Samstag, 19. Oktober 2024

Rozanne

Meine Güte, was habe ich vor 13 Jahren vom Storchschnabel 'Rozanne' geschwärmt. Damals hatte ich mich sehr gefreut, diese Sorte für 3,50 statt 7 Euro erstanden zu haben auf dem Staudengrabbeltisch. Sie hieß zu dem Zeitpunkt noch 'Jolly Bee', bis der Züchter von 'Rozanne' einen Rechtsstreit angefangen hat, seitdem heißen sie alle 'Rozanne' – und 'Jolly Bee' ward nie mehr auf einem Staudengrabbeltisch gesehen.

Dafür sah man 'Rozanne' alsbald allerorten, während die gleichnamige Fernsehserie längst abgesetzt wurde. Vom Kreisverkehr über Verkehrsinseln und Friedhöfe bis hin zu Botanischen Gärten: Wo immer ein zuverlässiger Dauerblüher für den Beetvordergrund gesucht wurde, war dieser Storchschnabel die erste Wahl. Er kann  mit seinen langen Trieben auch in andere Stauden hinein ranken, was hübsche Effekte ergibt.









Warum blüht 'Rozanne' so lange? Weil die gute Dame völlig steril ist. Statt in Samen zu investieren blüht sie immer weiter. Weswegen man sie aber auch eben ganz schlecht vermehren kann. Teilen kann man sie vorsichtig, aber eben nicht aus Samen vermehren, was für den Züchter natürlich eine Goldgrube ist. Schnecken dezimieren sie immerhin auch nicht.

Und man muss wirklich sagen, dass 'Rozanne' äußerst langlebig ist. In meinem Garten blüht sie auch nach 13 Jahren noch fröhlich vor sich hin. Sie hat etliche Stauden um sich herum kommen und gehen sehen, aber sie ist noch da.

Andere Storchschnäbel sind derweil aus der Mode gekommen, nur 'Rozanne' wird immer noch als Massenware und Staude für alle Lebenslage eingesetzt. Das große Geranium-Sammelfieber der 90er und 2000er Jahre ist längst Geschichte, obwohl mit der diesjährigen Schneckenplage eigentlich das Gegenteil passieren müsste, denn alle Arten werden von Schnecken weiträumig umgangen.

Ein Problem haben Storchschnäbel: Sie sind nicht gerade als Wildbienenpflanzen bekannt. Sie können so heimisch sein wie sie wollen, aber es gibt keine Storchschnabel-Sandbiene. Generalisierte Wildbienen wie die Gehörnte Mauerbiene mögen die frühblühenden Arten wie den Braunen Storchschnabel aber ganz gern.

Und der Pyrenäen-Storchschnabel mit den kleinen Blüten ist die erste Addresse zum Übernachten.


Den Pyrenäen-Storchschnabel brauche ich also unbedingt auch noch. Ich schätze, 'Rozanne' wird auch ihn überleben und mich sicher auch.

Samstag, 12. Oktober 2024

Es knöterte der Knöterich

Heute soll es um den Kerzen-Knöterich gehen, eine Staude, die auch jetzt noch blüht und so schnell nicht schlapp macht. Ich habe meinen vor 7 Jahren bei der Staudenbörse im Botanischen Garten Gütersloh abstauben können und dabei einen hell rosafarbenen bekommen. Nun im verflixten siebten Jahr ist es an der Zeit, ihn ein bisschen in die Schranken zu weisen, denn so ein Knöterich lässt nichts anbrennen und macht sich ziemlich breit, auch wenn er nicht so ein feuriges Temperament haben dürfte wie der in Rot blühende. Doch die dezente Farbe täuscht, auch diese Sorte hat das Wuchern im Blut.

Was auch beide Farben gut können, ist Wespen anzulocken, die die Blüten sehr lieben.


Ich wollte so gern den roten haben und habe daher noch mal auf der Staudenbörse zugeschlagen. Völlig überraschend war es wieder der rosafarbene. Nun habe ich also zwei Platzhirsche, die durch die Beete knötern und sogar den Rauling in seine Schranken weisen.

Ich wollte aber immer noch den roten haben. Viele werden das kennen; Wenn man sich einnmal was in den Kopf gesetzt hat.... Der rote macht aber auch gerade im Herbst richtig was her und passt herrlich zu den Früchten des Pfaffenhütchens.




Schmetterlinge lieben die Pflanze auch (die roten vielleicht sogar mehr?), hier ein Landkärtchen:




Dieses Jahr habe ich dann überraschend ein kleines Töpfchen vom roten Kerzen-Knöterich geschenkt bekommen und gleich etwas noch Überraschenderes dadurch gelernt: Wenn man Triebe im Sommer in ein Wasserglas stellt, bilden sich rasch Wurzeln und man hat eine neue Pflanze ganz einfach und kostenlos herangezogen, sogar ohne sich die Finger oder den Spaten schmutzig zu machen.

So kann man die Triebe in etwa abschneiden:




Den neuen habe ich den Vorgarten gesetzt und er hat sich gleich viel Mühe gegeben. In Windeseile hat er beweisen wollen, dass er in Rot blüht und der Richtige für mich ist! Geht doch!

Samstag, 5. Oktober 2024

Je später die Blüten...

...umso schöner die Gäste! Der Efeu ist der letzte Massenblüher des Jahres. Wo er Mauern oder Zäune beranken darf und mehr als 10 Jahre alt ist, blüht er üppig und reichlich, wenn auch etwas müffelig. Dazu muss er aber klettern können. Bodendeckender Efeu blüht nicht, das tut er nur, wenn er sich zu Höherem berufen fühlt. Und obwohl man im Oktober kaum mehr mit interessanten Blütenbesuchern rechnet, ist gerade das olle Friedhofsgewächs ein Magnet für all die späten Insekten, die jetzt noch unterwegs sind.

Hornissen sind Stammgäste, andere Wespen auch, wobei die Hornissen als große Raubtiere sich dann entscheiden müssen, ob sie Wespen jagen oder Nektar schlürfen sollen. 


Auch Grabwespen sind hier unterwegs, wie die Kotwespe. Dazu noch kleine Insekten wie die Gemeine Halmfliege, hübsch gezeichnet wie eine Wespe, aber winzig.




Gewöhnliche Strauchschrecke wollte auch gern Nektar naschen, aber die Gegenwart der Hornisse war ihr unheimlich, also ist sie lieber davongehüpft.




Schwebfliegen sind auch immer gern am Efeu, genauso wie Admiral und Tagpfauenauge.



Und nun ist die Efeu-Seidenbiene auch in Bielefeld angekommen. Mit dem Klimawandel hat sie ihr Verbreitungsgebiet immer weiter nach Norden ausgedehnt. Im warmen Osten von Deutschland ist sie schon länger zuhause.



Nun ist sie da und das setzt einen natürlich ein bisschen unter Druck. Was soll man ihr anbieten? Wo soll im Kleinstgarten Efeu wachsen? Ich hatte tatsächlich mal eine schöne Terrassentrennwand voll mit blühendem Efeu, die ein Orkan im Februar 2022 umgeworfen hat. Seitdem ist sie kahl. Hinten im Garten blüht auch noch Efeu an einem Zaun, oder besser gesagt, das, was vom Zaun hoch in die Rosen gerankt ist. Das ist wenig. Gern würde ich Strauch-Efeu ins Beet pflanzen, aber seit Jahren gelingt es mir nicht, ihn heranzuziehen. Dabei braucht man dafür nur einen Trieb, der blühen kann, aber nicht klettern, erkennbar an den ovalen Blättern. Am besten reißt man die Spitze vom Zweig ab, da Risslinge mit der größeren Wundfläche besser Wurzeln bilden. Mein letzter Versuch startete im Herbst, aber alle Stecklinge sind wieder mal vertrocknet und haben rasch die Blätter abgeworfen.

Vielleicht muss ich es noch mal im Frühjahr probieren. Strauch-Efeu ist nämlich sehr praktisch. Da er aus den nicht-rankenden Trieben gezogen wird, kann er nicht klettern. So bleibt er kompakt und passt ins Beet. Auch später erinnert er sich nicht daran, dass man als Efeu die Wände hochgehen kann, er wächst immer so strauchig weiter. Eine Hecke aus Strauch-Efeu kann also die Efeu-Seidenbienen versorgen, ohne dass man eine Wand dafür braucht, was eher akzeptiert wird von Hausbesitzern.

Ich möchte aber keinen kaufen, sondern ihn selbst ziehen. Und das dauert und man braucht gute Nerven. Aber ich bleibe dran! Wäre doch gelacht, wenn ich der Efeu-Seidenbiene kein Begrüßungsgeschenk pflanzen könnte!

Samstag, 28. September 2024

Riesenraupen

Es war der Spätsommer der rasenden Riesenraupen! Vor allem die Schwärmer haben es mir angetan, immerhin sind sie der Mercedes unter den Nachtfaltern.



Riesenraupe Nummer 1: Mittlerer Weinschwärmer

Endlich ist mein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen und ich habe eine Raupe vom Mittleren Weinschwärmer gefunden. Gefunden hatte ich zwar vor Jahren schon mal eine, aber kein Foto davon. Das sollte sich im Urlaub an der Ostsee ändern. Es lief eine über den Radweg, und zwar sehr eilig. Weil es weit und breit nur gemähten Acker, gemähten Ackerrandstreifen, öde Böschung, Straße und eben den Radweg gab, habe ich sie eingesammelt, auch, weil ich keine Fotosession auf dem Radweg machen wollte. Sie musste dann in der vorderen Rucksacktasche ein paar Kilometer mit zum Campingplatz fahren. Dankenswerterweise hat sie auch nicht geköttelt. Glaube ich.

Wenn die Raupe sich bedroht fühlt, zieht sie den Kopf und den Hals ein, wird dadurch dicker, und die aufgemalten Augen treten hervor, was Feinde abschrecken soll:


Nach dem Fotografieren wollte ich sie im Dünenwäldchen aussetzen, weil ich dachte, sie will sich schon verpuppen. Stattdessen wirkte sie plötzlich unentschlossen und suchend. Immer wieder inspizierte sie Pflanzen, verwarf aber die Idee jedes Mal, dass es sich bei diesen um eine Zwischenmahlzeit handeln könnte. Also habe ich sie wieder aufgegriffen und sie mit zum Drüsigen Springkraut genommen, dass überall auf dem Campingplatz zu finden war. Und voila: Sie war hellauf begeistert und fing sofort an zu futtern. Mission erfüllt und noch mehr Fotos im Kasten.

Riesenraupe Nummer 2: Windenschwärmer

Auch diese kleine grüne Einhorn ist mir zugelaufen, auf dem Wanderweg. Weil sie aber sehr groß war und ich einfach keine Zaun- oder Ackerwinden für sie auftreiben konnte, habe ich sie nur in Sicherheit gebracht, wahlweise zum Entsetzen oder zur Freude (je nachdem) der Passanten, die das Riesentier entweder ganz scheußlich oder hochinteressant fanden.

Windenschwärmerraupen fressen in ihrem südlichen Verbreitungsgebiet auch an Süßkartoffelpflanzen. Vielleicht tun sie das aber auch schon bei uns, immerhin boomt ihr Anbau auch in Privatgärten.

Falls sich aus meiner Raupe ein Falter entwickelt hat, muss er schleunigst von Maasholm in den Süden fliegen, da er unsere Winter nicht überlebt. Da diese aber immer milder werden, schaffen es vielleicht bald einige Exemplare, wer weiß?


Riesenraupe Nummer 3 (Sesamstraßen-Edition): Brombeerspinner 

So haarig wie riesig, das ist der wuschelige Brombeerspinner. An der Ostsee fand ich die Raupen überall an den Dünen. Auch hier habe ich viele vom Weg entfernt, damit sie nicht zertreten werden. 

Erst nach einer zweistelligen Anzahl der Zugriffe hatten sich einige Raupenhaare in meiner Haut festgesetzt und es hat gepikt, war aber nicht schlimm.

Manche Raupen waren viel kleiner, einige hatten schon einen Kokon einer Schlupfwespe an ihrem Pelz. Das habe ich aber erst bei einem Tier entdeckt, als ich ein anderes aus der Brandung gerettet hatte. Sofort hatte ich ein schlechtes Gewissen - vielleicht war das auch sehr mickrige Exemplar parasitiert und wollte in der Ostsee Selbstmord begehen? Jetzt konnte es dank mir noch mal den langen Fußmarsch antreten.

Die Raupen fressen nicht nur Brombeeren, sondern auch an vielen anderen Pflanzen, hier an Eiche:

Doch auch die Riesenraupen fangen mal klein an, hier Brombeerspinner im Juni, gerade aus dem Ei geschlüpft:




Jetzt hätte ich natürlich noch mehrere Wünsche offen: Einmal eine Raupe vom Taubenschwänzchen zu finden, das wäre was!

Samstag, 21. September 2024

Blau wie das Meer

Er wächst im Niemandsland zwischen Meer und Festland und kann sich daher nicht entscheiden, ob er blau wie das Meer oder blau wie der Himmel sein möchte: Der Meerkohl (Crambe maritima). Er ist bei uns einzigartig, was sich schon im Gattungsnamen ausdrückt, denn er gehört nicht zu den anderen Kohlvertretern namens Brassica.


An der Ostsee zwischen Kiel und Flensburg wächst er ganz besonders häufig, sogar in Pflasterfugen, wo der Deich befestigt wurde. Seine Blätter sind von diesem unglaublichen Blau und noch dazu zäh wie Leder, fast schon sukkulent. Und diese robuste Konstitution braucht er dringend, denn er muss auch mal der Brandung und vor allem dem oft ruppigen Wind standhalten.

Seine Samenkapseln sind harte Kugeln, die so einiges aushalten. Jetzt im September war er schon verblüht.

Was auffällt: An der Ostsee sah ich deutlich mehr Große Kohlweißlinge fliegen als bei uns. Diese Art ist wegen ihrer gregären Lebensweise, bei der das Weibchen ein großes Eicluster an eine Pflanze legt, seltener als der Kleine Kohlweißling oder der Grünaderweißling, die einzelne Eier ablegen. Sie kommen daher auch mit mickrigen Appetithäppchen von Pflanze aus wie einem zu klein geratenen Grünkohl. Der Große aber braucht schon eine gestandene Pflanze.


Leider war der Urlaub vorbei, bevor ich herausfinden konnte, welchen Schaden die Raupen am Meerkohl anrichten können. Juckt es ihn überhaupt? Die dicken Blätter erlauben vielleicht mehr Fraßschaden als bei gewöhnlichem Kohl. Jedenfalls kann ich mir gut vorstellen, dass die Art danke des Meerkohls an der Ostsee so oft zu beobachten war, immerhin wächst er pestizidfrei heran und niemand sammelt die Raupen ab.








Meerkohl ist auch für uns essbar, nicht nur für Kohlweißlinge. Man sollte ihn aber wild nicht sammeln, da er ständig in Bedrängnis ist durch Urlauber, die in den Dünen herumlaufen oder -liegen, und das Verbauen oder Ummodellieren von Strandabschnitten. Ein Überwuchern durch Kartoffel-Rosen kann ebenso ein Problem sein. Auch Sturmfluten setzen ihm zu, die durch den Klimawandel häufiger werden. Alles in allem sind Kohlweißlinge wohl sein geringstes Problem.


Man kann ihn aber auch im Garten anbauen. Er braucht unbedingt viel Platz um sich herum und volle Sonne, wie er es am Strand vorfinden würde. Er ist eben doch ein sonnenverwöhnter Ostseeurlauber.

Im Botanischen Garten in Frankfurt am Main kann man ihn in eine Dünenlandschaft integriert sehen. Trockenheitsverträglich ist er definitiv.

Ein Tipp also für den wilden, essbaren Garten.