Samstag, 25. November 2017

Blühende Verlassensängste

Bevor ich in Urlaub fahre, und sei es nur für ein verlängertes Wochenende, werden meine Zimmerpflanzen noch mal nach Strich und Faden verwöhnt. Vertrocknungsanfällige Kandidaten und die Orchideen nehmen ein wohltemperiertes Vollbad für ihren Wurzelballen, um sich noch mal richtig volllaufen zu lassen. Andere bekommen Flüssigdünger eingeflößt, großblättrige werden abgestaubt. Mittlerweile sind die grünen Wohnzimmerbewohner bestimmt ganz misstrauisch, wenn sie aus heiterem Himmel nach einer Hungerkur so eine Wellnessbehandlung genießen dürfen: "Aha, fährt sie also wieder weg und lässt uns hier alleine. Na, toll. Aber mit uns kann man's ja machen, wir laufen schon nicht weg."

Ich weiß nicht, ob es an der ganzen Düngerei infolge der vielen Kurzurlaube liegt, oder ob die Pflanzen sich vor lauter Verlassensängsten jetzt einschmeicheln wollen, aber der Rhipsalis, den ich 2014 aus einem abgebrochenen Ast aus dem Supermarkt gezogen habe, läuft dieses Jahr zur hängenden Hochform auf. Seitdem er einen Ampeltopf in luftiger Höhe bekommen hat, fühlt er sich sowieso wie der König der Welt und ist sehr lang und verzweigt geworden. Vor Kurzem bemerkte ich dann, dass er an manchen Zweigenden so kugelige Dinger bildet - ist denn schon Weihnachten?

Ich habe kaum zu hoffen gewagt, dass es Blüten sind, denn einen blühenden Kaktus sieht man auch nicht alle Tage. Nun ist es aber passiert: An den langen Zöpfen trägt der Rhipsalis  Blümchen, ganz in Weiß. Und ich bin stolz wie Oskar und würde am liebsten jedem ein Familienfoto von ihm zeigen. Das ist so ein seltenes Ereignis, dass eine Pressekonferenz und Berichterstattung in der Tagesschau durchaus angemessen wären - selbstverständlich als Live-Schaltung.





Selbst der Hottentotten-Geldbaum blüht zur Abwechslung mal. Da bin ich nicht ganz so beeindruckt, denn das habe ich schon mal gesehen. Aber auch als Wiederholung ist das schon schön.


So in echt ist das alles in jedem Fall besser als die mit Trockenblumen beklebten Kakteen aus dem Gartencenter, die nur eine große Show sind. Oder die mit dem irren Blick, die mit Augen versehen wurden.


Vielleicht verwächst sich das, meist sehen diese Kakteenkandidaten die Eigenheime aber nicht lange von innen, da sie bald das Zeitliche segnen.

Der Rhipsalis wird bei mir gehegt und gepflegt und nicht mit Augen beklebt. Als epiphytischer Kaktus braucht er relativ viel Wasser, alle paar Wochen tauche ich ihn deshalb in Regenwasser, das mit Flüssigdünger aufgepeppt wurde. Wenn man es richtig macht, bedankt er sich mit einer herbstlichen Blüte.



Während im Garten blütenmäßig tote Hose ist, schaue ich vom Sofa aus direkt in einen Sternchenhimmel voller Kaktusblüten. Was gibt es Schöneres um diese Jahreszeit? Ach ja, und nicht vergessen, heute die Tagesschau einzuschalten... 😉


Samstag, 18. November 2017

Bürstenkopf

Die Elektrifizierung der Mundpflege hat einen großen Nachteil: Mit den ausgedienten Zahnbürstenköpfen der elektrischen Zahnbürste kann man nichts mehr anstellen, die sind Müll. Der Stiel ist nämlich viel zu kurz. Bei der mit Muskelkraft betriebenen Variante ist der Hebel lang genug, um sie zweckentfremden zu können, sobald sie zum Zähneputzen zu alt geworden ist.

Für die Gartenpflege kann so ein ausgedientes Gerät noch gute Dienste leisten. Nein, ich schrubbe damit nicht die Terrasse oder putze penibel irgendwelche Fugen am Haus. So akribisch bin ich nicht, schließlich nehme ich auch keine Nagelschere zum Rasenmähen.


Für's Grobe ist die alte Zahnbürste nun wirklich nichts, aber für manche kleinteilige Reinigungsaufgaben ist sie geradezu prädestiniert. Für das Wohlergehen von Tieren nämlich, die gar keine Zähne haben.




Der Vogelfutterspender ist so ein Fall. Den muss man öfter mal putzen, denn bei feuchter Witterung, zu wenig Hunger der gefiederten Kundschaft oder besseren Alternativen in der Nachbarschaft kann der Inhalt schon mal schimmeln, vor allem am Boden, wo immer eine stille Reserve liegenbleibt.


Und dieser Herbst ist ja wirklich ein sehr nasser. Selbst das Ausdauernde Silberblatt  im Wald hat Moosansatz auf den Blättern, so etwas habe ich bei einer Staude noch nie gesehen - da müsste auch mal die Bürste ran:


Um dem Schimmel am Vogelfutter also vorzubeugen, muss eine möglichst leergefutterte Röhre öfter mal in die Reinigung - hier kommt die gute (Zahn)Fee ins Spiel, also die alte Zahnbürste. Mit der kommt man in alle Ecken und kann den Spender super entseuchen - auch abgenutzt ist die Bürste noch lange kein zahnloser Tiger.



Nach dem Durchtrocknen und wieder zusammenbauen (ich schaffe es mittlerweile tatsächlich unfallfrei mit nur zwei Händen und einem Schraubenzieher) kann neues Futter rein und ab damit in den Garten. Der Appetit bei den Vögeln ist auch sogleich viel größer nach so einer Maßnahme.



Auch kleine Blumentöpfe kann man mit der Zahnbürste schrubben. Das Einsatzgebiet ist grenzenlos und die Dinger halten erstaunlich lange, ohne eine einzige Borste zu verlieren. Wer das Gerät lieber ohne Plastik mag, nimmt eine Bambuszahnbürste. Die putzt genauso gut, sieht aber besser aus. Den Vögeln ist das egal, solange sie wieder sauber in die Röhre schauen.

Samstag, 11. November 2017

Schneller Brüter auf der Fensterbank

Zimmerpflanzen sind dazu da, das Raumklima zu verbessern, dekorativ auszusehen und uns im Winter über die gartenlose Zeit hinweg zu trösten. Eigentlich sind sie immer nett und freundlich, nie laut und aufdringlich. Oder doch? Manche können auch anders und streben die Weltherrschaft an. Aber bitte nur mit Zentralheizung und bei fließend Wasser - aus der Gießkanne.

So eine grüne Mitbewohnerin, die sich allzu gern an alles und jeden ran schmeißt und sich mordsmäßig breit macht auf der Fensterbank, habe ich zuhause. Dass sie ihre Zimmerpflanzen-Nachbarn noch nicht von der Fensterbank geschubst hat, grenzt an ein Wunder. Da ich nämlich ein Herz für ausgefallene Sukkulenten habe, mag ich auch Brutblätter und hatte mir vor zwei Jahren in Hamburg Ableger von Kalanchoe laetivirens, einem recht feisten Brutblatt mitgenommen.

Und das brütet nun im Wohnzimmer über der Heizung so vor sich hin. Nach zwei Jahren ist ein überaus üppiges Monster daraus gewachsen, das das Wort Mutterpflanze nur allzu wörtlich nimmt.

Erst habe ich gedacht: Das mit dem Kindersegen bekomme ich schon irgendwie hin, klappt ja bei Kalanchoe daigremontiana auch. Doch letztere Art ist spindeldürr und ihre Ableger entsprechend winzig. Die dicke K. laetivirens aber ist dagegen eine echte Glucke mit respektablen Ausmaßen. Ein Blatt kann locker 20-30 Kindel produzieren, komplett bewurzelt und mit sechs Bättern dran.


Hier beide Babywerfer im Vergleich, links Spargeltarzan, rechts Matrone:


Man beachte die hochgeklappte Schranke am Stielansatz, die vielleicht verhindern soll, dass Kindel Richtung Mutterpflanze fallen?




Und diese frühreifen Dingerchen kullern in sämtliche Blumentöpfe und wuchern dort weiter. Oder sie liegen wie tote grüne Fliegen auf der Fensterbank herum. Man muss die Pflanze nur schräg anschauen, und schon heißt es: Ihr Kinderlein kommet.

Also kann ich ständig hinter Madame herräumen und bekomme dabei auch noch ein ganz schlechtes Gewissen, weil ich so niedliche Pflänzchen kompostieren möchte. Doch ich kann sie nicht alle am Leben lassen, sonst würde man im Wohnzimmer knietief in Ablegern versinken.

Hier habe ich mal ein paar Sprösslinge gerettet und in eine alte Kakao-Packung gesetzt, die nun als Übertopf dient - und schon sieht man: früh übt sich:

Sie an Freunde weiterzugeben, scheiterte auch bisher kläglich. Dort wurden sie einfach vertrocknen lassen, wohl als Präventivmaßnahme gegen eine militärische Invasion auf der Fensterbank.

Dabei ist das Mutterschiff schon schön. Und enorm pflegeleicht - bis auf das Aufräumen eben... Bei ernsthaftem Interesse kann ich gern mal ein paar Ablegerchen in gute Hände abgeben. Nur, falls es jemandem auf dem Sofa zu langweilig werden sollte...

Samstag, 4. November 2017

Gartengeschichte

Ich bin ein Geschichtsmuffel. Wenn ich mir altertümliche Ruinen anschauen muss, lese ich nicht die Infotafeln, sondern versuche, Eidechsen zwischen den Steinen zu entdecken. Kirchen von innen meide ich wie der Teufel das Weihwasser: Da schaue ich lieber, ob Falken im Dachstuhl brüten, anstatt den Altar zu bewundern. Bei einer Stadtführung hätte wohl niemand Freude mit mir, allerdings würde das nicht lange anhalten, denn schon bald hätte ich die Gruppe verloren, weil ich irgendeine spannende Pflanze entdeckt hätte.

Und so renne ich meistens ganz schnell weg, wenn irgendwo das Wort "historisch" steht. In Annapolis Royal, Kanada, aber stand auf dem Schild das magische Wort Garten mit dabei: Historic Gardens. Da gab's natürlich kein Halten mehr. Der Eintritt kostet 14,50 $, also etwas unter 10 Euro, aber schließlich wird auch einiges in die Pflege des Gartens investiert.

Da Annapolis Royal eine der ersten Siedlungen in Nova Scotia war, soll der Garten alte Sorten und die Geschichte der Region zeigen. Eine alte Deich-Rekonstruktion der frühen Siedler wurde angelegt, dazu ein Wohnhaus mit Küchengarten, ein Rosengarten mit alten Sorten und ein viktorianischer Garten. Es gibt aber auch einen Teil, der neue Gartentechniken vorstellt.




Tja, und auch im Ausland ist es also wieder passiert: Statt brav die Schilder bei der Deichanlage durchzulesen, haben die Schmetterlinge mich doch wieder abgelenkt. Das war einfach höhere Gewalt und ganz unvermeidlich, den Schmetterlingen nachzustellen, einen Kolibri zu bewundern und die Kanada-Kleiber in den Bäumen zu beobachten. Da ihr Ruf an eine Ente erinnert, musste ich erst nachschauen, welcher akrobatische Wasservogel denn wohl gern in Baumkronen herumturnt und habe dabei den netten Kleiber als Bauchredner entlarvt.

Schon hatte ich mich weit von der Deichanlage entfernt...

Hier aber doch ein paar Eindrücke von dem Garten, wenn auch ohne lehrreiche, historische Anekdoten, die man stattdessen dem Video entnehmen kann:



Ein schön bewachsener Teich:



Gelenkblume mit Sonnenhut, Krötenlilie mit Hummel und anfliegender Biene:


Einjährige unter sich und mit Federmohn:




Begonien- und Buntnesselbeet:



Gemüse im Experimental Garden mit vertikaler Bepflanzung und Gießkannenbewohnern:





Man beachte den englischen Namen für die Reisetomate:



Der Eingang zum Rosengarten:


Der Schmetterlingsgarten mit Astern und Purpur-Wasserdost (Eupatorium purpureum) und ein Hortensienbusch:







Auch in Halifax gibt es eine historische Parkanlage von 1867, die kostenlos zu besichtigen ist: die Halifax Public Gardens - und natürlich ist mir hier dasselbe passiert: Der Reiher auf der Titanic war interessanter als der Grund für das historische Treiben auf dem Teich. Immerhin weiß ich, dass damals kein übergewichtiger Vogel schuld war am Untergang des Schiffes - und auch keine treibende Wasserflasche.



Wäre so ein wirklich unsinkbares Titanic-Modell nicht auch was für den heimischen Gartenteich? Das gibt dem Ganzen gerade jetzt im Herbst den Hauch des Vergänglichen und mahnt zur Bescheidenheit.

Im Park gibt es bunte Blumenbeete, alte Bäume, Brunnen und Pavillons zu bewundern. Doch Distelfalter und Vögel waren spannender als alle Jahreszahlen zusammen. Das hier links müsste eine Singammer sein, der Park war voll mit diesen kleinen Vögeln, die gern auf Stauden saßen. Der Reiher ist zu groß für solche Experimente.










Auch Geschichts-Ignoranten wie ich können also was lernen. Zumindest weiß ich jetzt, wie die Reisetomate auf Englisch heißt, und dass Reiher historische Schiffsmodelle gern als Sofa benutzen. Das steht nämlich wieder nirgendwo geschrieben - typisch...