Samstag, 25. Juli 2020

Minzenmonster

Manche Pflanzen sind wie Tintenstrahldrucker - erst bekommt man sie für ganz wenig Geld oder sogar geschenkt, aber kaum gehen ein paar Jahre ins Land entstehen ungeahnte Kosten oder im Falle des Grünzeugs ungeahnte Aufwände, sie wieder loszuwerden oder einzudämmen. Denn natürlich bekommt man eher solche Stauden geschenkt, die jemand anderem schon zu den Beeten herauskommen. Ob das Wort Rabatte wohl von Rabatt kommt?

Wenn das wuchernde Ungetüm dann aber dazu noch so gut riecht und schmeckt wie eine Minze, bekommt man schnell einen träumerischen Tunnelblick und malt sich in Gedanken schon aus, wie man jeden Tag frischen Pfefferminztee trinkt, bis in alle Ewigkeit.

Und mit dieser Ewigkeit ist durchaus zu rechnen, denn natürlich trinkt man dann doch nicht jeden Tag Pfefferminztee und die Minze hat Zeit, in alle Himmelsrichtungen zu wuchern. Mit ihren Ausläufern steht ihr schließlich der ganze Garten offen. Und schon riecht es beim Rasenmähen minzig, beim Jäten oder auch nur beim Flanieren an den Rabatten entlang.

Ich dachte letztes Jahr, da bin ich aber diesmal schlauer und pflanze die auf der Tauschbörse erstandene Minze mal lieber in einen Topf. In einen richtig großen, der sich für Madame Minze anfühlt wie die freie Wildbahn. Letztes Jahr passte sogar noch eine Tomate daneben. Diesen Sommer blicke ich vom Wohnzimmer aus in ein Meer aus Pfefferminzblüten, während sich die arme Tomate schüchtern darunter wegduckt und mich verflucht.





Sieht aber schon schön aus, diese Minzwiese mit eingebauter Aromatherapie. Sogar die kuschelweichen Blüten duften, wenn man mit ihnen knuddelt.

Die Bienen und Schwebfliegen freuen sich jedenfalls. Als Stargast war sogar die Hornissenschwebfliege nicht mehr wegzukriegen von der Minze. Die hat für eine Fliege einen ziemlich langen Rüssel und kann den Nektar in den kleinen schweinchenrosa Einzelblüten gut erreichen.




Hier eine Mistbiene:



Unter den Hummeln sind es Erd- und Steinhummel, die auf Minze fliegen:


Auch ein anderes gelb-schwarzes Insekt schaut gern vorbei: Der Bienenwolf (Philanthus triangulum), in diesem Fall die Bienenwölfin. Die kann sich ewig an den Blüten aufhalten. Manchmal schwebt sie vor der Pflanze und stürzt sich überfallartig auf die Blüten, als wären sie Beute. Hat sie sich dann für eine Nektarquelle entschieden, schmiegt sie den Hinterleib ganz eng an die Blüten, als könnten sie entkommen. Die Honigbienen hat sie ignoriert, sie hatte vor allem Hunger.








Gegenüber Hummeln sind die Bienenwölfinnen desinteressiert, rempeln sie höchstens einmal versuchsweise an.

Diese hier ist in Lauerstellung und hätte jetzt doch gern mal eine Honigbiene zwischen die Mandibeln bekommen. Wie ein Jagdhund hebt sie ein Vorderbein an:


Überraschend ist der Besuch der Löcherbienen an der Minze, die sonst eher auf Korbblüten eingeschworen ist.


Auch Furchenbienen finden sich an der Minze ein, hier ein Männchen von Lasioglossum calceatum:


Dank der Blüten und der Insekten ist es nun auch erstmal vorbei mit Spitzenschneiden zum Teetrinken. Aber das wird schon wieder - einfach abwarten und Melissentee trinken. Die wuchert schließlich auch und steht in einem anderen Topf...

Samstag, 18. Juli 2020

Auf der Suche nach den Schachbrettfaltern

Sie sind nur schwarz-weiß und nicht nur deswegen irgendwie retro - die Schachbrettfalter gehören in der Tat zur Kategorie "Früher war alles besser". Früher gab es mehr Blumenwiesen, die nicht zu oft gemäht und auch nicht ständig gedüngt wurden, sodass die Falter noch genug Blüten und auch Gräser für die Eiablage finden.




Gibt es sie denn noch irgendwo, die schwarz-weißen Falter? Der Juli ist eine gute Zeit, sie zu treffen, wenn man nur erstmal Blumenwiesen gefunden hat.

Also habe ich mich aufgemacht zur Expedition Schachbrettfalter. Gute Chancen, die Schmetterlinge zu finden, gibt es unter anderem im Harz abseits der Touristenströme, im Havelland und im Saale-Unstrut-Gebiet. Und damit ich auch garantiert welche finde, war ich gleich an allen dieser Orte, sicher ist sicher.

Im niedersächsischen Harz in Scharzfeld gibt es ein fantastisches Naturschutzgebiet mit Magerrasen. Und da flog sie, die feine Gesellschaft mit dem Schachbrettmuster.



Hier haben sie sich in der Abendsonne nach einem warmen Regenschauer zum Schlafen hingesetzt. Das machen sie gern in Grüppchen und auf Blüten, dann ist auch das Frühstück gesichert und wenn man noch einen Partner braucht, ist der nie weit. Damit sie besser getarnt sind und nicht im Schlaf gefressen werden, klappen sie sich zusammen und zeigen ihre dezente Unterseite. Das Schachbrett hat dann Pause.




Im Havelland wächst eine wunderschöne Ruderalpflanze, die mit trockenen, sandigen Böden zurechtkommt, die Rispen-Flockenblume (Centaurea paniculata agg.). Ihre hell rosafarbenen Blüten, die an einem verzweigten Blütenstand wachsen, werden von Schmetterlingen geliebt, besonders vom geselligen Schachbrettfalter.







Eine tolle Pflanze, die unbedingt auch in Gärten gepflanzt werden sollte.


Hier eine Abendgesellschaft der Schachbretter, in ihrem edlen Zwirn wie zum Ball auf den Flockenblumen erschienen.


Als es noch bedeckt war, hatten sich alle schon zur Bettruhe begeben, aber dann kam noch einmal die Sonne, und schon war wieder Leben in der Flockenblume, das Schachbrett war noch einmal zum Spiel bereit. Eifrig wurde Blüte-wechsel-dich gespielt, einmal waren 6 Falter gleichzeitig auf einer Pflanze zu finden.


Die Kohlweißlinge hätten auch gern mal auf der Flockenblume gesessen, aber das ging nur noch auf den billigen Plätzen - oder sie mussten auf die Graukresse ausweichen, wo aber oft auch schon wieder ein Schachbrett herumsaß.




Hier eine Übersicht über die schöne Wiese mit Flockenblume und Natternkopf:



Genauso gern besuchen die Schachbretter Skabiosen und Bienen-Kugeldisteln (Echinops sphaerocephalus), die entlang von Straßenrändern verwildert sind.






Die Expedition hat sich gelohnt, ich war glücklich und habe viele Fotos in gutem Licht schießen können. Wenn es doch nur überall so schöne Blumenwiese gäbe...

Samstag, 11. Juli 2020

Klein und blau

Manchmal ist das große Glück sehr klein und schlüpferfarben bläulich wie eine zu heiß gewaschene Jeans. Außerdem hat es sechs Beine und schwarz-weiße Fühler, als hätte es Ringelsocken darüber gezogen. Er ist vielleicht nicht die Prominenz unter den Tagfaltern, schmückt sich nicht mit orangefarbenen Flecken und sucht eher in den Baumwipfeln nach Honigtau, als dass er Blüten besucht, aber er ist hübsch und immer in gern gesehener Gartengast: Der Faulbaum-Bläuling (Celastrina argiolus).



An Faulbaum fressen die Raupen tatsächlich auch, aber das Weibchen kann an so vielen Pflanzen Eier ablegen, dass es kein Wunder ist, dass er der häufigste Bläuling in Parks und Gärten ist. Daher heißt der Winzling neuerdings Garten-Bläuling.

Während andere Bläulinge höchstens auf Kniehöhe unterwegs sind, sieht man den Garten-Bläuling über Sträuchern herumfliegen oder auch mal ganz hoch oben im Geäst.

Wenn er dann mal wagt, zu uns Gärtern hinabzusteigen, ist das ein richtiges Ereignis, man hält den Atem an und hofft darauf, dass er seine strahlend blaue Oberseite zeigt und nicht nur die babyblaue, blässliche Unterseite mit der sparsamen Punktierung. Mit dem Präsentieren der Oberflügel geizt der kleine Kerl etwas, die zeigt er nicht jedem.

Ein Weibchen


Falls man das große Glück hat, kann man dadurch auch Männchen und Weibchen unterscheiden, denn die Bläulingsfrau hat einen breiten schwarzen Rand auf den Vorderflügeln.

Hier sieht man beide beim wilden Paarungstanz auf einem Hopfenblatt, auch eine Futterpflanze der Raupen:



Vor einer Woche sah ich, wie sich so ein kleiner babyblauer Falter dazu herabließ, meinen Garten zu inspizieren - kleiner Garten, kleiner Schmetterling. Und der steuerte so zielstrebig den Oregano an, dass da was im Busch sein musste. Ich bin wie von der Tarantel gestochen ins Haus gestürzt, um die Kamera zu holen. Zur Belohnung hat das Tier sich tatsächlich aufgeklappt!



Das war aber nicht die einzige Sensation samstags nachmittags im Reihenhausgarten: Nun wusste ich, dass es Frau Faulbaum-Bläuling war, und sie inspizierte wieder den Oregano. Ganz konzentriert mit herabhängenden Fühlern wie Schlappohren, um Geruchsproben von der Pflanze zu nehmen.



Ebenso konzentriert wurde ein Ei gelegt zwischen die Blütenknospen. Das ist eine Spezialität dieses Falters, immer zwischen die Knospen, denn Blüten schmecken der Raupe gut.




Das hier sind zwei der Eier, so babyblau wie der Falter:



Nachdem Madame fertig war und wieder in höhere Sphären entschwebt war, habe ich gleich die Stängel markiert, um die Raupen später wiederfinden zu können. natürlich stilecht mit blauem Band. Denn von den Raupen will ich natürlich auch Fotos fürs Familienalbum!


Samstag, 4. Juli 2020

Wildbienen in der Stadt

Stellt euch vor, ihr wollt morgens zur Arbeit, aber ein 40-Tonner hat die Haustür zugeparkt, sie geht keinen Spalt mehr auf. So ging es bis vor Kurzem noch vielen Bielefelder Sandbienen, denn bei Kirmesveranstaltungen oder privaten Feiern in der Nachbarschaft wurde kurzerhand auf ihren Nesteingängen geparkt. Da Home-Office für Bienen auch keine Lösung ist, mussten sie abwarten, bis die Autos wieder vom Rasen verschwunden waren. Auch blöd, wenn man als Sandbiene vollbeladen mit Pollen nach Hause kommt und das Nest nicht mehr wiederfindet. Mal abgesehen davon, dass Autos schwer sind und den Boden verdichten.

Andrena vaga


Eine engangierte Schrebergärtnerin, die auf dem Weg zu ihrer Laube immer an den zugeparkten Bienen vorbeikommt, hat die Stadt kontaktiert. Ihr waren die vielen Wildbienen am Fuße der alten Linde aufgefallen, aber eben auch die vielen Wildparker auf dem Rasen. Schnell wurde sogar noch ein Experte hinzugezogen, um die Arten zu bestimmen, und was dabei herauskam, war eine erstaunlich lange Liste:

  • Graue Sandbiene (Andrena cineraria)
  • Rotschopfige Sandbiene (Andrena haemorrhoa)
  • Weiße Bindensandbiene (Andrena gravida)
  • Gewöhnliche Zwergsandbiene (Andrena minutula)
  • Leisten-Zwergsandbiene (Andrena strohmella)
  • Große Weiden-Sandbiene  (Andrena vaga)
  • Gewöhnliche Bindensandbiene (Andrena flavipes)
  • Frühe Locken-Sandbiene (Andrena praecox)
  • Frühlings-Pelzbiene (Anthophora plumipes)
  • Rote Mauerbiene (Osmia bicornis), nicht nistend
  • Rötliche Wespenbiene (Nomada ferruginata), Kuckucksbiene bei der Frühen Locken-Sandbiene
  • Gelbfleckige Wespenbiene (Nomada flavoguttata), Kuckucksbiene bei verschiedenen Zwerg-Sandbienen
  • Gewöhnliche Wespenbiene (Nomada fucata), Kuckucksbiene bei der Gewöhnlichen Bindensandbiene
  • Rotbäuchige Wespenbiene  (Nomada bifasciata) Kuckucksbiene bei der Weißen Bindensandbiene
  • Feld-Wespenbiene (Nomada goodeniana), Kuckucksbiene bei der Grauen Sandbiene
  • Rothaarige Wespenbiene (Nomada lathburiana), Kuckucksbiene bei der Grauen Sandbiene und der Großen Weiden-Sandbiene

Die Leisten-Zwergsandbiene wird aktuell für das Weserbergland auf der Vorwarnliste geführt. Die Fläche stellt sich also als so artenreich und wichtig heraus, dass die Stadt reagierte und den Rasen mit Steinblöcken und einem Erdwall abgesperrt hat. Wegen Corona fiel auch die Osterkirmes aus, und so gab es in der Zwischenzeit zum Glück keinen Grund zum Wildparken.

Wildbienen in der Stadt haben es also nicht leicht, obwohl es dort wärmer ist als auf dem Land und weniger Pestizide verwendet werden. Dafür haben sie mit anderen Gefahren zu kämpfen, wie dick gemulchten Beeten, in denen sie keine Nester graben können, geschotterten Vorgärten oder Bauarbeiten auf Wegen, bei denen die Nester in den Pflasterfugen zerstört werden.

Andrena bicolor

...und ihr Nistplatz

Ein neues Buch aus dem Haupt-Verlag beschäftigt sich mit Wildbienen in der Stadt, mit den Gefahren, aber auch Chancen - und mit vielen Beobachtungstipps rund ums Jahr: "Wildbienen in der Stadt - entdecken, beobachten, schützen" von Janina Voskuhl und Herbert Zucchi, die sich beide für die Wildbienen in Osnabrück einsetzen.

Es werden Lebensräume vorgestellt und welche Arten man dort beobachten kann. Gute Tipps finden sich überall, zum Beispiel, wie man Ameisennester von Bienennestern unterscheidet oder wie man feststellen kann, wer genau in welchem Nest wohnt. Auch solitäre Wespen in der Stadt, wie der Bienenwolf, kommen nicht zu kurz.



Viele Projekte, die man besonders gut mit Kindern durchführen kann, finden sich ebenfalls im Buch, denn die Begeisterung für den Wildbienenschutz kann man gar nicht früh genug wecken.


Die Städte sollten wieder mehr Ruderalflächen statt Stiefmütterchenbeete anlegen, Totholz zulassen und unter den Hecken und an und auf Mauern nicht so penibel aufräumen.


So wie die Stadt Brandenburg an der Havel es macht mit vielen Bienenprojekten und Brachflächen.








Auch ich konnte beim Lesen noch viel lernen. Zum Beispiel, dass Wildbienenmännchen Duftmarken setzen, die man bei genug Aktivität und vielen Exemplaren sogar riechen kann. Ich habe auch nie darüber nachgedacht, wie eigentlich die Taufliege Cacoxenus indagator aus einem Mauerbienennest wieder herauskommt, so eingemauert und zahnlos wie eine erwachsene Fliege nun mal ist. Des Rästels Lösung: Die Larven sorgen vor, denn sie haben noch stärkere Mundwerkzeuge als die spätere Fliege und können ihrem anderen Ich den Weg bahnen.

Eine umfangreiche Literaturliste (in der erfreulicherweise auch mein Buch "Mein Bienengarten" enthalten ist) rundet das gelungene Buch ab.

Mir hat das Werk gut gefallen. Es sollte zur Grundausstattung von Kindergärten und Stadtplanungsbüros gehören, das würde den Wildbienen in der Stadt sehr helfen.