Samstag, 26. November 2016

Lesezirkel für lau

Gartenzeitschriften und die bunten Blätter, die sich mit dem Landleben beschäftigen, werden so schnell nicht unaktuell. Während solche mit dem Thema Technik, Testberichten oder Autos manchmal schneller überholt sind, als man sie überhaupt lesen kann (oder möchte), haben die grünen Hefte das Zeug zum Evergreen. Ein Jahrzehnt kann man sie locker im Regal stehen haben, bis einem das Layout doch langsam etwas altbacken vorkommt. Dieses beliebte Experiment habe ich durchaus schon mit einer erklecklichen Anzahl Zeitschriften durchgeführt, sehr zu Lasten des Bücherschranks.

Inhaltlich ändert sich so schnell nichts. Beim Anlegen eines Kompostes, Aussaat von Gemüse oder Nistkastenbau wird das Rad nicht ständig neu erfunden. In wirklich alten Zeitschriften kann man trotz der Qual für unser aesthetisches Empfinden vielleicht sogar alte Sorten bewundern, die es gar nicht mehr zu kaufen gibt. Oder man wundert sich doch sehr über die Mode und die Frisuren der Gärtner von Annodazumal.


Und so kommt es, dass ich mich nur äußerst schwer von den bunten Heftchen trennen kann. Erst bei vollständigem Verlust von freier Stellfläche im Haus komme ich zur Besinnung und verbanne einige altehrwürdige Kandidaten aus dem Wohnzimmer. Die sind aber nun wirklich viel zu schade für das Altpapier. Zum Glück hat unser Bioladen einen Bücherschrank. Da entlasse ich meine Schätze nun regelmäßig in die Freiheit. Beim nächsten Einkauf sind sie auch immer verschwunden und jemand anderem ins Haus geflattert.

Die Idee hat offenbar Schule gemacht, denn letztes Wochenende konnte ich selbst eine Ladung Landzeitschriften mit nach Hause nehmen, sogar ganz rüstige Exemplare jüngeren Datums:




Frau Katze findet das ganze Thema ja eher zum Gähnen. Papier ist zum Zerkratzen da und zu sonst gar nichts.



Nach ein paar gemütlichen Stunden mit der Katze und den Heften auf dem Sofa kommen die jetzt aber nicht ins Regal, sondern zurück in den Bioladen. Ganz bestimmt. Doch, doch, wirklich...




Denn dann kann sich noch jemand anders darüber freuen, bis sie am Ende ihrer Kräfte sind und völlig zerlesen im Müll landen... Es lebe der kostenlose Lesezirkel!

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...und weil wir gerade beim Lesen sind, möchte ich noch ein neues Buch vorstellen:

Große Gartenfreude mit kleinem Budget -

von Kristina Hamilton, erschienen im Löwenzahn-Verlag:
 

Von der Gartenplanung über Düngung, günstige und gesunde Pflanzen, Wassersparen bis zum Upcycling werden alle wichtigen Themen zum Sparen im Garten vorgestellt. Auch der Balkon wird behandelt.

Das Buch ist gut geschrieben, schön gestaltet mit viel Grün sogar im Textteil und manch netten Zeichnungen. Die Fotos zu den Kapitelaufmachern sind ebenfalls sehr gut, die innerhalb der Kapitel aber manchmal etwas dunkel abgedruckt und recht klein. Manche wären verzichtbar gewesen (was macht das Bild einer Dünen-Trichternarzisse beim Thema Schädlinge und Nützlinge?).

Alles in allem ist das Buch ein umfassender Ratgeber zum günstigen Gärtnern, den es in dieser Ausführlichkeit und Themenfülle auf stattlichen 224 Seiten noch nicht gegeben hat. Eine Empfehlung für alle, die ihren Garten neu anlegen möchten oder in ihrem bestehenden ökologischer und sparsamer arbeiten möchten - ein Buch für den Biogärtner mit kleinem Budget.

Samstag, 19. November 2016

Komik und Exotik

Ihre Früchte sehen aus wie kleine Leberwürste, und wenn man die Samen mit dem Fruchtfleisch entfernt hat, erinnert der Rest an einen abgeschnittenen Wurstfinger mit Solariumsbräune - also an etwas, das man bestenfalls im Tatort erwartet, aber nicht in der Küche.

Dabei ist das Fruchtfleisch wirklich ausgesprochen lecker, es schmeckt ein bisschen wie Feige. Der Wohlgeschmack dieser Frucht wird nur durch ihre Unerreichbarkeit hierzulande übertroffen - die Rede ist von der Tamarinde. Tamarindus indica ist ein tropischer Baum, dessen Heimat meist mit Afrika angegeben wird. Da die Pflanze aber mittlerweile in den ganzen Tropen wegen ihrer Früchte gezogen wird, ist ihre Herkunft nicht zweifelsfrei geklärt.

Und so war es dann auch während einer brasilianischen Themenwoche in unserer Kantine, dass Tamarindenfrüchte irgendwie die Deko machen sollten. Viele haben sich bestimmt gefragt, was die unappetitlich hautfarbenen Würste auf dem Tresen darstellten, und ob das nicht ein Fall für das Gesundheitsamt sei. Nur ein tropenbewanderter Kollege kannte sich aus und hat einfach eine Wurst mitgenommen.

Die haben wir dann als Nachtisch fachmännisch ausgewaidet. Zurück blieben neben der trockenen Hülle auch einige pechschwarze, glänzende Samen, etwa so groß wie Bohnensaat.

Die habe ich sogleich zuhause ausgesät. Was dann passierte war an Komik nicht zu überbieten. Wenn eine Pflanze den Deutschen Comedy-Preis verdient hätte, dann die Tamarinde. Bei der Keimung sahen die kleinen Kugeln aus, als würden sie grinsen. Jeder Keimling entfaltete sich dann anders. Aus erbsenartigen Keimblättern traten die ersten richtigen Blätter hervor. Ein Sämling sah aus wie ein Hahn, ein anderer streckte die Zunge raus. Echte Individualisten also.


Die Jungpflanzen wachsen recht schnell und lieben es gern tropisch feuchtwarm. Am besten sind die in die Höhe geschossen, die unter einem Einmachglas eingesperrt waren. Das Wachstum ist bemerkenswert asymmetrisch. In der Dunkelheit geht die Tamarinde ihrem Schönheitsschlaf nach und faltet die Blätter hübsch sittsam zusammen. Man ist fast versucht, leise zu sprechen, wenn man sie so sieht, um sie nicht zu wecken.

Frostempfindlich sind Tamarinden nicht, denn soweit kommen die erst gar nicht. Schon bei Temperaturen um die 5° Celsius fühlen sie sich recht unwohl und werfen schnell die Blätter ab, dann wird sofort gestorben. Also sollten die Pflanzen wirklich ab September besser ins Wohnzimmer.



Dort können sie zu bizarren Sträuchern heranwachsen, die nicht jeder als Zimmerpflanze hat. Ob sie irgendwann auch die kleinen Leberwürste produzieren, bleibt abzuwarten. Aber ich würde es ihnen durchaus zutrauen - die lustige Tamarinde scheinen mit allen (lauwarmen) Wassern gewaschen zu sein.

* Dieser Artikel hätte wegen der gruseligen Wurst, die wie ein abgetrennter Finger aussieht, gut zu Halloween gepasst. Da sieht man mal wieder, dass ich das Bloggen echt drauf hab...

Samstag, 12. November 2016

Bäumchen wechsel dich: Alternanz bei Obstgehölzen

Dieses Jahr war ein gutes für Äpfel. Wo man auch hinschaut, biegen sich die Bäume unter der süßen (oder sauren) Last. Während mein Zierapfel 'Golden Hornet' im September wohl Wasser sparen musste aus Mangel an Regen und den ganzen Garten mit nicht mehr tragbaren Miniäpfeln zugeschmissen hat, hat sich der Säulenapfel 'Arbat' wacker geschlagen.



Dieses Jahr nimmt der Garten also an einem Experiment teil, das da heißt: Zierapfelmulch. Vielleicht der letzte Schrei, was Mulchen angeht? Die Schnecken werden wie auf Rollen laufen.


Der Säulenapfel jedenfalls hielt fest an seinen Äpfeln, die so zahlreich waren wie nie zuvor. Nächstes Jahr wird er dann wieder nur ganz wenige Äpfel tragen, eventuell wird er gar nicht blühen. Das lässt er nämlich bleiben, wenn er keine Lust dazu hat.



Aber warum machen Äpfel und auch Obstgehölze der Gattung Prunus - zum Beispiel Kirschen und Pflaumen - das überhaupt mit der doofen Alternanz? Warum schmeißen sie uns in einem Jahr zu mit Früchten und sparen sich einen Ast im nächsten?


Eine Theorie besagt, der Grund wäre derselbe wie bei den Primzahl-Zikaden. Diese nordamerikanischen Insekten verbringen Jahre als Larven unter der Erde, bevor sie in einem Massenansturm gleich alle auf einmal schlüpfen. Da ist dann immer in großes Hallo in Garten und Wald. Die Zeitspanne, die die Zikaden im Dunklen verbringen, ist ja nach Art unterschiedlich, ganz beliebt sind aber Primzahlen. Manche Arten erscheinen nur alle 13 oder gar 17 Jahre! Warum stellen die sich so an und kommen nicht einfach jedes Jahr zum Vorschein?

Die machen das deshalb so kompliziert, damit kein Fressfeind auch nur ansatzweise auf die Idee kommt, man könnte sein Beuteschema zur Abwechslung mal ausschließlich auf Zikaden ausrichten. So ein Räuber würde schneller verhungern als er bis 17 zählen könnte. Stattdessen gibt es eben alle 13 oder 17 Jahre eine große Sause bei den Zikaden und die Insektenfresser können sich die Bäuche vollschlagen, bevor sie dann wieder eine lange Zeit auf so eine Party warten müssen.

Vielleicht machen es die Obstgehölze genauso. Immer mal ein bisschen pausieren, damit Schädlinge wie Apfel- oder Pflaumenwickler gute Zeiten und schlechte Zeiten erleben und sich nie dauerhaft wie im Schlaraffenland fühlen können? Säugetiere wie wir sind mit dieser Erbsenzählerei vermutlich nicht gemeint, denn wir sollen ja eigentlich die Samen großzügig verbreiten und können damit nicht der Grund für die Alternanz sein.


Nur der spendable Zierapfel muss dieser Schädlings-Theorie natürlich widersprechen. Der kennt keine Alternanz - zumindest keine sichtbare - und hat wohl noch nie von Primzahlen gehört. Aber wer weiß, vielleicht erschlägt er seine Feinde ja einfach alle 11 Jahre mit kiloweise abgeworfenen Früchten. So wie meiner dieses Jahr...

Samstag, 5. November 2016

Highlights auf der Highline

Pflanzen gehören auf den Laufsteg. Finde ich zumindest. Dummerweise können sie nicht so wahnsinnig schnell laufen. Macht aber nichts, auch ein gemächlicher Catwalk hat seinen Reiz. Wo es denn sowas Verrücktes gibt? In New York, der Stadt der Mode und der Stars. Eigentlich war der Garten auf Stelzen aber nicht als Catwalk für Pflanzen gedacht, sondern diente fauchenden Loks als Laufsteg.

Die Zeiten sind vorbei, und nun dient die alte Hochbahnstrecke glücklicherweise als botanische Flaniermeile zwischen Wolkenkratzern und mit Blick auf den Hudson River. Das wäre beinahe ins Auge gegangen, denn die Highline sollte dem Erdboden gleichgemacht werden. Stattdessen wurde eine Parklandschaft auf Stelzen geschaffen und von Piet Oudolf gestaltet.

Die Highline ist nun weltweit bekannt als größter Laufsteg für Pflanzen und beileibe kein Geheimtipp mehr. Der Eintritt ist kostenlos.


Während man so über die Hochbahnstrecke flaniert, ändert sich die Bepflanzung ständig. Fängt man bei den Hudson Yards an mit der Tour, kommt - nach einem Teil mit Astern, Rattle Snake Master und Gräsern - erst mal ein wildhafter Bereich in der vollen Sonne mit vielen heimischen Pflanzen - und mit Blick auf die geparkten Züge der Penn Station.





Endlich darf man sich über die Späte Traubenkirsche freuen, denn hier ist sie zuhause. Auch Nachtkerze und Goldrute sind legalisiert. Nur unsere Wilde Möhre gehört hier nicht hin, aber die Einwanderungsbehörde kann nichts dagegen tun.





Überall stehen einladende Bänke herum mit Blick auf die Pflanzen. Phlox, Vernonia, Amsonia, Blauraute, Lavendel, Oregano und Grannenlose Scheinbergminze (Pycnanthemum muticum) rahmen die Sitzplätze.




Immer mit dabei sind Hummeln und die korpulenten Östlichen Holzbienen, erkennbar am kreisrunden Haarausfall auf dem Rücken. Denen scheint es richtig egal zu sein, von welchem Kontinent eine Pflanze kommt.



Irgendwann nach einem Areal mit Schattenpflanzen kommen prärieartige Pflanzungen mit Solidago, Sonnenhüten und Kompass-Pflanze.



Dieser schöne kleine Busch hier ist Amorpha canescens, Lead plant, ein amerikanischer Schmetterlingsblütler mit blauen Blüten:


Dann gibt es waldartige Bepflanzungen mit Birken, die, wie es ihre Art ist, zwischen den Schienen wachsen. Dazu kommen Magnolien und der Sassafras, der ein richtiger Tausendsassa ist und sich gleich mehrere Blattformen an ein und demselben Ast ausgedacht hat. Vielleicht fand er sie alle schön und konnte sich nicht entscheiden, welche ihm am besten steht?



Es wird wieder wiesenartiger. Diesmal stehlen die schwarzen Früchte von Iris domestica (Blackberry Lily) zwischen Gräsern allen die Schau. Daneben Sonnenhut und Mädchenauge:


Zwischendurch wachsen neue Wäldchen, die sich mit Graslandschaften abwechseln. Was an heißen Tagen gut ist, damit man mal im Schatten sitzen kann.


Auch ein sumpfiger Bereich ist dabei, mit Chelone glabra, Kardinals-Lobelie und Lampenputzern:



Eingestreut sind Kunstwerke aus verrostetem Stahl oder ein bepflanztes Auto mit rostfreien Reifen verkleidet.



Dieses Schild hier ist eine Mogelpackung - es befinden sich keine nackten Sonnenbadenden in der Nähe. Ich habe zumindest keine entdeckt. Der Typ hier ist zwar fast nackt bis auf den wahnsinnig schicken Schlüpfer, aber der ist auch Kunst und geht nicht wirklich weg:



Am Ende der Highline angekommen möchte man gleich wieder den ganzen Weg zurückgehen, so schön war es. Der Kontrast von Wildheit und Wolkenkratzern ist faszinierend - selten haben Stauden und Gehölze so eine Bühne. Ein echter Catwalk für Pflanzen eben.



* Fußnote: Am Fuße der Highline war wohl gerade die Fashion Week und ich bekam ein Überlebenstütchen für selbige in die Hand gedrückt. Ich bin jetzt im Besitz von falschen Wimpern. Vielleicht kann ich da ja ein Kunstobjekt raus machen?

Dienstag, 1. November 2016

Die jungen Wilden

Zurück zur Natur: Wildobst im Garten ist ein Trend, über den man sich vorbehaltlos freuen kann. Den Gaumen mal auf ganz neue Weise kitzeln ohne sich im Garten dafür krumm zu machen und dabei auch noch was für die Gartentiere tun - das ist nachahmenswert. Es werden sich ganz neue Geschmäcker auftun, die man im Supermarkt nicht kaufen kann. Die wilden Früchtchen wachsen ganz ohne Chemie und Betüddeln, nebenbei darf man sich über neue Gartengäste, wie Vögel oder sogar Haselmäuse, freuen.

Ina Sperl hat dazu ein Buch geschrieben: Wildobst: Schlehe, Hagebutte und Co. für meinen Garten, erschienen im Ulmer-Verlag.


Das Cover macht schon mal Lust auf mehr: Ganz passend im Ulmer-Orange lachen uns Sanddornbeeren an, dass man geich zugreifen möchte.

Im Buch gibt es die Vorteile von Wildobst genannt, geordnet in die Kapitel Naturgarten, Familiengarten und Küchengarten. So findet man leicht durch den Dschungel an Arten. Und wenn man doch noch mehr Nervenkitzel braucht, liefert die Autorin sogar eine Anleitung für ein Labyrinth aus Wildobstgehölzen für den Familiengarten - in welchem Buch gibt es das schon? Für den Küchengarten werden Rezepte und Zubereitungsarten vorgestellt. Auch Dekorationen aus den jungen Wilden werden gezeigt - und so habe ich gleich mal einen Zierapfelkranz nachgebastelt:



Nach Pflegetipps werden in doppelseitigen Portraits die besten Wildobstarten vorgestellt. Es sind überraschende Kandidaten dabei, zum Beispiel Filz- und Traubenkirsche oder Ölweide:


Sortenbeschreibungen sind dabei sowie Empfehlungen für kleine oder doch lieber große Gärten. Die Arten bekommen jeweils übersichtliche Stempel aufgedrückt, für welche Gartenausrichtungen sie geeignet sind: Naturgarten, Familiengarten und Küchengarten. So weiß man immer, ob die Pflanze für die eigenen Zwecke taugt. Gewünscht hätte ich mir hier noch ähnliche Empfehlungen für die Gartengröße, damit ich schnell die Kandidaten für den Minigarten identifizieren kann.

Alles in allem ein tolles Buch mit einem frischen Blick auf Wildobst aus vielen überraschenden Perspektiven, das im Buchsortiment gefehlt hat. Hier wird jeder sein liebstes Naschwerk finden und bestimmt nicht mehr missen mögen. Vielleicht stellt sich am Ende wirklich die niedliche Haselmaus ein?