Samstag, 24. April 2021

Grasgeflüster

Gräser im Garten kommen gleich nach Hochbeeren, sie sind Trend - zwischen all den eher rundblättrigen Stauden sind ein paar hervorstechende Blatt-Dolche ja auch nicht verkehrt. Im Gegensatz zu rigiden Hochbeeten wiegen sich die Gräserblüten im Herbst in jedem lauen Lüftchen und leuchten bei Gegenlicht wie weiland die Prärie.

So weit die graue Gras-Theorie. Praktisch habe ich in meinem Garten mehrere Seggenarten, wie zum Beispiel Carex 'Icedance' und 'Evergold' mit ihren gestreiften Blättern. Die Blüten erscheinen allerdings sehr früh und ihre Stängel sind kurz, da wiegt sich ein Hauch von Nichts im Wind und schon gar nicht mehr im Spätsommer. Außerdem neigt Carex 'Icedance' sehr dazu, in die Breite zu gehen und sich wie ein Platzhirsch aufzuführen. Von wegen Tanzen - diese Segge führt höchstens einen unbeholfenen Walzer aus und walzt sich eben mit Freuden und ohne jegliches Rhythmusgefühl durch die Beete.

Jeder gegen jeden: Carex 'Icedance', Schneeglöckchen, Trachystemon orientalis und Wunder-Lauch

Hübsch gestreift wie ein Zebra ist auch Calamagrostis x acutiflora 'Overdam'. Dieses Reitgras wäre immerhin in der Lage, später wogende Blüten zu bilden, allerdings knicken sie in meinem Garten sofort um und sehen nicht nach Gartenzeitschrift, sondern nach Unfall aus. Es ist wohl zu schattig für ein ausgefeiltes Blatt-und-Blüten-Ballett. Aus der Traum vom Gräsermeer, das in der Sonne glitzert.

Calamagrostis x acutiflora 'Overdam'

Um den Storchschnäbeln, Anemonen, Helleborus, Primeln, Brandkräutern und dem Rauling optisch Paroli zu bieten, müssen es aber gar nicht unbedingt waschechte Gräser sein. Auch andere Pflanzen mit lanzettlichem Laub ergeben einen guten Kontrast und blühen sogar noch für Insekten - oder sind essbar, was man von Gräsern eher nicht behaupten kann, wenn man kein Huftier ist.

Hübsche grasartige Horste bilden zum Beispiel Taglilien. Sie treiben früh aus, sind robust und ihre Blüten eine Delikatesse.




Essbar ist auch der Wunder-Lauch (Allium paradoxum). Seine Blätter sind schlank und grasähnlich und nicht so korpulent wie die des Bärlauchs. Wunder-Lauch blüht früher als der Bärlauch, seine Blätter lassen sich genauso verwenden. Später bilden sich scharf schmeckende Zwiebeln zwischen den weißen Glöckchen-Blüten, die aber kein Knoblaucharoma haben.

 
Hier eine Szene mit Carex 'Icedance', Schneeglöckchen, Trachystemon orientalis und Wunder-Lauch. Es geht nur scheinbar einträchtig einher, in Wahrheit trachtet die Segge immer danach, das ganze Beet zu erobern.


Die anderen, gängigeren Geophyten dürfen jetzt im Frühjahr auch nicht vergessen werden. Unter ihnen gibt es einige mit grasähnlichem Laub, das schöne Szenen ergibt, wenn es Blüten umspielt. Sie sind zwar jetzt schon längst verblüht, doch gerade Schneeglöckchen- und Krokuslaub ist sehr attraktiv und ergibt im Frühjahr eine Mini-Prärie. Krokuslaub hat ja immerhin auch einen hübschen weißen Mittelstreifen, als wäre es mit Panaschierung gezüchtet worden.

 

Da biste platt: Manchmal entsteht allerdings der Eindruck, als wäre eine Lawine über den Krokus hinweggewalzt. Zwischen anderen Stauden eingebettet werden die Blätter weniger haltlos.


 

Hier umspielen die Blätter der Hasenglöckchen und einiger Prärielilien (Camassia) die Blüten einer Lenzrose. Danaben wieder Bärlauch bis zum Horizont, soviel kann man gar nicht essen, wie der wuchert.


Vorsicht ist nur bei Herbstzeitlosen geboten. Ihr Laub ist nicht filigran und grasartig, sondern eher matronenhaft und platzeinnehmend. Außerdem sammeln sich hier sämtliche Nacktschnecken der näheren und weiteren Umgebung. Das kann man gut nutzen, um sie einzusammeln, denn das Laub ist ein Magnet für groß und klein.


Auch Laucharten benehmen sich nicht alle gleich gut. Während Allium sphaerocephalon sich sehr dünn macht und selten aufdringlich wird, ist Allium aflatunense eher ein Platzhirsch. Nur die gerade gekeimten Sämlinge sind noch grasartig, später werden die Blätter lappig und sind einfach überall - und grundsätzlich ist ihre Zahl grundsätzlich um ein Vielfaches höher als die der Blüten. Das gilt auch für Tulpen, die sich allerding - je nach Wildheit - seltener versamen.


Links Allium spaerocephalon, rechts Traubenhyazinthe

 
Die ultimative Gras-Alternative in Sachen Lauch ist natürlich der gute alte Schnittlauch. Der hat feines Laub, schöne Blüten und wenn man die Samenstände nicht entfernt, wiegt sich im Spätsommer auch irgendwas im Wind.

 

Während ich im Garten also unter den Gräsern eher die Wucherer und die Umkipper vereine, erfreuen mich die Geophyten doch mehr als dass sie mich ärgern. Und wenn ich auch keinen opulenten Präriesommer habe, so zaubern sie immerhin ein bisschen Wiesenflair ins Frühjahr.

Samstag, 17. April 2021

Getestet: Klimaneutrale Blumenerde

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Wie bekommt man Blumenerde für den Garten, wenn selbiger klein ist, völlig frei von Maulwurfshügeln und bis zum Anschlag so voll mit Pflanzen, dass es sich verbietet, einfach irgendwo ein Loch zu graben, um daraus Erde zum Selbstmischen zu gewinnen? Große Gärten können sicher die ein oder andere Schmuddelecke beherbergen, schön versteckt hinter dekorativen Zäunen, sodass eigene Erde in einer Schubkarre gemischt werden kann. Meiner hat zwar auch Schmuddelecken, aber in denen wächst immer irgendwas oder es ist keine Erde zugänglich. Draußen versuche ich schon mit allen Tricks, die Erde in den Kübeln möglichst lange taufrisch und für die Pflanzen akzeptabel zu halten. Jedes Frühjahr bekommen sie eine Schicht Kompost, zusätzlich möchte ich ihnen diesmal noch Mykorrhiza spendieren, wenn die Tomaten in die Erde vom letzten Jahr einziehen.


Doch ich habe auch noch Zimmerpflanzen. Spätestens hier würde die eigene Bodengewinnung aus dem Garten zu wenig Material liefern. Außerdem möchte ich den armen Regenwürmern und anderen Tieren nicht zumuten, mit mir zusammen im Wohnzimmer das Fernsehprogramm zu erleiden, von dem oft austrocknenden Wurzelballen und dem fehlendem Auslauf mal ganz zu schweigen.

Also greife ich doch jedes Jahr wieder zu einem Sack Blumenerde - alles bis 45 Liter lässt sich übrigens auch hervorragend und unfallfrei auf dem Fahrradgepäckträger transportieren! Natürlich soll das Substrat torffrei sein, das ist auch mittlerweile kein Problem mehr. Die zweite Randbedingung, nämlich ohne Plastiksack ist schon schwieriger zu erfüllen. Daher habe ich mich gefreut, dass ich dieses Jahr eine neue torffreie Erde testen darf, nämlich die BiO Gemüse- und Kräutererde von TerraBrill. Hier ist der Plastiksack schon mal zu 50 % aus Altplastik und zu 100% recyclingfähig. Noch ein Pluspunkt: Das Substrat ist organisch aufgedüngt, also frei von Mineraldünger. Der Dünger wird langsam abgegeben, je kälter es ist, umso länger dauert es, es empfiehlt sich für Starkzehrer eine Nachdüngung nach etwa 4 Wochen.


Die Erde ist als klimaneutral zertifiziert nach dem Prinzip „from cradle to customer“. Das heißt, dass alle Emissionen kompensiert werden, die durch die Rohstoffe, die Produktion, die Frachten und allgemein im Unternehmen durch diese Erden entstehen. Konkret wird ein Aufforstungsprojekt im Harz mit heimischen Baumarten unterstützt.

Doch was ist drin im Sack? Zunächst war ich erschreckt, denn man konnte einen deutlichen Geruch nach Nadelholzrinde feststellen. Und mit so einer Erde habe ich schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht, mir sind einige Pflanzen darin eingegangen. Als ich die Tüte geöffnet hatte, war ich beruhigt: Keine riesigen Rindenstücke, alles wirkt locker und fluffig. Enthalten sind Kompost, Holzfasern, Kokosfasern (ein Abfallprodukt) und Kiefernrinde, daher also der Geruch nach Nadelholz.



 

Mittlerweile wachsen bei mir Tomaten, Sämlinge von Blasenstrauch, Pfirsichblättriger Glockenblume, Wolligem Hahnenfuß und Lathyrus niger seit einigen Wochen in diesem Substrat und scheinen ganz zufrieden zu sein.

Der Wollige Hahnenfuß ist schon gewachsen, wenn man ihn mit dem Foto darüber vergleicht:





Es ist auch im Haus kein Trauermückenschwarm aufgetaucht. Das Wasserspeichervermögen ist in Ordnung. Ich kann bisher also nichts negatives über diese Erde berichten. Man muss sich allerdings im Klaren darüber sein, dass die Firma Brill-Substrate auch torfhaltige Erden im Angebot hat. Wer konsequent Firmen unterstützen möchte, die ausschließlich torffreie Substrate herstellen, wird woanders suchen müssen. Die sind dann aber oft auch nicht klimaneutral produziert.

Der Nachteil an so einem großen Sack Blumenerde um diese Zeit ist, dass ich ständig irgendwas aussäe und Ableger eintopfe, solange bis alle freien Töpfe einen Bewohner haben und ich ständig aufpassen muss, dass mir keiner vertrocknet. Und das in einem Jahr, wo wieder keine einzige Tauschbörse stattfinden darf...

Samstag, 10. April 2021

Die fliegenden Teddybären

Bei blauem Himmel kann man im Frühjahr braune Wollknäuel über sich schweben sehen. Ist es ein Vogel, ist es ein Flugzeug oder gar eine bemannte Drohne? Nein, es ist eines der enzückendsten Insekten überhaupt, das da wie ein fliegender Teddybär so festgetackert in der Luft schwebt. Kuschlig wie eine Biene, ist dieses Pelztier doch aus der Nähe betrachtet als Fliege zu erkennen: Der Große Wollschweber (Bombylius major), auch Hummelschweber genannt, hat wie bei Dipteren üblich zwei Flügel, die man nur aber erkennt, wenn das hektische Insekt auch mal stillsitzt, sonst sieht man nur zwei verschwommene Wirbel. Typisch sind die dunkel gefärbten Partien auf den Flügeln.

 


Setzen tut sich der wuschelige Wirbelwind zum Sonnenbaden oder ausnahmsweise auch mal beim Blütenbesuch - der gefährlich lange Rüssel, der so nach Stechmücke aussieht, ist in Wahrheit ein harmloser Strohhalm, mit dem die dicke Fliege aus tiefen Blüten trinkt, stechen kann sie damit nicht. Die wuseligen Stofftiere sind also nicht nur unfassbar niedlich, sondern auch noch sehr gute Bestäuber.





Die Fliege im Pelzmantel ist für Bienen allerdings weniger lustig, denn die Tiere werfen ihre Eier in Bienennester, wo die Larven die Bienenbrut verspeisen. Das tun sie vor allem in Sandbienennestern. Damit das Ei auch in die Brutröhre der Biene gelangt, wird es irgendwie in die Nähe des Nesteingangs geschmissen, denn die Wollschweber sind keine besonders akkuraten Kunstflieger, da geht das Ei auch gern mal daneben. Die Larven bewegen sich zum Glück aktiv auf die Bienenlarve zu, da muss man nicht ganz so genau sein. Damit das Zielen einfacher wird, beschweren die Hummelschweberweibchen die Eier mit Sandkörnern oder Erdpartikeln. Dazu schubbern sie ihren Fellhintern über die Erde wie ein kleiner Staubsauger, um Ballast aufzusammeln. Die Eier passieren bei der Eiablage diese Erdschicht. Das Verhalten kann man an unbewachsenen Bodenstellen oft beobachten.

Eine in Nordamerika heimische Art, Bombylius varius, hat einen schneeweißen Pelzpopo, der sicher beim Erdeschubbern schnell schmuddelig wird.

Seltener als der Große ist der Gefleckte Wollschweber (Bombylius discolor). Er zeichnet sich durch hübsch gepunktete Flügel aus. 

Bombylius discolor


Dieser Teddybär parasitiert in den Nestern der Weiden-Sandbiene (Andrena vaga). 

Andrena vaga

 

Andrena vaga


Die diese große Kolonien gründet, kann man hier auch leicht die Exuvien (leere Larven-Hüllen nach dem Schlupf der Fliege) finden. Auch die Puppen sieht man hier leicht, wenn die Bienen sie einfach mit ausgraben bei ihrem in diesem Fall wenig sozialen Wohnungsbau.

Exuvie von Bombylius discolor


Vermutlich kann so eine frei gelegte Puppe nicht mehr schlüpfen, denn sie weist am Rücken dicke Borsten auf, mit denen sie sich in der Erde verankert. Ohne dieses Widerlager gelingt der unfallfreie Schlupf wahrscheinlich nicht und sie ist Vogelfutter. Die Biene wird's freuen, hat sie so doch aus Versehen bei ihren Erdarbeiten den Feind aus ihrem Umfeld entfernt. 

Puppe von Bombylius discolor, Rücken


Puppe von Bombylius discolor vor einem Nesteingang der Sandbiene, man erkennt hier schon den langen Rüssel

Ein Wolf im Schafspelz also? Man kann einem Bombylius nicht ernsthaft böse sein, denn die Tiere werden nie den Bestand der Wildbienen schädigen. Und so darf man sich ruhig ungeniert freuen über diese harmlosen, hübschen Wollknäuel mit dem langen Rüssel und den beeindruckenden Flugmanövern.