gibt es gar kein Missverständnis!