Samstag, 28. November 2020

Der Schwarm

Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packung! Habe ich nämlich nicht gemacht und jetzt habe ich den Salat. Dabei stand es noch nicht mal im Kleingedruckten, sondern ganz dick drauf. Aber eben erst in der dritten Zeile. In den ersten beiden war nämlich "Universalerde torffrei" zu lesen.

Toll, so eine universelle Erde, habe ich mir da gedacht und gleich mal angefangen, die Zimmerpflanzen umzutopfen. Der Rhipsalis pilocarpa war seiner Hängeampel schon lange entwachsen und hat eine neue, größere bekommen. Und er durfte mit seinem nagelneuen Untersatz dann auch gleich mal ins Arbeitszimmer umziehen, wo ein vertrauenerweckender Haken an der Zimmerdecke angeschraubt ist. Die aufgetragene alte Ampel hat sein kleiner Bruder bekommen, und zwar der Mistelkaktus Rhipsalis baccifera subsp. horrida. Der hängt jetzt im Wohnzimmer.


Desweiteren brauchte Dracaena surculosa mehr Wurzelraum sowie eine der Kaffeepflanzen. Der zimmerälteste Kaffeestrauch hat nur eine Kopfdüngung mit der Erde bekommen. 


 

Da der Ficus elastica auch mal mehr als 8 Blätter haben sollte, bekam der gleich einen richtig geräumigen Topf. Und dann war da noch die Chili-/Paprika-Pflanze, die plötzlich in einem der Töpfe erschienen war und nun eben drinnen überwintern darf. Der Samen war wohl im Sommer mit Gießwasser aufgefangen in der Küche in die Erde gelangt und hatte gleich die Gunst der Stunde genutzt.

 


Die Amaryllis ist auch mit neuem Substrat bedacht worden und hat nach monatelangem Entzug mal wieder einen Schluck Wasser bekommen.

Und kurz nachdem die ganze Mannschaft so schön in ihrer unverbrauchten toffreien Erde hockte, verdunkelte sich plötzlich der Himmel. Im Wohnzimmer. Hunderte Trauermücken erschienen auf der Bildfläche, der Fensterscheibe und dem Computerbildschirm. Einige nahmen sich morgens in der Kaffeetasse gleich wieder das Leben, die meisten nervten durch ihre bloße Anwesenheit.

Wenn man sie mit dem Makro fotografiert, sieht man, dass sie gar nicht so schwarz sind, wie sie von weitem aussehen. Die dicken sind Weibchen, die dünnen mit den Zangen am Hinterleib die Männchen.




Der Schwarm wuchs jedenfalls. Ich hatte schon einen lesen Verdacht, wo sie wohl herkamen. Das lag doch wohl nicht an der Blumenerde, die war schließlich ein Markenprodukt gewesen? Einen entscheidenden Hinweis lieferte der Kaktus im Arbeitszimmer. Auch hier erscheinen plötzlich Trauermücken, aber in überschaubarer Anzahl. Dort gab es ja auch nur einen einzigen Topf mit frischer Erde, im Wohnzimmer, wo der Schwarm tobte, dagegen viele.

Irgendwann war's mir zu viel und ich habe den Staubsauger geholt. In durchaus waghalsiger Manier bin ich auf dem Sofa balanciert, um die Mücken an der Scheibe und an der Zimmerecke über der Stehlampe zu erwischen. Gelbtafeln nehme ich nicht mehr, seitdem sich mal eine Springspinne (im Innenraum!) darauf angeklebt hatte. Beim ungeschickten Hantieren mit dem Staubsaugerrohr ist dummerweise die Chilipflanze angesaugt worden. Die sieht jetzt etwas durchgekaut aus, ist nun aber auf jeden Fall sauber.

 

Trotz mehrfachen Saugens ist wieder ein Schwarm erschienen. Grund genug, doch noch mal die Blumenerdepackung anzuschauen. Und da stand es: Für alle Garten- und Balkonpflanzen. Aha. Zimmerpflanzen sind wohl eigenes Risiko. Der Rest wurde dann mal draußen in einen Kübel mit ziemlich zusammengesackter Erde verklappt. Und auch dort waren sofort Trauermücken auf der Oberfläche zu sehen. Sowas ist mir auch noch nie passiert, dabei habe ich schon öfter irgendeine torffreie Erde für die Zimmerpflanzen genommen.


Bei torffreier Erde mit hohem Holzanteil kann man auch Pilze im Substrat finden, die den Pflanzen aber nicht schaden. Dies hier ist der Gelbe Faltenschirmling (Leucocoprinus birnbaumii), ein tropischer Pilz, der hierzulande nur unter Glas oder in geheizten Innenräumen wächst.

 


Immerhin tritt dieser leuchtend gelbe Pilz nicht im Schwarm auf und stürzt sich auch nicht in heißen Kaffee - er bevorzugt den Kaffee als Pflanze, aber nur als Mitbewohner. Jetzt muss ich die Topferde zur Eindämmung der Trauermücken wohl möglichst lange möglichst trocken halten. Bis der Schwarm verschwindet... Und danach gibt es nur noch gepresste Kokoserde. Die braucht auch keinen Plastiksack...

Samstag, 21. November 2020

Tauziehen

Wilder Wein ist sehr gerissen. Er rankt nicht nur senkrecht hübsch an Wänden hoch und kaschiert, was er kaschieren kann.


 


Nein, er wächst auch mit langen Ranken heimlich, still und leise unter anderen Pflanzen dicht am Boden entlang, um fünf Meter weiter wieder in die Senkrechte zu gehen. Nicht dass er dann blühen würde, wenn er endlich Anschluss gefunden hat. Dieser Wein, der vom Nachbarn gepflanzt die Hecke des hinteren Grundstücks beklettert, spart sich das meist.

 


Hier hat er auch gleich noch die ganze Gartenhütte berankt - dem Sperber ist das wurscht, der hat gerade sein Abendessen gefangen:

 



Möchte man die kriechenden Triebe ausmerzen, ist jetzt im Herbst eine gute Gelegenheit, zur Rasterfahndung auszurufen und Strippen zu ziehen. Hat man einen verdächtig schnurgerade am Boden kriechenden braunen "Zweig" entdeckt, gilt es - am besten mit Handschuhen - daran zu ziehen, bis man auch das Ende in der Hand hält. Vorher für einen festen Stand sorgen, damit man nicht plötzlich hintenüber fällt, wenn der Strang reißt.

Das geht verhältnismäßig leicht, die Ranken geben irgendwann nach und reißen. Vorsicht nur, wenn abzusehen ist, dass der Trieb in einem Strauch mündet. Hierbei kann man schnell einen ganzen Ast mit herunter reißen. Beim Pfaffenhütchen, das besonders fragile Äste hat, passiert das schnell. Im Zweifel also den Wilden Wein erst einmal ohne rohe Gewalt verfolgen, um zu sehen, wo das alles hinführt.

Mit dem Ergebnis des Tauziehens muss man kurzen Prozess machen. Im Komposter ist der Ranke nicht zu trauen, vor allem, wenn sie schon Wurzeln gebildet hat. Wenn ich den Häcksler sowieso gerade zur Hand habe, lasse ich ihn die Triebe gleich mit verhackstücken. Wenn mir nach Basteln zumute ist, mache ich mir auch einfach einen Knoten, damit ich an den nächsten Termin zum Strippenziehen erinnert werde. In Nullkommanichts sind Kränze gewunden, die man überall hinhängen kann. So bodenlos geworden kann der Wilde Wein garantiert nicht mehr anwurzeln.


Ich staune auch immer, was ich beim Jäten so alles finde. Plötzlich habe ich 4 junge Herbst-Alpenveilchen, wo ursprünglich nur eines war. Auf die muss ich jetzt gut aufpassen, damit sie weder vom Efeu (dem anderen Wucherkandidaten) noch vom Wilden Wein überwachsen werden. 


 

Allerdings hat mich auch eine andere Pflanze gefunden. Nämlich der Große Odermennig, der sich bei solchen Jäteaktionen immer gern an mich ranschmeißt.

Das hier ist noch harmlos, da hocken die Samen nur an der Kleidung, aber wehe, sie kletten sich in die Haare... Hatte ich auch schon, das Rauspuhlen ist eine abendfüllende Beschäftigung.



 

Trotzdem bald wieder Tauziehen und dann wird das Rankenzeug wieder um den Finger gewickelt...

Samstag, 14. November 2020

Der Name der Knöteriche

In der letzten Gartenpraxis ging es um den Namen Knöterich, der doch so wenig schmeichelhaft klingt. Ob man ihn nicht lieber Bistortie nennen könnte, damit er attraktiver wird und dadurch eine weitere Verbreitung erfährt. In der Tat klingt der Name Knöterich eher nach einer Pflanzenkrankheit, die sich durch Kümmerwuchs und verknotete Triebe auszeichnet.

Auch die schönen, zahmen Sorten des Scharbockskrauts gingen auf Pflanzenmärkten erst weg wie geschnitten Brot, als sie kurzerhand in Zwergranunkeln umgetauft wurden.

Doch auch andere Pflanzen leiden unter doofen Namen, die dafür sorgen, dass niemand sie so recht im Garten haben will. Während andere sich überbieten mit königlichen und rühmlichen Namen, wie Ruhmeskrone, Wunderblume, Prachtkerze oder Goldlack, sind bescheidenere Pflanzen dem Namen nach die botanischen Aschenputtel geblieben. Hier meine Nominierungen für eine baldige Umbenennung:


  • Gefleckte Taubnessel (Lamium maculatum): Taubnessel klingt ja schon nicht nett. Das hört sich an, als wäre die Pflanze sensorisch etwas minderbemittelt, während alle anderen Pflanzen hören können, was der Gärtner ihnen sagt. Gefleckte Taubnessel klingt dann vollends unpoetisch, als hätte sie noch einen weiteren Makel, zum Beispiel die Masern. Auf Englisch wird es auch nicht besser, da heißt sie Spottet Dead-Nettle. Allerdings nennen die Engländer inoffiziell auch purple dragon. Ja, damit kann man doch arbeiten! Wie wäre es also mit Purpur-Drache?

 

  • Brauner Storchschnabel (Geranium phaeum): Braun ist im deutschen weder ein positiv belegter Begriff noch eine besonders schöne Farbe für eine Pflanze. Nichts, was einem ins Auge fallen würde, ist braun bei diesem Geranium! Auch hier kommen einem die Briten wieder zu Hilfe, dort heißt die Art dusky crane's-bill, mourning widow oder black widow - yesss, viel besser! Wie wäre es also mit Schwarzer Witwe?


 

  • Russel-Brandkraut (Phlomis russeliana): Klingt eher nach Brennnessel-Erfahrungen beim Berühren der Blätter oder nach akuter Waldbrandgefahr. Da die Art aus der Türkei stammt und dort in Haselnussgebüschen wächst, könnte man die Staude stattdessen Türkischen Salbei oder Haselnuss-Salbei nennen oder wegen der Anordnung der Blüten im Kreis rund um den Stängel auch Hummel-Karussel.


 

  • Kartoffelrose (Rosa rugosa): Sie bildet Hagebutten, keine Kartoffeln. Die sind zwar knollengroß, aber trotzdem wird der Name ihr nicht gerecht. Er kommt von der Form der Blätter, die an Kartoffellaub erinnern. Immerblühende Rose wäre eine bessere Bezeichnung, denn sie ist die einzige Wildrose, die immer weiter blüht.

 


  • Kriechender Günsel (Ajuga reptans): Der vordere Namensteil deutet darauf hin, dass die Staude Ausläufer bildet, und der hintere ist auch nicht besser. Dabei ist der Günsel überaus attraktiv für Schmetterlinge und es gibt ihn mit wunderschönem violettem Laub. Warum also nicht als Vorschlag zur Güte wenigstens Kriechende Blaukerze als Namen?


 

  • Gilbweideriche (Lysimachia vulgaris und punctata): Ist der Gilb nicht der Schrecken einer jeden Gardine? Niemand möchte doch ernsthaft irgendwas etwas Vergilbtes in Haus oder Garten haben. Wenn schon, dann doch wenigstens Goldweiderich, denn das sind die Blüten: Goldgilb, äh: -gelb.


  • Chinesische Bleiwurz (Ceratostigma plumbaginoides): Bleibt die mit dem Namen nicht wie Blei im Regal liegen? Warum heißt die überhaupt so? Das soll einerseits daher kommen, dass man früher dachte, die Pflanze würde gegen Bleivergiftungen helfen, laut anderen Quellen färbt der Wurzelsaft die Haut bleigrau, was eher ungesund aussieht. Kann man die Pflanze nicht einfach Blauwurz nennen wegen der blauen Blüten?

  • Witwenblume (Knautia): Was wie wir oben gesehen haben eher ein passender Name für den Braunen Storchschnabel wäre, trifft hier eine besonders lebensfrohe Blume nicht besonders gut. Wenn schon, dann doch bitte Lustige Witwe oder Schmetterlings-Rüsche.
 
  • Miesmäulchen (Chelone obliqua): Der Name kommt vom immerwährend schlechtgelaunten Gesicht der einzelnen Blüten. Zum Glück gibt es schon einen besseren Namen und ich muss mir keinen ausdenken: Schlangenkopf!
 

  • Bartnelke (Dianthus barbatus): Der Name hat doch wohl langsam einen Bart... Damit die schöne, einfach zu ziehende Nelke endlich mal von ihrem verstaubten Image runterkommt, braucht sie dringend einen neuen Rufnamen. Auf Englisch heißt sie Sweet William, was nicht so richtig weiterhilft. Nach europäischerm Votum, denn so befinden es einhellig die Italiener, Franzosen und Spanier, müsste sie Poetennelke heißen.

 
 
Fallen euch noch weitere Pflanzen ein, die mit einem schöneren Namen besser bedient wären?

Samstag, 7. November 2020

Plastikfrei-Pannen

Wie ihr vielleicht schon gesehen habt, erscheint im Januar ein neues Buch von mir: "Plastikfrei gärtnern". Dafür wollte ich möglichst viele Disziplinen des Gärtnerns beleuchten und plastikfreie Alternativen finden.

 


Bei einer Sache bin ich aber noch nicht richtig weitergekommen. Das liegt nicht daran, dass ich es nicht versucht hätte. Es hat aber nicht geklappt. Es gibt nämlich eine Technik zur Vermehrung von Gehölzen, die sich Abmoosen nennt. Jeder von euch hat sicher schon einmal beobachtet, dass Gehölze bei Bodenkontakt einzelner Äste an eben diesen neue Wurzeln schlagen. Das kann man sich zunutze machen und einen Ast zum Boden herunterbiegen, mit einem Metallhaken feststecken und abwarten. Sobald sich Wurzeln gebildet haben, schneidet man den Ast ab, und schon hat man einen neuen Strauch. Diese Technik nennt sich Vermehrung durch Absenker und ist völlig plastikfrei möglich. Prima. 

Beim Abmoosen geschieht etwas ähnliches, aber in der Luft. Das eignet sich besonders für weniger gelenkige Gehölze, deren Äste nicht bis zum Boden reichen oder beim Versuch, sie zu verbiegen, abbrechen würden. Hierbei schneidet man einem Ast die Rinde ein und legt ein Steinchen oder etwas ähnliches in den Spalt, damit die aufgeschnittenen Teile nicht einfach wieder zusammenwachsen. Dann umwickelt man alles mit Moos - und zum Schluss mit einem Stück Folie, die wie ein Bonbon zusammengebunden wird, um die Feuchtigkeit im Moos zu halten. An der Wunde bilden sich Wurzeln, die ins Moos hineinwachsen. Aber hier kommt Plastik ins Spiel.


 

Dann bin ich auf die Idee gekommen, es einmal mit der kompostierbaren Holzfaserfolie zu probieren, mit der Schokolade eingewickelt ist. Als Versuchsobjekt musste die Kletterspindel herhalten. Von der brauche ich nämlich keinen Ableger, also wäre ich auch nicht enttäuscht, wenn der Versuch misslingt.

Also alles so gemacht wie beschrieben, nur ohne Plastik, und ein schönes Bonbon war fertig. Sah ein bisschen aus, als hätte der Strauch einen Verband angelegt bekommen.

 

Schon nach kurzer Zeit war klar, dass es so nicht funktionieren kann: Die Folie ist nicht wasserdicht und das Bonbon war bald saftlos. An der sonnenabgewandten Seite wurde die Folie auch bald löchrig. Das klappt vielleicht in einem regnerischen Sommer, aber sowas gibt es ja nicht mehr.



Versuch misslungen, aber der Vollständigkeit halber wollte ich es mal probiert haben.  Zumindest ist so der Beweis erbracht, dass die Folie im Komposter auch wirklich verschwindet. Vielleicht geht es ja mit anderen kompostierbaren Folien, nämlich mit denen, die in meinem Komposter niemals verrotten und jedes Jahr wieder quietschvergnügt zutage treten. Das müsste man also noch mal ausprobieren. Bis dahin muss man wohl Plastikreste zum Abmoosen verwenden...