Samstag, 10. November 2018

Retten mit dem Rad

Als ich nach Bielefeld zog und das erste Mal mit der Straßenbahn zur Uni fuhr, habe ich mich etwas gewundert. Die ersten paar Kilometer Strecke führten an Unmengen von Grabsteinen ohne Gräber vorbei - Ausstellungsstücke von Steinmetzen, einer nach dem anderen hatte an der Trasse sein Firmengelände. Wurde in Bielefeld mehr gestorben als anderswo? Sollte ich vielleicht besser zusehen, dass ich nicht zu lange blieb?

Später ging mir ein ganzes Grablicht auf: Diese große Konkurrenz an Grabsteinverkäufern lag nur an der Nähe zum Sennefriedhof, und der ist gewaltig groß und daher auch ein großes Geschäftsfeld. 100 Hektar misst er und ist damit einer der größten in ganz Deutschland.


Nun ist das aber nicht der einzige Bielefelder Friedhof. Insgesamt gibt es 20 städtische und 9 kirchliche, also ganz schön viele, einen sogar in bester Innenstadtlage. Noch dazu liegen einige direkt an meinen liebsten Radwegen. Manchmal kann ich daher nicht widerstehen und schaue nach, ob in den Entsorgungsbehältern wohl Pflanzen zu retten sind, wo ich schon mal da bin. Komisch komme ich mir dabei schon vor, aber es ist nicht nur umsonst, sondern auch umweltfreundlich, denn die Gewächse sind mit viel Dünger und Torf herangezogen worden und wirklich zu schade für den Müll.


Viele meiner besten Stauden und noch mehr Blumenzwiebeln stammen von dort, auch so mancher Übertopf. Nicht nur die ehemalige Grabbepflanzung landet in den Müllbehältern, noch bevor sie verblüht ist, sondern auch Wildkräuter, die nicht auf dem Grab wachsen sollten. Ich habe so schon Baldrian und Fingerhut erbeuten können.

Zu den richtig guten Funden gehören auch diese hier: Heucheras, Hosta, Lungenkraut und Sempervivum:




Drei riesige Lavendelpflanzen in voller Blüte habe ich einmal gefunden. Sie wurden sogar schon weggeworfen, ehe sie überhaupt gepflanzt waren. Es war wohl kein Platz mehr oder keine Lust.

Hier wird gerade ein Enzian gerettet (die Handschuhe dienen nicht dazu, Fingerabdrücke zu vermeiden, sondern es war einfach kalt):



Im Behälter daneben liegt ein kleinwüchsiges Sedum - wenn man es nicht mitnimmt, wird es garantiert auch nie mehr größer:


Letztes Wochenende habe ich eine großartige Aster schon im zweiten Müllbehälter entdeckt. Eine blaue, nicht ganz gefüllte Sorte. Die musste mit, bevor sie am Ende noch dem Tode geweiht ist. Zum Glück kann man fast sicher sein, im angrenzenden Mülleimer für nicht-verrottende Materialien was zum Einpacken zu finden - und frisch gewickelt ab damit auf den Gepäckträger:


Jetzt sieht die Aster doch aus wie gekauft! Zuhause dann ab ins Beet damit:



Kurz nach Allerheiligen ist meist auch der letzte Termin, um gute Pflanzen zu finden. Nun sind die Gräber mit Gestecken geschmückt und keine Staude wird mehr ausgetauscht. Bis im Frühjahr wieder Narzissenzeit ist und die Behälter erneut voll sind mit den armen Pflanzen, die am Verblühen sind...

Und nun hoffe ich, dass die neue Aster sich gut einlebt und nächstes Jahr vielleicht auch Zitronenfalter anzieht, wie diese hier im Null-Euro-Beet:


23 Kommentare:

  1. meine Freundin und ich durchsuchen auch systematisch und hemmungslos unseren nahe gelegenen Friedhof nach Grünzeug, das gerettet werden muss:-)
    lG Isabelle

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  2. Guten Morgen Elke
    als radelnde Pflanzenretterin habe ich mich noch nicht betätigt ;-)... hier auf dem Land, wo jeder jeden kennt, hab ich da schon Bedenken aus dem Grünzeugbehälter vom Friedhof etwas mitzunehmen. Viel Freude mit der kleinen Aster.
    Ein schönes Wochenende - lieben Gruß, Marita

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  3. Oh ja, das kenne ich. Vor zwei Tagen habe ich zwei echte Myrrten vom Friedhofskompost gerettet. Wir haben auch eine tolle Grüngutstelle, dort gibts ebenfalls schöne Pflanzen und Material zum Pflanzenfärben.
    LG Gitta

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  4. Klasse! Ich muss zum Friedhof...
    Nee, wirklich toll! Hab mich nie richtig getraut, dabei ist unser Friedhof nicht weit weg. Ich will im Frühjahr ein neues Beet anlegen, ich brauche noch Pflanzen. 😁
    Ein schönes Wochenende!
    Daniela

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  5. Liebe Elke,
    es ist schon ungewöhnlich Dich als Pflanzenretterin am Friedhof vorzustellen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass dort schlecht aussehende Pflanzen in großen Mengen weggeworfen werden. Die geretteten Astern sehen gut aus. Viel Freude damit.
    Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende.
    Liebe Grüße
    Loretta

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  6. Beim Friedhof, darauf bin ich nun noch nicht gekommen. Ich bin ja immer auf dem Grünschnittplatz unterwegs ... der Platz in meinem Garten wird immer weniger. Dabei wohne ich nicht weit weg vom Friedhof .... man müsste tatsächlich mal einen Blick hinein werfen ... Danke für den Tipp. Ein schönes Wochenende wünscht Marion

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  7. Super, du hast dich getraut zu sagen dass dus tust, ja auch ich habe schon manche Pflanze vom Friedhof gerettet. Nun, da wir keine Grabpflege mehr machen ( verjährt) gehe ich nicht mehr so oft auf den Friedhof, aber deine Fundstücke regen dazu an, es gleich zu tun.
    Ein schönes Wochenende,
    liebe Grüße Edith

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  8. auf unserem Dorffriedhof wurde ich auch schon mal fündig, nun liegt der Kompostplatz außerhab des Friedhofes und ich weiß dort wird alles später nur weggeschoben . Ein sehr alter Buchsbaum war dort, den rettete ich , mit einem sehr scharfen Spaten teilte mein Mann die Wurzeln , ich machte daraus bestimmt 10 Setzlinge, diese schnitt ich gut zurück. Tief gepflanzt bewurzelten sie sich und nun verdeckt das Grün eine häßliche betonsteinmauer, die die Terasse stützt. auch Hortensien finde ich dort LG von Frauke

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  9. Ich war schon lange nicht mehr auf dem Friedhof..... nicht auf dem Grab, aber auch nicht, um Pflanzen zu retten. Ich kenne den Friedhofsgärtner, er ist der Bruder einer Schulfreundin. Das macht die Sache nicht besser...
    danke für deine Bilder, sie zaubern ein Lächeln!
    Herzlichst
    yase

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  10. Good to give sad plants a second chance.

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  11. Liebe Elke, die Idee mag ja nicht schlecht sein, aber hier bei uns überhaupt nicht umsetzbar. Der Friedhof ist überhaupt nicht groß, von überall einsehbar und man würde ziemlich komisch angesehen werden, wenn man von dort etwas mitnimmt. Da hast Du in der Stadt sicher einen Vorteil.

    LG Kathrin

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  12. Ich habe es auch schon getan,aber nachdem ich mich eingehend vergewissert hatte,daß keiner guckt.... Einmal hat mich jemand beobachtet und beim Verlassen der Stätte ganz schief angeguckt...aber ich würde es immer wieder tun...wenn ich ranlange,denn die Abfallbehälter sind so groß,da falle ich manchmal selber mit rein....
    LG JO

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  13. Ich finde es toll, dass Du Pflanzen rettest... Wir kaufen auch aus Mitleid Pflanzen aus der Abverkaufsecke, um sie zu retten :-)

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  14. Hallo Elke,
    wow - ich hätte nicht gedacht, dass ein Friedhöflicher Kompost solche Schätze beherbergt. Da denke ich spontan als Schwabe: das hat mal viel Geld gekostet und sieht noch wunderbar aus! Wieso schmeißt man das weg?
    By the way: Bist Du sicher, dass DU keine schwäbischen Wurzeln hast? *lach*
    Viele Grüße,
    Krümel

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  15. Beim Anblick der Hauswurz werde ich ganz neidisch. Meine waren auch recht ansehnlich, bis – sich die Eichhörnchen drübergemacht haben.
    Ich habe nicht mal geahnt, wie lecker sie die finden.
    Ein echtes Ratzekahlfest, schnüff!
    Trotzdem herzliche Grüße aus dem ansonsten sonnig-goldenen München
    Petra

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  16. Das heisst dann für die Pflanzen also: das Leben danach oder Reinkarnation ;-).
    Ich finde das völlig ok. Wenn die ursprünglichen Besitzer die gewollt hätten, hätten sie sie ja mitgenommen.
    Grüess und Hebs guet
    Pascale

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  17. Tja, unsere schöne 'heile' Wegwerfgesellschaft. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum ich mich schon länger so gar nicht mehr für gepflegte Grabbepflanzungen und typisch deutsche Balkongärtner begeistern kann …
    LG Silke

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  18. da hab ich hier ganz schlechte karten:( hier gibt es solchen grabschmuck nicht, und diese seltsamen tortenbehaelter mit kunstlilien - duerfen sie gern behalten:( aber wieso man blumenzwiebeln nicht einfacher tiefer unter andere pflanzen setzt muss ich nicht verstehen, oder? die kommen doch immer wieder, grad narzissen....

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  19. Das ist wahrhaftig groß - ich dachte schon, unserer ist mit a. 42 Hektar einer der größten Deutschlands. Wobei diese Info in Wikipedia steht - bei der Propstei jedoch , er wäre mit 171 Morgen der größte kirchliche Friedhof Deutschlands. Der Bielefelder ist dann sicher nicht nur ein kirchlicher.

    In der Friedhofsgegend sind bei uns auch so einige Steinmetze ansässig und Blumengeschäfte. ;-) Aber auch an anderen Orten der Stadt, nahe beim Krankenhaus, eigentlich ganz atypisch. ;-)

    Vom Friedhof haben wir auch schon so einige Pflanzen "gerettet" - neulich sah ich auf Instagram eine steinerne Rose - was alles weggeworfen wird. Leider kommt man auf unserem Friedhof an diese Grabreste nicht mehr heran. Das ist jetzt alles eingezäunt, obwohl es sowieso entsorgt wird. ;-) Früher hat man da schöne Dinge gefunden, auch Trittplatten, steinerne Schalen ... alles für den Müll ... aber es ist wohl wie mit dem Sperrmüll, der bei uns der Stadt gehört und den streng genommen niemand stehlen darf. ;.) Hält sich nur keiner dran!

    Es ist schon schade, dass die Gräber nicht dauerhaft bepflanzt werden mit Pflanzen für unsere Region, aber vieles stammt halt aus zusätzlichen Töpfen ... das ist ja in den Wohnungen nicht anders. Wenn ich nur an diese silvesterlichen Glücksklee denke ... alles nur ein Fall für den Müll oder diese glitzerig besprühten Mini-Tännchen und Weihnachtssterne ....

    Eine meiner kleinen Tannen habe ich auch vom Friedhof. :-)

    Die schwarzen Handschuhe erwecken tatsächlich einen gewissen Eindruck *lach*

    Wow, Dein Rad ist ja beladen! Bei uns auf dem Friedhof erntet man bei so viel Offensichtlichkeit allerdings schon mal Tadel vom Personal, das bei der Gelegenheit mal aus den Büschen "springt", seitdem "verstecke" ich meine Funde sicherheitshalber in einer Tasche. Habe keine Lust auf unnötige alberne Diskussionen ...

    Liebe Grüße auch hier
    Sara

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  20. Schön, mal aus dieser Sicht zu lesen. Der Vorpächter unseres Schrebergartens war "Friedhofsjäger", außer wunderschönen Blumenbeeten, die das ganze Jahr von Schnneglöckchen bis Christrosen blühen, haben wir leider auch Unmengen von Sträuchern "geerbt", die auch extrm nach Friedhof aussahen, alle Arten von Nadelsträuchern, Thuja, Eibe,... wir haben erst einmal gründlich gerodet, damit der Garten heller wird.

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  21. Ich bin auch so eine Friedhofstonnenkontrolleurin. Es ist wirklich erstaunlich was so alles in diesen Grüncontainern landet. Aber auch in denen mit Restmüll. Im Frühjahr - wenn die Novembergestecke wieder weg kommen - findet man Berge von Tonschalen in allen Größen. Auch bildhübsche Laternen die mit Friedhof optisch nichts zu tun haben. Und bei ganz vielen Pflanzen kapiere ich nicht wieso die überhaupt weg geworfen werden. Traumhafte Christrosen zum Teil noch mit Blüten einfach weil ja schon Februar ist z.B. Einige blühen jetzt zuverlässig jedes Jahr bei mir im Garten. Und wer sich nicht traut kann auch einfach mal die Gärtner fragen. Die freuen sich normalerweise wenn sie Pflanzen, die bei der vertraglichen fixierten Neugestaltung entfernt werden müssen, nicht entsorgen müssen.
    Viele Grüße
    Claudia

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  22. Gab es da mal Begegnungen mit Friedhofsgärtnern oder Besuchern während der Rettungsaktion?

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    1. Nein, gar nicht. Falls es jemand gesehen hat, wurde es wohl nicht als schlimm gewertet.

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