Seit Jahren schon ist es mein Traum, eine eigene Mistel im Garten zu haben, um ihr beim Wachsen zuzuschauen. Das hat so etwas Meditatives, denn das dauert recht lange. Eine Mistel ist eben kein D-Zug und so haben die riesigen Kugeln an den Bäumen wohl schon Jahrzehnte auf dem Buckel.
Bisher habe ich immer auf dem Weihnachtsmarkt nach heruntergefallenen Beeren gesucht. Die Pflanzen werden dort gern verkauft, damit man nicht ungeküsst bleibt. Nun ist der Zeitpunkt dann aber zum Impfen der eigenen Bäume nicht der beste, der Embryo wohl noch nicht keimfähig. Außerdem läuft man Gefahr, eine Nadelbaummistel erwischt zu haben. Und so ist tatsächlich bislang jeder meine Ansiedlungsversuche grandios gescheitert. Der Zierapfel konnte daher immer wieder aufatmen.
Dieses Jahr war ich aber um den Valentinstag herum in München. Das scheint die Bundeshauptstadt der Misteln zu sein, so viele sah ich an den Park- und Straßenbäumen. Der Februar ist eine viel bessere Zeit zum Mistelbeeren-Aufimpfen, denn dann konnten die Früchte lange genug in luftiger Höhe ausreifen.
Am Straßenrand konnte allerdings von luftig und Höhe keine Rede sein, denn ein Sturm oder Schneebruch oder Wasauchimmer hatte einige kapitale Misteln vom Baum gerissen. Und da lagen sie nun im Dreck zwischen Streugranulat und Schneeresten.
Die Gelegenheit konnte man doch nicht verstreichen lassen! Also rasch gebückt und den Strauß mit ins Hotel genommen.
Wieder zuhause angekommen habe ich ein paar der Beeren - es waren wirklich viele - an einzelne Äste des Zierapfels geschmiert. Man muss sie quetschen, bis sie platzen, dann kann man die zähe, klebrige Masse auf den Ast pappen.
Als ich keine Lust mehr hatte, habe ich die restlichen Zweige in den Baum gehängt, allerdings hat sich kein Vogel dafür interessiert. Mittlerweile liegen sie vertrocknet am Boden.
Eigentlich hatte ich auch nur ganz zaghaft daran geglaubt, dass der Versuch diesmal was wird. Letzte Woche schaute ich mal wieder routinemäßig nach den Mistelbabies - und siehe da - es hatten sich bei mehreren "Samen" zwei kräftige grüne Tentakeln gebildet, die nun in Richtung Rinde wachsen, immer in der misteltypischen Mission "Ozapft is!": Der Baum wird angezapft. Der Zierapfel wird mich ab sofort hassen.
Es bleibt also spannend. Wann werden die Babies die ersten Blätter bekommen? Wird mich der Zierapfel von nun an mit Äpfeln beschmeißen vor lauter Wut oder wird er sich gegen die Invasion wehren können? Demnächst mehr auf diesem Kanal!