Böse Zungen behaupten, das Beste an Bielefeld sie die Stadtautobahn, Ostwestfalendamm genannt, die möglichst schnell raus aus der Stadt führt. Das stimmt natürlich nicht. Das Beste an Bielefeld ist der felsige Steilhang direkt über besagter Autobahn, welche das Stadtbild nicht eben schöner, aber viel schneller macht. Die Felsen haben überhaupt erst durch den Bau der Straße das Licht der Welt erblickt.
Es ist ein wirklich sehenswerter und botanisch äußerst extravaganter Standort oberhalb der Schnellstraße. Um die Pflanzenschätze gebührend zu würdigen, führt immerhin ein Radweg oberhalb vom Ostwestfalendamm dorthin. Und schon ist man trotz der rasanten Geräuschkulisse der Autos einigermaßen entschleunigt und muss langsam fahren. Jeder nicht ganz der Flora abgeneigte Fahrradfaher sollte aus dem Staunen nicht mehr heraus kommen, wenn Felsklippen aus Kalkstein über ihm emporragen und gespickt sind mit floralen Fundstücken, die man eher am Mittelmeer oder in der Steppe erwartet hätte, aber keinesfalls mitten in Bielefeld auf dem Weg Richtung Gütersloh.
Gut, beim Entdecken dieser bunten Welt muss man sich anschreien wegen des Straßenlärms, aber das ist es wert und trainiert die Stimmbänder. Auch die Goldammer muss sich hier heiser singen, damit ein noch nicht ganz taubes Weibchen den Herrn mit der goldenen Kehle zu ihrem Auserwählten macht.
Den Pflanzen ist der Lärm egal, und so tummeln sich hier im Juni Wolliger Fingerhut (Digitalis lanata), Gelber Fingerhut (Digitalis lutea), Echter Salbei (Salvia officinalis) und auf den Logenplätzen sogar Sempervivum. Immergrünes Felsenblümchen (Draba aizoides), Trauben-Gamander,
Frühlings-Fingerkraut, Gemeines Sonnenröschen und Rispen-Flockenblume sind ebenfalls felsenfest überzeugt von dem steilen Standort. Gut, dass sie alle taub sind.
Die Farbauswahl des Wolligen Fingerhuts ist vielleicht eher Siebziger-Jahre-Schick, aber er hat doch dieses gewisse Etwas - er ist ein wirklich hübsches Großmaul. Der Gelbe Fingerhut dagegen gibt sich bescheidener und reißt die Klappe nicht so weit auf.
Einige Laucharten trotzen der Trockenheit auf den Felsen. Im August blüht der kugelrunde Berg-Lauch (Allium lusitanicum) in Massen:
Im Juni blüht eine andere Art mit etwas wirrer Frisur, die ich noch nicht bestimmen konnte - Gekielter Lauch (Allium carinatum) vielleicht?
Im Juni blüht eine andere Art mit etwas wirrer Frisur, die ich noch nicht bestimmen konnte - Gekielter Lauch (Allium carinatum) vielleicht?
Einige Exoten sind hier angesät worden, wie der Berg-Sesel, der Raue Alant, die Dach-Hauswurz oder das Neapolitanische Alpenveilchen, aber ich mag diese weitgereiste Vielfalt sehr. Es ist wie ein Urlaub in einer anderen Welt - man muss sich nur das Abrollgeräusch der Autoreifen als Meeresrauschen vorstellen.
Als wäre diese illustre Gesellschaft noch nicht genug, gibt es auch noch Mauereidechsen oben drauf, die sich an den Felsen wohlfühlen und vom Insektenbesuch an den vielen Blumen profitieren.
Es lohnt sich also, die Stadt nicht auf dem schnellsten Wege zu verlassen, sondern auch mal ganz gemächlich eine Ebene höher Richtung Stadtgrenze zu radeln. An den Felsklippen aber lieber das Fahrrad schieben wegen der vielen bunten Blumen und der Eidechsen - auch wenn's dabei was auf die Ohren gibt.
* Und falls jemand weiß, welche Glockenblume ich fotografiert habe, immer her mit der Information - ich brauche Namen!
Ich freue mich übrigens immer noch wie ein Schneekönig, dass Elisabeth von Tante Malis Gartenblog einen meiner Artikel auf Living-and-Green geteilt hat!
* Und falls jemand weiß, welche Glockenblume ich fotografiert habe, immer her mit der Information - ich brauche Namen!
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