Ich habe mir die Sterne nicht vom Himmel geholt, das ist mir zu anstrengend. Stattdessen habe ich sie aus dem Dreck gezogen, gut abgeklopft und eingepflanzt. Das war ganz einfach und hat nicht nur mich glücklich gemacht, sondern auch die Sterne. Wie das kam? Als ich neulich mal wieder den Radweg quer über den Friedhof genommen habe, um zu schauen, wie es den Turmfalkenbabies an der Kapelle geht, sah ich aus dem Augenwinkel etwas Seltsames aus einem der Grünabfallbehälter lugen. Ich wollte eigenlich nur gucken, was das für komische Blüten waren, dann aber sah ich, dass das Ausnahmegrünzeug sogar inklusive Wurzelballen erhältlich war.
Da musste ich natürlich zugreifen. Mit diesen kostenlosen, aber kostbaren Findelkindern aus dem Müll kann man ja nichts falsch machen. Wenn sie sich nicht retten lassen wollen und sofort eingehen, hat man nichts verloren, und sollten sie sich dankbar zeigen und noch lange und glücklich leben, ist man umso stolzer. So einem Gewächs kann man ruhig die teuerste torffreie Blumenerde spendieren, die es gibt, schließlich war der Anschaffungspreis der Pflanze schon konkurrenzlos.
Zuhause musste ich aber erst einmal nachschlagen, was das für ein Gras mit weißen Blüten ist, damit ich die Erstversorgung auch fachgerecht vornehmen konnte. Und siehe da: Ich hatte die Prominenz aus dem Müll gefischt, ein echtes Aschenputtel mit Star-Qualitäten. Es handelt sich um nichts geringeres als ein Stern-Sumpfgras (Rhynchospora colorata), auch Sternentänzer genannt.
Und der Name ist ganz passend, denn die weißgefärbten Hochblätter täuschen eine große, sternförmige Blüte vor und tanzen auf langen, grazilen Halmen. Ohne diesen Trick kommen die meisten Gräser ja eher unverblümt daher. Insektenbesuch soll also von den unscheinbaren eigentlichen Blüten überzeugt werden, und tatsächlich werden sie dank der großen Show mit den erbleichten Hochblättern von Schwebfliegen besucht.
Das Sternchen ist wohnhaft im Süden der USA, wo es 'white star sedge' genannt wird. Es kommt von Süd-Texas über Alabama bis Florida vor, liebt nasse Füße, treibt Ausläufer und ist eigentlich eine Staude. Eigentlich, denn man kann sich leicht vorstellen, dass starke Fröste in seinem Verbreitungsgebiet so selten sind wie bei uns Alligatoren. Das nördlichste Vorkommen liegt in Virginia.
Also kann es gut sein, dass die Pflanze vor lauter Starallüren unsere Winter nicht allzu gut wegstecken wird und schon bei leichten Minusgraden 'Sweet Home Alabama' vor sich hinsummt, bevor sie endgültig Sterne sehen wird. Daher sollte die Anwesenheit dieser extravaganten Diva voll ausgekostet werden. Ich habe dem Fred Astaire unter den Gräsern also den allerschönsten Topf spendiert und kann mich gar nicht sattsehen an ihm.
Was eine kleine Radtour doch alles für Blüten treiben kann!