Samstag, 29. April 2017

Tauschrausch statt Kaufrausch

Stellt euch vor, ihr seid an einem Ort, wo ihr von Pflanzen umgeben seid, die nur darauf warten, von euch mitgenommen zu werden, und ihr könnt euch nicht entscheiden, welche besser zu euch und eurem Garten passt. Es muss ja auch nicht bei einer Pflanze bleiben, denn sie sind alle viel zu schön und besonders.

Nein, dieser himmlische Ort ist nicht das Gartencenter, und für die Stauden muss man sich teilweise sogar die Finger schmutzig machen, denn sie sind untenrum unbekleidet, also ohne Topf. Noch nicht mal einen Einkaufswagen gibt es. Dafür ist aber alles kostenlos, denn man kann mit grüner Währung bezahlen, nämlich mit anderen Pflanzen, die man selbst übrig hat.

Und ich war letzten Samstag in so einem paradiesischen Tauschrausch. Im botanischen Garten Gütersloh war Staudentauschbörse und dort konnte man sich zwei Stunden lang die Taschen füllen, bis Tüten oder Garten voll sind, was auch immer zuerst eintritt.




Die Gärtner des Stadtparks haben vorher kräftig ausgemistet und so gab es quadratmeterweise Stauden in Form von mehr oder minder handlichen Wurzelballen. Wenn einem Interessenten die Stücke zu groß waren, wurde ihm mit einem Spaten zur Wunschgröße verholfen (dem Wurzelballen, nicht dem Interessenten).

Die Auswahl war sensationell und hat alle meine geheimsten Wünsche erfüllt. Vor lauter Angeboten wusste ich gar nicht mehr, wohin ich zuerst schauen sollte - da konnte einem schon schwindelig werden. Viele Angebote waren natürlich äußerst unmoralisch meinen vorhandenen Stauden gegenüber, aber manchmal muss man tun, was man tun muss, und so richtig die Contenance verlieren.

Mit dabei waren Kerzen-Knöterich (Bistorta amplexicaulis), Kandelaber-Ehrenpreis (Veronicastrum virginicum) (von dem ich nur ein winziges Stück mitgenommen habe, weil mein Boden bestimmt zu trocken für ihn ist), Ruten-Hirse (Panicum virgatum), Dreimasterblume und Kaukasus-Beinwell. Als Zugabe war auch ein Kilo Traubenhyazinthe im Angebot. Das alles gab es ohne Plastikverpackung.

Wer nichts eigenes dabei hatte, konnte gegen eine Geldspende Pflanzen mitnehmen.



Zum Tauschen hatte ich Töpfe mit Braunem Storchschnabel und Pentaglottis mitgebracht, beschriftet mit Eisstilen - auf die Idee waren auch andere Anbieter gekommen.




Der Kerzen-Knöterich musste natürlich mit, da wurde nicht lange gefackelt. Ich habe mir ein Stück der weißblühenden Variante ausgesucht, das inklusive blinden Passagieren in Form von Winterlingen daherkam. Im Gartencenter hätte es stattdessen höchstens Moos als Dreingabe gegeben.

Dazu ist mir noch ein Würzelchen von Crambe cordifolia ins Netz gegangen und eine ganz kleine Kugeldistel, wirklich noch ein Baby. Beide sind im Null-Euro-Beet gelandet. Den Wald-Geißbart habe ich in meinen Garten gepflanzt. Auch er war ein lang gehegter Wunsch.

Die Tauschbörse lohnt aber nicht nur zum Pflanzenergattern. Es gab auch einen Stand vom GNU (Gemeinschaft für Natur- und Umweltschutz im Kreis Gütersloh e.V.), an dem man wirklich gut verarbeitete und garantiert bienenfreundliche Insektenhotels kaufen konnte. Die Nisthilfen sind dekorativ und mit Sachverstand aus Eichenholz hergestellt - in der Qualität findet man das nicht im Baumarkt.

Dazu wurden Samentütchen mit bienen- und schmetterlingsfreundlichen Wildblumen verteilt, damit man den Insekten neben einem Nistplatz auch was im Beet anbieten kann.

Gegenüber konnte man lernen, wie man ein Bienenhotel aus Bambusstäben und einer Blechdose herstellt: Die Stäbe ganz dicht stecken und am Ende mit der Holzhammermethode draufhauen. Das fertige Wohnhaus durfte kostenlos mit nach Haus kommen. Jetzt hängt es bei meinen anderen Nisthilfen.


Tauschbörsen sind also in jedem Fall zu empfehlen, auch wenn der Garten am Ende unter Völlegefühl leidet. Die in Gütersloh hat ein Angebot, das einen wirklich umhaut - und das alles im blütenreichen botanischen Garten, den man bei der Gelegenheit auch gleich mal besuchen kann. So, Bielefeld, wo ist dein Angebot zum Tauschrausch? Ich warte!



Samstag, 22. April 2017

Hängender Flaschengarten

Als Wohnzimmergärtner hat man mit so einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Im Urlaub muss man ständig Angst davor haben, dass die Pflanzen, sofern sie nicht sukkulent sind, einen zu großen Durst an den Tag legen. Wird eine Gieß-Vertretung organisiert, kann es allerdings sein, dass die grünen Mitbewohner zu viel gegossen werden und eher Schwimmhäute oder Fäulnis entwickeln.

Ein anderer Misserfolgsfaktor sind Schädlinge, und da ist es auch egal, ob man verreist oder im Alltagstrott anwesend ist. Einer der größten Pflanzenschädlinge, den die Welt je gesehen hat, wohnt bei mir zuhause. Er hat drei Beine, zwei Ohren und gelbe Augen. Dazu ein schwarzes Fell und ein Raubtiergebiss, das auch vor pflanzlicher Kost nicht zurückschreckt. Diese olle Wolllaus heißt Quietschie, ist von Hause aus Europäisch Kurzhaar und was Pflanzen angeht etwas übergriffig.


Ob Tomatensämlinge, Zamioculcas, Grünlilie oder Chilipflanzen - da muss probiert werden, gerne auch täglich aufs Neue, falls Bekömmlichkeit oder Geschmack sich inzwischen verändert haben. Haben sie zwar meist nicht, aber man kann ja nie wissen. Hier ein angeknabberter Kaffee:

Und so muss ich Jungpflanzen von zarter Statur, die nicht zu den Sukkulenten gehören, immer gut unter Verschluss halten. Nur irgendwann reicht der Platz auf der Fensterbank nicht mehr aus, um große Glaskuppeln oder sonstige Klarsichthauben samt Katze unterzubringen.

Für die Petersilie habe ich mir deswegen was anderes ausgedacht: Eine Plastikflasche von der Hollandreise, auf der sowieso kein Pfand war, habe ich zerschnitten und den oberen Teil wie einen Trichter mit dem Ausgießer nach unten in den unteren Teil gesteckt. Mit hübschem Klebeband habe ich die nicht ganz akkurat gewordene Schnittkante verziert und Angelschnur als Aufhänger an drei Stellen angeknüpft.



Dann habe ich aus Sisalband einen Zopf geflochten und an beiden Enden verknotet. Das obere Ende hat soviele Knoten bekommen, bis das Band nicht mehr durch den Flaschenhals flutschte. Es soll nämlich Wasser von unten zu den Pflanzenwurzeln ziehen, ganz gegen die Schwerkraft. Denn ein Problem bei solchen hängenden Gärten ist ja immer, dass die Pflanze etwas aus dem Blickfeld rückt und man nie weiß, wieviel Wasser im Topf ist. Hier funktioniert die Bewässerung vollautomatisch und transparent für den Benutzer.

Zum Schluss habe ich das Kunstwerk an der Vorhangstange montiert. Als Verbindungsstück zwischen Schnur und Stange reicht übrigens eine aufgebogene Büroklammer.

So sieht das Ganze jetzt aus Katzenperspektive aus - schön unerreichbar für kleine Eckzähne:


Leider hat die Konstruktion sofort Schwachstellen gezeigt: Das Seil saugt nicht genug Wasser nach oben und unten in der Flasche liegt Erde, was man durch ein Baumwolltuch unter dem Substrat hätte verhindern können.

Wenigstens ist die Petersilie jetzt aus der Gefahrenzone. Für die anderen Pflanzen heißt es, zu warten, bis die Eisheiligen vorbei sind...


PS: Der Nachbar in dem gekauften Hängetopf ist übrigens kein geringerer als der Bleistiftkaktus, den ich aus einem Ableger gezogen habe. Ist er nicht groß geworden? Wie man sieht, lässt er sich auch als Halbwüchsiger gern hängen...

Freitag, 14. April 2017

Tulpen, vegetarische Austern und Gewächshäuser auf Rädern

Die Holländer sind schon Meister im Gärtnern. Da muss man sich nur die Formschnittgehölze anschauen: Alles, was bei drei kein Baum geworden ist, lässt sich als ganz schmales Spalier in den Garten stellen, ganz egal ob Magnolie, Kastanie, Blutpflaume oder Hainbuche. Nirgendwo sieht man außerdem so viele verschlungene Buchsbaumhecken im Vorgarten oder Kübel mit bunten Blumenzwiebeln. Von den in Deutschland um sich greifenden Steinwüsten keine Spur.




Und was könnte besser die Gartenkunst der Holländer widerspiegeln als der Keukenhof - diese gigantische Frühlingsshow ganz im Namen der Blumenzwiebel? Am Tag vorher schwärmte mir eine Britin vor, Keukenhof sei even better als die Chelsea Flower Show - "so pristine!"

Das Gelände zeigt tatsächlich perfekt in Szene gesetzte Beete mit harmonisch aufeinander abgestimmten Blüten. Unter alten Bäumen, wo es auch mal ein bisschen wilder zugeht, genauso wie zwischen Rasenflächen. Die Schönheit der Einzelblüte wie auch die der Arrangements bietet an jeder Ecke tolle Fotomotive, aber seht selbst:



Der Osterhase war auch da, als Tulpe verkleidet:








Auch gärtnerische Inspirationen werden gezeigt, wie diese Holzkübel mit Gemüse (ein panaschierter Senf?) und Blumen:

Hier hängt Gemüse im Wasserkessel von der Gewächshausdecke - hoffentlich sind die Paprika schwindelfrei:


Ich habe gelernt, dass Krokusse mit Tulpen kombiniert gut aussehen, da das Laub der verblühten Krokusse locker-flockig wie Gras wirkt:




Das Kontrastprogramm zum Keukenhof war die Bio-Gärtnerei Noordwijk Buiten mit einem liebevoll eingerichteten Cafe im Gewächshaus. Auch hier gibt es Tulpen zu sehen, gern zum Selberpflücken.


Früher wurde das rollende Gewächshaus auf Schienen über die Blumenzwiebelfelder geschoben, um an immer anderer Stelle den Zwiebeln einzuheizen und Schnittblumen zu gewinnen. Heute ist es dank der in ihm rankenden Weinstöcke aber sesshaft geworden und gut angewurzelt. Selbst der Bus fährt nicht mehr. 



Die Bäume darin müssen noch nicht mal gegossen werden, weil der hohe Grundwasserspiegel ihnen das Wasser frei Haus serviert.


Die Gäste des Cafes werden aber gern bewirtet und können Kaffee oder kalte Getränke bekommen, aber auch leckeren Tee aus den Blättern der gewöhnlichen Tellerhortensie (Hydrangea serrata).

Überhaupt verkauft die Gärtnerei eine unglaubliche Zahl an Kräutern in allen nur erdenklichen Geschmacksrichtungen. Besonders beeindruckt war ich von der vegetarischen Auster, die auf die Hand serviert wird: Man nehme ein Blatt der Austernpflanze (Mertensia maritima), ein salztolerantes Borretschgewächs, und legt darauf ein fleischiges Blatt der Karkalla (Zoute Banaan, Carpobrotus rossii), ein Mittagsblumengewächs. Der Geschmack ist sensationell - wer braucht da noch echte Austern?

Im Angebot sind auch noch Meerrettich, Meerkohl, Strauch-Melde (Atriplex halimus), Meerfenchel, Prickelblume, Wasabi, essbare Veilchen, die die Zunge blau färben, Cola-Kraut und viele andere Raritäten - gern mit maritimer Herkunft. Wer seinem Garten etwas Exklusivität oder Strandatmopshäre verleihen und ein paar Partygags für den nächsten Grillabend haben möchte, sollte hier shoppen gehen.

Von links nach rechts: Meerkohl, Rumex, Rosenwurz (Rhodiola rosea):



Übernachten kann man auch dort und Feste veranstalten - in einem sensationell eingerichteten Gewächshaus mit exotischen Pflanzen, dem Bloemenbed. Sogar Maderia-Storchschnabel ist dort einquartiert! Die beiden Schlafzimmer befinden sich in den grünen Holzhäusern auf der Empore:



Mit blauer Zunge von den Veilchenblüten, vielen Anregungen, einem Meerkohl und einer essbaren Tagetes im Gepäck haben wir die Gärtnerei wieder verlassen.

Holland hat mich also nachhaltig beeindruckt. Nur die blaue Zunge ist irgendwann wieder normal geworden.

Montag, 10. April 2017

Fahrt ins Gelbe

Ich hatte einen Traum. Ich träumte, ich würde in einem duftenden Narzissenfeld aufwachen und über mir singen die Feld-Lerchen. Das einzige andere Geräusch waren die Rufe der Kiebitze - zu schön um wahr zu sein!

Doch dann merke ich: Das ist ja gar kein Traum! Ich bin wirklich vom Lerchengesang aufgewacht und beim ersten verschlafenen Blick aus dem Fenster trompeten mir tatsächlich ganz taufrisch lauter gelbe und orangefarbene Narzissenblüten entgegen. Nur das mit dem Duft hat morgens nicht geklappt, aber dafür hätte ein kleines Mittagsschläfchen gereicht und schon wäre man zusammen mit duftenden Blüten aufgewacht.

Wie dieser Traum wahr geworden ist? Ich durfte mit meinem Mann ein Wochenende in einem silbernen Airstream-Wohnwagen aus den 60er Jahren auf dem Gelände eines Blumenzwiebel-Zucht-Betriebs in Holland verbringen, auf Einladung des niederländischen Tourismusbüros.






Anja und Daan von De Tulperij hießen uns auf ihrem Hof mit Stroopwafels und Kaffee ganz herzlich willkommen (das nett eingerichtete Cafe kann man jederzeit besuchen).







Zum Gelände gehören riesige Narzissen-, Tulpen- und Hyazinthenfelder. Und eben viele Feld-Lerchen, Kiebitze und ein Jungspunt von Kater, der auch gern den Wohnwagen erkundet hätte.




Was in unserer deutschen Maiswüste nicht denkbar wäre, klappt in Holland ganz gut: Die Vögel brüten auf den leeren Feldern, die per Fruchtfolge jedes Jahr die Belegschaft wechseln, damit sich keine Krankheiten bei den verschiedenen Zwiebelarten einstellen. So haben die Bodenbrüter immer freie Bahn. Bei der Ortsbegehung mit Daan haben wir auch gleich ein Kiebitznest gefunden - hoffentlich wird es ein toller Bruterfolg! Die Blässhühner hatten sich ein ganz blumiges, duftendes Nest aus Hyazinthen gebaut (rechts im Bild, aber noch im Rohbau befindlich).



Die Führung durch die Tulperij war spannend und als Verfechterin des günstigen Gärtnerns habe ich gleich ein gehörig schlechtes Gewissen gekriegt, als ich gelernt habe, wie viel Arbeit die Zucht einer neuen Sorte ist. Hier ist Daans ganzer Stolz: Ein "Sport" (Spontanmutation) einer roten Tulpe, der herrlich orange blüht und nun vermehrt wird, um irgendwann verkauft zu werden - oranje eben.


Bei den Hyazinthen geht die Vermehrung mit dem Trick des Anschneidens des Zwiebelbodens schneller. Hier kann man den Werdegang der Hyazinthenableger sehen: Von links nach rechts gibt es erst Blätter und dann immer mehr Blüten, je nach Alter.


Narzissen und Tulpen müssen dagegen über Brutzwiebeln vermehrt werden, wenn man sie sortenrein vermarkten möchte.

Die Zwiebeln werden mit Netz und doppeltem Boden gepflanzt, wenn der Boden lehmig ist: Auf den Lehm wird in diesem Fall Sand aufgetragen, dazwischen kommt ein Netz, so geht die Ernte leicht von der Hand - man muss nur das Netz hochziehen. Die Reihen werden mit Stroh gemulcht, um organisches Material zuzuführen. Der Grundwasserspiegel ist extrem noch, sodass eine Bewässerung kaum einmal nötig ist.


Die bunten Felder erzeugen zwar nichts Essbares, aber wenn sie Kiebitzen und Feld-Lerchen eine Heimat geben, dann ist es das doch wert. Narzissen, Tulpen und Hyazinthen machen vielleicht nicht satt, aber auf jeden Fall glücklich - wie auch die ganze holländische Landschaft im Bollenstreek um diese Zeit!