Bis jetzt habe ich mich mit dem günstigen Gärtnern im eigenen Garten beschäftigt. Günstig gärtnern kann aber auch bedeuten, ganz ohne eigenes Stück Land etwas zum Blühen zu bringen, denn auch das eigene Fleckchen Erde kostet natürlich irgendwo Geld. Auf anderer Leute Land zu gärtnern klingt abenteuerlich und ein bisschen anarchistisch. Ist es auch. Natürlich ist damit nicht gemeint, dem Nachbarn nächstens einen Blumenkohl neben seine Petunien zu pflanzen, auch wenn er bekanntermaßen gerne Blumenkohl isst. Stattdessen geht es um das klammheimliche Begrünen von öffentlichen Flächen zum Wohle der Natur, zum Beispiel die Industriebrache von nebenan, wo sich Quecke und Giersch gute Nacht sagen und ansonsten nichts wachsen will. Oder der schmuddelige Betonring vor dem Supermarkt, der aufgrund mangelnder Bepflanzung lediglich als Aschenbecher missbraucht wird. Sowas nennt sich dann Guerilla-Gardening und ist im Moment schwer angesagt.
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Nun kann man also hingehen und in besagten Betonring bei Nacht und Nebel eine Geranie pflanzen. Das ist nicht jedermanns Sache, weder der heimliche Einsatz des Spatens noch die Geranie. Subtiler (und auch günstiger) sind nämlich Samenbomben. Diese praktischen, mit Samen gespickten Erdkugeln kann man einfach aus der Tasche ziehen und ganz elegant und vor allem unauffällig an Ort und Stelle fallen lassen. Wenn man möchte, kommt man noch mal zum Gießen wieder, auch das geht ganz subtil - mit einer Wasserflasche, bei der man vorgibt, den Rest jetzt nicht mehr trinken zu wollen. Später dann kann man sich vielleicht bei jedem Supermarktbesuch an seinem vor Blumen überquellenden Betonkübel erfreuen.
Samenbomben sind also die Waffen des modernen Guerilla-Gärtners. Soweit, so gut. Aber wie bastelt man denn die Munition zusammen, welche Samen kommen rein, und wo darf man seine Anschläge durchführen und wo besser nicht? Natürlich gibt es auch zu diesem Thema mittlerweile ein Buch.
"Mit Samenbomben die Welt verändern" heißt es und ist im Ulmer-Verlag vor Kurzem erschienen, übersetzt aus dem Englischen.
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Das Buch zeigt, woher die Guerilla-Bewegung kommt, und wie man Samenbomben selbst herstellt, je nach Zielgruppe (Insekten, Vögel, Menschen) in verschiedenen Zusammensetzungen. Es wird erklärt, wie man sie einsetzt und mit welcher Intention, und vor allem, wo nicht: Naturschutzgebiete sind ebenso tabu wie artenreiche Magerwiesen, wie sie selbst auf Verkehrsinseln vorkommen können. Hier haben Petunien und Tagetes nicht zu suchen. Der größte Teil des Buches stellt die einzelnen Pflanzen vor, mit deren Samen man die Welt verbessern kann. Löblicherweise finden sich hier keine hochgezüchteten Blumen mit gefüllten Blüten, sondern größtenteils heimische Wildarten oder zumindest solche mit Nährwert für Tiere. Man erfährt sogar, welchen Nutzen die einzelnen Pflanzen in der Küche und als Heilpflanze haben.
Das Buch ist so kreativ gestaltet, dass man es immer wieder anschauen möchte. Mal ist der Hintergrund Karton nachempfunden, mal Notizpapier, immer aber collagenartig zusammengesetzt mit Fotos, Zeichnungen und Textfragmenten. Also auch dem Design nach ein anarchistisches Werk. Bei manchen Seiten wurde allerdings auch ein bisschen übertrieben mit dem Wildwuchs, so dass man den Text nur mit Mühe entziffern kann.
Erfreulicherweise wird keine brachiale Zwangsbegrünung empfohlen, sondern das genaue Abwägen, ob Pflanze und Standort zusammenpassen, immer den ökologischen Nutzen der vorhandenen Arten im Auge behaltend. Denn Neophyten haben wir schon genug.
Das Buch macht Lust, ein bisschen Anarchie und viel mehr Blumen in das öffentliche Leben einkehren zu lassen. Auch ich überlege schon, wo ich meine Samenbombe platzieren werde. Ich denke, es wird einer jener öden Betonkübel werden...