Sonntag, 12. Dezember 2010

Mein Freund, der Parasit

Schmarotzer hat eigentlich keiner so richtig lieb.
Wer sich auf Kosten anderer bereichert, macht sich selten Freunde, und mag er noch so hübsch sein. Was die meisten Parasiten aber nicht sind, ganz im Gegenteil. Noch nicht einmal dieser Triumph wurde ihnen gegönnt.
Man hält sich deswegen oft im Untergrund auf - dort, wo die Sonne nie scheint.
Höchstens zur Blütezeit wagen sich viele botanische Parasiten mal kurz an die Oberfläche - so wie die Sommerwurz (Orobanche).

Der einzige Schmarotzer, der es wahrlich zu Weltruhm gebracht hat und wenigstens zu Weihnachten heiß begehrt ist, ist die Mistel (Viscum album).
Zu ihren Gunsten muss man sagen, dass sie auch nur ein Halb-Schmarotzer ist, soviel Zeit muss sein.
Da sie nämlich Blattgrün besitzt, kann sie ohne fremde Hilfe Photosynthese betreiben und muss ihrem Wirt nur Wasser und Nährsalze abschwatzen. Was der im Zweifelsfall aber auch schon mehr als lästig findet.

Jetzt im Winter fallen die grünen Kugeln der Laubholzmisteln besonders gut auf. Der Wirtsbaum ist nun kahl und die Emporkömmlinge bekommen mehr Sonne als im Sommer. Dafür wird das Wasser nun knapp, der Baum hat ihnen nämlich den Hahn abgedreht. Man kann nicht alles haben - das Parasitenleben ist auch kein Zuckerschlecken.

Als wäre das alles noch nicht genug, wurde die Mistel seit jeher von Menschen geerntet.
Das hat sie regional selten gemacht, und manche Kommune ruft dieser Tage dazu auf, die Pflanze doch bitte an den Bäumen zu belassen.

Neuerdings werden die kleinen, handlichen Büsche sogar auf Weihnachtsmärkten teuer verkauft.


Dort lag neulich ein winziger Zweig mit zwei Beeren auf dem Boden - und ich konnte wie immer nicht widerstehen.

Denn der unvergessene Jürgen Dahl hat mich auf eine Idee gebracht.
Er, der schon immer ein Auge für das Verborgene hatte und in seinem Garten das Unkraut vor lauter hochinteressanten Pflanzen nicht sah, hat erfolgreich die Ansiedlung von Misteln im Hausgarten vorgemacht und beschrieben.

Das wollte ich auch - einmal dem Parasiten auf Augenhöhe begegnen, was wäre das spannend!
Sein Wachsen und Werden (und hoffentlich Fruchten) beobachten.
Pflanzenzucht ohne sich zu bücken!

 Mistel in Südfrankreich - so nah war ich noch keinem lebenden Exemplar

Große Mistel mit vielen Früchten, ebenfalls Südfrankreich - wenn sie irgendwo vorkommen, dann meist im Rudel

Wer also auch mal im eigenen Garten geküsst werden möchte oder aber auf Du und Du mit dem berühmtesten aller Schmarotzer sein will, der kann es mal versuchen:
Die Beeren zerquetschen und an einem trockenen Wintertag den klebrigen Inhalt auf einem gut erreichbaren Laubbaumast verteilen und zur Sicherheit drumherum wickeln.
Apfelbaum soll gut funktionieren.
Wer sich also nicht scheut, seinem Obstbaum die Pest an den Hals zu wünschen, der hat vielleicht Spaß an so einem Experiment für die ganze Familie. Viele Infektionen scheitern sowieso, weil Regen oder Schnee den Samen am Ende doch fortspülen.
Der Apfelbaum hat also eine faire Chance.
Und wenn er ganz großes Glück hat, handelt es sich um eine Nadelbaum-Mistel, dann wird das sowieso nichts.

Sollte die Mistel sich doch allzu breit machen, kann man immer noch den ganzen Ast amputieren. Macht man ja sowieso von Zeit zu Zeit. Eine einzelne Mistel wird dem Baum auch nicht wirklich schaden.

Falls das Wetter also einmal parasitenfreundlicher wird, wage ich es einfach.
Im Erfolgsfall werde ich berichten, ansonsten den Mantel des Schweigens darüber ausbreiten.

Also: Hochbeete waren gestern, heute wird in der nächsten Dimension und freischwebend gegärtnert!

(PS: Die schlechten Fotos der Misteln aus Südfrankreich wurden bei der Diaprojektion abfotografiert. Das ist die preisgünstige Variante der Dia-Digitalisierung, denn die erschwinglichen Diascanner produzieren auch kein besseres Ergebnis, eher im Gegenteil. Ein Stativ ist aber auf jeden Fall anzuraten.)

7 Kommentare:

  1. Hallo Elke
    Dein Beitrag ist wie immer schlicht und ergreifend genial! Öhm, meinem Zierapfelbäumchen kann ich aber nicht auch noch die Pest an den Ast wünschen, denn eigentlich hat er die schon am Halse in Form einer Ramblerrose, die ihn schier zu erdrosseln scheint. Ich könnte aber mal wieder Guerilla Gardening betreiben und im Wald nebenan das Versuchsprojekt starten... sofern ich ein paar Beeren finde. Aber erstmal warte ich Deinen Versuch ab... das nenn ich Energiesparen :o).
    Ich wünsche Dir einen schönen Dritten!
    Liebe Grüsse
    Alex

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  2. Wieder ein herrlich amüsanter und interessanter Post von Dir!

    Ich bin heute auch im verschneiten Wald umhegestolpert um ein paar Lärchenzweige mir zu holen. Ich habe nur die aufgelesen, die auf dem Boden lagen. :) ... auf jeden Fall, hatte ich es mit Göga auch darüber, das ich die Bäume mag, die im Winter kahl sind aber doch die "Büschel" von den Misteln in sich tragen.

    In einer Reportage, habe ich auch schon mal gesehen, das - wie Du schon geschrieben hast - das die Äste dann zurück geschnitten werden, weil nämlich die Schneelast auf den Mistelbüschen nicht zu unterschätzen ist!

    LG und einen schönen 3. Advent Dir!
    Pupe

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  3. Bei so viel Zuneigung zu diesem Halbschmaraotzer würde ich dir einen Besuch in Brandenburg empfehlen, Misteln gibt es hier reichlich, da würde sich auch ein Exemplar in Reichhöhe auffinden lassen. In manchen Gegenden sind die Bäume voll davon. Ich habe übrigens schon zweimal versucht meinem Apfelbaum so eine Mistel unterzuschmuggeln, er hat ihn nicht angenommen.
    LG
    Sisah

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  4. Bei uns sind Misteln schon seit Ewigkeiten auf dem Weihnachtsmarkt verkauft worden - sie werden allerdings von Jahr zu Jahr teurer....
    Selber im Garten ansiedeln würde ich nie. Da sind mir meine Bäume "zu heilig" dafür... ;-)
    LG Carmen

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  5. Hallo Elke,
    wieder einmal ein herrlicher und vor allem informativer Beitrag! Hier bei uns in der näheren Umgebung sind die Bäume voller Misteln, allerdings in schwindelerregender Höhe...da überlasse ich das Ernten doch lieber anderen und kaufe mir ein paar Zweige. Denn Weihnachten ohne Mistelzweig, das geht doch nicht!

    Liebe Grüße von Bärbel

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  6. Hallo Elke,

    ich habe es auch mal versucht und bin gescheitert. Ob es nun am Regen lag, der die Samen weggespült hat, an gefräßigen Vögeln, die es für eine ausgefallene Art der Winterfütterung hielten oder einfach daran, dass es hier im Norden (soweit mir bekannt ist) keine wilden Misteln gibt, also das Klima nicht gefällt, weiß ich nicht, aber ich werde es bestimmt wieder versuchen.

    GlG Jane

    PS: Ich habe mir wieder keinen Adventskalender gegönnt

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  7. Misteln hätte ich auch sehr gern im Garten, aber das ist Glückssache, wenn ein Vogel die Samen herbeibringt ...
    In unserem Dorf gibt es, soweit ich weiß, nur eine einzige Mistel ;-)
    Bäume selbst infizieren soll nicht so einfach sein und sehr oft nicht erfolgsversprechend. Zumal man auch die ganz genau passende Mistelart braucht und das weiß man bei Misteln vom Weihnachtsmarkt ja nie.
    Ich wünsche jedenfalls viel Glück!!!

    Lieber Gruß
    Sara

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