Samstag, 30. Juli 2022

Gelenkige Wildbienen

Neulich in Brandenburg sah ich keinen springenden Punkt, aber einen fliegenden, roten. Ich dachte zunächst, dass da ein rotes Geranienblütenblatt in einem Spinnennetz hängt und vom Wind hin und her geweht wird, bis das Blatt mit einer Biene in einem Loch im Geländer verschwand. Hier war ganz offensichtlich eine Blattschneiderbiene mit Stil zuhause, die Rosenblütenblätter zum Ausschneiden ihrer Nistmaterialien benutzt.

Im Garten habe ich solche farbenfrohen Bienen noch nicht gesehen, doch auch dort sind zwei Arten Blattschneiderbienen heimisch, die vor allem an der Breitblättrigen Platterbse (Lathyrus latifolius) Pollen und Nektar sammeln: Die Garten-Blattschneiderbiene (Megachile willughbiella) und die Platterbsen-Mörtelbiene (Megachile ericetorum). Beide fallen durch ihre Gelenkigkeit auf, die ganz neidisch macht. In der Blüte wird der Hinterleib nach oben gebogen, sodass die Bauchbürste gut zu sehen ist, die nach erfolgreicher Pollensammlung ganz gelb ist vor lauter Wickenpollen.



Auch die Männchen erweisen sich als sehr gelenkig. In den Pausen, wenn sie gerade mal keine Weibchen suchen und ihnrn auflauern, setzen sie sich gern auf immer dieselbe Sitzwarte in der Nähe der Futterpflanzen und putzen sich.

Die Drohnen der Garten-Blattschneiderbiene haben verbreiterte Vordertarsen, die aussehen wie ein piekfeiner weißer Handschuh. Mit diesen Grabschern halten sie den Weibchen bei der Paarung die Augen zu. Dabei sieht der Kerl doch gar nicht so schlecht aus mit seiner verwegenen Frisur, oder?








Die Männchen brauchen nur Nektar und das reichlich nach ihren rasanten Verfolgungsjagden. Diesen nehmen sie auch gern an Malvenblüten zu sich, an denen sie sich im Tieftauchen üben. Am Stempel halten sie sich fest und drehen einmal eine Runde wie im Karussell, um als kleiner Bienenstaubsauger den Nektar am Blütengrund komplett aufzusaugen. Dabei bleibt viel Pollen an ihrem Pelz hängen - so schlechte Bestäuber sind also die Drohnen gar nicht.


Die Weibchen der Platterbsen-Mörtelbiene sind leicht an ihrem geringelten Hinterleib zu erkennen. Sie findet man am ehesten an der Staudenwicke. 






Sie nisten in vorhandenen Hohlräumen, die Weibchen der Garten-Blattschneiderbiene auch in der Erde von Blumentöpfen oder in morschem Totholz.




Auch durch die kreisrunden Löcher, die sie auf Laub- und Blütenblättern ausschneiden, um damit ihre Niströhren auszukleiden, fallen die Blattschneiderbienen auf, hier verräterische Spuren an Ahorn:



Wer diese Freiluft-Gymnastik an Breitblättrigen Platterbse also in Action sehen möchte, sollte sich unbedingt Samen besorgen. Sie sollten jetzt reif werden. Zusätzlich darf es für die Garten-Blattschneiderbiene auch noch die ein oder andere Glockenblume sein.

 


Dann steht der Blattschneiderbienensafara in der Platterbse nichts mehr im Wege - und gießen muss man sie nie!

Samstag, 23. Juli 2022

Von Schlampen und scheinschwangeren Tulpen

Sie ist eine Pflanze für Nachtschwärmer und Frühaufsteher, denn mittags hat sie spätestens Feierabend: Die Gemeine Nachtkerze (Oenothera biennis). Sie übernimmt die Nachtschicht und netterweise gönnt sie uns auch morgens noch einen blühenden Anblick, der von Bienen rege genutzt wird, während im Dunklen Nachtfalter an den großen Blüten vorbeischauen. Die fast schon neongelbe Farbe sowie der große Abstand der Staubblätter und des Stempels vom Nektar am Blütengrund weisen schon darauf hin, dass Bienen nicht die richtigen Bestäuber der Nachtkerze sind, bei aller Liebe. Nachtfalter dagegen schweben vor der Blüte in ihrem exklusiven Nachtclub, halten ihren Rüssel in den Nektar und dürfen sich gebauchpinselt fühlen von den Pollenkörnern, den sie dann am nächsten Stempel verteilen.

 







Um die Mittagszeit herum werden die Blütenblätter dann auch schon schlaff und hängen herum wie gelbe Putzlappen.



Die zweijährige Pflanze aus Nordamerika ist bei uns heimisch geworden und sät sich reichlich an sonnigen, offenen Bodenstellen aus, auch gern in Pflasterfugen. Wenn man sie dort vorsichtig herausoperiert, kann man sie ins Beet pflanzen. Im ersten Jahr bildet sich eine flache Blattrosette. Was man nicht sieht, ist die enorme Pfahlwurzel. Die sorgt dafür, dass die Nachtkerze uns nicht nur mit ihrem Anblick einen warmen Sommerabend verschönt: Man muss sie auch in Dürrezeiten nicht weiter beachten. Eine echte Feierabendpflanze also!

Eine Sache aber kann man ihr durchaus ankreiden: Die Nachtkerze ist nicht nur eine Nachtarbeiterin, die im Dunkeln munkelt, sondern auch eine echte Schlampe. Von Blütenausputzen hat sie noch nichts gehört - die zieht sich nicht für jeden aus! Die Reste der verblühten gelben Trompeten bleiben einfach hängen, bis sie eher orangebraun und welk herumhängen. Also strahlt diese pflanzengewordene Bordsteinschwalbe schon so ein bisschen das Flair eines verlotterten Bahnhofs aus. Immerhin Südseite.


Die Blüten sind mit Pollen sehr verschwenderisch. Da dieser Fäden zieht, ist er nicht immer angenehm für die Bienen und sie wischen ihn an anderen Pflanzenteilen ab. Daher sieht die Nachtkerze stets etwas besudelt und zugestaubt aus. Wanzen laufen dann zu diesen Pollenhäufchen und futtern sie auf.



 

Wenn man sich die Mühe machen möchte, die Pflanze jeden Abend vor ihrem großen Auftritt bühnenfein zu machen, kann man an ihr herumzupfen. Je ausladender und größer so eine vielarmige Nachtkerze aber ist, umso mehr Arbeit macht das. Ich lasse es daher meist und überlasse die Blütenreste den Müllschluckern unter den Wanzen, die die vergammelten Dinger noch nach Pollen absuchen.

Was eine Nachtkerze ganz vollautomatisch ausputzen kann, ist Starkregen, habe ich am Donnerstag festgestellt…

Schnecken meiden die Nachtkerze übrigens, eine Diva ist sie also nicht! Außerdem blüht sie wochenlang. Ich musste sie noch nie gießen und jetzt hat sie auch noch zwei Tage lang über 40° in der Sonne bei schon lange andauernder Dürre ertragen, ohne auch nur die Blätter zu senken. Vielleicht sind die Blütenreste ja auch eine Art Sonnenschutz und der Pollen die Sonnencreme? Möglicherweise ist die Nachtkerze gar nicht schlampig, sondern schlau?

Es lohnt sich also trotz ihres schlampigen Verhaltens, die robuste Nachtkerze in den Garten zu holen.


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Noch ein Update zu der Tulpe mit dem werdenden Samenstand. Der hat sich als Luftnummer herausgestellt. Die Tulpe war scheinschwanger, es sind keinerlei Samen entstanden. Das unterstreicht meine Vermutung, dass das Ausputzen bei denen vergebliche Liebesmüh ist...

Samstag, 16. Juli 2022

Wicken-Wahnsinn

Eigentlich ist so ein Rosenbogen ja dazu da, aufstrebenden Pflanzen einen Platz zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu geben. Und so habe ich Jahr für Jahr der Staudenwicke gezeigt, wo es langgeht, und sie gezwungen, in der Spur zu bleiben - 𝅘𝅥𝅱𝅘𝅥𝅮♪ The only way is up! 𝅘𝅥𝅱♪𝅘𝅥𝅮








Diese Mal aber habe ich etwas ganz Ausgeflipptes gemacht und geschaut, was passiert, wenn man nur den Durchgang freihält und Madame Platterbse selbst entscheiden darf, wohin der Lebensweg sie führt. Und ich muss sagen, so schlecht gefällt es mir gar nicht, wenn sie vom Pfad der Tugend abrückt!


Sie hat sich nach rechts und hinten sehr gut ausgebreitet, sich das Brandkraut, die Halme vom Reitgras und der Malven gegriffen und sich an sie herangeschmissen. So blüht das Beet endlich mal weiter, wenn Phlomis russeliana längst keine Lust mehr dazu hat. Mir gefällt's.


Nun muss ich mich nur zum Entfernen der verwelkenden Blüten sehr weit vorbeugen, denn man kann die Ranken nicht einfach wie ein Tau beim Segeln zu sich hinziehen. Im Gegensatz zum Tau gilt hier: Der Klügere gibt nach und das ist in diesem Fall der Wickentrieb, der einfach abbricht. Das will man natürlich nicht, also heißt es Beetakrobatik machen, bis die Bandscheibe, aber nicht die Breitblättrige Platterbse jammert.

Die Blütenpracht ist dieses Jahr jedenfalls phänomenal und mehrere Arten Blattschneiderbienen, der Zitronenfalter und die Ackerhummeln sind auch ganz begeistert davon.


Megachile ericetorum


Nur an der anderen Seite vom Rosenbogen ist die Pracht weniger prächtig, denn die Wicke dort haben die Schnecken mehrfach so heruntergefressen, dass ich sie schon verloren glaubte und meine Chance witternd eine Zaunrübe dazugesetzt habe. Nun ist die Wicke aber wieder da, wenn auch mit einer Verspätung, die nicht mal ein durchschnittlicher ICE schafft, aber sie wird noch blühen, soviel steht fest.

 

Zaunrübe und Wicke gehen nun Hand in Hand bzw. Ranke in Ranke und hiefen sich gegenseitig am Rosenbogen hoch, die Zaunrübe wie gewohnt mit ihren eleganten Telefonschnüren.


Zaunrübenranken


Aber sie wird erst nächstes Jahr blühen, das macht aber nichts. Von jetzt an heißt es: Anarchie am Rosenbogen!



Samstag, 9. Juli 2022

Der blühende Kauknochen

Manchmal kommt man ganz unerwartet an neue Pflanzen. Es war irgendwann im April, als ich mit dem Fahrrad in die Stadt fuhr und auf dem Gehweg einen Lauch liegen sah, den gerade ein Jack-Russell-Terrier im Maul hatte. So ein bläulich-grünes Gewächs fällt auf grauem Asphalt natürlich sehr auf und die längliche Form weckt bei jedem Hund, der etwas auf sich hält, gleich den Spieltrieb - ob sich so ein Lauch auch werfen lässt, fragte sich das Tier sicher? Frauchen jedenfalls wollte nicht mit Essen spielen und zog ihren Terrier weiter, der nur missmutig vom Lauch abließ. Das war meine Chance! Schnell hin und den Lauch in den Fahrradkorb geworfen!


Zuhause dann die Frage: Essen oder einpflanzen? Aufgrund der Hundeschnauze, die vorher an dem Lauch war, habe ich mich für das Einpflanzen entschieden. Ist doch auch ein stattliches Exemplar, Wurzeln waren auch dran, also habe ich auf Blüten gehofft. Und Zwiebelgewächse funktionieren in meinem schattigen, staudigen Garten nur, wenn sie über die anderen Pflanzen hinweg schauen können. Das konnte der Lauch definitiv.

Die Form sah natürlich zunächst einmal ziemlich behämmert aus - oben schön gerade geschnitten, damit das Gemüse in eine Kiste passt. So wirkte es eine Weile lang, als ob ich das Flair eines Supermarktes im Garten nachbilden wollte. Aber dann verwuchs sich der Schnitt auch bald und die Pflanze sah wie eine Pflanze aus.




 

Der Lauch streckte sich, die Schnecken knabberten ihn zwar ein wenig an, schädigten ihn aber nicht groß, sondern ließen sich eher zum Übernachten zwischen seinen Blättern nieder, und das nicht zu knapp.

Schließlich bildete sich tatsächlich eine Knospe! Diese drehte sich anfangs in alle möglichen Richtungen, als wollte sie auf etwas zeigen. Das tat sie dann auch. Hier weist sie auf die Knotige Braunwurz hin:


Jetzt im Juli warf der Lauch dann seine lustige Zipfelmütze ab und öffnete seine stattliche Blüte - man sollte viel öfter Gemüse blühen lassen! Gleich fand sich auch die Lauch-Maskenbiene ein und Furchenbienen.



 


Und so hat der lustige Lauch gleich mehrere Tiere erfreut, angefangen bei einem kleinen Jack-Russell-Terrier, der doch nur spielen wollte.


Samstag, 2. Juli 2022

Die Wunderlampe

Heute habe ich mal eine Hausaufgabe für euch: Sucht euch im Garten - oder solltet ihr diese prächtige Prachtstaude wider Erwarten nicht gepflanzt haben - im Wald und in der Flur nach der Knotigen Braunwurz (Scrophularia nodosa).


 

Die sieht zwar völlig unscheinbar aus und macht zugegeben nicht viel her im Beet, aber sie ist die Wunderlampe unter den Stauden: Wenn man an ihr reibt, entströmt ihr ein fantastischer Duft. Probiert es einmal aus, reibt an den Blättern und sagt mir, wonach das riecht. Oft wird der Geruch als widerlich oder unangenehm beschrieben, aber mich erinnert er immer an Grillgewürz und somit finde ich ihn ausgesprochen lecker. Essen kann man die Pflanze leider trotzdem nicht.


 

Die Knotige Braunwurz kann aber noch mehr als nur gut riechen: Sie zieht ganz besondere Kundschaft an. Hummeln und Schwebfliegen, manchmal auch Furchenbienen sind an den Blüten zu finden, aber vor allem ist das eine der wenigen echten Wespenblumen, die wir bei uns haben. Die gelbschwarzen Insekten sind eigentlich Fleischfresser und vertilgen Unmengen an Fliegen, naschen aber auch gern Nektar. Und das tun sie bevorzugt an der Braunwurz.


 

Im Moment werden die Blüten auch von den Weibchen der Furchenbiene Lasioglossum sexnotatum zum Nektarschlürfen besucht. Diese recht großen schwarz-weißen Tiere fliegen akribisch, aber etwas planlos die Pflanze ab.


Auch andere, sehr kleine Furchenbienen schauen vorbei.


Die Raupen vom Königskerzen- und Braunwurzmönch fressen am Laub und sind sehr auffällig dabei. 

Schillerwanzen, Grüne Stinkwanzen und andere saugen an den Samenständen.




Im Garten spielt die Staude eher die zweite Geige, hält sich im Hintergrund und fällt nicht auf. Sie verträgt auch recht viel Schatten, wobei ihr Halbschatten am liebsten ist. Sie vermehrt sich über Samen und so habe ich schon einige Sämlinge im Garten, die ich an andere Stellen umsiedeln konnte. An nährstoffreichen Standorten wird die Knotige Braunwurz fast mannshoch.

Die Blüten sind klein und sehen aus wie winzige Mäuler. Wenn sie nur ein bisschen größer wären, wäre das eine ungemein attraktive Staude. Nicht auszumalen, wie attraktiv die Pflanze wäre, wenn die Blüten auch noch bunt wären wie beim verwandten Löwenmäulchen.

So aber bleibt als Haupattraktion dieser phänomenale Duft. Also, spielt mal Aladin und reibt an den Blättern - und schreibt mir, woran euch der Duft erinnert.