Samstag, 27. November 2021

Die heimliche Mistel

Heute gibt's mal was ganz weihnachtliches Wer sich noch dunkel an mein Mistelexperiment am armen Zierapfel aus dem Jahre 2019 erinnert, das ich also schon vor zweieinhalb Jahren eifrig anging, wird sicher glauben, das wäre wieder mal nichts geworden mit der Mistel. Das ging mir genauso. Auch ich hatte gedacht, nach dem fulminanten Erscheinen der Andockwurzel, das unter großem Applaus stattfand, wäre Schluss gewesen.




Tatsächlich sind die Keimlinge, den ich fotografiert habe, nach und nach vertrocknet und waren irgendwann nur mehr als traurige Mumie zu erkennen. Misteln sind doch auch Mimosen! Der Zierapfel hat offenbar alles daran gesetzt, den lästigen Parasiten im Keim zu ersticken. Das gelingt den Ästen auch ziemlich gut, wenn der Baum vital ist. Und das ist mein 'Golden Hornet' definitiv.

Einen Samen muss ich aber wohl übersehen haben, vielleicht hat er sich auch nur gut versteckt gehabt. Nun aber konnte die Babymistel es wohl nicht mehr aushalten und brauchte Blätter für die Photosynthese. Und damit hat sie sich verraten! Ein Mistelchen mit vier Blättern wächst in Superzeitlupe an einem Ast heran. Weil bald Weihnachten ist, zeige ich den jetzt hier auch mal zur Feier des Tages. Die Pflanze hängt allerdings zu niedrig, sodass man sich nicht wie bei Misteln zu Weihnachten üblich darunterstellen kann.

Nun sieh sich einer das an: Diese dünnen Ärmchen hier, die aus dem Knubbel am Ast unten herauswachsen, gehören meiner ersten selbstgezogenen Mistel! 


Dabei habe ich mich in meinem Artikel zu parasitischen Pflanzen in der Gartenpraxis vor einem Jahr sogar noch beklagt, dass Ansiedlungsversuche so selten von Erfolg gekrönt sind und ich es noch nie geschafft habe. Habe ich wohl! Es ist nur so, dass die Blätter erst wachsen, wenn die Leitungsbahnen des Baumes erreicht sind. Und jetzt heißt es: O'zapft is!

Der Zierapfel ist mir hoffentlich nicht böse. Da mir letztens aber ein Apfel auf den Kopf gefallen ist, bin ich mir da nicht mehr so sicher. Bisher habe ich bei solchen Anschlägen an Zufall und die Schwerkraft geglaubt. Jetzt nicht mehr!

Wir sehen uns dann alle in 30 Jahren hier wieder, wenn die Mistel Früchte trägt... Und wenn ihr gute, keimfähige Misteln haben wollt, sucht sie in München, die funktionieren!

Samstag, 20. November 2021

Knutschkugeln am Boden

Letztes Wochenende habe ich mal wieder das Laub vom Rasen gefegt. Das landet auf den Beeten und kommt mir nicht in die Biotonne - und nach genauerem Hinsehen weiß ich jetzt ganz genau, warum: Das Laub hat Augen! 

Ich schaute nämlich nach den Sämlingen vom Einjährigen Silberblatt, ob sie auch noch durch die Laubschicht hindurchwachsen können, und da sah ich plötzlich ein kleines, kugeliges Etwas auf einem braunen Blatt vom Zierapfel, kaum mehr als einen Millimeter groß. War es eine ganz kleine Spinne? War es überhaupt ein Tier? Ich habe es vorsichtig mit dem Finger angestupst - und da hüpfte es so weit weg, wie man es bei der Größe nicht für möglich gehalten hätte - das war ein Springschwanz!

Und das sind echte Olympioniken! Sie treten aber nicht in der Disziplin Kugelstoßen an, sondern als Kugelspringer. Unter dieser Bezeichnung firmieren einige kugelige Springschwanzarten.

In meinem Laub sind also Kugelspringer zuhause! Je länger ich schaute, umso mehr sah ich, ganze Herden hockten in meinem Laub. Ich habe also die Kamera geholt, um diese kleien Mordillo-Figuren mal von ganz Nahem zu sehen. Und weil die Tierchen immer auf dem Sprung sind, habe ich sie angeblitzt.

Diese kleine Boygroup hier, die so nett Modenschau macht, ist eine Bande der Art Bunter Kugelspringer (Dicyrtomina ornata), die ich unter dem Zierapfel aufgestöbert habe. Da seht ihr mal, was im Laub so los ist - eine richtige Fußgängerzone ist das hier mit gelegentlichen Sprungeinlagen!


Und wie hübsch die gezeichnet sind, kein Exemplar gleicht dem anderen, man würde sie immer wiedererkennen mit ihrem Flecktarnmuster in gedeckten Herbstfarben:

 

 


 

Am Hintern haben sie durchsichtige lange Haare, auch die Fühler sind behaart. Unter dem Bauch haben sie ihre Sprunggabel, die Furca. Diese wird bei Gefahr losgelassen und das Tier schnellt in die Luft. Danach muss es neue Energie aufwenden, um die Gabel wieder unterm Bauch einzurasten fürs nächste Mal - ein Blatt vom Apfelbaum als Sprungbrett!

 






 

So klein, wie die Springer sind, mutet manche Situation an wie bei Mission impossible - wird der kleine Kerl die Spinnweben berühren oder darunter hindurch manövrieren?


Springschwänze muss man sich warmhalten, denn sie sind wichtige Humusbildner und sie werden jetzt mit Hochdruck daran arbeiten, die Blätter anzunagen. Da sie verständlicherweise keine großen Beißerchen haben, führen Springschwänze meist zu Fensterfraß an Falllaub.

Asseln und andere größere Tiere besorgen nachher den Rest.



Das Laub der Obstbäume, von Birken, Weiden, Pappeln und anderen leicht verdaulichen Gehölzen gehört also unbedingt in die Beete und nicht in die Tonne. Schaut doch einmal nach mit der Lupe, ob ihr die kleinen Kerlchen auch finden könnt!

Samstag, 13. November 2021

Stauden gestaucht

Kennt ihr das auch? Wenn man nicht gerade mit der Nagelschere und chirurgischer Präzision verblühte Staudenstängel abschneidet, ist oft irgendwas zwischen die Klingen gekommen, was da nicht hingehört und von dem man sich auch gar nicht trennen wollte. Die Pflanze, der das Teil gehört hatte, auch nicht.

Man muss aber nicht gleich die Klinge ins Korn werfen deswegen. Passiert das im Frühjahr oder Sommer bei knackigen Trieben, kann man einfach aus dem Malheur eine Tugend machen und das gekappte Ende der Staude einpflanzen. Oft passiert dann etwas Wundersames: Der Trieb bildet Wurzeln. Wenn die abgeschnittene Triebspitze also nicht vertrocknet, ist alles gut gegangen und nach ein paar Wochen kann man vorsichtig spicken, ob die Bewurzelung klappt.

Ich habe so etwas schon oft hinbekommen, sogar ohne Plastikhaube oder sonstige Tricks, die die Feuchtigkeit beim Steckling halten. Nur pralle Sonne sollte man vermeiden.

Dieses Jahr ist mir das Experiment mit der Weißen Waldaster (Aster divaricatus, Eurybia divaricata) gelungen. Der hatte ich nämlich aus Versehen eine Triebspitze gekappt, als ich den benachbarten Wolligen Hahnenfuß geschnitten hatte, dessen Samen längst abgefallen waren.

Ich musste einfach probieren, ob ich den Trieb vermehren kann, denn diese Aster ist eine fantastische Staude für den Schatten und sogar in meinem Garten recht konkurrenzstark, wuchern tut sie aber nicht gerade. Hier habe ich sie kombiniert mit Pfirsichblättriger Glockenblume und Kerzen-Knöterich, bzw. die Glockenblume hat sich selbst kombiniert, da bin ich unschuldig.

 


Bald schieben sich bei so eingepflanzten Trieben unten die Wurzeln aus dem Topf, dann kann die neue Staude eingepflanzt werden. Das sieht dann oft recht putzig aus, denn wenn der Trieb knospig war, blüht er auch als Steckling einfach, aber eben nur wenige Zentimeter über dem Boden. Das macht die Platzwahl für die selbst vermehrte Staude schwierig, denn der Winzling soll ja nicht von Nicht-Stecklingen überwachsen werden.

Das hier ist die Mutterpflanze jetzt im Herbst..


...und das der Steckling:


 

Und so freue ich mich seit dem Sommer über diese Miniaturausgabe, die dicht über dem Boden so schön blühte und jetzt Samen angesetzt hat. Nächstes Jahr wird sie sicher so große wie die Mutterpflanze.

Samstag, 6. November 2021

Die Schluckspechte

Jedes Jahr habe ich rumgemault, dass die Vögel es wieder nicht schaffen, meinen Zierapfel 'Golden Hornet' leer zu futtern, was dazu führt, dass im Frühjahr neben bezaubernden Blüten scheußlich braun verschrumpelte Fruchtmumien hängen, die nicht loslassen können und ewig der Schwerkraft trotzen.

 


 

Dieses Jahr aber scheint es, als hätte der Baum seinen Endgegner gefunden: Plötzlich hat eine graue Naturgewalt, die Ringeltaube, Gefallen an den Früchten gefunden. Das Gute an Ringeltauben - im Gegensatz zu Amseln, die selbst den Spatzen keinen Sitzplatz im Baum gönnen - ist, dass sie überhaupt nicht futterneidisch sind. Stoisch ertragen sie die Nähe ihrer Artgenossen, sitzen manchmal dicht nebeneinander und schlucken einen Zierapfel nach dem anderen.

 






 

Genau, wirklich wahr, sie schlucken sie einfach so mit Stumpf und Stiel. Das klappt nicht immer, manche Frucht fällt der Taube aus dem Schnabel, aber meistens geht es nach viel Hängen und Würgen doch gut. Der Vogel zupft erst einmal unter Aufbietung seiner ganzen Kraft einen Zierapfel ab, anschließend wird er so im Schnabel gedreht, dass der Stiel von der Taube weg zeigt. Ganz schön clever, oder? Man könnte meinen, die Tiere haben jahrelange Erfahrung mit dem Verzehr grätenreicher Fischmahlzeiten.

 

 


 

 

Doch so richtig gesund sieht das oft nicht aus, eher nach Tierquälerei. Aber das müssen die Tauben ja selber wissen...

Liegt der Apfel endlich passend im Schnabel, beginnt die nächste Herausforderung, wie sie nur eine Ringeltaube annehmen kann: Das Ding will durch den Hals, Maulsperre inklusive. Und so würgt und keucht die Taube lautlos, bis die Frucht endlich in ihren Magen plumpst. Zum Glück musste ich noch keine erstickende Taube aus dem Baum retten, es scheint immer gut zu gehen.

 


 

Und schon wendet man sich der nächsten Beute zu. Zu fünft sitzen die grauen Riesen also wie die Geier im Baum und verschlingen einen gelben oder schon braunen Zierapfel nach dem anderen. Ein Magen wie eine Schrottpresse.


Macht das bloß nicht zuhause nach und versucht, einen ausgewachsenen 'Golden Delicious' im Ganzen zu schlucken, das können nur Ringeltauben mit 'Golden Hornet'!

Wir werden sehen, ob im Frühjahr der Baum endlich mal so kahl dasteht, wie es sein soll: Ohne Fruchtmumien.