Samstag, 28. Oktober 2017

Im Frühtau zu Berge

Das Gute am Herbst ist: Man kann am Wochenende endlos in den Federn liegenbleiben, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Während man im Hochsommer am besten schon vor Sonnenaufgang aufsteht, um bestes Fotolicht zu haben, kann man es im Oktober ruhig und verschlafen angehen lassen. Keine böse Mittagssonne, die irgendwann kommt und zur Eile treibt, da sie aus dem Zenit heraus jedes schöne Motiv zu flacher Langeweile verkommen lässt mit ihrem Geltungsdrang. Stattdessen gibt es Licht so sanft wie ein Lämmchen von morgens bis abends. Selbst der Frühtau wird gar nicht so früh aufgeführt, dass er nicht bis nach dem Frühstück warten könnte. Oder bis nach dem zweiten.

Blöd nur, wenn die angekündigte Sonne auch zum Mittagessen noch nicht aufkreuzt, sondern alles unter einer Feuchtigkeitsmaske aus Nebel bis Hochnebel vor sich hin tropft. So ging es mir in Frankfurt, wo ich gern strahlende Herbstfarben im morgendlichen Gegenlicht eingefangen hätte.

In den Ostpark bin ich gelaufen. Dort war die Sonne auch nicht. Dafür gab es einen Blühstreifen mit Einjährigen, die im Morgentau auch bei bewölktem Himmel so taufrisch und adrett aussehen, dass es doch zu einer Fotosafari gereicht hat.

Taufrische Jungfer im Grünen:


 Marokkanisches Leinkraut:



Wegerichblättriger Natternkopf:


Unbekannte Doldenblütler:


Hirtentäschel:


Jungfer im Grünen:


Türkischer Drachenkopf (Mitte): 


Duft-Steinrich, Nelken-Leimkraut (Silene armeria) und Cosmee:


Und kaum war Mittag, war die Sonne dann auch mal aufgestanden und leuchtete den arg gebeutelten Bethmannpark zum Niederknien schön aus (Eintritt kostenlos). Ein asiatischer Pavillon war dort von jemandem niedergebrannt worden, der vermutlich auch sonst nicht besonders sympathisch ist. Daher war ein Teil des Parks nicht zugänglich. Der andere hatte sich aber herrlich herausgeputzt mit Astern und Mangold-Gold in allen Farben - wie man sieht, klappt es auch kurz vor Mittag noch mit dem dekorativen Gegenlicht in bunten Blättern (im Sommer müsste man sich um die Uhrzeit schon unter das Mangold-Laub legen, was in öffentlichen Gärtern komischerweise verpönt ist):














Der Ausflug endete mit dem Fund der Efeu-Seidenbiene am Main an einer Ufermauer. Bald fuhr auch schon der ICE nach Hause - im herrlichen Abendlicht sah selbst Köln-Deutz schön aus. Herbstsonne kann einfach alles. Vor allem lässt sie uns ausschlafen.


Samstag, 21. Oktober 2017

Erdgeschichte

Das Teuerste am Gemüseanbau in Gefäßen ist die Erde. Zumindest, wenn sie nicht erst aus dem Moor und dann aus dem Supermarkt kommt. Dort gibt es nämlich Säcke zu kaufen, die verboten billig sind. Torf ist dort immer drin, Qualität eher weniger. Ich nehme torffreie Blumenerde für meine Tomaten. Und das ist richtig teuer. So teuer, dass ich im nächsten Frühjahr - solange bleiben die Töpfe stehen und dienen als Anzuchtgefäße für Feldsalat und Vergissmeinnicht - immer nur widerwillig ans Wegwerfen denke.


Aber was soll man mit der ausgelutschten Erde machen? Die Tomaten waren gründlich und haben nicht mehr viel Nährstoffe belassen. Doch torffreie Erde ist durch grobe Bestandteile viel strukturstabiler als herkömmliche, riecht auch nach einem Jahr nicht muffig und ist vor allem innen gar nicht durchwurzelt! Die Tomatenpflanzen ziehen es vor, am Rand lang zu wachsen, in der Topfmitte sieht die Erde dagegen oft noch aus wie am ersten Tag.


Also mache ich mittlerweile Trennkost statt Eintopf mit dem alten Kübelinhalt. Die durchwurzelten Außenbezirke zerbrösle ich und nutze sie zum Mulchen. Besonders die Buchsbaumhecke im Vorgarten bekommt immer ihren Anteil, da ihre Wurzeln nach dem Winter gern blankziehen.

Alles, was schön locker ist, kann man prima als Anzuchterde benutzen. Aber taugt das auch für den weiteren Lebensweg der angezogenen Pflanzen? Dieses Jahr habe ich experimentiert und eine mit alter Zeltplane ausgeschlagene Holzkiste mit der ausgelutschten Erde gefüllt. Den Behälter habe ich auf dem Wochenmarkt bei einem Tomatenhändler geschenkt bekommen.

Dann habe ich Kapuzinerkressesamen ausgesät, die auch schnell gekeimt sind. Viel Substrat ist das in der Kiste ja nicht, also habe ich den Pflanzen später immer mal was vom aufgedüngten Tomatengießwasser spendiert. Der BIO-Tomatendünger wird doch die Kapuzinerkresse nicht beleidigen, habe ich mir gedacht.

Und siehe da: Die kesse Kresse benimmt sich gar nicht kapriziös, sondern wächst und gedeiht, blüht hübsch und rankt elegant aus der Holzkiste heraus.



Die im Topf, die nagelneue Blumenerde bekommen haben, stehen sonniger und sahen anfangs vielleicht ein bisschen weniger wirr aus, lassen gegenüber denen in der Holzklasse aber mittlerweile stark nach (Flüssigdünger hatten sie auch).


Das mache ich jetzt immer so. Es lebe die alte Blumenerde!

Samstag, 14. Oktober 2017

City-Trop in Bielefeld?

Bielefeld hat so einige Probleme: Mehr Baustellen als Geld, dadurch noch weniger Geld und wegen der vielen Baustellen wird der eine oder andere gestandene Stadtbaum mal eben flachgelegt. Ein Schandfleck mit Tradition, der Kesselbrink, ist dafür von einem gammeligen Park- und Marktplatz zu einem mehr oder minder grünen Fleckchen geworden. Bäume wurden gepflanzt, die ollen Gebäude abgerissen und Sitzgelegenheiten aus Beton gegossen. Doch die neuen Bäume haben manchen auch wieder auf die Palme gebracht: Die Skater fällten bei Nacht und Nebel eine unvorsichtige Mehlbeere, weil sie ihre Früchte nicht bei sich behalten konnte und die Skateanlage rutschig gemacht haben soll. Die Rasenbewässerung wurde kaputtgetreten, der Rasen konsequenterweise auch. Nur die Staudenbeete rund herum sind wirklich richtig gut geworden:




Das Beispiel Bielefeld zeigt: Stadtbegrünung ist nicht einfach und man kann es nicht jedem recht machen. Jonas Reif hat daher ein Buch dazu geschrieben, wie man es machen kann: CityTrop: Projekte und Pflanzen für grünere Städte von Morgen, erschienen im Ulmer-Verlag.


Jonas Reif, den kennen wir schon von der IGA Berlin, wo er unter anderem einen Dachgarten mit Sukkulenten angelegt hat.
Das Buch enthält als Einstieg atemberaubende Beispiele von Projekten in Singapur. Kunststück, wird man zunächst einwenden, dort ist das Klima eben auch tropisch. Doch es folgen nicht minder spannende Projekte aus Berlin, New York, Düsseldorf, Basel und Paris - und da gibt es keine Ausrede mehr. Die Highline in New York oder die berühmten Vertikalgärten in London und Paris sind mittlerweile rasend beliebt bei Touristen und Einheimischen und helfen, das Ansehen einer Stadt international zu steigern.

Highline, New York

Highline, New York
Dachgarten, Bamberg

Innenhöfe, Berlin

Dachgarten, Freiburg



Begrünte Wände werden gezeigt und erklärt, welche Systeme es dafür gibt und was sich bisher bewährt hat, es werden Balkone, Dächer und alte Industriestandorte bepflanzt, mitunter auch nur temporär, aber nicht minder spektakulär.

Wandbegrünung, London

Wandbegrünung, London
Sogar eine Strandbar in Stuttgart mit getopften Palmen wird vorgestellt. Auch wird die Möglichkeit von gemieteten Gehölzen erwähnt, mit deren Hilfe eine schnelle, kurzfristige Begrünung möglich ist.

Strandbar, Bielefeld


Anfänglich mag man skeptisch sein gegenüber den vielen exotischen Pflanzen, die hier Verwendung finden (im Anhang werden viele davon im Portrait vorgestellt), wie die Zimmeraralie, der Chinesische Sonnenschirmbaum, die Japanische Wollmispel, Yuccas oder die Seidenakazie. Es gibt auch ein Plädoyer für das Pampasgras, dann aber bitte in Kleingruppenhaltung anstatt Einzelhaft im Vorgarten. Gerade die Exoten können ganz prima helfen, die Akzeptanz gegenüber begrünten Arealen zu steigern, denn sie erzeugen mit ihrem oftmals großblättrigen, bizarren oder üppigen Erscheinungsbild einen gepflegten und tropischen Eindruck. Im milden Stadtklima haben sie sogar gute Chancen, zu überleben, wie die Beispiele zeigen. Und, wie Jonas Reif schreibt, sind die Bedingungen in der Stadt nicht so anders, dass sie auch eine andere Form der Begrünung brauchen?

Innenhofgarten, IGA Berlin

Das Kapitel über heimische Spontanvegetation ("Wir sind schon da") zeigt dann, wie es mit den freiwilligen Wilden aussehen kann, die man unbedingt integrieren und sogar eigenständig wirken lassen sollte - denn gut geplant und im richtigen Rahmen kann das großartig aussehen.

CityTrop ist ein fundiert geschriebenes Buch voller überraschender Begrünungsszenen. Es zeigt, dass Stadtplaner auch mal Mut zur Lücke haben sollten und jede Chance zur Begrünung wahrgenommen werden sollte, auch wenn sie auf den ersten Blick noch so extravagant wirkt. Das Stadtklima, die Tiere und die Bewohner werden es danken. Hoffentlich wird das Buch von möglichst vielen Stadtplanern auch gelesen und beherzigt, mindestens von denen in Bielefeld!

Was Berliner sich wünschen

Samstag, 7. Oktober 2017

Verwechslungsgefahr

In Kanada habe ich mir Gartenzeitschriften gekauft. Die Dollars, insbesondere die aus Metall, sollten weg, bzw. eben nicht, sondern im Land bleiben.

Es gab allerdings keine kanadischen Magazine, sie kamen beide aus den USA. Und die Amerikaner können auch gärtnern, das steht mal fest. "Country Gardens" hat mir am besten gefallen.


Tolle Bilder, tolle Gärten und es geht auch mal um heimische Pflanzen oder einen Schmetterlingsgarten.

Spannend auch die Reportage über den Mann, der historische Saatsäcke sammelt.

Allerdings muss man bei der Lektüre aufpassen wie ein Schießhund, denn die Pflanzennamen klingen oft wie etwas, das man kennt, doch bei näherem Hinsehen ist was ganz anderes damit gemeint.

Hier meine Lieblingsnamen, die bei Übersetzungen ins Deutsche gerne mal zur falschen Pflanze führen, was mitunter fatal ist. Zumindest für die Pflanze oder den Schmetterling, den man mit ihr fördern möchte.

Nasturtium

Na, das ist ja wohl klar, was das sein soll, oder? Immerhin ist es ein lateinischer Name, den kann man doch nicht falsch verstehen? Brunnenkresse ist das, die heißt schließlich auf Schlau Nasturtium. Man stutzt spätestens, wenn zu lesen ist, dass nasturtium an einem Rankgitter hochklettert. Nasturtium ist im Englischen nämlich der umgangssprachliche Name für Kapuzinerkresse (Tropaeolum), und schon macht der Satz Sinn. Diese Pflanze hält den unangefochtenen Rekord für falsche Übersetzungen. Man kann es sogar verstehen und möchte lieber nicht wissen, wer den komischen Namen in Umlauf gebracht hat. Bestimmt war Alkohol im Spiel. Feuchtfröhlich hat es jedenfalls nur die Brunnenkresse gern, die Kapuzinerkresse bitte nicht. Brunnenkresse ist übrigens Watercress und wird wiederum gern mit Wasserkresse übersetzt, was wieder keiner kennt.


Black-eyed Susan

Gestatten: Schwarzäugige Susanne. So heißt bei uns Thunbergia alata, die Rankpflanze mit dem schwarzen Auge eben. Und das ist so passend, denn die Blüte sieht wirklich aus, als hätte sie ein sehr tiefgründiges Auge. Im Englischen besteht hier Verwechslungsgefahr, denn die Kletterpflanze heißt dort Black-eyed Susan vine, Black-eyed Susan ohne vine ist dagegen Rudbeckia hirta, der alte Sonnenhut. Oder auch Rudbeckia fulgida. Und die haben gar kein schwarzes Auge, sondern eher eine schwarze Nase, oder wenn schon, dann halt ein schwarzes Glubschauge.



Creeping Zinnia

Das ist doch wohl einfach - eine winzige Zinnie, die ihre Stängel nicht über Knöchelhöhe hinausbekommt und vertikal etwas eingeschränkt ist? Nein, diese Kriechzinnie ist Sanvitalia procumbens und sieht gar nicht aus wie eine Zinnie. Bei uns ist es der Husarenknopf. Und Knöpfchen hat der, ganz schön viele.

Moss rose

Moos-Rose? Könnte doch gut passen, oder? Tut es aber nicht. Das ist nämlich das Portulakröschen (Portulaca grandiflora). Na gut, das Laub ist ja auch wirklich etwas moosig, das lässt sich nicht abstreiten.

Dracaena

Gut, sie sieht aus wie eine Dracaena, ist aber keine. Was soll's, der lateinische Gattungsname wird einfach mal für alles verwendet, was so aussieht wie ein Drachenbaum, vor allem aber für Cordyline australis. Vielleicht hat das sogar historische Gründe und die Cordyline gehörte früher mal der Gattung Dracaena an?

Garden mum

Obacht hier, gerade in Romanen. Wenn man garden mum falsch versteht, kann die ganze Geschichte schon mal leiden oder sogar ins missverständliche bis schlüpfrige abgleiten. Garden mums sind nämlich oft gar keine Personen und vor allem nicht die Gärtnerin selbst, sondern Chrysanthemen-Büsche, vor allem die im Herbst massenweise verkauften. Garden mums stehen zu dieser Jahreszeit vor jedem Supermarkt herum und sie antworten einfach nicht, wenn sie was gefragt werden.



Zum Glück gibt es aber auch ganz einfache englische Pflanzennamen, die keine Missverständnisse aufkommen lassen: Daylilies sind völlig überraschend Taglilien, Catmint ist Katzenminze, Canna ist Canna, Phlox ist Phlox und eine Rose ist eine Rose ist eine Rose.

Reisen bildet also doch - endlich eine gute Entschuldigung, schon wieder Gartenzeitschriften zu kaufen!