Sonntag, 27. Januar 2013

Ich war eine Laterne

Straßenlaternen haben's auch nicht immer leicht. Sie werden getreten, angefahren, von Hunden als Bedürfnisanstalt benutzt, und dabei auch noch wenig beachtet. Man nimmt sie höchstens beiläufig zur Kenntnis, dabei sind sie doch so helle Köpfe. Wir nehmen sie erst dann wirklich wahr, wenn sie nicht mehr funktionieren.

Neuerdings werden sie zu allem Überfluss auch noch enthauptet: In letzter Zeit sieht das Straßenbild im Dunklen nämlich ganz anders illuminiert aus als vorher. Der Grund: Die alten Pilzkopflaternen, die nicht nur in Bielefeld so sehr zum Straßenbild gehörten, werden nun nach und nach ausgetauscht durch LED-Leuchten. Die sind modern, hell und energiesparend und noch dazu wartungsarm.

Tolle Sache, aber was ist mit den hübschen Plexiglaszylindern der alten Laternen? Alles Schrott, oder was?

Das wollen wir doch mal sehen, haben sich hiesige Designer gedacht, und einfach mal beim nächsten Abwracktermin ein paar Lampenköpfe vor der Verschrottung gerettet. Und siehe da: Die Dinger sind, wenn man sie umdreht, äußerst standfest, stabil und haben zufällig genau die richtige Höhe, um sich darauf an einen handelsüblichen Esstisch zu setzen. Und schon leuchtete ein neuer Stern am Hockerhimmel: Der Statthocker.

Die Zylinder werden geschrubbt, dann wird ein in Handarbeit hergestellter Deckel aufgeklebt, fertig ist die Sitzgelegenheit mit Geschichte. Auf Wunsch gibt es den Hocker innen mit LED-Leuchte, so dass sich die Ex-Laterne dann nicht ganz so entfremdet vorkommt.

Mein Mann hat mich zu Weihnachten mit so einem Hocker aus Freilandhaltung überrascht. Günstig ist so eine Sitzgelegenheit nicht, aber wann bekommt man schon mal ein Stück Stadtgeschichte zum Draufsetzen, und umweltfreundlich noch dazu? Bei meiner Variante ist noch eine Spende für den Tierpark im Preis inbegriffen.



Jetzt habe ich endlich einen eigenen Hocker, denn der andere ist sowieso immer besetzt:


Im Sommer kann der Hocker auf der Terrasse aushelfen, wenn ein Stuhl fehlt und die Grillparty erhellt werden muss. Er ist wirklich äußerst stabil und überhaupt nicht unbequem.

Vielleicht wird so eine Aktion zum Lampenaustausch auch in eurer Stadt durchgeführt, und ihr könnt selbst so einen Zylinder abstauben? Mit handwerklichem Geschick bekommt man sicher noch andere tolle Sachen daraus gezaubert. In einem Altbau oder Treppenhaus kann man die Milchglasröhren bestimmt direkt als Lampenschirme verwenden. Mit einem alten Teller aufgeklebt hätte man einen Blumenhocker. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt.

Jetzt wüsste ich natürlich noch zu gerne, wo genau denn mein Hocker in seinem früheren Leben seinen Dienst verrichtet hat. Aber das wird leider nicht verraten...

Dienstag, 22. Januar 2013

Unter eines Baumes Rinde

Kaum kommt der Herbst oder gar der Winter in Sichtweite, überschlagen sich die Gartenzeitschriften mit Tipps, wie man die für den Gärtner so freudlose Zeit doch noch mit Blüten oder anderen interessanten Eigenheiten von Pflanzen aufpeppen kann. Da wäre zunächst das unvermeidliche Thema Orchideen, die immerhin drinnen ein bisschen für floralen Schmuck sorgen. Immer wieder gern genommen sind auch Azaleen oder Usambaraveilchen.

Draußen dann wird es schon schwieriger. Alle Jahre wieder daher das beliebte Thema Winterblüher, allen voran die gute alte Zaubernuss. Wenn alles nichts mehr fruchtet, kommen die Rinden auf den Tisch, die man sowieso erst im Winter wirklich zu schätzen weiß. Unweigerlich erscheint der Zimtahorn auf der Bildfläche oder schön geringelte Stämme von diversen Zierkirschen, schon seltener aber die nun wirklich adrette Birke ganz in Weiß. Borke wurde noch nie so beachtet wie um diese Jahreszeit.

Alles gut und schön - auch ich hätte gern eine schicke Rinde zum Angucken in meinem Garten stehen, aber bisher hat es nur zum Birkenstamm-Kratzbaum im Wohnzimmer gereicht (für die Katz, nicht für mich). Auch eine Zaubernuss hätte durchaus ihren Charme, aber auch den Platz kann ich nicht spendieren, denn im Kleinstgarten muss man sich zwischen Sommer- und Winterblühern entscheiden. So fällt die Wahl dann doch auf erstere, schließlich zählt der Sommer deutlich mehr Stunden mit Tageslicht, an denen man die Pracht auch würdigen kann.

Bei der ganzen Sensationsgier im Winter- und Herbstgarten wird aber eine Gruppe Lebewesen meist übersehen: Die Pilze. Der Hallimasch ist zwar kein gern gesehener Gast im Garten, weil seine Tischmanieren zu wünschen übrig lassen, aber es gibt zum Glück genug harmlose Vertreter seiner Zunft.

Welche kann man denn überhaupt im Garten antreffen und sich darüber freuen?

Da wäre zum Beispiel das Judasohr (Auricularia auricula-judae) oder auch Holunderschwamm genannt, weil es so gerne an Holunderholz wächst. Das ist ein echter Winterpilz, der auch bei Kälte nicht schlappmacht. Wer einen großen Strauch im Garten hat, wird womöglich in den Genuss dieses Lauschangriffs kommen - hoffentlich an einem toten und nicht an einem lebenden Ast. Denn die immer etwas glibberig und gruselig aussehenden Gehörgänge sind tatsächlich essbar! Sollte man die Fruchtkörper also doch an lebendem Holz erwischen, kann man es ihnen heimzahlen, indem man ihnen die Ohren lang zieht und sie in die Pfanne haut.


Aus Hasel- oder Weidenruten gebastelte Gartendeko ist nichts für die Ewigkeit, so dass man an den Kunstwerken nach ein paar Jahren hübsch geringelte Pilze entdecken kann - die Schmetterlingstramete (Trametes versicolor) zum Beispiel. Nicht so flatterhaft wie die namensgebenden Insekten, aber doch ganz ansehnlich. Auch Schichtpilze - wie den Striegeligen Schichtpilz (Stereum hirsutum) - kann man finden.


Selbst auf Laub kann man Pilze aufspüren, die dann allerdings wenig imposant sind. Man muss schon genau hinschauen - hier ein Vorher-Nachher-Bild von einem Rosenblatt, leider nicht demselben, da habe ich gemogelt. Es war schon ziemlich lange ganz fleckig durch Einwirkung böser Rosenschädlinge, über die sich niemand freut, aber am Ende haben ihm Schleimpilze den Garaus gemacht. Zu sehen sind die weißen Fruchtkörper - auf zum nächsten Blatt mit den Sporen.


Hat man sogar eine Buche im Garten und lässt ein paar dickere Äste am Boden liegen, kann man mit ganz viel Glück an frostigen Tagen ein großartiges Schauspiel sehen:


Was hier aussieht wie größenwahnsinniger Schimmelrasen, ist in Wahrheit nichts dergleichen. Das ist Haareis, das entsteht, wenn Wasser aus dem Holz gepresst wird, und zwar durch Pilzaktivität im Inneren. Es gefriert beim Austritt aus dem Holz sofort, so dass die herausgeschobenen Fäden immer länger werden. Wer das zuhause bewundern möchte, kann sich auch einen bereits durch fortgeschrittene Zersetzung entrindeten Buchenast aus dem Wald in den Garten mitnehmen.

Man muss also nicht unbedingt ein großes Aufgebot an Totholz in den Garten stellen, ein paar alte Äste können schon reichen. Mit der hübschen Rinde ist es dann allerdings vorbei.

Dienstag, 15. Januar 2013

Geld her oder ich gieße

Für jeden leidenschaftlichen Zimmerpflanzengärtner kommt irgendwann einmal die Zeit des Abschieds, wenn auch bloß vorübergehend. Nur die ganz genügsamen Vertreter der Spezies Homo hortensis werden es schaffen, das ganze Jahr ohne wenigstens einen Kurzurlaub auszukommen. Schließlich dient so ein Exkurs nicht nur der Erbauung, sondern auch der Beschaffung von neuer Beute für die Fensterbank oder den Garten.

Eine Urlaubsvertretung muss also her. Doch da die meisten Topfpflanzen eher den Tod durch Ertränken als Vertrocknen erleiden, ist Vorsicht angebracht. Nach dem Motto "Geld her oder ich gieße" neigen viele Anfänger dazu, die wertvollen Grünpflanzen durch zwar gut gemeinte, aber am Ende doch schädliche Wassergaben, umzubringen. Der grüne Daumen ist leider kein körperliches Merkmal, das äußerlich erkennbar wäre. Es empfiehlt sich daher, vorher in Erfahrung zu bringen, ob die anvisierte Gießhilfe zuhause durch üppiges Pflanzenwachstum glänzt, oder aber gar kein oder nur sieches Zimmergrün besitzt.

Möchte man ganz auf Nummer Sicher gehen, wählt man seine Topfmodels gleich danach aus, ob sie eine Woche unserer Abwesenheit auch ganz ohne Bewässerung vertragen. Und da gibt es eine Reihe attraktiver Vertreter, die allesamt genügsam, robust und auch leicht zu vermehren sind.

Meine Favoriten im Fensterbankformat möchte ich hier vorstellen.
 


Auf Platz 1 der leidensfähigen Lieblingspflanzen gehört meiner Meinung nach unbedingt das äußerst dekorative Dickblatt Crassula 'Hottentot'. Seine wilden Rastalocken sind einfach unvergleichlich. Mein Exemplar steht am eher schattigen Badezimmerfenster, was scheinbar des Öfteren dazu führt, dass meine Haarpracht sich ein Beispiel an der Pflanze nimmt. Leider springen keine hübschen Locken dabei raus, sondern eher etwas sturmfrisurartiges. Trotzdem möchte ich auf den Anblick der wilden Kreatur nicht verzichten, schließlich ist sie äußerst genügsam. Alle paar Wochen einmal in Wasser tauchen, gut abtropfen lassen und das war's auch schon. Vermehren geht ganz leicht - die dicken Triebe kommen schon bewurzelt daher und lassen sich leicht wieder anderswo einpflanzen.

Den Platz 2 teilt sich eine wilde Wohngemeinschaft am sonnigen Fenster bestehend aus einer rötlichen Echeverie und der Leuchterblume (Ceropegia woodii). Beide sind sagenhaft anspruchslos, kommen wochenlang ohne Wasser aus und sind dabei wahnsinnig dekorativ. Echeverien können das Sammelfieber entfachen, so vielgestaltig ist die Gattung. Vermehren kann man sie durch Blattstecklinge, aus denen sich rasch kleine Pflänzchen bilden. Die hübsche Leuchterblume ist eine tolle Ampelpflanze, die man leicht mit Hilfe ihrer kleinen kartoffelartigen Speicherknollen vervielfältigen kann. Einfach einen Trieb oberhalb des Knöllchens abzwacken und einpflanzen.

Nummer 3 ist zugegebenermaßen etwas invasiv - die Kindel des Brutblatts Kalanchoe delagoensis wurzeln in jedem Nachbartopf - Unkrautjäten auf der Fensterbank. Dafür ist die filigran wirkende Pflanze aber auch hart im Nehmen und überzeugt durch ihr extravagantes Leopardenmuster. Wird sie im Alter unansehnlich, topft man einfach ein paar ihrer Babies wieder ein und weiter geht's.

Auf Platz 4 der unverwüstliche Klassiker, der gute alte Bogenhanf Sansevieria trifasciata. Den hatte schon Oma in der guten Stube stehen, und zum Glück hat er die Jahrzehnte überdauert. Er macht sich schlank und passt damit auf jede sonnige Fensterbank, wo er mit Leichtigkeit ein vertikales, hohes Element in das Arrangement bringt. Heizungsluft ist ihm egal, umbringen kann man ihn nur durch zuviel Wasser. Er hält es wirklich wochenlang ohne Gießen aus. Spätestens wenn sich die Blätter zur Röhre wickeln, wird es höchste Zeit für einen guten Schluck. Der Bogenhanf lässt sich prima teilen und freut sich dann wieder über mehr Platz im Topf.

Nummer 5 lebt auch ohne viel Pflege und steht stellvertretend für all die grandiosen Geldbäume, die mit dem Alter so schön knorrig werden können.Crassula ovata ist die bekannteste Art,weniger verbreitet ist die Variante auf dem Bild: Crassula arborescens var. undulata mit bläulich bereiften, gewellten Blättern. Beide lassen sich höchst einfach aus Blattstecklingen vermehren. Bis sie hübsch bäumchenartig verzweigt sind, dauert es dann aber Jahre. Schneller geht's mit Triebstecklingen, die oft schon bereitwillig in der Luft herumwurzeln.

Diese Auswahl an trockenheitsverträglichen Zimmerpflanzen wird so manche Sorgen im Urlaub verhindern. Der Gießdienst muss lediglich die paar mimosenhaften Säufer bei Laune halten, wie beispielsweise das Einblatt (Spathiphyllum). Wenn er seine Sache am Ende gut gemacht hat, gibt es zur Belohnung dann auch noch einen Ableger vom Geldbaum und alle sind glücklich.

Dienstag, 8. Januar 2013

Die dümmsten Gärtner

Ich finde, manchmal drängt sich der Eindruck auf, dass das Gärtnern nicht als intellektuell besonders anspruchsvolles Hobby angesehen wird. Nicht so wie Schach, Klavierspielen oder das Erlernen von Alt-Aramäisch. Der beliebte Spruch "Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln" spricht es sogar ganz frech aus. Man macht sich also gleich Sorgen, wie es wohl um die eigenen geistigen Fähigkeiten bestellt ist, wenn man es geschafft hat, dem Garten ein paar kapitale Erdäpfel aus dem Kreuz zu leiern. Sind Hobbygärtner denn wirklich dümmer als die Polizei erlaubt?

Ich finde, da kann man ganz beruhigt sein, schließlich wissen wir Grünabhängigen nur zu gut, was uns die Beschäftigung mit dem eigenen Fleckchen Erde so abverlangt. Wie sonst sollte man sich denn merken, wo man vor ein paar Wochen die Blumenzwiebeln versenkt hat, damit man sie nicht versehentlich bei der nächsten Pflanzaktion verhackstückt? Das braucht das Gedächtnis eines Elefanten. Auch das Planen einer respektablen Fruchtfolge im Gemüsebeet ist kein Pappenstiel. Geradezu Übermenschliches muss man leisten, möchte man sich daran erinnern, wo noch mal die Gartenschere war, die man in den Untiefen des Geräteschrankes vermutet, aber den ganzen Winter nicht gesehen hat.
Statt stumpfsinnigem Unkrautjäten guckt man immer ganz genau hin, um nicht doch einen wertvollen Staudensämling herauszureißen. Mit ein bisschen Erfahrung kann man irgendwann unzählige Pflanzen nur anhand ihrer Keimblätter erkennen - das Bild dazu ist im Kopf feinsäuberlich abgespeichert.

Das alles trainiert nicht nur das Oberstübchen, sondern schont am Ende auch die Haushaltskasse.

Ein gutes Gedächtnistraining ist auch das Merken von lateinischen Pflanzen- oder auch Sortennamen, das sollte man gar nicht unterschätzen. Hinzu kommen ja auch noch Standortansprüche, Blütezeit und Ausbreitungsdrang.

Die mentale Auseinandersetzung mit dem Garten reißt auch dann nicht ab, wenn man ihn zeitweilig verlassen hat: Ein Spiel, das ich manchmal auf langen Zugfahrten spiele, ist ebenfalls eine gute Herausforderung für die grauen Zellen, um sich mit dem grünen Bereich zu beschäftigen: Es heißt "Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist (hier Farbe einsetzen)". Das ist ein netter Zeitvertreib, für den man nichts braucht. Außerdem kann man es ganz heimlich und alleine spielen. Ich stelle mir dann nämlich dabei vor, wie ich ein monochromes Beet gestalten würde, und vor allem: welche Pflanzen mitspielen dürfen.

Man ist erstaunt, wie viele Pflanzen einem beispielsweise für ein Gartenecke ganz in Purpur aus dem Stegreif einfallen. Da wäre zunächst eine Hecke aus Blutbuche als Umgrenzung. Als Gerüst dient eine Blutpflaume oder ein dunkellaubiger Zierapfel (z.B. Malus "Royalty"). Die Hechtrose (Rosa glauca) darf auch nicht fehlen. Für die schattigeren Bereich nimmt man Heuchera "Palace Purple", Tellima grandiflora "Purpurea" und dunkle Rodgersia, für die Sonne Sedum "Matrona" und Lysimachia ciliata "Firecracker" (Wurzelsperre inklusive, Farbe egal). Dazwischen könnte man die Wolfsmilch Euphorbia amygdaloides "Purpurea" pflanzen. Und ganz viel Iranlauch "Purple Sensation" (Allium aflatunense) als Höhepunkte im Mai.
Als Lückenbüßer darf das liebreizende Labradorveilchen (Viola labradorica) wuchern, das schön dunkles Laub hat und sich so nett ganz von allein vermehrt. Ganz ausgefallen dann wäre noch der extravagante Breitwegerich (Plantago major) "Purpurea".

Breitwegerich (Plantago major) ‘Purpurea’

Darf es noch ein bisschen mehr sein - dunkellaubige Dahlien vielleicht, damit auch die Schnecken etwas haben von der lila Laune?

In meiner Vorstellung wächst dieser Gartenbereich dann immer weiter, wird schöner und vielfältiger. Ich überlege mir außerdem schon mal, wo ich diese Pflanzen herbekomme - die Wuchervarianten, wie Lysimachia ciliata "Firecracker",  kann man sicher irgendwo abstauben. Dann fallen mir irgendwann keine Pflanzen mehr ein. Schließlich ist zuviel Purpur auch gar nicht gut, denn grüne Raupen werden dadurch enttarnt, was manchmal vom Gärtner erwünscht ist, aber auch seltene Falter treffen kann.



Ferner stelle ich zu meinem großen Unmut plötzlich fest, dass so eine violette Anlage gar keinen Platz hätte in meinem Kleinstgarten. In der nun mehr schon lückenhaften Erinnerung ist mein Revier inzwischen größer geworden als in Echt. Vielleicht bin ich also doch ein dummer Gärtner. Oder einfach nur größenwahnsinnig, wer weiß das schon?

Dienstag, 1. Januar 2013

Die heimlichen Stars 2012

Ein neues Jahr fängt an und es ist Zeit für den obligatorischen Rückblick. Dieses Mal möchte ich aber nicht meine eigenen mehr oder minder guten Vorsätze aufschreiben und schon gar nicht den Erfolg der letztjährigen kritisch überprüfen (ihr wisst ja, wie das ist), sondern mal wieder die Prominenz im Reihenhausgarten zu Wort kommen lassen. Diese VIPs, über die ich mich 2012 gefreut habe, sollen heute inklusive Paparazzi-Fotos vorgestellt werden. Wie sich sicher jeder denken kann, ist die Prominenz hier allerdings rein pflanzlicher Natur, das macht auch das Zeigen von Oben-Ohne-Fotos einfacher.

Und so machen wir heute zur Abwechslung mal eine kleine Oscarverleihung - Vorhang auf!

Da wäre zum einen die spontane Spornblume (Centranthus ruber), die ganz ohne Erde und freiwillig in der Traufrinne an der Hauswand wächst, womit sie sich gleich noch den Tapferkeitsorden des Jahres verdient hat. Ich hatte letzten Winter schon darüber berichtet, aber dann kam ja noch der zweistellige Kahlfrost. Überlebt hat nur das Exemplar, das ich noch rechtzeitig mit Tannenreisig in Deckung gebracht hatte. Alsdann hieß es, die Staude vor feindlichen Übergriffen zu schützen, denn ein bisschen illegal war ihr Platz ja schon, und so war sie auch einigen Ordnungsfanatikern ein Sporn im Auge. Aber ich habe mich stets tapfer dazwischen geworfen, so dass ich im Sommer in den Genuss ihrer Blütenpracht kam. Wenn man genau hinschaut, sind ihre Flugsamen sogar ein bisschen golden - sie veranstaltet ihre eigene kleine Preisverleihung.


Mittlerweile hat sie damit reichlich Nachwuchs in den umliegenden Pflasterfugen verteilt - sie erhält damit auch noch den Oscar für die beste Nebenrolle (wenn auch etwas neben der Spur).

Meine langjährige Hausmarke, die immer wieder aus selbst gesammelten Samen vermehrte Kapuzinerkresse, hat letztes Jahr beschlossen, sich zur Abwechslung einmal dezenter zu kleiden. Statt wie jede Saison davor in knalligem Orange die Diva zu spielen und jede Party zu sprengen, nun wieder in zartem Apricot. Eindeutig der Oscar für das beste Kostüm, und noch ein Grund mehr, seine eigenen Pflanzen nach Samen abzusuchen statt immer neue zu kaufen:


Mein langjähriger Regieassistent, der gute alte Korallenstrauch (Solanum  pseudocapsicum), schlug auch 2012 wieder alle Rekorde und ist kein bisschen leise geworden. Blüht und fruchtet, dass es eine Pracht ist, trotz fortgeschrittenen Alters und ohne Schönheitschirurgie! Eindeutig keine Wegwerfpflanze - er erhält damit den Oscar für die besten visuellen Effekte,  Schattenspiel inklusive:


Den Oscar für die beste Hauptrolle erhält das längste Gemüse der Welt, das sich letzte Saison dazu herabgelassen hat, zaghaft zu blühen. Das ist das erste Mal in der Gartengeschichte meines Topinambur-Wildwuchses im Alcatraz-Beet. Immer ein wenig auf der dominanten Seite, muss man doch seiner Wuchskraft Respekt zollen. Weiter so!



Der Oscar für den besten Schnitt geht an die gute alte Katzenminze (Nepeta fassenii), denn es gibt nur wenige Stauden, die so lange blühen, wenn man sie rechtzeitig zurückschneidet, und dabei so anspruchslos sind. Dazu ist sie ein echter Publikumsliebling - bei Bienen und Hummeln genauso wie bei diesem winzigen Purpurzünsler (Pyrausta), der scheinbar Nachwuchs auf der Katzenminze heranziehen wollte:




Ein Frohes Neues Jahr 2013 wünsche ich allen meinen Lesern, ihr bekommt den Oscar für das beste Publikum!