Im Herbst fiel mir auf, dass meiner geliebten roten Gartenschere etwas fehlte. Am Griff war der Lack ab, aber das machte nichts, auch Scheren dürfen in Würde altern, außerdem hatten wir jetzt was gemeinsam. Nein, etwas Wichtigeres war verschwunden, das Wichtigste überhaupt neben scharfen Klingen: Die hübsche silberne Feder war weg, die die Schere immer wieder wie von Zauberhand in die offene, zupackende Ausgangsposition bringt. Mit dem invaliden Gartengerät geriet der Herbstschnitt etwas mühsam - ich musste die innig vereinten Klingen nach jedem Zugriff immer wieder per Hand durch Ziehen an den Griffen gewaltsam voneinander trennen.
Zum Glück gab es ein Happy-End: Die rote Schere konnte durch eine lebensverlängernde Maßnahme geheilt werden, denn bei einer guten Marke kann man Ersatzteile nachkaufen. Billiges Gerät muss dagegen zum Alteisen. Das Einsetzen der Feder ist zum Glück kinderleicht und auch von mir ohne männliche Hilfe zu bewerkstelligen. Natürlich stieß ich kurz darauf hinten im Garten beim Efeuschneiden auf die alte Feder - ein bisschen verrostet zwar, aber ansonsten springlebendig.
Seht ihr, wie die Fliege gegen Schleichwerbung vorgeht und den Markennamen verdeckt? |
Nun ist es Frühjahr und der Rückschnitt der Staudenbeete steht an. Die runderneuerte Schere darf sich diesmal schonen, denn ich habe einen neuen Liebling: Eine Sichel. Die habe ich gebraucht bekommen, aber nachdem mein Mann ihr den letzten Schliff verpasst hat, ist sie wieder scharf.
Und was für ein Vergnügen das ist, wie geschaffen für Grobmotoriker, die gern Dampf ablassen! Mit der Sichel muss ich die alten Staudenstängel einfach nur am Schopfe packen, die Klinge irgendwo unten ansetzen und zu mir hinziehen. Geht schnell und unfallfrei. Wo eine Schere wählerischer ist und alles einzeln in den Mund gelegt bekommt, kann die Sichel einfach wahllos vor sich hin sensen und sich benehmen wie die Axt im Walde.
Das klappt besonders gut bei weichen Stauden, wie Iris, wo sich die Schere gern dran verschluckt. Aber ich habe sogar einen ganzen Horst Chinaschilf mit dem scharfen Ding kleingekriegt. Selbst Brombeeren bekommt man durch. Aber nur mit Handschuhen. Beim Oregano muss man aufpassen, denn der reißt sich gern ein Stück Wurzel mit aus.
Als ich mich dann glücklich durch's Null-Euro-Beet gesichelt hatte und die Biotonne voll war, war sie auch schon wieder weg, die Sichel. Trotz gründlichem Suchen blieb sie entschwunden, meine Verzweiflung wuchs. Am Ende hatte ich die Biotonne zur Hälfte wieder ausgeräumt, als ich sie dort fand, entsorgt mit dem Staudenrückschnitt.
Das ist der einzige Nachteil an dem dezenten Holzgriff - man verwechselt ihn leicht mit Totholz. Nach geglücktem Wiederfund habe ich dann nach dem Null-Euro-Beet gleich noch meinen Hausgarten abgeräumt.
Diesen Riesenhaufen haben die Sichel und ich zusammengesäbelt - kaum zu glauben, welche Biomasse selbst in einem Reihenhausgarten anfällt:
Diesen Riesenhaufen haben die Sichel und ich zusammengesäbelt - kaum zu glauben, welche Biomasse selbst in einem Reihenhausgarten anfällt:
Alles in allem muss ich sagen: Gut abschneiden war gestern, jetzt springen die Altlasten im Staudenbeet über die Klinge, Sichel sei Dank!