Hatte ich neulich noch den Bogenhanf als natürliches Raumparfum empfohlen, musste ich jetzt feststellen, dass es eine höllische Steigerung gibt. Und die ist im wahrsten Sinne atemberaubend.
Sansevieria ist das reinste Waisenkind gegenüber dem größten Stinker aller Zeiten.
Was jetzt kommt, ist nichts für schwache Nerven!
Diese Pflanze ist kein Raumparfum, nein, wir wollen mal nicht untertreiben - sie wäre vermutlich in der Lage, unten im Kölner Dom aufgestellt, dafür zu sorgen, dass noch der Glöckner ganz oben ohnmächtig wird!
Mit Dracaena fragrans kann sich niemand messen.
Diesen Angriff auf die Riechzellen muss man selbst erlebt haben, um das zu glauben.
Dabei fing alles ganz harmlos an: In unserem Büro befinden sich drei dieser großen Drachenbäume in ein und derselben Hydrokultur. Sie sind in etwa gleich alt, gleich groß und setzten wie abgesprochen zur gleichen Zeit Blüten an.
Was für eine Freude! Da kommt der Hobbybotaniker doch gleich viel lieber zur Arbeit!
Aber das infernalische Trio ließ sich Zeit. Gemächlich über Wochen wuchsen die Blütenstände heran und vom vielgerühmten Duft keine Spur. Welche große Enttäuschung - sollten diese etwa duftlos sein?
Nein, sie waren es nicht. Als sich die ersten Blüten öffneten, entströmte ihnen endlich ein bezaubernder Wohlgeruch - schwer, süßlich und mit dem Aroma einer schwülen Tropennacht.
Etwas Bemerkenswertes ließ sich feststellen: Die drei Grazien schienen irgendeiner obskuren Pflanzengewerkschaft anzugehören, öffneten sie ihre Blüten doch erst um 15.30 Uhr herum.
Morgens war der ganze Spuk vorbei, die am Tag vorher geöffneten Blüten schon wieder vertrocknet.
Der Duft aber blieb.
Die Kundschaft dieser Pflanze müssen Gestalten der Finsternis sein - Nachtfalter oder Fledergetier.
Am nächsten Tag waren es noch mehr Blüten, aber da das ein Freitag war, bekam ich von dem Spektakel nicht mehr allzu viel mit. Am Montagmorgen, es war Valentinstag, konnte ich erste Duftschwaden schon beim Betreten der Büroetage feststellen - etliche Meter von der Quelle entfernt! Die Pflanzen hatten offenbar am Wochenende ordentlich einen drauf gemacht.
Das war jetzt doch ein bisschen zuviel des Guten.
Wer auch immer diese Art fragrans benannt hat - vielleicht wäre foetida doch passender gewesen?
Diese Pflanze sollte nur mit Warnhinweisen verkauft werden!
Während die Frauen den Geruch einigermaßen ertrugen, drohten die Männer mit Zwangskastration der potenten Bäume. Scheren wurden geholt und Messer gewetzt, doch wir warfen uns schützend vor unsere Dracaenas. Schließlich hatten sie in acht Jahren nicht ein einziges Mal geblüht, wer würde denn da jetzt so kleinlich sein?
Sollte man ihnen nicht einmal im Leben diese Zurschaustellung ihrer Vermehrungsfreude gönnen?
Am späten Nachmittag (es muss gegen 15:30 Uhr gewesen sein) klagte der erste Kollege über Kopfschmerzen.
Lüften brachte nur kurz Erleichterung - prompt nach dem Schließen der Luken war die olfaktorische Belästigung wieder da als wäre nichts gewesen.
Nun war der Zeitpunkt auch denkbar schlecht gewählt - im Winter Dauerlüften ist keine gute Idee.
Ersticken oder Erfrieren - da hat man die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Also wurde der ganze Hydrokulturcontainer vor das Büro verfrachtet und die Tür geschlossen.
Der Duft aber blieb.
Jetzt war er zwar auszuhalten, aber dennoch deutlich wahrnehmbar.
Außerhalb des geschlossenen Raumes witterten die Bäume nun Morgenluft und dehnten ihren Einflussbereich gleich mal auf die ganze Etage aus.
Zur Strafe wurden sie daraufhin ins Treppenhaus verbannt.
Der Duft aber blieb.
Wie ein Mahnmal schwebte der Geruch genau über dem Platz, wo der Topf gestanden hatte. Die Exilanten wussten offenbar, wie man einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Das Schauspiel ging tagelang so weiter, mit dem Unterschied, dass man nun schon beim morgentlichen Betreten des Gebäudes die im vierten Stock lauernden Blütenmonster riechen konnte. Nach etwa einer Woche war dann aber schließlich auch die allerletzte Blüte dahin. Da der Blütenstand nicht besonders selbstreinigend ist, sieht er mit den anhaftenden vertrockneten Blüten nach einiger Zeit sehr schäbig aus.
Harzen tun sie außerdem:
Daher wurden die Blütenstände entfernt und die Geschwister Fürchterlich durften endlich zurück an ihren alten Platz.
Der Duft aber blieb. Da hilft wohl nur renovieren...
Trotz allem - sollten die Duftbäume in absehbarer Zeit wieder einnmal gekappt werden müssen, weil sie sonst an die Zimmerdecke stoßen, werde ich Stecklinge ziehen. In Wasser bewurzeln Dracaenas ja mehr als leicht.
Auch auf die Gefahr hin, dass mein Mann dann vorübergehend ins Hotel zieht - aber schön sind sie ja schon, die Drachenbäume des Grauens.