Samstag, 24. November 2018

Ich seh den Sternenhimmel

Wenn ich wissen will, wie spät es ist, frage ich meinen Bleistiftkaktus. Gut, der ist jetzt nicht auf die Minute genau, noch nicht mal auf die Stunde. Aber er ist über jeden Zweifel erhaben, wenn es darum geht, zu wissen, wann die letzte Novemberwoche angebrochen wird. Dann blüht er nämlich. Hat er letztes Jahr schon so gemacht, macht er jetzt wieder.






Von der letzten Blühpase im November 2017 ist noch eine rote Stachel-Beere übrig geblieben, die wie eine unrasierte Weihnachskugel aus den rastalockenartigen Zweigen hervorleuchtet.

 
Allerdings sind mir die weißen, sternchenförmigen Blüten in der Zwischenzeit etwas näher gekommen. Ich bin nicht so vermessen zu glauben, dass der Kaktus meine Nähe sucht. Eher ist es so, dass er beim Wachsen erst nach oben hin antäuscht, um sich dann in Kürze der Schwerkraft zu beugen und neue Triebe nach unten zeigen lässt. Als Sonnenuhr kann man ihn also nicht lange gebrauchen. Interessanterweise kippen sie immer alle in dieselbe Richtung um. Mein Kaktus ist anscheinend bekennender Links-Ästler (auf dem Bild wird er verkehrt herum gehalten).

Die alten Triebe haben sich auch ziemlich in die Länge gezogen, ihrer natürlichen Wuchsrichtung folgend immer nach unten. Und so bildet er langsam aber sicher eine haarige Gardine.

Obwohl der aufdringliche Rhipsalis mir also bald die Sonne im Wohnzimmer verdunkeln wird, bin ich jetzt Fan von den kuschligen Kakteen, die sich so gern hängen lassen. Die weißen Blüten sind durchaus weihnachtstauglich, die roten Früchte erst recht. Da die Triebe mit den weichen Stacheln ein bisschen ergraut aussehen, sieht die Pflanze passend zum Winterwetter frostig aus. Ein echtes Naturtalent, wer braucht da noch einen Weihnachtsbaum?


Wenn ihr auch so ein haariges Weihnachtswunder haben wollt, müsst ihr nur einen Ast abnehmen und in Erde bewurzeln lassen. An manchen sind sogar schon Luftwurzeln dran. In nur wenigen Jahren hat man dann so ein Ampelmännchen im Pflanzkorb baumeln.




Auch die Pflege ist sehr einfach: Wenn die Ästchen schrumpelig aussehen, nehme ich den Kaktus aus der Ampel, möglichst ohne ihm einen Arm zu brechen, und tauche ihn in Wasser. Alle paar Monate gibt es sogar Flüssigdünger dazu.



Einen Rhipsalis zur Gardine zu machen klappt garantiert - und man weiß immer, wann November ist.

Samstag, 17. November 2018

Gladiolen überwintern

Obwohl sie so robust und kämpferisch aussehen mit ihren schwertförmigen Blättern und den feisten Knollen, müssen Gladiolen aus der Erde, sobald im Herbst Bodenfrost droht. Das kann sich schon mal bis Dezember hinziehen, diesmal mussten sie aber schon Mitte November ausgehoben werden. Ich denke immer, je länger die Pflanzen in der Erde bleiben dürfen, umso besser, denn dann können sie nicht austrocknen.

Jetzt bin ich froh, dass ich sie gestern eingesammelt habe, denn heute sah es sehr frostig aus im Garten:

Buschmalve, Rosa multiflora, Großer Odermennig

Hasel

Kerzenknöterich

Stockrose und Kerzenknöterich

Wald-Erdbeere

Pfaffenhütchen


Irgendwann ist also immer der Moment gekommen, um loszulassen. Und das tun Gladiolen leider allzu gern, wenn man am Laub zieht. Da gibt es eine perfide Sollbruchstelle zwischen Blattansatz und Knolle, vielleicht um den Fressfeind zu verwirren, so ähnlich wie bei Eidechsen, wenn sie ihren Schwanz abwerfen? Ich bin jedenfalls manchmal so verwirrt, dass ich die nun blattlos gewordene Knolle ohne ihr signalgebendes Blattschwert nicht mehr wiederfinde. Das ist aber eine dumme Strategie der Pflanze, denn so wird sie am Ende erfrieren müssen.


So werden es leider von Jahr zu Jahr weniger Exemplare (seit nun 4 Jahren, so lange habe ich die Knollen) und sogar die Anzahl der Brutzwiebeln war schon mal höher. Und dieser Sommer war so trocken, dass die Damen sogar auf das Blühen gänzlich verzichtet haben. Was für ein Jammer!

Damit sie also wenigstens ins nächste Jahr hinüber gerettet werden, nun raus damit, und zwar schleunigst!

Was man für den Schwertkampf braucht, ist Folgendes:


  • Eine Schaufel zum Nachgreifen, wenn die Knolle ins Bodenlose verschwunden ist, weil man wieder mal nur Blätter in der Hand hat.
  • Ein gutes Gedächtnis, um zu wissen, wo man nachhaken muss, wenn das Laub abgerissen ist.
  • Ein geschultes Auge, um das Laub der Schwertlilien von dem der Gladiolen unterscheiden zu können, denn die liefern keine Knollen und möchten lieber an Ort und Stelle ausharren (ich habe schon oft vergeblich an denen gezogen, bis sowohl ich als auch die Iris ganz entnervt waren).
  • Eine Schere, um das Laub von der Knolle zu trennen, falls das Entreißen aus Mutter Erde ausnahmsweise geklappt hat.
  • Einen Karton als Schatzkiste zum Überwintern auf dem Dachboden.
  • Einen Eimer zum Sammeln der dicken Schätze (optional, wenn der Karton direkt im Garten gefüllt wird).
  • Zeitungspapier zum Einwickeln der Zwiebeln, gern nehmen wir dazu den Karriereteil, um den nötigen Ansporn zu liefern. Zeit genug zum Studium ist ja im Winter. Falls keine Zeitung aufzutreiben ist, tun es auch Eierkartons, Brötchen- oder Mehltüten aus Papier. Hauptsache atmungsaktiv.






Nach dem Einwickeln in Zeitungspapier dürfen sich die Knollen in den Karton kuscheln. Den packe ich dann auf den ungeheizten Dachboden, wo sie bis zum nächsten Frühjahr schlummern dürfen. Hoffentlich ist dann ein besseres Gladiolenjahr!

Samstag, 10. November 2018

Retten mit dem Rad

Als ich nach Bielefeld zog und das erste Mal mit der Straßenbahn zur Uni fuhr, habe ich mich etwas gewundert. Die ersten paar Kilometer Strecke führten an Unmengen von Grabsteinen ohne Gräber vorbei - Ausstellungsstücke von Steinmetzen, einer nach dem anderen hatte an der Trasse sein Firmengelände. Wurde in Bielefeld mehr gestorben als anderswo? Sollte ich vielleicht besser zusehen, dass ich nicht zu lange blieb?

Später ging mir ein ganzes Grablicht auf: Diese große Konkurrenz an Grabsteinverkäufern lag nur an der Nähe zum Sennefriedhof, und der ist gewaltig groß und daher auch ein großes Geschäftsfeld. 100 Hektar misst er und ist damit einer der größten in ganz Deutschland.


Nun ist das aber nicht der einzige Bielefelder Friedhof. Insgesamt gibt es 20 städtische und 9 kirchliche, also ganz schön viele, einen sogar in bester Innenstadtlage. Noch dazu liegen einige direkt an meinen liebsten Radwegen. Manchmal kann ich daher nicht widerstehen und schaue nach, ob in den Entsorgungsbehältern wohl Pflanzen zu retten sind, wo ich schon mal da bin. Komisch komme ich mir dabei schon vor, aber es ist nicht nur umsonst, sondern auch umweltfreundlich, denn die Gewächse sind mit viel Dünger und Torf herangezogen worden und wirklich zu schade für den Müll.


Viele meiner besten Stauden und noch mehr Blumenzwiebeln stammen von dort, auch so mancher Übertopf. Nicht nur die ehemalige Grabbepflanzung landet in den Müllbehältern, noch bevor sie verblüht ist, sondern auch Wildkräuter, die nicht auf dem Grab wachsen sollten. Ich habe so schon Baldrian und Fingerhut erbeuten können.

Zu den richtig guten Funden gehören auch diese hier: Heucheras, Hosta, Lungenkraut und Sempervivum:




Drei riesige Lavendelpflanzen in voller Blüte habe ich einmal gefunden. Sie wurden sogar schon weggeworfen, ehe sie überhaupt gepflanzt waren. Es war wohl kein Platz mehr oder keine Lust.

Hier wird gerade ein Enzian gerettet (die Handschuhe dienen nicht dazu, Fingerabdrücke zu vermeiden, sondern es war einfach kalt):



Im Behälter daneben liegt ein kleinwüchsiges Sedum - wenn man es nicht mitnimmt, wird es garantiert auch nie mehr größer:


Letztes Wochenende habe ich eine großartige Aster schon im zweiten Müllbehälter entdeckt. Eine blaue, nicht ganz gefüllte Sorte. Die musste mit, bevor sie am Ende noch dem Tode geweiht ist. Zum Glück kann man fast sicher sein, im angrenzenden Mülleimer für nicht-verrottende Materialien was zum Einpacken zu finden - und frisch gewickelt ab damit auf den Gepäckträger:


Jetzt sieht die Aster doch aus wie gekauft! Zuhause dann ab ins Beet damit:



Kurz nach Allerheiligen ist meist auch der letzte Termin, um gute Pflanzen zu finden. Nun sind die Gräber mit Gestecken geschmückt und keine Staude wird mehr ausgetauscht. Bis im Frühjahr wieder Narzissenzeit ist und die Behälter erneut voll sind mit den armen Pflanzen, die am Verblühen sind...

Und nun hoffe ich, dass die neue Aster sich gut einlebt und nächstes Jahr vielleicht auch Zitronenfalter anzieht, wie diese hier im Null-Euro-Beet:


Samstag, 3. November 2018

Bremen: Felgen, Pflanzen, Vogelmiere

Wenn ich ein Kaninchen wäre, würde ich mich hauptsächlich von Vogelmiere ernähren. Aber dann hieße sie wohl Kaninchenmiere. Tatsächlich wird das gern als Unkraut verpönte Kraut Kanarienvögeln als Salat gereicht. Und die können das sicher gar nicht vollumfänglich schätzen, weil sie nicht wissen, wie Mais schmeckt. Ich weiß es aber und daher bekommen Kaninchen und Kanarienvögel ab sofort durch mich ganz große Konkurrenz: Frische Vogelmiere schmeckt tatsächlich allerleckerst nach Mais. Ich will jetzt auch eigene Vogelmiere haben.

Und ich musste erst bis Bremen reisen, um das zu lernen. Dort hat mich Bloggerin Melanie von Kistengrün als lebendes Navi mit dem Fahrrad zu einigen grünen Schätzen gelockt, wo ich unter anderem Vogelmiere verkostet habe.

Und das hier ist die Lucie, ein Urban-Gardening-Projekt am Lucie-Flechtmann-Platz, daher der Name. Weil der Platz nur aus grauem Beton bestand, wurde nun seine weibliche Seite herausgekehrt mit Blumen, Hochbeeten, Totholz und einem Spielplatz.

Der Platz ist am Rand mit Amberbäumen bepflanzt, deren Blätter eine nette rote Deko abgeben und auf manchen Bildern als Komparsen mitspielen:


Die haben da richtig am Rad gedreht: Fahrradfelgen sind hier ein geniales Gestaltungselement - man beachte, wie gut die orangefarbenen Reflektoren zu den Tagetes passen:




Hier mit blauen Felgeninnenseiten als Kontrast:


Überall hat sich das Knopfkraut zwischengemogelt, das man immerhin auch essen kann. Plastikhängetöpfe werden mit Stoff bespannt gleich heimeliger, die Haken für die Aufhängung halten auch das Tuch:


Diese unbekannte Pflanze hier mit den rosa Lippenblüten sah so sehr nach Teekraut aus, dass ich mal versuchsweise reingebissen habe - schmeckte furchtbar bitter, nicht so lieblich, wie die Blüten vermuten lassen. Kann eben nicht alles so gut schmecken wie Vogelmiere...


Noch mal das mit Tagetes gesäumte Radlager in voller Länge:


Amberbaum an Roter Bete, Sonnenblumen vor blauem Container und duftendes Basilikum:


Weiter ging es zu einem etwas weiter außerhalb gelegenen Gartenprojekt, wo es die Vogelmiere zu verkosten gab, und zu einigen sehenswerten Schrebergärten, wo auch eine Schubkarre bepflanzt war. Aus der ist zwar ziemlich die Luft raus, aber Hosta und Stinkender Storchschnabel lassen sich gemütlich oben hängen:



Romantik mit Astern und Rosen - und wieder Tagetes:


Auch diesem schicken Bauwagen stehen die orangefarbenen Studentenblumen richtig gut. Hier wurde stilsicher der Vorhang passend zu den Pflanzen ausgewählt:




Später durfte ich noch Meerschweinchen mit frischem Laub füttern. Aber nicht mit Vogelmiere, da wäre ich futterneidisch gewesen...