Am Wochenende wurde ich gefragt, ob sich mein Garten auch über die Zeit gewandelt hätte. Gemeint war eigentlich, ob sich mein Gartenstil geändert hätte mit den Jahren. Ich habe geantwortet, dass bei meinem Garten der Wandel "Sukzession" heißt. Denn bei jedem Gehölz, vermutlich auch bei jeder Staude, gibt es diesen einen Moment, wo es nicht zu klein und nicht zu groß ist. Während man am Anfang noch sehnsüchtig jedes Blatt zählt und insgeheim den Hausbaum in spe anfeuert, doch gefälligst mal einen Zahn, sprich einen Ast, zuzulegen und schneller zu wachsen, kann es wenige Jahre später schon aus dem Ruder laufen und man schreit nach den Zähnen der Säge. Besonders in sehr kleinen Gärten ist die optimale Größe schnell hoffnungslos überschritten und alles versinkt im Schatten und die ersten heißgeliebten Sonnenstauden verziehen sich im Winter auf Nimmerwiedersehen in den Erdboden.
Selbst die größenwahnsinnigsten Stauden haben immerhin den Vorteil, dass sie jedes Frühjahr wieder bei Null anfangen. Doch im Hochsommer können auch sie ausufern und ihre ideale Größe erreichen sie dann - nichtblühend - an einem einzigen Tag im Juni. Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht noch was Kleineres findet. Immerhin entwachsen die Riesenstauden ganz fix dem drohenden Baumschatten.
Der viele Regen dieses Jahr hat die ohnehin schon großen Stauden zu Höchstleistungen angespornt. Mein Garten schwankt also permanent zwischen Gigantismus und Minimalismus (das sind die Beete, wo seit dem Bärlauch-Intermezzo nichts mehr wachsen will, man nennt es auch Sommerloch- falls es jemand sucht, es ist bei mir!) - und die gigantomanischen Stauden schwanken bei jedem Gewitter bedrohlich gen Boden. Meinen Echten Alant, der schon wieder echt groß ist, habe ich zusammengebunden. Daneben benimmt sich nämlich ein Rudel Wilder Karden daneben und macht ihrem Namen alle Ehre. Beide sind ungefähr gleich groß, will heißen über zwei Meter.
Für die Fotos vom Pinselkäfer, der auf der Blüte übernachtet hat, musste ich die stachligen Stängel zu mir herunter biegen.
Ist natürlich blöd, wenn man die Blütenbesucher fotografieren möchte.
Von oben aus dem ersten Stock sehe ich manchmal interessante Insekten und muss die Stängel dann auf mein Niveau herablassen, um sie zu fotografieren. Da muss man ganz doll aufpassen, denn je länger man an so einer Pflanze herumbiegt, umso eher bleibt sie in der Position für immer stehen. Also gut wieder zurückbiegen und hinter anderen Stängeln einklinken...
Der Echte Alant hatte die Tage die Kleine Gartenblattschneiderbiene (Megachile centuncularis) zu Gast, die sehr gerne Korbblütler besucht. Nach einem Regenguss pudelnass geworden hielt sie auch still, zeigte dadurch aber natürlich nicht ihre normale Körperhaltung beim Blütenbesuch mit dem angehobenen Hinterleib. Und wenn sie das tut, kann ich den Alant nicht herunterbiegen, ohne dass sie flüchtet. Irgendwas ist immer. In der luftigen Höhe fühlen sich die Insekten also in der Regel vor mir sicher.
Der dritte im größenwahnsinnigen Bunde ist der Gewöhnliche Wasserdost, hier mit Bienenwolf.
Der wird unten herum immer ausladender und sät sich aus, aber auch jedes Jahr noch ein bisschen höher - und nach jedem Starkregen noch einen Tacken breiter. Immerhin gehört er zu den ganze wenigen Stauden, die durch eine dicke Schicht Bärlauch einfach ganz ungeniert hindurchwachsen. Das wäre dann irgendwann das Ende vom Sommerloch, aber vermutlich auch das Ende kleinerer Stauden. Irgendwas ist immer...