Es heißt ja immer, in der Natur gäbe es keinen perfekten Kreis und schon gar keine perfekte Kugel. Ich weiß nicht, ob das wirklich stimmt oder ob das bloß ein weiteres der ungezählten Beispiele von menschlicher Hybris ist, nach dem Motto: "Sieh her, Natur, guck mal! Ich kann was, was du nicht kannst! So, da staunste aber!".
Hochherrschaftliche Hochstämmchen |
Dem Gärtner jedenfalls hat es schon immer eine diebische Freude bereitet, der Natur ein Schnippchen zu schlagen und mit der Schere aus unschuldigem Strauchwerk eine runde Sache zu machen. Denn seien wir mal ehrlich: Die meisten Sträucher sind ein ziemlich undisziplinierter Haufen, so dass sich hier die Kugelform als des Gärtners Ideal darstellt. Und wenn sich die Evolution am Ende doch nicht beeindruckt zeigt, der Nachbar tut's bestimmt. Vor allem, wenn besagter Gärtner gar nicht selbst schnippelt, sondern das Unternehmen in die Hände von Profis legt. Die können das auch wirklich mit einer Perfektion, die jeden Hobby-Schnippler zur Verzweiflung treiben kann. Sein Übriges tut der hohe Preis solcher Sträucher, denn gut Kugel will Weile haben. Aber machen wir uns nichts vor: Die ganz perfekte Rundung wird das natürlich auch nicht.
Wer schon mal im Gartencenter nach einem solchen Strauch am Stiel Ausschau gehalten hat, der wird wissen, dass so ein unnatürlich geformtes Wesen nur unwesentlich günstiger ist als ein ganz kleiner Bonsai. Und dass man es sich niemals verzeihen könnte, so eine Anschaffung durch mangelnde Pflege dahin zu raffen. Gnade der Wühlmaus, die meint, auch die Wurzeln dieses floralen Kunstwerkes zur Kugel zu fräsen!
Hilft also alles nichts, wer möglichst gar kein Geld für so ein Bäumchen ausgeben möchte, der muss es gefälligst selbst machen. Das geht zum Glück ganz einfach, dauert nur etwas. Aber die Geduld soll ja angeblich des Gärtners größte Tugend sein.
Also ran ans Werk. Was man erst mal braucht, ist ein schöner gerader Zweig von etwas, das hübsch kleinblättrig ist und sich prima aus Stecklingen vermehren lässt. Wenn es nicht unbedingt in jedem Winter klappen soll mit dem ewigen Grün, ist heimischer Liguster erste Wahl. Der wächst sogar relativ flott und bewurzelt selbst im Wasserglas. Bestimmt bekommt man schön gerade Äste beim Heckenschnitt, zur Not auch aus der Nachbarschaft. Und da kann sich der liebe Liguster auch nicht beschweren, dass wir ihm die komische Form aufzwingen, denn der Ast wäre sonst in der Biotonne gelandet.
Haben sich genug Wurzeln gebildet, kann man den Kandidaten in einen Topf pflanzen und ihm genau über zwei Knospen die Spitze kappen. Das macht man in der Höhe, wo später die Kugel beginnen soll. Darunter ist dann der zukünftige Stamm.
Wenn es dem Ast gut geht, wird er brav die beiden oberen Knospen zu Verzweigungen auswachsen lassen. Jetzt kappt man einfach von Zeit zu Zeit alle nachgewachsenen Ästchen über einem Knospenpaar, so dass die Pflanze gezwungen wird, sich immer weiter zu verästeln. Der Schnittpunkt ist beim Liguster besonders einfach zu finden, denn die
Blätter sind gegenständig. So hat man zuerst eine winzige Kugel nach Art eines Lutschers am Stiel, mit der Zeit wird der Umfang aber immer größer und unser Stolz auch.
Blühen kann so ein Stämmchen auch noch! |
Für die Winterhärte im Kübel kann ich meine Hand leider nicht ins Feuer legen. Eine meiner Kugeln, die jedes Jahr an der Hauswand im Topf überwintert, ist schon recht alt geworden, eine andere ist mir dagegen weitab vom Gebäude erfroren.
Und für noch etwas kann ich nicht garantieren: Auch wenn die hübsche Kugel ganz schön preiswert war - die Wühlmäuse hätten trotzdem nichts zu lachen, sollten sie sich an ihr vergreifen! Denn etwas Selbstgemachtes wächst uns natürlich genauso ans Herz wie etwas Teures. Wenn nicht gar noch mehr.