Samstag, 26. Februar 2022

Intarsienarbeiten im Garten

Je mehr man im Garten in der Laubstreu wühlt, um kleine Tiere wie Kugelspringer und andere Hüpfer zu finden, umso mehr kommt man ins Grübeln: Kann man es überhaupt wagen, in die Beete zu steigen, ohne jemandem auf die Füße zu treten oder Schlimmeres? Und darf man ungestraft Kompost-Weitwurf machen oder begräbt man dann die Krabbler unter einer Lawine? Freuen die sich über Kompost, der ihnen auf den Kopf fällt, oder nennen sie ihn den schwarzen Tod anstatt das schwarze Gold?

Aber was bleibt mir übrig, der Komposter muss auch dieses Jahr wieder leer werden, der ist ja nicht zum Angucken da, so schön ist er auch wieder nicht.

Und jetzt habe ich gerade auch noch neue Schätze entdeckt, die es wert sind, mal nicht wie ein Elefant im Porzellanladen durch die Beete zu stolpern. Ihr erinnert euch vielleicht daran, dass ich im Mai immer diese illustre Gesellschaft aus Langhornotten (Nemophora degeerella) im Garten begrüßen darf, die mit ihren Balzflügen in großen Gruppen ihre langen Fühler spielen lassen und einfach eine fantastische Show darbieten.


 


Da sie jedes Jahr wieder ein Gastspiel geben, müssen ja auch die Raupen irgendwo sein. Und endlich habe ich einen Nachweis gefunden, dass sie sich in meinem Garten auch vermehren.

Das hier ist eines der kunstvollsten Gebilde, die man in der Insektenwelt so finden kann. Diese feinste Intarsienarbeit hat die Raupe der Langhornmotte angefertigt. Einzelne Stücke hat sie aus verschiedenen Blättern ausgeschnitten und zu einem Raupen-Etui zusammengenäht. Buchenblätter stehen ganz hoch im Kurs, aber auch andere wurden eingebaut.



Wenn man darüber nachdenkt, sind Buchenblätter wirklich eine exzellente Wahl. Selbst jetzt sind die letztjährigen Blätter immer noch völlig unverändert. Sie verrotten langsam und sind wasserabweisend. Welche anderen Blätter bei dem Etui verwendet wurden, kann ich nicht sagen. Eiche? Wäre auch ein prima Baumaterial. Bei dem gestreiften Fragment komme ich nicht drauf, welche Baumart das sein kann. 

Nun hat sich die Raupe verpuppt und wird im Mai ihr federleichtes Mäppchen verlassen.

Das Kunstwerk habe ich unter eine Blatt vom Rauling (Trachystemon orientalis) gefunden Das ist auch genau die Stelle, an der die Falter getanzt haben. Dort wächst nämlich die Kriechende Gämswurz, deren Blüten sie so gern besuchen.

Ich freue mich drauf, die Flugshow wiederzusehen und werde in Zukunft etwas vorsichtiger in den Beeten agieren.

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Über viele andere Überwinterungsgäste spreche ich beim 9. Online Bio-Balkon-Kongress vom 18. bis 27. März 2022

Diese Experten-Interviews erwarten Sie u.a.:
* Elke Schwarzer: Überwinterungsgäste
* Dr. Daniela Berg: Naturbalkon für Anfänger
* Dr. Andreas Fleischmann: Wildbienen fördern
* Nina Keller: Wildblumen und Blumenwiese im Kübel
* Friedhelm Strickler: Mini-Teich & Sumpfbeet
* Corinna Hölzel/BUND-Gartenexpertin: Naturnaher Bal­kon
* Dr. Antje Arnold: Superhummeln – Bedrohte Stars am Bestäuberhimmel
* Mirja Neff: Die Lieblingspflanzen wilder Bienen
* Markus Burkhard: Erde für Topfpflanzen und hitzetolerante Pflanzen
* Eleonore Schick: Mit Weide kreativ gestalten und Insekten fördern
* Monika J. Peukert: Biotop Dachterrasse
* Bettina de Chevallerie: Neues vom Projekt Tausende Gärten, Tausende Arten
* Britta & Klaus Faaß: Sinnvolle schöne Insektennisthilfen
* Andrea Jaschik: 3 Preise für Trachtfließband Dachterrasse
* Lena Assmann: Das summende brummende Fensterbrett
* Bärbel Oftring: Mein tierisch guter Balkon
* Stefan Streicher: Schmetterlinge in der Stadt
* Martina Wappel: Naturerfahrungen und Gärtnern mit Kindern
* Rainer Altenkamp: Vögel anlocken und unterstützen
* Prof. Dr. Hans-Heiner Bergmann: Vogelstimmen erkennen

Die Teilnahme am Kongress ist komplett kostenlos. Die Videos sind während der Kongresszeit für jeweils 24 Stunden online verfügbar. Konkrete Unterstützung gibt es in begleitenden Live Frage-Antwort-Runden.

Samstag, 19. Februar 2022

Krake oder nicht?

So sieht eine Fette Henne aus, wegen der man den ganzen Winter lang die Schere im Schrank lässt, um sich diese gestandene Dame monatelang anzuschauen, wie sie aufrecht und elegant im herbstlichen Gewand im Beet steht. Nun ist sie sogar umringt von Elfenkrokussen, die sie nicht etwa erdrückt, sondern sie in ihrem Windschatten wachsen lässt.


Manche fetten Streber sehen sogar im Spätherbst noch richtig farbig aus - und immer senkrecht wie eine Eins:




 

Ja, so können Fette Hennen aussehen. Meine Exemplare beherrschen allesamt den aufrechten Gang nicht, sondern legen sich sofort hin, als hätten sie Angst vor Herbst und Winter und wollten ihn eng an den Boden gekuschelt überstehen. Da muss ich mich immer schwer beherrschen, sie nicht schon im Oktober auf den Kompost zu schicken. So doof sieht das meistens aus, dass ich von Fetten Kraken kaum Bilder habe.

 


Hier kann man es ein bisschen erahnen, wie das im Frühjahr aussieht. Immerhin ist es grün in der Mitte und die alten Stängel schön elfenbeinfarben.


 


Doch auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn und eine Detailaufnahme mit Frost mag doch dann und wann gelingen, etwa wenn sich ein Trieb irgendwo angelehnt hat.

Bald muss ja der Komposter wieder geleert werden und diesmal habe ich mir vorgenommen, dass die Fetten Hennen auf Diät gesetzt werden und rein gar nichts davon abbekommen. Zu viele Nährstoffe sollen nämlich zu diesem haltlosen Häufchen Triebe führen. Dann bleibt auch mehr Kompost für die restlichen Stauden und die Kübel über. Im Null-Euro-Beet gelingt das nämlich besser, dort ist der Boden mager und die Pflanze standfest.


Wie ist es bei euren Fetten Hennen? Sind sie eher Marke Bodendecker oder von der aufstrebenden Sorte?


Samstag, 12. Februar 2022

Der Schneeglöckchen-Tick

Ist das noch Helfersyndrom oder schon Gier, wenn man ständig irgendwo Schneeglöckchen aufsammelt, die mit der Zwiebel nach oben herum liegen, obwohl der ganze Vorgarten voll ist?

Ich kann einfach nicht widerstehen, wenn ich diese Unglücksraben sehe. Außerdem denke ich mir, dass es nicht schaden kann, den Genpool der Glöckchen im Garten mal ein bisschen aufzufrischen mit Zwiebeln von außerhalb. Schließlich bekommt man doch immer die Kandidaten, die sich über Brutzwiebeln immer breiter machen, also eigentlich alles Klone sind. Da kann ein bisschen frisches Schneeglöckchenblut aus der ganzen Republik doch nicht schaden, oder?


Diese hier (Inhalt: mehr als 94% Galanthus nivalis) habe ich diese Woche auf dem Campingplatz aufgelesen und irgendeine Transportverpackung genommen. Es wird gerade eine Dauercamper-Parzelle in einen einzelnen Wohnmobilstellplatz umgewandelt. Die Schneeglöckchen, die einst zur Randbepflanzung gehörten, liegen jetzt genau in der Einfahrt. Das werden sie auf Dauer bestimmt nicht aushalten, wenn so ein Gewicht auf ihren Schultern, äh, Zwiebeln lastet. Zwei jedenfalls waren freigelegt, die habe ich eingesteckt. Wirklich nur zwei.

Und so kann ich meiner Population propper Zwiebeln noch Nordlichter aus Cuxhaven einpflanzen, sie ergänzen die schon vorhandenen Weltenbummler aus Hannover, Paderborn und Gütersloh. Das sind jetzt eindeutig die am weitesten gereisten. 

Diese Sorte, das gefüllte 'Flore Pleno', hatte es nicht so weit, die habe ich mal im Wald aufgelesen und eine einzige Zwiebel mitgenommen, weil ich dachte, eine Sorte gehört nicht in die Wildnis. In meinem Garten fühlt es sich so wohl mittlerweile, dass es das früheste und vermehrungsfreudigste ist. Es hat von ganz allein oder mit Hilfe von Mäusen schon eine weite Wanderung von etwa 20 cm hingelegt, Respekt!

 


 

Hoffentlich werden sich meine Neuankömmlinge auch so gut vermehren, auch  ohne Seeluft, aber bei mir kommen sie wenigstens nicht unter die Räder!

Samstag, 5. Februar 2022

Springschwänze: Niedlich und nützlich

Wenn man im Internet nach Springschwänzen sucht, findet man als erstes Seiten mit dem Thema: "Springschwänze erkennen & erfolgreich bekämpfen" und dasselbe noch mal ohne "erfolgreich" im Titel, Hauptsache, sie werden bekämpft. In einem Artikel wird sogar behauptet, sie würden bei zu starker organischer Düngung zur Massenvermehrung verleitet und würden am Ende auch lebendes Pflanzenmaterial angreifen. Sie werden als Plage und – wenn sie ganz großes Glück haben – nur als Lästlinge bezeichnet.

Tatsache ist, dass sich ein kleines Tier, das hüpfen kann, grundsätzlich erstmal hochgradig verdächtig macht. Das tun Flöhe nämlich auch und die will keiner haben. Springschwänze dagegen haben nicht mal außenliegende Mundwerkzeuge und könnten uns gar nicht beißen, selbst wenn sie wollten.




Collembolen, wie die kleinen Hüpfer auch heißen, sind bis auf wenige Ausnahmen wie der Luzernefloh keine Schädlinge. Sie sind vollends zufrieden, wenn sie vergammelndes Pflanzenmaterial, am besten mit Pilzgeschmack, auffuttern können. Ihre Mundwerkzeuge sind nicht besonders stark.

Und wer könnte so etwas nettes wie einen Kugelspringer ernsthaft als Lästling bezeichnen, ohne sich sofort in ihn zu verlieben? 











Man muss also im Garten keine Angst vor ihnen haben, im Gegenteil, sie sind hervorragende springende Humusbildner und man sollte sie gut behandeln. Ihr Vorkommen zeigt nur eins an: Dass es unserem Garten gut geht.

Außerdem sind Collembolen über 400 Millionen Jahre alt. Einer neuen Theorie nach sind sie nicht mal Insekten, sondern haben sich unabhängig von ihnen entwickelt. Die sechs Beine bei beiden wären also nur Zufall, denn das ist eine ganz hervorragende Anzahl an Beinen, man hat immer zwei für andere Tätigkeiten über und fällt trotzdem nicht um.

Collembolen haben keine Tracheen wie Insekten, sondern atmen über die Haut. Sie weisen auch kein Larvenstadium auf, sondern werden bei jeder Häutung einfach nur immer größer. Leider erreichen sie dabei nie Kuscheltiergröße, was besonders bei den knuffigen Kugelspringern sehr bedauerlich ist.

Die runden Flecken bei diesem Tier zeigen an, dass es sich bald häuten wird



Dies ist Dicyrtomina saundersi, er hat sich gerade gehäutet

Kugelspringer sind außerdem so vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser. Sie haben unterm Bauch eine Furca, eine Sprunggabel, mit der sie blitzschnell wegspringen können. Außerdem besitzen sie einen kleinen Huckel unter dem Bauch, aus dem sie einen gegabelten, durchsichtigen, Collophore genannten Schlauch ausfahren können. Man nimmt an, dass sie damit Wasser aufnehmen. Ihre Haut ist dagegen so wasserabweisend, dass die Tierchen nicht mal schmutzig werden.

Überhaupt, Wasser: Kugelspringer lieben es, sich auf Pfützen zu versammeln - übers Wasser gehen können sie also auch noch! Sie locken sich gegenseitig mit Pheromomen an, aber was genau sie aufs Wasser treibt, ist anscheinend nicht bekannt. Mehrere Arten kann man so zu einer bis eurostückgroßen Flotilla kunterbunt zusammengewürfelt antreffen. Wenn man das einmal gesehen hat, vermeidet man das Hineintreten in Pfützen lieber, man will ja nicht die illustre Gesellschaft stören.

 

Die Zeichnung vieler Kugelspringer ist so eindeutig wie ein Fingerabdruck - von indischem Webteppich über nahezu unifarben bis Marienkäfer-Lookalike. Für den Fall, dass man sie wiedertrifft, könnte man ihnen also Namen geben.


Collembolen sind also niedlich, nützlich und trotz ihrer Größe mit erstaunlichen Fähigkeiten ausgestattet. Anstatt sie zu bekämpfen oder mit dem Laubsauger zu vernichten, sollte man diese winzigen, harmlosen Mr. Gadgets doch lieber erforschen, denn sie haben noch so manches Geheimnis zu bieten.