Es ist die unangefochtene Königin unter den Stauden, was die Pflanze auch zu wissen scheint und sich gleich mehrere Kronen aufsetzt. Diesen Sommer hat sich die Diva sogar
standesgemäß mit einer Rosenstola aus 'Lovely Fairy' behängt, denn die
eigenen Blüten sind jetzt schon aus.
Außerdem hat sie das Geheimnis ewiger Jugend entdeckt, denn nach der Blüte sehen die grünen Samenbehälter immer noch irgendwie knospig aus, als würde die Show erst losgehen - die immer-währende Verheißung also.
Bei soviel Koketterie wundert es ein wenig, dass sie es nicht zu einem weiblichen Namen geschafft hat und nur ein Es ist: Die Rede ist vom Russel-Brandkraut (Phlomis russeliana).
Ein Gartenbesucher, der die Staude nicht kannte, taufte sie kurzerhand und instinktiv auf den Namen "Riesen-Taubnessel", was es ganz gut trifft und ihr immerhin ein Quäntchen mehr Weiblichkeit verpasst.
Zickig ist die Königin mit den vielen goldenen Kronen aber nicht. Sie ist robust und kommt auch mit Trockenheit zurecht, wenn die Dürre nur nicht gerade vor oder zur Blütezeit nervt, so wie dieses Jahr. Dann biegen sich ihre Blütenstängel wehleidig nach unten, was bedeutet, dass ich schleunigst mit einer gut gefüllten Gießkanne anzurücken habe, aber ein bisschen plötzlich.
Ist das Wetter jedoch normal und nicht krisengeschüttelt, hält das Brandkraut seine hellgelben Blütenkerzen, die im Juni aufblühen, wacker aufrecht und setzt noch ein paar lustige hasenohrähnliche Blätter obendrauf. Hummeln mögen die Blüten sehr gern - vielleicht müssen auch sie an eine Riesen-Taubnessel denken?
Die Pflanze geht nach anfangs mehreren blütenlosen Jahren immer mehr in die Breite und erteilt dann kleineren Stauden gern einen Platzverweis mit ihren großen Schlappohr-Blättern. Die Grundblätter sind wintergrün. Da Phlomis russeliana aus lichten nordtürkischen Wäldern stammt, ist es auch im Halbschatten neben Gehölzen ganz zufrieden. Und die kann es nicht verdrängen, so sehr es sich auch anstrengen mag. Ein sonniger Standort ist ihm genauso recht.
Praktisch ist das Brandkraut auch in seiner Reproduktionsfähigkeit: Die dicken Samen keimen oft schon in luftiger Höhe direkt in den Samenkapseln, die auf bis zu einem Meter hohen Blütenstängeln thronen - eine Staude, die mit selbstgebauten Samenbomben wirft! Die Stiele schneidet man wegen ihrer strukturbildenden Größe erst im Vorfrühling ab. Jedes Samenkorn - im Frühjahr in die Erde gesteckt - keimt rasch. Auch Teilung der Pflanzen ist problemlos möglich.
In jedem Fall ist das Russel-Bandkraut eine fantastische Pflanze, die ohne große Kosten in den eigenen Garten einziehen kann, auch wenn der Name alles andere als poetisch ist...