Samstag, 27. Juni 2020

Blaumachen im Juni

Was ist blau, lässt sich hängen und wird von Bienen umschwärmt? Das ist die Hängepolster-Glockenblume (Campanula poscharskyana). Hängepolster, das klingt doch ziemlich unschmeichelhaft und prosaisch für so eine fantastische Glockenblume, oder? Wie gut, dass es Sortennamen gibt, da wurden der Staude doch noch ein paar zweite Vornamen verpasst: Die Sorte 'Blauranke' ist sicher die bekannteste mit besonders langen hängenden Trieben. Dann gibt es noch 'Silberregen' in Weiß und 'Templiner Teppich', eine niedrige, blaublühende Sorte.


Man sollte aber den 'Silberregen' trotz des hübschen Namens lieber beiseite lassen, denn die blauen Blüten sind meiner Erfahrung nach beliebter bei Wildbienen. Und das ist bei Glockenblumen besonders wichtig, denn hier gibt es viele Spezialisten, wie die Glockenblumen-Scherenbiene, ein winziges Tier, das an den Staubgefäßen entlangrobbt wie ein Staubwedel:





Neben der Glockenblumen-Scherenbiene interessiert sich besonders die Garten-Blattschneiderbiene (Megachile willughbiella) für die Blüten, hier ein Weibchen:



...und ein Männchen:



Die Weibchen strecken in Blattschneiderbienenmanier den Hinterleib nach oben, daran kann man sie immer gut erkennen.

Auch Furchenbienen lieben Glockenblumen, sie sind aber nicht darauf spezialisiert und haben daher auch keine speziellen "Moves" für die Pollenernte entwickelt:




Die Zweifarbige Sandbiene (Andrena bicolor) schaut ebenfalls gern vorbei, auch sie ist nicht auf Glockenblumen angewiesen, besucht die Blüten aber regelmäßig:



Die Bienen können es kaum erwarten, dass die Blüten sich öffnen und quetschen sich schon in den kleinsten Spalt, um nur ja die erste Kundschaft zu sein bei der Eröffnung.




Und wenn die Bienen könnten, würden sie sogar noch die Samen der Glockenblumen im Garten herumschmeißen, so sehr lieben sie die Stauden. Bei der Hängepolster-Glockenblume ist das zum Glück nicht nötig. Kleine Mauern, Kübel und Beete überzieht sie schnell mit einem Teppich aus Ausläufern und blühenden Ranken, was besonders auf Natursteinmauern fantastisch aussieht, obwohl sich so ein Bauwerk nun wirklich nicht verstecken muss.

Es lohnt auch, beizeiten einen Topf mit Erde unter die Ranken zu stellen, denn diese Glockenblume versamt sich auch gern. Selbst Pflasterfugen kann man nach Sämlingen absuchen. Ich habe so schon mehrere weitere Kübel bepflanzt und Sämlinge weiterverschenkt für noch mehr Bienenfreude auf Balkonen und Terrassen.

Der bepflanzte Durchschlag von letztem Jahr, der einen Sämling implantiert bekommen hat, erblüht nun auch blau mit einer langen Schleppe aus Glockenblumenranken:





Habt ihr auch eine Hängepolster-Glockenblume im Garten?

Samstag, 20. Juni 2020

Die feine Käfer-Gesellschaft

Es kommt nicht auf die Größe an? Bei Pflanzen oft aber doch, und die Rede ist hier nicht von Waldbäumen, die versuchen, einander zu übertrumpfen, um sich gegenseitig die Show und das Licht zu stehlen. Auch so manches Kraut wird nur dann von der Insektenwelt ernst genommen, wenn es eine respektable Größe erreicht. Erst wenn es der Platzhirsch auf der Blumenwiese oder im Beet ist, wird es zum Treffpunkt, zur Partnerbörse und gern angeflogener Pollenquelle, die zuverlässig und ohne große Umwege das Wildbienennest füllt.

Wachsen zum Beispiel irgendwo Reseden, kann man ein paar wenige Insekten daran finden - oder gleich einen ganzen Tummelplatz illustrer Gestalten.

Dieses Exemplar der Gelben Resede (Reseda lutea) hat einen ordentlichen Durchmesser und erstreckt sich wie ein vielarmiger Kandelaber auf der Ruderalfläche.



Wenn man genauer hinschaut, entdeckt man, dass nicht alles Reseda ist, was resedafarben ist. Da tummeln sich unzählige Schwefelkäfer (Cteniopus flavus). Hier fressen sie Pollen und finden ihre Partner. Am ehesten findet man diese fantastischen Krabbler auf sandigem Boden, denn darin leben die Larven und ernähren sich von Wurzeln.






Die Farbe der Käfer ist so verblüffend ähnlich zur Blüte, dass man sie wirklich erst bemerkt, wenn man schon fast mit der Nase in der Reseda steht. Als wären sie auf einer Mottoparty tummeln sie sich hier in Uniform, wie sie auf einem Empfang, und ergeben so eine äußerst feine Gesellschaft.

Hier geht es drunter und drüber und mitten durch die Blüte.


Mit dabei sind Ameisen, Rüsselkäfer, Reseda-Maskenbiene (Hylaeus signatus), Seidenbienen und Zweifleckige Zipfelkäfer (Malachius bipustulatus).





Auch der Stolperkäfer ist dabei:



Die Reseda selbst ist meist nur zweijährig, braucht also im Garten immer wieder offenen Boden. Daher ist sie eine gute Ergänzung zu Natternkopf, Wilder Möhre, Gewöhnlicher Rispen-Fockenblume (Centaurea stoebe) oder Luzerne. Auch Eselsdisteln können im Hintergrund gute Partner sein mit ihrer dezenten Blattfarbe.





Das Gute ist: Sie alle kommen mit Trockenheit zurecht und mögen Sandboden  - wie der lustige Schwefelkäfer!

Andere Käfer, andere Sitten: Der Rosenkäfer mag nicht nur Rosenblüten, um darin Pollen zu mampfen, sondern auch Wiesenrauten. Die zwei Exemplare in meinem Garten haben sich erst von der Rosa multiflora aus umgeschaut und sich dann beide auf die Akeleiblättrige Wiesenraute gestürzt. Da muss man sich wenigstens nicht mit lästigen Blütenblättern abgeben, die lenken nur vom Pollen ab.




Der Bienenkäfer, dessen Larven sich in Bienennestern durchfressen, scheinen offene gelbe Blüten zu mögen, ob Orientalische Rauke oder Fingerstrauch.




Und so gibt es viele Beispiele von Feinkost-Käfern, die alle ihre Präferenzen haben, aber viele Pollen-Sommeliers unter sich vereinen - und die kann man besonders schön im Garten fördern.

Samstag, 13. Juni 2020

Günstig gärtnern an der Havel

Bretter, die die Welt bedeuten, das sind Holzplanken, wenn man auf Schutt und Asche Beete anlegen will. Oder auf Sand. Das müssen nicht mal besonders hohe Beete sein, Hauptsache man kann mit Kompost versetzte Erde aufschütten und Gemüse pflanzen.

Solche urbanen Projekte, die aus dem Nichts und auf schlechtem Boden einen Garten geschaffen haben, ziehen mich immer magisch an. Bei jedem Reiseziel schaue ich auf der Landkarte (gern elektronisch) erst einmal nach, ob irgendwo das Wort Garten auftaucht. So auch in Brandenburg an der Havel.










Hier gibt es - natürlich - den Havelgarten, ein Projekt, das Menschen aus vielen Kulturen zusammen aus dem Boden gestampft haben. Jetzt wachsen hier in Sichtweite des Silokanals Erdbeeren, Dicke Bohnen und Zucchini. Das Gelände drum herum ist herrlich wild voller Blumen und Insekten. Ein Gartenrotschwanz singt dazu in den Bäumen. Der Havelgarten hat den Charakter dieser alten Hafenanlagen übernommen, auch gibt es wilde und kultivierte Blumen und es ist ein Paradies für Wildbienen und Schmetterlinge.

Hier teilen sich Koriander und Vogel-Wicke einträchtig ein Beet. Obwohl der Koriander von der Wicke sicher nicht so angegrabbelt werden möchte.



Furchenbiene, Marienkäfer, Dickkopffalter und Garten-Blattschneiderbiene:




Hier kann man viel lernen, zum Beispiel wie man ein erhöhtes Beet anlegt ohne dass die Bretter immer umfallen. Einfach zwei Stöckchen als Halterung in den Boden stecken:







Oder dass auch Steine für ein Blumenbeet auf magerem Boden eine prima Beeteinfassung geben. Die hat es auf dem Gelände sicher zu Hauf gegeben.


Alte Abflussrohrstücke aus Ton ergeben gute Blumentöpfe ohne Staunässe, da sie unten offen sind und Regenwürmern auch den Zutritt ermöglichen.



Senkrechte Holzlatten in die Erde gesteckt ergeben einen Minizaun mit dem Signal: Nicht auf den Blumen herum trampeln!


Einen Kompostplatz, umrahmt von Paletten, gibt es natürlich auch.



Wenn man keinen Strom zur Verfügung hat und daher keinen Häcksler betreiben kann, ist eine Totholzhecke eine gute Idee. Die braucht allerdings viel Platz, was im Havelgarten kein Problem ist.


Ich finde, das ist ein toller Garten in einer schönen, wilden Landschaft. Der Garten ist immer geöffnet. Man kann den Besuch mit einem Spaziergang am Kanal entlang verbinden und sich an den wilden Blumen erfreuen.



Freitag, 5. Juni 2020

Papier ist geduldig

Wenn die Tomatentöpfe mit neuer Erde ausgestattet werden, um die neue und hungrige Besatzung zu beherbergen, ist es eine gute Zeit, Aussaaterde zu gewinnen. Das ausgelutschte Substrat von letztem Jahr hat inzwischen gut an Nährstoffen eingebüßt und ist für Keimlinge nicht zu scharf. Ich habe es in einem extra Eimer gesammelt für die ganze Mannschaft an Sämlingen, die da noch kommen werden bis in den Herbst hinein.

Auch die Kiste hier mit Borretsch hat diese Erde bekommen:



Nun hatte ich aber gerade noch einen sehr guten Anlass, die Aussaaterde einzusetzen, denn ich habe wahnsinnig interessante VIP-Samen bekommen, nämlich von der Erbsen-Wicke (Vicia pisiformis). Die habe ich aus Achims Garten bekommen und bei ihm sieht man auch, wie sie später mal ranken werden.




Die Erbsen-Wicke ist eine heimische Pflanze, die recht selten ist und essbare Schoten produziert, so wie Zuckererbsen. Und während sie später ganz ordentlich wuchert, ist aller Anfang bei ihr schwer. Sie möchte hofiert werden, nein, eigentlich möchte sie sogar schlecht behandelt werden, damit sie keimt. Ich habe also die winzigen Samen angeritzt (meine Finger auch, aber das hilft nicht, um die Keimung zu fördern), dann habe ich sie in lauwarmes Wasser geworfen, wo sie bis zum nächsten Tag plantschen durften.

Doch Erbsen haben lange Wurzeln. Was man in so einem Fall ganz kostengünstig tun kann, ist, ihnen Töpfe auf den Leib zu schneidern, damit die Wurzeln keinen Drehwurm bekommen und sich unwohl fühlen vor lauter Schwindel.

Selbst gedrehte Papiertöpfe von variabler Länge sind schnell selbst gemacht. Dazu braucht man eine kleine Flasche mit geringem Durchmesser, um die man das Papier in mehreren Lagen wickelt. Zeitungspapier geht gut, aber auch große Briefumschläge sind prima. Ist die Rolle gewickelt, schlägt man die Rolle unten um und presst das Papier fest zusammen, um den Boden zu formen. Hier muss man manchmal noch ein paar Kniffe einbringen, damit die Rolle auch hält. Nun kann gesät oder gepflanzt werden.

Also habe ich die Samen der Erbsen-Wicke in die Anzuchttöpfe gesteckt und bin für ein sehr langes Wochenende in Urlaub gefahren. Als ich wiederkam, waren sie da: Überall Keimlinge, spindeldürr und magersüchtig. Aber unter der Erde hatten sie an einem gigantischen Wurzelwerk gearbeitet.




Später sah man den Pflanzen schon eher an, dass sie mal eine Wicke werden, wenn sie groß sind. Und auch der längste Papiertopf ist irgendwann zu kurz:






Bald kann ich die kleinen Wicken in den Garten pflanzen, da haben sie soviel Platz für ihre Wurzeln, wie sie wollen.