Sonntag, 28. Juni 2015

Tot und doch lebendig

Schädlinge im Garten sind zwar lästig, aber für viele habe ich nur ein müdes Lächeln übrig. Blattläuse zum Beispiel. Die Rosen sind voll davon, aber seit ich beobachtet habe, wie die Meisen sich waghalsig an die Astspitzen klammern und die wehrlose Lauseversammlung aufpicken, bekomme ich keine Schnappatmung mehr, wenn sich die grüne, rote oder schwarze Armada an den Blütenknospen breit macht. Ein Schnabel voll Blattlaus kann für eine gerade flügge gewordene Jungmeise sogar das erste Erfolgserlebnis in ihrer Karriere als Insektenfresser sein, die erste ohne Mamas Hilfe erbeutete Mahlzeit! Der Fang läuft nicht weg und an der nächsten Triebspitze wartet garantiert schon der nächste Imbiss. Tolle Sache. Blattläuse jucken mich also nicht.

Andere Plagen sind da schon schwerwiegender, weil man sie erst sieht, wenn es schon zu spät ist. Der Weidenbohrer zum Beispiel (Cossus cossus), ein Schmetterling, kann einem das Pflanzen von Harlekin-Weiden (Salix integra 'Hakuro nishiki') gehörig verleiden. Die Raupe ist riesig und eigentlich wunderschön, wenn sie nicht in den Weidenästen fressen würde, was den Ast früher oder später zum Absterben bringt.

Wenn man dann noch meint, ein jährlicher starker Rückschnitt im Frühjahr stünde der Weide gar nicht gut, hat der Falter freie Bahn, die immer dicker werdenden Zweige zu befallen. Unser Baum sah jahrelang mit der großen Kugelkrone richtig nett aus, bis er anfing, unten schütter zu werden. Beim Rückschnitt fielen uns die Löcher in den Ästen auf, der Weidenbohrer hatte zugeschlagen.

Vorletztes Jahr (2013 - bringt wohl doch Unglück) haben wir die Weide daher radikal gestutzt, was zunächst nach einer großen Erfolgsgeschichte aussah: Die Pflanze trieb munter wieder aus. Leider starben im Sommer viele Zweige einfach ab, aber nur auf einer Seite. Das wurde eher eine Halbkugelkrone, wie es sie wohl nicht zu kaufen gibt.



Später traten Pilze am Stamm auf. Das war es dann mit unserem Harlekin im Garten. Hätten wir mal eher geschnitten und vor allem regelmäßig.

Da mir aber schon immer ein Element des Naturgartens gefehlt hat, habe ich aus der Not eine Tugend gemacht. Totholz braucht doch jeder Garten, der für Tiere attraktiv sein soll. Käfer fressen sich durchs Holz, Wildbienen folgen, wenn der Stamm morsch genug geworden ist. Manche nisten auch einfach direkt als Zweitbewohner in den Käferfraßgängen. Der Kleiber freut sich auch über weiches Holz zum Draufrumhacken. So einen schönen Weidenstamm wegzuwerfen, der noch dazu kostenlos anfällt, ist also eine verpasste Gelegenheit, auch wenn er nur etwa zehn Jahre halten wird.


Ich habe den abgesägten Stamm umgedreht, in einer stillen Ecke in die Erde gesteckt und hoffe nun auf regen Insektenbesuch - nicht wetterfest und angreifbar zu sein ist bei diesem Holz durchaus erwünscht.

Das hier ist er nun:


Die wie ein Teddybär aussehende Schwarzbürstige Blattschneiderbiene Megachile nigriventris war schon mal da und hat die Färberhülse (Baptisia australis) besucht, hat aber woanders ihr Nest im weichen Holzmulm.



Wer handwerklich und künstlerisch begabt ist, kann sich auch aus größeren Stämmen eine Skulptur schnitzen. Das sieht beeindruckend aus und die Tiere finden trotzdem ihren Platz.


So wird auch die Harlekinweide hoffentlich bald wieder lebendig. Denn auch Totholz wimmelt früher oder später vor Leben - und nicht immer sind es Weidenbohrer...

Sonntag, 21. Juni 2015

Fette Hennen und kluge Kohlmeisen

Fette Hennen sind fabelhafte Pflanzen, auch wenn man sich den Großteil des Sommers mit ihren Blättern begnügen muss, bevor im September das Blütenspektakel losgeht.

Aber die Show will schließlich gut vorbereitet werden - und was wäre ein Spätsommergarten ohne ihre lilarosa Blütenteller?

Die Pflanze sieht auch vorher durchaus attraktiv aus, wenn man die Farbe Grün mag. Ihre kuppelförmigen Horste bringen Struktur und Ruhe ins Staudenbeet - und natürlich ein gerüttelt Maß an Vorfreude auf das große Blühen.


In letzter Zeit allerdings werde ich ab Mitte Mai immer ein bisschen unruhig und schaue mit weniger Wohlwollen auf meine Mädels. Sie kriegen zwar nicht die Motten, brüten aber etwas anderes aus: Minierende Schwebfliegen machen sich in immer größerer Zahl an den fetten Blättern zu schaffen. Zwischen Blattober- und -unterseite ist ja auch ordentlich Platz, da lässt es sich gut leben und speisen - das Laub wird allerdings durch die Völlerei etwas unansehnlich.


Die Schwebfliege, die sich an meinem Sedum zu schaffen macht, ist keine geringere als Cheilosia semifasciata - eine Art, die sich aufgrund der wenigen Wildvorkommen von Fetten Hennen schon ganz verdutzt auf der Roten Liste wiederfand.

Dieser fragwürdige Titel wird ihr aber wohl wieder aberkannt werden, denn durch die üppigen Gartenvorkommen ihrer Futterpflanzen muss sie keinen Hunger mehr leiden - viele Fette Hennen, viele fette Fliegen.

Mein Garten jedenfalls scheint eine komfortable Arche dieser Art zu sein. Erst habe ich mich ein bisschen über die verunstalteten Stauden geärgert, aber dieses Jahr war ich gar nicht mehr böse um die Blattaushöhler. Ich habe Hilfe bekommen von meinen Nistkastenbewohnern, den Kohlmeisen.


Der Herr Papa der hungrigen Brut hat nämlich in Eigenarbeit herausgefunden, dass jede vertrocknete Stelle in meinem Sedum eine kleine Imbissbude darstellt. Wenn man die minierten Stellen mit dem Schnabel ein wenig bearbeitet und den Briefumschlag aus Laub öffnet, kommt einem eine leckere weiße Made entgegen - die der einer blattlausfressenden Schwebfliege nicht unähnlich sieht.

Ist der Trick erst einmal gelernt, wird die Fette Henne regelmäßig nach wenig flüchtiger Babynahrung abgegrast.

Nicht nur meine Brutvögel sind darauf gekommen, sondern auch ein anderes Paar, das mit seinen flüggen Jungvögeln im Garten gastierte. Die Fotos sind nur Belege und durch die Scheibe aufgenommen, denn sonst hätte ich den Trick nicht dokumentieren können.




Seitdem ich weiß, dass die Meisen die Maden mögen, sehe ich großzügig über meine ramponierten Fetten Hennen hinweg. Die Feinarbeit am Ende übernehmen sowieso die Schnirkelschnecken, die kosmetisch eingreifen und die vertrockneten Stellen mit nahezu chirurgischer Präzision entfernen.



Und wer wird denn da auch so pingelig sein - blühen tut das Sedum schließlich jedes Jahr trotzdem!

Dienstag, 16. Juni 2015

Offene Gartenpforte ganz feudal

Am Sonntag habe ich eine Offene Gartenpforte der besonderen Art besucht. Ich dachte mir, schaue ich mir doch schon mal meinen Altersruhesitz an, das Caroline-Oetker-Stift in Bielefeld (träum weiter, Elke). Es handelt sich hier um eine Seniorenresidenz der gehobenen Kategorie. Schon der Anblick der vor dem Eingang geparkten Luxuskarossen dämpfte die Stimmung auch gleich schon ein wenig, aber wohl nur ein läppischer Lottogewinn trennt mich vom Luxus-Rentnerdasein. Es sind ja noch ein paar Jahrzehnte Zeit um an die Million zu kommen. Denn allein die wöchentliche Ausstattung des Speisesaals mit Servietten dürfte mehr kosten als mein Fahrrad. Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen...

Im gepflegten parkartigen Garten würde es mich ohnehin äußerste Überwindung kosten, nicht überall Wildblumen zu säen und Bienenhotels aufzustellen - und dann würde ich sicher alsbald vor die noble Tür gesetzt. Ich glaube, ich wäre in der Beziehung eine eher renitente Rentnerin...



Das erste, was beim Betreten der Anlage auffiel, war der Mähroboter im Sportwagendesign, natürlich Luxusklasse und bei seiner Arbeit nicht zu hören. Er konnte sogar am Hang seine Fahrt eigenständig abbremsen, bevor er auf dem angrenzenden Weg noch ein paar Senioren zu Fall bringt.


Die Gießkannen wenigstens waren genauso billig wie meine. Es gab alte Buchen, Rhododendren, Buchs, Efeu und Kletterhortensien im Dutzend, die bei den Honigbienen ganz gut ankamen.


An den kleinen Terrassen der unteren Zimmer wuchsen Lavendel, Katzenminze und viele weiße Rosen, ein schöner Ausblick. Und siehe da - in den Mauerfugen ist ja doch ein bisschen Wildwuchs erlaubt!







Die Bewohner dürfen auf ihren Balkons sogar Blumen pflanzen und die Vögel füttern, das stört dort offenbar niemanden. Ein mittlerweile verstorbener Gast konnte gar seine Voliere komplett mit Zebrafinken, Zwergwachteln, Kanarienvögeln und einem einsamen Diamant-Täuberich mitbringen, das war die knallharte Bedingung für den Einzug. Seitdem gehören die Tiere zum Inventar und werden von den Bewohnern geliebt.

Obwohl wir nicht so schick aussahen bei unserem Besuch, waren die (wahnsinnig gut gekleideten) Seniorinnen aus der Residenz aber sehr nett und freuten sich, dass uns die Voliere gefallen hat.

Und nun entschuldigt mich - ich muss Lottoscheine ausfüllen...

Samstag, 13. Juni 2015

Zerbrechliches

Es gibt ein paar drängende Fragen, die sich frau im Sommer stellt. Diese können es zugegebenermassen allesamt nicht mit der Problematik des fehlenden Weltfriedens oder der Dürre in Ostwestfalen aufnehmen.

Stattdessen kreisen die Gedanken um Themen wie: Was verschenke ich zur Hochzeit, wie dekoriere ich den Gartentisch bei der Grillparty oder was bringe ich zu genau so einer Veranstaltung als Geburtstagsgeschenk mit? Dazu kommen noch Vermeidungsstrategien für einige banale Tätigkeiten, zu denen man sich im Sommer nur schwerlich aufraffen kann: Muss ich das ganze Altglas wirklich jetzt schon aus dem Haus schaffen? Sollte ich das alte, lückenhafte Geschirr tatsächlich entsorgen? 

Und dies ist nur eine kleine Auswahl an Problemen. Zum Glück gibt es nun ein Buch, das einiger dieser Fragen zufriedenstellend beantwortet und sogar verhindert, dass wir bei sommerlicher Hitze zum müffelnden Altglascontainer laufen müssen.

Das Buch heißt Porzellanfieber - Kreative DIY-Projekte mit Geschirr, Glas und Vintage-Porzellan von den Bloggerinnen Jutta Handrup und Maike Hedder, erschienen im Verlag LV-Buch.


Die Projekte lassen wirklich keine Wünsche offen - sowohl aus blumigen alten Tassen und Tellern, die man vielleicht noch auf dem Dachboden oder dem Trödelmarkt findet, als auch mit modernen schlichten Varianten entstehen kleine Schmuckstücke. Sie lassen sich gut verschenken oder im Garten verwenden.

Es wird gemalt, beschriftet, betoniert, geklebt und gebohrt, was das zerbrechliche Zeug hält. Die Ergebnisse sind stets verlockend fotografiert. Altglas wird ebenfalls nicht entsorgt, sondern mit Milchglaseffekt oder anderen Aufwertungen versehen und zum Windlicht oder zur Vase gemacht. Ein Blick in die Müllsammlung lohnt hier allemal.

Einfache Projekte habe ich gleich mal nachgestellt: Süßigkeitenständer aus Tasse und Untertasse, die sich hier in ungewohnter Weise begegnen:

Kaffeetasse als Blumenvase:


Tasse baumelnd im Kranz aus Efeu- und Weinranken (hier wurde aus dem Porzellan plötzlich Purzellan, aber die Staudenwicke hat den Sturz weich abgefedert):

Und an den mit Porzellanfarbe bemalten Teller im Melonen-Look habe ich mich auch noch heran gewagt:



Das Lesen und Nacharbeiten hat mir viel Spaß gemacht. Und für die nächste Grillparty habe ich jetzt schon ein paar Ideen mehr!

Donnerstag, 4. Juni 2015

Weitgereiste Pflanzenstützen

Für jeden kommt irgendwann die Zeit, wann er sich zu alt fühlt zum Zelten. Beim einen früher, beim anderen später. Sei es die Angst vor einer Luftmatratze, die mitten in der Nacht plötzlich eine große Leere in sich spürt, oder vor dem nächtlichen Gang auf's stille Örtchen, der doch immer gefühlte fünf Kilometer weit ist und generalstabsmäßig vorbereitet werden muss. Früher kam noch die Furcht vor einer Blamage beim Aufbauen des Zeltes hinzu, was oft einem Ringkampf mit eingebautem Puzzlespiel glich und nicht immer zu unseren Gunsten ausging. Heute sind die Behausungen für unterwegs immerhin halbwegs gezähmt worden und bestehen nicht mehr aus dreiundvierzig Einzelteilen.

Doch was ist, wenn das Zelt eher als man selbst zu alt wird zum Zelten? Reif für den Schrott oder was? Nein, auch eine durch Hassliebe gekennzeichnete Beziehung zu einem Gebrauchsgegenstand muss nicht so enden.

Alte Zeltplanen können noch zum Auskleiden von hölzernen Pflanzgefäßen dienen, einfach in Gemüsekisten getackert - so habe ich das bei meiner gemacht. Da stört auch ein eventuelles Leck nicht.

Die Zeltstangen gehören auch noch nicht zum alten Eisen, vor allem bei Zelten, die ein paar Jahrzehnte alt sind, denn damals waren die tragenden Teile noch massiv und schwer.

Hier dient das Gestänge sogar als stabile, selbstgebaute Hängemattenstütze. Das andere Ende hängt dann am Zierapfelbaum. Der Kranz aus Efeuzweigen ist aber nur Zierde und hat keine tragende Rolle:

Haben die Stangen am unteren Ende noch einen richtig schönen Piekser, eignen sie sich perfekt als Pflanzenstützen.


Um die Metallteile noch ein bisschen zu verschönern, habe ich sie mit Ducktape in Blümchenmuster beklebt - dafür ist man ja schließlich nie zu alt.


Für's Foto durften sie zunächst neben Pentaglottis und Akelei posieren, bevor sie ihre endgültige Bestimmung in den Tomatenkübeln gefunden haben, wo das Blau zum Gelb der Blüten und später - wenn es gut läuft - auch der Früchte kontrastiert. Das Klebeband ist wasserfest und bleicht hoffentlich nicht allzu schnell aus in der Sonne.




Fertig sind Pflanzenstützen voller Erinnerungen und Reisegeschichten. So werden sie endlich mehr oder weniger sesshaft und können in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Sie haben es sich verdient!