Freitag, 24. April 2015

Kulinarischer Karriereknick

Gegen einen Karriereknick ist wohl niemand gefeit, auch nicht der gute alte Beinwell. Jahrhundertelang wurde die heimische Art Symphytum officinale sowohl als Heilpflanze als auch in der Küche mit sämtlichen Körperteilen verwendet. Noch nicht mal die Wurzeln waren vor dem Verzehr sicher, obwohl sie doch so gut versteckt sind.

In neuerer Zeit schließlich, als ohnehin kaum noch jemand den Beinwell zum Abendessen eingeladen hätte, weil das Essen vornehmlich im Supermarkt wächst, erfand jemand das schöne Wort Pyrrolizidinalkaloide. Es ist nicht nur ein Zungenbrecher für Gedächtniskünstler, es verheißt auch nichts Gutes: In Tierversuchen wurde erarbeitet, dass dieser Inhaltsstoff schlecht für die Leber ist und auch sonst mit Vorsicht zu genießen. Nun verloren auch die letzten der Naturküche Aufgeschlossenen die Lust daran, etwas mit dem Beinwell anzufangen.

Dabei müsste man schon sehr viel Beinwell essen, um überhaupt ernsthaft Schaden zu nehmen. Ein paar Blättchen hier und da schaden anscheinend nicht weiter. Das sah auch die Landlust so und hat ein Rezept veröffentlicht, in dem Beinwellblätter die Hauptrolle spielen.

Ich wollte diese Idee unbedingt einmal selbst ausprobieren, unter anderem, weil knusprige Panade in einer Nebenrolle lockte. Doch den Beinwell wollte ich verschonen - nicht aus Angst vor den Unaussprechlichen, sondern weil ich doch etwas viel Besseres im Garten habe: Den Rauling (Trachystemon orientalis).


Der ist mit dem Beinwell weitläufig verwandt, soll aber laut einer türkischen Studie ein gerüttelt Maß an Antioxidantien haben. Außerdem: Können so viele Türken irren, die der raublättrigen Staude in hiesigen Schrebergärten quadratmeterweise Beetfläche zugestehen, so groß wie meine Terrasse, um ihn am Ende in die Pfanne zu hauen? Eben.


Also habe ich meinem Rauling acht Blätter geraubt. Vier davon wurden mit einer klebrigen Mischung aus Ziegenfrischkäse, Sahne und kleingehackten Kräutern aus dem Garten (Gundermann, Brennnessel und Giersch) bestrichen, und zwar auf der rauen Blattunterseite, das hält besser. Dann habe ich die restlichen Blätter auf den Käse gepappt, mit der haarigen Seite nach unten. Vorläufiges Ergebnis: Vier grüne Laub-Doppeldecker mit Käsefüllung.

Nun kommt die Panade: Die Laubflundern erst in Ei, dann in Paniermehl wälzen und in die Pfanne legen. Die Blätter brauchen nur ein paar Minuten, bis sie in einer Butter-Olivenöl-Mischung goldbraun geworden sind, dann werden sie gewendet und auch die andere Seite lecker gemacht.



Und was soll ich sagen? Es geht richtig einfach, sieht gut aus und schmeckt fantastisch. Das wäre durchaus etwas, das man in einem Sternerestaurant für 14,90 Euro mit einem Tomatensalat als Vorspeise verkaufen könnte.

Das schlechte Gewissen wegen des Blattraubs war auch unbegründet: Die Staude mit den Blüten, die immer aussehen wie auf Lockenwickler gedreht, treibt schneller wieder neues Laub als man Pyrrolizidinalkaloide sagen kann.

Wenn ich auch dem Beinwell also wieder nicht gegen seinen anhaltenden Karriereknick helfen konnte, so gehört ab sofort wenigstens der Rauling, das alte Schwarzmeergemüse, zum kulinarischen Frühlingsprogramm!

Freitag, 17. April 2015

Anny, die Nanny

Das hier ist Anny. Obwohl sie etwas hölzern scheint, hat sie früher sehr erfolgreich im Import-Export-Gewerbe gearbeitet und eine tragende Rolle innegehabt. Eine besonders süße Last hatte sie sogar zu verantworten: Spanische Süßkartoffeln, die sie gut gehütet bis nach Deutschland auf den Wochenmarkt getragen hat.

Dann hatte ihr Leben plötzlich keinen Sinn mehr, leer und ausgebrannt stand sie plötzlich auf dem Abstellgleis. Ich habe Nanny völlig selbstlos aus der Arbeitslosigkeit gerettet und auch vor dem sicheren Tod in der Müllverbrennungsanlage. Auf dem Wochenmarkt stapeln sich nämlich immer viele Obst- und Gemüsekisten aus Sperrholz, alle mit praktischen Griffen an der Seite und noch stabil genug für eine zweite Karriere im Garten. Sie werden weggeworfen, wenn ihr Inhalt abverkauft ist.

Es gibt sicher hübschere als meine Anny (die von Elbeobst sind die dekorativsten, finde ich), aber man soll ja nicht nur aufs Aussehen achten. Außerdem hat sie bequem auf dem Fahrradgepäckträger Platz gefunden, ohne zerdrückt zu werden. Sie durfte dabei sogar als Erinnerung an alte Zeiten meine Gemüseeinkäufe tragen.

Nun hat sie einen neuen Beruf bei mir bekommen nach einer kurzen Umschulung: Anny wird zur Nanny - sie leistet ab sofort einen wertvollen Beitrag in der Kinderbetreuung und soll Jungpflanzen großziehen. Das passt gut zu ihrem Beschützerinstinkt, Talente soll man ja fördern.

Um Anny auf die neue Aufgabe vorzubereiten habe ich Folie in die Kiste getackert und mit dem Messer einige Schlitze hineingeschnitten, damit Wasser ablaufen kann. Als Substrat habe ich Erde aus den Tomatentöpfen vom letzten Jahr hineingebröselt, denn zur Anzucht darf es ruhig nährstoffarm zugehen. So musste ich auch keine neue Blumenerde kaufen.


 

Dann habe ich zunächst das Saatgut gesichtet, Metallschilder aus Katzenfutterschalen zurechtgeschnitten und mit Schlagbuchstaben malträtiert, bis druckfrisch die Beschriftung zutage trat. In Reihen habe ich Samen von Edel-Distel, Seidenpflanze, Lunaria annua, Wegwarte und Nachtviole eingesät (weil ich selbst etwas behämmert war, steht auf dem Schild nun "NACHTVIQLE").


Nun wünsche ich Anny einen guten Start in ihr neues Berufsleben und hoffe, dass sie sich gut anstellt in der Jungpflanzenanzucht. Euch wünsche ich viel Erfolg beim Aufstöbern einer Kiste auf dem Wochenmarkt!

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Weil es so gut zum Thema passt, möchte ich noch schnell das Buch vom Garten-Fräulein vorstellen: "Mein kreativer Stadtbalkon", erschienen im Verlag Edition Michael Fischer.

Es richtet sich an Balkongartenanfänger mit studentischem Stil sowie Budget und zeigt viele Selbstbautipps und Gärtnerwissen in detailverliebter Aufmachung - alles für das Leben auf dem Balkon, nebst Ausrichtung eines Mädelsabend mit Rezepten. Auch mein Lieblingsprojekt, das ich selbst schon ausprobiert habe, ist vertreten: Kartoffel im Reissack.

Samstag, 11. April 2015

Talentsuche

Stauden sind schön. Stauden locken Insekten an. Stauden sind im Garten einfach unersetzlich. Soweit, so gut. Trotz dieser Vorzüge bin ich aber immer auf der Suche nach Kandidaten, die nicht nur im Beet gut sind, sondern auch im Haushalt oder in einer anderen Disziplin. Eine Staude mit Zweitnutzen zu finden ist eine immerwährende Talentsuche mit manchmal überraschendem Ausgang.

Kulinarische Entdeckungen sind natürlich immer besonders gern gesehen. Kräuter wären hier zuerst zu nennen, aber die sind zu offensichtlich und werden oft gar nicht zur Zierde gepflanzt - Geheimtipps unter den Zierpflanzen gilt es stattdessen aufzudecken. 

Da wäre zum Beispiel die Taglilie, deren Blüten man essen kann, sogar noch im Verwelken, nachdem die Schwebfliegen einen vergnügten Tag lang darin herumfuhrwerken durften. So teilen sich Mensch und Insekt einvernehmlich dieselbe Blüte.


Der im April sagenhaft aussehende Rauling (Trachystemon orientalis) ist aus der Schwarzmeerküche nicht wegzudenken. Eine Verkostung meinerseits steht immer noch aus. Er soll erst einmal Fuß fassen und größer werden. Bis dahin macht er sich als Gierschverdränger nützlich - den man ja auch essen kann. Hummeln und Pelzbienen (Bild unten) haben jedenfalls schon fleißig die Blüten getestet und für tauglich befunden.




Stauden, die neben schönen Blüten auf irgendeine Art Dünger zaubern können, sind für den Garten ebenfalls eine große Hilfe. Der Beinwell ist so einer. Man kann seine Blätter als Mulch verwenden oder zu übelriechender, aber sehr nahrhafter Jauche vergären.

Manchmal dauert es durchaus ein bisschen länger, bis dem Talentscout eine bisher verborgene Eigenschaft ins Auge fällt, aber in der Kaderschmiede Garten ist alles möglich. So eine Multifunktionsstaude auf den zweiten Blick ist die Gelbe Wiesenraute (Thalictrum flavum ssp. glaucum), die man für gewöhnlich eher für den erfrischenden Anblick ihrer gelben Wuschelköppe pflanzt, die in dezenter Pastellfarbe daherkommen und mit dem zart bläulichen, feingliedrigen Laub kontrastieren.


Obwohl sie für feuchte Standorte empfohlen wird, habe ich diese Staudenriesin an einem eher trockenen Platz trotz Wurzelkonkurrenz noch nie gießen müssen. Manchmal wird angegeben, dass sie Ausläufer bildet, doch so etwas tut mein Exemplar jedenfalls nicht - es weiß sich zu benehmen.

Erst im Winter fällt auf, wie schön ihre Stängel sind - in einem warmen Farbton gehalten, rank, schlank und so lang, dass man sie in Flechtzäune integrieren kann, wo ihr sonniger Teint positiv auffällt.


Ein weiterer Pluspunkt: Die Stängel sind hohl und weisen Internodien auf - diese stabilisierenden Verdickungen machen bei der stattlichen Größe dieser Pflanze auch durchaus Sinn, da sie ein Umknicken verhindern. 

So große Hohlkammern im Inneren machen das Wiesenrautengestrüpp im Frühjahr zu einer perfekten Einlage für Insektennisthilfen. Waagerecht und wettergeschützt in ein Bienenhotel integriert dienen die Abschnitte kleineren Arten als Brutkammer. Die Wiesenraute ist eben ein Naturtalent.



Blüten, Bastelmaterial und Bienenhotel-Zimmer - das sind ja gleich drei Dinge auf einmal! So eine mit allen Wassern gewaschene Allround-Staude muss man erstmal finden. Aber die Talentsuche geht weiter - es bleibt spannend.

Freitag, 3. April 2015

Katzensicherung

Katzen sind Raubtiere und stolz drauf, das ist ja nichts Neues. Sie benehmen sich aber beileibe nicht immer so. Meine Katze Quietschie könnte sich durchaus auch einmal einen ganzen Tag nur von Kartoffelchips, Weißbrot, Salzstangen, Käse und Kuchen ernähren, wenn es nach ihr ginge. In der Beziehung ist sie ganz menschlich. Mit gesunder Ernährung muss man Madame da auch nicht kommen, die will immer das, was wir ihr gerade voressen, und zwar ein bisschen plötzlich. Das aus dem Hinterhalt zielsicher ausgeführte Grabschen kleiner Katzenpfoten kann den unbehelligten Verzehr von Junkfood mitunter empfindlich treffen. Ziel ist es dabei stets, dem Menschen im entscheidenden Moment die Leckerei oder noch besser gleich den ganzen Kuchenteller aus der Hand zu schlagen. Denn was erst einmal auf dem Boden liegt, mag der zweibeinige Mitbewohner komischerweise nicht mehr selber essen - Menschen stellen sich oft ziemlich mädchenhaft an.



Da aber auch Nahrungsmittel in spe nicht vor den Reißzähnen einer ernstzunehmenden Katze sicher sind, muss ich meine Peperoni-Sämlinge wie immer besonders gut schützen, zumal sie auf der Heizung am Sofa stehen, wo der Minitiger sich bevorzugt aufhält. Dieses Jahr habe ich mir eine geräumige Katzensicherung ausgedacht, die auch halbstarke Pflänzchen in fressbarer Größe noch gut vor dem Zugriff einer grünzeugversessenen Mieze schützt.

Ich habe einfach zwei transparente Feldsalat-Plastikschalen übereinander gesetzt und mit einem Band gegen Verschieben mit der Katzenschnauze gesichert. So haben die Chilis ein Gefängnis mit Aussicht ohne Kuscheltierbesuch, wo sie in ihrem eigenen Saft vor sich hinschmoren können und kaum gegossen werden müssen.



Bei starker Sonneneinstrahlung wird es im Inneren mollig warm, die Wände aber auch schnell undurchschaubar. Möchte ich also wissen, wie groß die Pflänzchen schon sind, muss ich erst die Schleife lösen. Das ist jedes Mal so, als würde ich ein Geschenk auspacken. Beim Heben der Oberschale regnet es dann einen Monsun, der sich gewaschen hat, auf die Sämlinge herab.


Größere Scharfmacher kommen unter die Haube, nämlich den Behälter eines 5-Minuten-Kartoffel-Fertiggerichtes. Ohne Pappmanschette und gut gespült ist das ein perfekter Abstandhalter für Katzen:


So wird es dieses Jahr hoffentlich nicht wieder zu einem Verlust der kräftigsten Jalapeños und Habaneros kommen. Nur die Sache mit den Kartoffelchips und dem Kuchen, die lässt sich nicht so einfach lösen...