Samstag, 26. Dezember 2020

Lila ist das neue Weiß

Mein Garten hat schon viele Christrosen über sich ergehen lassen müssen. Keine einzige davon habe ich gekauft, alle bekam ich geschenkt, was die Pflanzen aber auch nicht daran hinderte, sich frühzeitig vom Acker zu machen. Während Helleborus niger in den Alpen sogar auf Viehweiden fröhlich vor sich hin wächst, werden sie in meinem Garten nie alt. Vielleicht, weil es keine Kuhfladen gibt. Kompost mit Eierschalen drin gibt es jedenfalls reichlich, aber auch das ist offensichtlich kein Grund, noch auf eine Blüte oder zwei zu bleiben.

Nein, Christrosen und ich werden wohl keine dicken Freunde mehr. Dabei sind sie jedes Jahr im Baumarkt so häufig, wie sie in meinem Garten selten sind. Wie kann eine Pflanze, die so unverfroren schon im Winter blüht, nur andererseits so ein Weichei sein? Hat sie psychische Probleme nach ihrem Baumarkt-Dasein? Ob Gesprächstherapie hilft? Man muss ihr ja noch nicht mal einen Rauswurf androhen, wenn sie nicht unverzüglich blüht, die geht ja schon von selbst.

Ich kaufe mir auch keine im Gartencenter, denn das ganze Plastik und der Torf wären nur vergebliche Liebesmüh, da sowieso mit dem baldigen Ableben der Pflanze zu rechnen ist. Und nur als kurzfristige Deko und Wegwerfartikel ist mir so eine Staude auch zu schade.

Mit Lenzrosen (Helleborus orientalis) kommt mein Garten dagegen prima klar. Gekauft habe ich die auch nicht, sie sind vor sechs Jahren per Post aus Hannover angereist.

Keine Winterblüher bei mir also, weil die Christrosen solche Mimosen sind? Wenn es nicht unbedingt strahlendes Weiß sein muss, habe ich jetzt die Lösung: Das Aussehen der Lenzrosen gepaart mit der frühen Blüte der Christrose. Lila ist das neue Weiß!



Schon um Weihnachten herum blüht diese Pflanze, die ich als Ableger aus dem Garten meiner Mutter bekommen habe, wo sie sicher schon Jahrzehnte auf dem Buckel hat und damit eindeutig länger lebt als alle meine Christrosen zusammen.

Doch welche Art soll das bitteschön sein? Ist es eine Kreuzung? Ist es ein Trick? Einige Merkmale sind auffällig: Während der Blüte ist das Laub verschwunden. Die Blüten erscheinen zu mehreren an einem Stiel mit einer hübschen Halskrause aus Blättern.


Die Blütezeit ist so lang, dass sie sich mit den ersten Lenzrosen die Klinke in die Hand gibt. Auch verblüht sieht die Pflanze noch schick aus.




 

Vermutlich handelt es sich hier nicht um eine Hybride, sondern um die Purpur-Nieswurz Helleborus purpurascens. Ihre Blütezeit reicht von November bis Februar, das Laub wird im Herbst abgeworfen. Passt also alles.

Als Nachbarin hat die Schöne ihre stachlige Verwandte stehen, die Korsische Nieswurz (Helleborus argutifolius). Sie habe ich letztes Jahr im Sommer als Sämling geschenkt bekommen. Die Art stammt von Korsika und Sardinien und ist somit weitgereist, meine Pflanze dagegen musste nur einmal über den Teutoburger Wald hüpfen und stammt aus Steinhagen - wo es immerhin bald einen Badesee gibt, also fast wie am Mittelmeer.


So hat sich meine Helleborus-Sammlung zusammen mit Helleborus foetidus nun auf 4 Arten erhöht. 5, wenn man die kläglichen Überreste des letzten Versuchs mit der vermaledeiten Christrose mitzählt...

Samstag, 19. Dezember 2020

Das Indianerbeet: Mist oder Must-Have?

Wenn wir im Sommer in den Garten schauen, sieht alles so friedlich aus. Die Stauden blühen vor sich hin, das Gras hockt einträchtig neben den Gänseblümchen und über allem ragen völlig unbeeindruckt die Gehölze auf.

Was von oben so harmonisch aussieht, kann unter der Erde das reinste Hauen und Stechen sein. Platz da, hier komm ich: Jede Wurzel möchte den Boden für sich selber haben, alle Nährstoffe aufsaugen und am Ende das Rennen im Beet machen.

Und dann liest man plötzlich von Gartenprinzipien, die Zweifel aufkommen lassen an der Darwinschen Theorie, die auch Pflanzen normalerweise nicht kalt lässt. Da wäre zum Beispiel das Indianerbeet, auch Milpa genannt. Das haben schon die Maya erfunden. Bei dieser Mischkulturtechnik wachsen in trauter Dreisamkeit die südamerikanischen Exportschlager Mais, Bohne und Kürbis. Diese drei Schwestern kann man jahrelang auf demselben Beet anbauen, so steht es geschrieben. Der Mais lässt die Bohne an sich hochwachsen und der Kürbis bedeckt den Boden und hält ihn feucht.



Mischkultur Mais und Tomate


 

Um die Milpa ranken sich so manche Legenden. Was ist von ihnen zu halten? Ich habe ein bisschen recherchiert, um zu verstehen, was es mit der Milpa auf sich hat.

Milpa-Mythos 1: Die Bohne versorgt die anderen mit Stickstoff

Es wird oft behauptet, dass die Bohne, die als einzige im Trio in der Lage ist, Luftstickstoff zu binden, sogar den anderen beiden großzügig davon abgibt, weil sich alle in dieser WG so prächtig verstehen. Die Bohne als einzig wahre altruistische Pflanze auf der ganzen weiten Welt?

Die Bohne ist eine Leguminose, und diese Pflanzenfamilie ist legendär darin, Luftstickstoff zu binden. Nur können die Pflanzen das nicht von allein. Sie rekrutieren dafür bodenlebende Bakterien, die Rhizobien. Diese können wechseln zwischen bodenbürtigem und symbiontischem Lebensstil. Ihr Stoffwechsel ist wahnsinnig kompliziert und sie haben ein gigantisch großes Genom. Das brauchen sie auch, denn beim freien Leben im Boden rufen sie Gene ab, die sie nur dort benötigen. 

Die Bohne bildet derweil Wurzelknöllchen aus, in die die Bakterien einwandern. Die nützlichen Mikroorganismen werden von den Pflanze chemisch angelockt und dringen in die Wurzel ein. Damit keine bösen Bakterien die Wurzel infizieren, muss sich der neue Bewohner ausweisen können, er muss der Wurzel den korrekten chemischen Schlüssel präsentieren, damit er nicht wieder hinausgeworfen wird aus dem Paradies. Genauer gesagt, muss das Bakterium immerfort chemisch die Immunabwehr der Pflanze unterdrücken. Eine Rhizobienart, die unterschiedliche Wirtsarten besiedeln kann, ist mehrsprachig und bietet jeder Pflanze das richtige Signalmolekül. Nach der Infektion werden die Knöllchen gebildet.




 

Sind die passenden Rhizobien in der Wurzel angekommen, krempeln sie ihren Stoffwechsel komplett auf links. Nun binden die Bakterien Luftstickstoff und wandeln ihn in eine pflanzenverfügbare Form um. Im Gegenzug enthalten sie dafür von der Bohne leckeren Zucker, um sie bei Laune halten.

Soweit so gut. Nun ist es allerdings nicht so, dass die Bohne mit dem Stickstoff freigiebig um sich wirft. Erst wenn die ganze Pflanze oder ein Teil von ihr verrottet, wird der darin gebundene Stickstoff wieder frei, das passiert also nicht unbedingt im ersten Jahr. Im Indianerbeet ist die Bohne zumindest einigermaßen autark und nimmt den anderen nicht viel Stickstoff weg.

Milpa-Mythos 2: Ein Indianerbeet muss nie gedüngt werden

Da die Bohne im ersten Jahr also kaum Stickstoff abgibt und das erst posthum tut, muss man zunächst in Vorleistung gehen und für alle etwas Stickstoff bereithalten, d.h. Mist oder ähnliches einbringen. Leguminosen haben die unangenehme Eigenschaft, dass sie den Boden ansäuern, wenn sie ihren Stickstoffbedarf allein durch ihre Rhizobien decken müssen und keinen mineralischen Stickstoff aufnehmen können. Daher bietet sich auch für die Bohne eine Startdüngung an.

Ab dem zweiten Jahr versorgen sich die Pflanzen größtenteils selbst. Damit das aber klappt, werden jeden Herbst das oberirdische Pflanzenmaterial und störende Wurzeln gehäckselt und auf dem Indianerbeet belassen, damit es Humus aufbaut und der in den Pflanzen vorhandene Stickstoff freigesetzt wird. 


Der Trick bei der Milpa-Kultur ist noch ein weiterer: Die Wurzeln vom Kürbis, die viel Stickstoff aufsaugen, bleiben eher in den oberen Bodenschichten. Der Mais wächst tiefer und holt sich ganz unten seine Nährstoffe. In wissenschaftlichen Studien kam heraus, dass  die Pflanzen dies nur tun, wenn sie zusammen wachsen. Es ist also keine Symbiose, sondern sie vermeiden Konkurrenz, indem sie einander ausweichen. Dieses System funktioniert auch noch ganz passabel auf ärmeren Böden. Bohne und Kürbis können außerdem Phosphatverbindungen, die im Boden schwer löslich vorliegen, für sich verfügbar machen.

Im Sommer kann es aber durchaus sein, dass die Pflanzen so stark wachsen, dass Stickstoff Mangelware ist. Zum Glück ist das leicht zu erkennen: Die Blätter verfärben sich gelb. Nun muss man stickstoffbetont düngen, am besten mit selbst hergestellten Jauchen aus Beinwell oder Brennnessel. Man kann also ganz nach Bedarf düngen und so tatsächlich viel Dünger einsparen.

Milpa-Mythos 3: Ein Indianerbeet funktioniert mit jeder Sorte

Die Bohne ist hier auch wieder der Knackpunkt: Zu starkwüchsige Sorten erwürgen den Mais eher, als dass sie ihn nur ein bisschen in den Arm nehmen und beranken. 


Fazit

Das Indianerbeet ist also alles andere als esoterischer Schnickschnack, doch braucht es auch ein bisschen Zuwendung. Man sollte auch nicht glauben, dass Schädlinge in dieser Mischkultur keine Chance haben.
 
Habt ihr den Milpa-Anbau schon selbst ausprobiert?

Samstag, 12. Dezember 2020

Der Dschungel Zuhause

Der urbane Dschungel ist gerade so richtig im Trend. Die ganze Wohnung oder das ganze Haus wird in ein grünes Zimmerpflanzendickicht verwandelt, dazu ist der restliche Einrichtungsstil dann eher minimalistisch gehalten und kommt ohne Schnickschnack aus.

Ähnlich wie bei Hunderassen, die dann massenweise und nicht immer tierfreundlich gezüchtet werden, kommen dann auch plötzlich Pflanzen in Mode, die einige Jahrzehnte lang als völlig verstaubt galten und es vermutlich auch waren, dort, wo es sie in einem einsamen Zimmer noch gab. Jeder, der noch so einen ehemals altmodischen grünen Freund zuhause hat, ist mit einem Mal zum Trendsetter aufgestiegen! Sansevierien, Brutblätter und Gummibäume sind so ein Fall.

Das mit dem Dschungelfieber kann dann schon einmal seltsame Blüten treiben. So wie bei einer Pflanze, die bei uns sogar recht selten, wenn überhaupt zur Blüte gelangt. Das Fensterblatt, besser bekannt als Monstera deliciosa (wegen ihrer essbaren Früchte, die sie bei uns aus einleuchtendem Grund noch weniger oft ausbildet als die Blüten), ist das Flaggschiff der Dschungel-Kultur. Jeder will sie haben, zur Not auch gedruckt auf Textilien oder Tapeten.

 

Für eine panaschierte Sorte kann man dann schon mal richtig Geld hinblättern, das ist dann die Blaue Mauritius unter den Zimmerpflanzen: Die Sorte 'Thai Constellation' mit weiß gesprenkelten Blättern bekommt man nur selten im Handel, und wenn, dann nur für einen dreistelligen Betrag. Nicht auszudenken, wenn sie durch einen Pflegefehler umkommt! Wer sie aber sein Eigen nennt, ist der Star auf Instagram.

Da junge Pflanzen die markanten Fenster, also die luftigen Löcher in den Blättern, die erst für so ein richtiges Dschungel-Gefühl sorgen, noch nicht ausgebildet haben, sind ältere Pflanzen von einem Meter Höhe auch noch mal um ein Vielfaches teurer als die fensterlosen Knirpse. Für so einen schweizer Käse in Pflanzenform muss man dann schon mal 70-80 Euro hinblättern. Natürlich nur, wenn die Blätter einfarbig grün sind. Panaschierung kostet extra, siehe oben.

Doch egal, wie teuer die Pflanze war, die bei uns einzieht, bei den käuflichen weiß man nie, wie nachhaltig sie gezogen wurde. Wurden Pestizide benutzt oder Treibhausgase bei der Anzucht unter Glas freigesetzt? Ich habe mir vorgenommen, keine Zimmerpflanze mehr zu kaufen, sondern alles selbst heranzuziehen aus Ablegern oder Samen. Das klappt nun auch schon über ein Jahrzehnt ganz hervorragend.



Und jetzt hatte ich das große Glück, eine Monstera bei einer Blogverlosung bei Claudia zu gewinnen! Und nicht etwa irgendeine! Das Fensterblättchen hat Claudia eigenhändig aus Samen gezogen, die aus einer Frucht von Madeira stammen, wo diese Ananasbananen genannten Kolben auf dem Markt als Obst verkauft werden. Sehr nachhaltig also!

Allerdings war das Wetter für einen Pflanzenversand von Haus zu Haus nicht gerade tropisch. Nicht, dass sich die Monstera einen Kälteschaden holt von zuviel Zugluft im Fensterblatt? Zum Glück ist alles gut gegangen, im Karton war es anscheinend noch warm genug.




Zur Begrüßung gab es erst einmal einen Schluck Bielefelder Regenwasser. Es wurde bei Zimmertemperatur serviert.

Und mein Monster hat sogar schon Löcher in den Blättern! Was bei den meisten anderen Pflanzen nichts Gutes bedeutet und alles sein kann von Hagelschaden bis Insektenfraß, ist bei dieser Art ein Zeichen von Reife.

Sie soll nun meinen Home-Office-Arbeitsplatz verschönern, bis sie zu groß für diesen Standort geworden ist.


Da sie früher oder später sowieso einen größeren Topf braucht, habe ich dem jetzigen Übertopf, der einen Zentimeter zu niedrig ist, einfach etwas zum Anziehen gesucht. Eine Papiertüte ist als Übergang ganz hübsch, am Ende habe ich mich dann für den Kaffeesack entschieden.

 




In naher Zukunft muss ich der Monstera einen Rankstab und einen großen Übertopf besorgen – und irgendwann ist das Dschungelfeeling dann perfekt!

Danke, liebe Claudia, für das schöne, nachhaltige Geschenk!

Samstag, 5. Dezember 2020

Wie dumm

Jeder von uns hat ja sicher schon einmal Dinge bereut. Das letzte Bier, das doch zu viel war, und am nächsten Morgen für bittere Reue in Form von körperlicher Pein gesorgt hat. Die Aktie, die man sich nicht getraut hat zu kaufen, die kurz darauf aber durch die Decke geschossen ist – man wäre ganz bestimmt jetzt Multimillionär, mindestens.

Auch im Garten gibt es viele Situationen, die Reue hervorrufen können. Hätte man doch wie eigentlich fest vorgenommen die Hecke noch geschnitten, dann hätte sie keinen Schneebruch erlitten. Und warum hat man bloß nicht richtig hingeschaut beim Staudenschnitt, was die Schere da genau zwischen den Zähnen hat und ob es nicht vielleicht der einzige Trieb der ohnehin schon mickrigen Clematis ist?

Da wünscht man sich dann eine Zeitmaschine. Die ist nur noch schwerer zu bekommen als eine neue Clematis. 

Am Sonntag hatte ich auch wieder mal so einen Moment der Reue. Am Samstag habe ich bei trübem Wetter vor dem ankündigten Nachtfrost nämlich noch die Terrasse winterfest gemacht. Der Glücksklee hat sein Exil auf dem Dachboden bezogen. Alle Übertöpfe wurden geleert und trocken eingelagert. Die Knollen der Stern-Gladiolen habe ich ausgegraben, sie sind im Haus untergekommen. Die Bewässerungstonkegel mussten aus der Erde, damit sie bei Frost nicht gesprengt werden.


 

Soweit, so gut. Doch warum zum Teufelszwirn habe ich denn die Kapuzinerkresse nicht noch abgeerntet? Die Blätter hätte man noch für den Kräuterquark nehmen können, die Blüten hätten in der Gemüsesuppe schön einen Freischwimmer gemacht.


 


 

Insgeheim habe ich wohl gedacht, die bisher unzerstörbare Pflanze wird auch die kommende Nacht noch mal überleben, wie sie bisher alle kalten Nächte überlebt hat, wo doch ihre Kollegin draußen im Bauerngarten weit ab vom Stadtklima schon vor Wochen hinüber war:

 

Und nun ist meine auch nur noch grüne Matsche mit ein paar eingestreuten orangefarbenen Klumpen, die niemand mehr in den Kräuterquark oder die Suppe werfen möchte, obwohl sie jetzt dieselbe Konsistenz hätten. Die kraftlosen Strünke, die jetzt nicht mehr wie Gemüse aussehen, sondern eher wie Gemüsebrühe, werfe ich nur noch auf den Kompost.

 


 

Ob ich das nächste Mal schlauer bin oder wieder an die Superkräfte von Tropaeolum majus glaube? Man wird sehen, nächstes Jahr wird sich zeigen, wie lernfähig ich bin.

Werden Zeitmaschinen eigentlich auch nach Hause geliefert?