Mittwoch, 25. Juni 2014

Schnabelraub

Die Amseln haben mir in alter Tradition wieder mal alle Süßkirschen weggefressen. Nicht ohne ausgiebig mit mir zu schimpfen, sollte ich mich erdreisten, zufällig gerade dabei anwesend zu sein. Das Gelage beginnt sicherheitshalber zu einem Zeitpunkt, wo die Kirschen noch grün hinter den Ohren sind und ich sie unter Garantie nicht ernten möchte. Wenn sich eine außergewöhnliche gute Ernte ankündigt, netze ich den Baum auch schon mal ein, aber dieses Jahr hätte sich die Mühe nicht gelohnt. Also haben die Amseln kurzen Prozess mit den wenigen Früchten gemacht. Zusätzlich wurden aus anderen Gärten entwendete Kirschen eingeflogen und demonstrativ auf meinem Rasen schnabuliert, um mir zu zeigen, was ich verpasse.

Obwohl ich Amseln wirklich sehr schätze, bin ich nun durchaus in Versuchung, es den Vögeln mit gleichen Mitteln heimzuzahlen und Mundraub, oder besser: Schnabelraub, zu begehen.

Ich habe nämlich die Früchte der Felsenbirne verkostet und bin begeistert. Die Sträucher in der Umgebung sind voll mit diesen leckeren kleinen Dingern, so dass die Amseln gar nicht alles auf einmal schaffen. Sind sie reif, wechseln die Beeren ihre Farbe von rot nach blau - und so schmecken sie dann auch! Das Aroma erinnert stark an Blaubeeren, köstlich!


Nur die Kerne sollten besser nicht in großen Mengen zerkaut werden, ansonsten sind die Beeren der Felsenbirne absolut ungiftig. Und so lecker! Ein Jammer, dass zwar viele Gärten einen Strauch beherbergen (meist die amerikanische Kupfer-Felsenbirne Amelanchier lamarckii), aber die Besitzer gar nicht zu wissen scheinen, welch kulinarischer Schatz da im Wind baumelt!

Einheimisch geht es auch mit Amelanchier ovalis. Beide Arten sind so nah miteinander verwandt, dass die Vögel gar nicht merken, ob der Strauch nun aus Übersee stammt oder nicht. Die Beeren stehen in jedem Fall bei den gefiederten Gartenbesuchern hoch im Kurs und man möchte sich beim Rezitieren des Gattungsnamens ständig verschreiben in Richtung Amselanchier.



Und ich mag die Früchtchen jetzt auch! Wozu teure, oft sogar importierte Heidelbeeren kaufen, wenn man welche inkognito im Garten hat! Ein Felsenbirnen-Pfannkuchen ist der Renner der Saison, obwohl ich sagen muss, dass mir die Beeren roh am besten schmecken.


Probiert es einmal aus, wenn ihr eine Felsenbirne im Garten stehen habt. Immerhin durften die Amseln ja auch die Kirschen und einige Johannisbeeren haben, da können sie ruhig auch mal mit uns teilen.

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Und nun noch die Auflösung des Rätsels von letzter Woche - wer hat hier gemampft?



Hier ist nun der kleine Übeltäter bei der Arbeit - eine Gelbhalsmaus, die die Zweige des Knotigen Storchschnabels (Geranium nodosum) einfach mit ihrem eigenen Fliegengewicht niederringt, um an die noch unreifen Samenstände zu kommen. Ein bisschen klettern kann sie aber auch. Die grüne Beute wird nach Art eines Mini-Maiskolbens in den Pfoten gewendet und unten herum abgeknabbert.

Da die Maus so überaus kurzsichtig ist, sind uns beim gemütlichen Sitzen auf der Terrasse diese seltenen Bilddokumente aus kurzer Entfernung gelungen. Immerhin frisst das niedliche Nagetier auch das dicke Ende von Ahornsamen, das erspart mir das Jäten der Sämlinge...

Donnerstag, 19. Juni 2014

Kolossaler Kompost

Manche Leute sagen, Dünger für Pflanzen wäre nichts als Doping. Und da leistungssteigernde Mittel bekanntermaßen so illegal wie unnötig sind, wird den armen grünen Mitbewohnern folglich jede Form von Nahrung vorenthalten. Nur von Luft und Wasser sollen sie sich ernähren, basta. Diese Aussage bezieht sich meist auf Zimmerpflanzen oder sonstige im Kübel wachsende Gewächse. Durch zuviel Nährstoffe soll das Grünzeug angeblich übermütig werden, viel zu schnell dem Gefäß entwachsen und ein Umtopfen nötig machen, was zugegebenermaßen abgrundtief lästig ist.

Die meisten Kübel- und Zimmerpflanzen aber kommen ohne Dünger nicht weit - ihnen ein bisschen unter die Blätter zu greifen ist also kein Doping, sondern lebensnotwendig. Dummerweise ähnelt die Zufuhr von Nährstoffen bei Gartenpflanzen und solchen, die ihren Kübel gerade erst bezogen haben, in etwa dem Einnehmen von manchen Medikamenten - man weiß nie, ob nicht auch ohne Hilfe am Ende alles gut gewesen wäre.

Dieses Jahr jedoch bekomme ich eine leise Ahnung, was Kompost mit den Pflanzen machen kann. Immerhin ist diesmal eine prächtige Portion Pferdemist auf der Zutatenliste!

Ein möglicher Beweis für die Wirkung des schwarzen Goldes: Die Fingerhüte benehmen sich komisch und wachsen diese Saison mehrtriebig. Ich könnte Stein und Bein schwören, dass die Stellen, an denen sie wachsen, diesmal mehr mit Kompost bedacht wurden.


Auch die im letzten Jahr gepflanzte Wilde Malve (Malva sylvestris subsp. mauritiana) hat genug abbekommen und nach einem mickrigen Start Zuwachsraten zu verzeichnen, die an Zauberei grenzen. Diese schöne Zweijährige hat Blätter von den Ausmaßen einer Stockrose und ist fast so groß wie ich. Dazu produziert sie Knospen in Massen, als hätte sie sich eine monatelange Blütezeit vorgenommen. War das nun der Kompost, der milde Winter oder ist die immer so riesig?


Meine Tomaten können die Temperaturen während der dunklen Jahreszeit jedenfalls nicht als Ausrede ins Feld führen. Bei ihnen ist der Düngeeffekt noch deutlicher zu sehen, zumindest wenn man die Elendsgestalten vom letzten Jahr noch bildlich vor Augen hat. Dieses Jahr habe ich meine Sämlinge (die gleichen Sorten wie immer: Golden Currant, Celsior, Fredi und Gelbe Cerise plus ein Neuzugang: Berner Rose) nicht nur mit nagelneuer Blumenerde in ihre Töpfe gesetzt, sondern ihnen extra einen Eimer Kompost abgezweigt, den ich gerecht auf die Tomatenkübel verteilt habe.



Das Ergebnis: Äußerst stämmige Kerlchen, die rasch gewachsen sind und kerngesund aussehen. Wenn da nicht der Kompost geholfen hat, was dann?

Man kann gar nicht oft genug sagen, wie wichtig so ein Kompostbehälter selbst im kleinsten Garten ist - der beste Dünger frei Haus und man weiß immer, was drin ist. Außerdem bekommt man Riesenmalven, die tatsächlich aussehen wie gedopt - fantastisch, oder?

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Zum Schluss noch ein Rästselbild aus meinem Garten mit Essensresten, die ich exakt so wie auf dem Bild arrangiert vorgefunden habe - was ist das und wer hat da gespeist? Die Auflösung gibt es demnächst auf diesem Sender.

Freitag, 13. Juni 2014

Die Ziest-Herausforderung

Liebe Pflanzenzüchter, tut doch mal was zur Ehrenrettung einer kleinen Staude, die völlig zu Unrecht höchst selten in Gärten zu finden ist. Das hat der wilde Wald-Ziest (Stachys sylvatica) doch nun wirklich nicht verdient.


Na gut, der Geruch seiner Blätter ist etwas befremdlich, wenn man an ihnen reibt, aber das muss man ja nun auch nicht ständig tun - einfach Finger weg! Und, ja, zugegeben, ohne Blüten sieht er immer ein bisschen aus wie eine böse Brennnessel, weshalb er von vielen Gartenbesitzern auch sogleich als eine solche eliminiert wird (nicht ohne sich dabei über den fehlenden Schmerz zu wundern).

Doch seine Blüten sind einfach fantastisch - lilafarben mit einer filigranen Zeichnung, die glatt als Kunstwerk durchgehen könnte. Außerdem mäandert er durch den Garten, taucht an neuen Stellen auf und blüht sogar in der Sonne noch ganz zufrieden vor sich hin, obwohl er von Hause aus ein Kind des Waldes ist.


Wo er nicht hinpasst oder sich zu breit macht, kann man ihn leicht herausziehen. Meist kommt dann eine Schleppe von Rhizom hinterher, die seine Untergrundtätigkeit beweist. Nicht nur durch Ausläufer pflanzt er sich fort, sondern auch durch Samen, was seine plötzliche Anwesenheit in mit Kompost gemulchten Blumentöpfen erklärt.

Aufgrund seiner langen Blütezeit ist er bei Hummeln als zuverlässige Nahrungsquelle bekannt. In meinem Garten beobachte ich sogar seit einiger Zeit mit Freuden die Anwesenheit der Wald-Pelzbiene (Anthophora furcata), die von den größer werdenden Ziestbeständen angelockt wird.

In der Werbetrommel darf auch seine Eignung als Wildgemüse nicht fehlen!

Aber ganz offensichtlich wird das Alles nicht dazu ausreichen, den kleinen Stinker als geliebte Gartenstaude zu etablieren. Zu unbekannt ist er - und wenn man ihn nur flüchtig kennt, sind die Vorurteile gegenüber seiner wuchernden Tätigkeit einfach übermächtig.

Dabei macht er sich neben Frauenmantel oder - wie hier - Geranium phaeum recht gut:



Im direkten Vergleich mit den Blüten des Nesselkönigs (Lamium orvala) zeigt sich, wie winzig die des Ziests sind - nebeneinander sehen sie aus wie Pat und Patachon. Beide Stauden können zusammen im Schatten unter Gehölzen wachsen.

Und jetzt kommt ihr ins Spiel, liebe Pflanzenzüchter! So tut doch was! Drängt den Geruch des stinkenden Stachys sylvatica in Richtung Zitronenaroma, von mir aus auch Erdbeereis mit Sahne. Oder verpasst ihm ein neues Kleid aus weißbuntem Laub, denn durch diesen Trick mit den panaschierten Blättern ist doch am Ende sogar der Giersch salonfähig geworden.

Irgendwas wird euch schon einfallen, es soll ja nur ein bisschen Ziest-Zauberei sein. Als kleiner Anreiz sei gesagt, dass ihr durch die großzügige Ausläuferbildung in Bälde richtig reich sein werdet, versprochen. Es wäre doch wirklich zu schade, wenn wir diese bei Bienen so beliebte Wildstaude nicht aus ihrem Schattendasein herausholen könnten! Also - ich zähle auf euch!

Samstag, 7. Juni 2014

Mind the gap, please

Selten habe ich einem Buch so entgegengefiebert wie diesem. Schon als die Vorankündigung erschien, war die Vorfreude groß. Und nun ist es da: Schwarz, breit, stark bebildert: "Blackbox Gardening" von Jonas Reif und Christian Kress, mit Fotos von Jürgen Becker.

Hinter diesem Titel, für den es so recht keinen deutschen Begriff gibt ("Lass dich überraschen"?), wird ein neuer Ansatz beschrieben, Gärten zu gestalten, beziehungsweise gestalten zu lassen, nämlich von den Hauptpersonen, den Pflanzen selbst. Sich versamende Pflanzen sind die Akteure, einmal gepflanzt oder ausgesät, sorgen sie für immer neue Bilder, die uns überraschen und staunen lassen. Das ist nicht nur spannend, sondern auch viel günstiger als ein komplett bepflanztes Staudenbeet.

Für so ein spontanes Spektakel braucht man nicht nur die Initialzündung in Form von Gründerpflanzen oder Samen, sondern auch einen freien Platz im Garten. So etwas habe ich nicht, aber wer wird denn gleich schwarzsehen? Stattdessen praktiziere ich das Blackbox-Gardening schon seit Jahren im normalen Blumenbeet, ohne den Begriff dafür zu kennen, und zwar mit Akeleien, Wald-Scheinmohn, Jakobsleitern, Braunem Storchschnabel oder Fingerhut (stehen alle im Buch).

Mein Garten hat ja immer seinen eigenen Kopf und würde gern noch folgende Blackbox-Pflanzen hinzufügen, die im Buch nicht vorkamen: Wald-Ziest (Stachys sylvatica), Pentaglottis und Geranium nodosum.




Wie das Alles im großen Stil aussehen kann, zeigen die großartigen Bilder von Jürgen Becker aus verschiedenen Gärten. Oft ist das ganze Areal mit sich versamenden Pflanzen gestaltet, manchmal säen sich die Stauden einfach in Mauerritzen, Wege oder Fugen. Dazu noch die Bilder von amerikanischen Blumenwiesen, wie sie in der Natur vorkommen. Sowas kennt man ja hierzulande gar nicht.

Diese Beispiele machen Lust, es auch einmal so zu versuchen. Eine Anleitung für ein Kalk-Splitt-Beet gibt es gleich dazu.


Im hinteren Teil des Buches finden sich die Akteure im Portrait nach Lebensbereichen geordnet. Darunter nicht nur altbekannte Arten, sondern auch für mich echte Neuvorstellungen, wie Himalaya-Silge oder Wechselständiger Kronbart - allein die Namen sind schon verheißungsvoll.

Meine Vorfreude war also durchaus berechtigt, das Buch hat mir sehr gut gefallen. Endlich mal ein Werk, das über den Einsteigerlevel hinausgeht. Auch die ökologischen Grundlagen der Besiedlungsstrategien waren äußerst interessant zu lesen. Der Schreibstil ist ebenfalls gelungen, nicht ohne Witz hier und da, aber dankenswerterweise inklusive ein paar Fremdwörtern.

Ein Buch also für experimentierfreudige Gärtner, die keine durchgeplanten Beete mögen, sondern sich gerne überraschen lassen. Und ein Buch für die Natur und gegen sterile Hausgärten. Es lebe die Anarchie!

Sonntag, 1. Juni 2014

Der große Lauschangriff

Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert: Da habe ich letztes Jahr rechtzeitig die Samenstände vom Fingerhut (Digitalis purpurea) abgeschnitten, damit die Pflanzen denken, sie hätten im Leben noch nichts erreicht und einfach mal weiterleben. Das hat auch prima geklappt. 

Der richtige Zeitpunkt zum Kappen ist genau dann, wenn die allerletzte oberste Blüte welkt. Unten hat der Fingerhut dann bereits Samen angesetzt, aber nicht zu viele, um sich nicht zu verausgaben. Denn obwohl ich mit den alten Blütenkerzen im ganzen Garten herumgewedelt habe und viele hauchfeine Körner herausgefallen sind, gibt es die Mutterpflanzen immer noch.

Und nicht nur das: Es erschienen viele neue Fingerhüte an Stellen, wo noch nie einer zuvor gewesen ist. Sie haben sogar zielsicher eine Lücke in der mit Lonicera nitida zu stopfenden kränkelnden Buchshecke gefunden und sich mitten hineingesetzt. Damit haben sie ein großartiges Gespür für Symmetrie bewiesen, denn nun gibt es mit den Pflanzen vom letzten Jahr so etwas wie ein Portal zum hinteren Gartenteil. Gut gemacht, Digitalis!



Auch schön ist eine einzelne Pflanze, die weiße Knospen hat und im Aufblühen nach Rosa wechselt. Andere Fingerhüte haben von Anfang an pinkfarbene Knospen.

Meine Freude über die gelungene Lebenserhaltung der letztjährigen Blütenkerzen wurde nur ein bisschen getrübt durch den Besuch im botanischen Garten. Dort findet nämlich gerade der große Lauschangriff statt: Einige besonders findige Fingerhüte haben sich eine Satellitenschüssel auf den Kopf gesetzt, mit der sie jetzt in der Gegend herumprotzen.

Wozu diese Riesenblüte eigentlich gut ist, scheint keiner zu wissen. Aufsehenerregend ist sie jedenfalls, und wer sonst achtlos am Fingerhut vorbei geht, schaut diesmal bestimmt genauer hin.


Ach, was wäre das schön, wenn meine Gartenbewohner auch so ein Spektakel veranstalten würden. Als Gärtner ist man aber auch nie zufrieden, schrecklich. Als ich mir die Bilder von den monströsen Blüten genauer angesehen habe, fiel mir allerdings auf, dass es sich bei den seltsamen Exemplaren offenbar eher um sehr faule Fingerhüte handelt: Während normale Blütenstände noch hunderte Knospen in petto haben, machen die mit den Schüsseln auf dem Kopf einfach früher Schluss. Nach dem Riesending kommt nichts mehr und die Hummeln werden mit weniger Blüten abgespeist als ihnen zustünde.


Also bin ich doch froh, dass sich meine Fingerhüte normal verhalten. Auch weniger extravagant sind sie wunderschön - mal schauen, ob ich sie noch einmal ins nächste Jahr retten kann!

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Wer möchte, kann an einer Umfrage zum Thema "Pflanzenschutz im Hobbygarten" teilnehmen (Online-Umfrage des Umweltbundesamtes)
Was sind Ihre Erfahrungen mit Pflanzenkrankheiten, Schädlings- und Unkrautbekämpfung im Haus- und Kleingarten? Vom 26. Mai bis 27. Juni 2014 sind FreizeitgärtnerInnen dazu aufgerufen, an einer anonymen, ca. 15-minütigen Online-Umfrage des Umweltbundesamts teilzunehmen. Die Umfrage dreht sich unter anderem um Ihre Gartenpraxis und Informationsquellen zu Pflanzenschutz sowie Ihre Meinung zum Thema Pestizide und Umwelt. Die Umfrageergebnisse dienen der Erstellung von Infomaterialien für umweltfreundliches Gärtnern.
Zur Umfrage: www.uba.de/garten