Jetzt mal ganz ehrlich - was macht ihr als Erstes, wenn ihr ein neues Gartenbuch in den Fingern habt? Brav von Anfang an durchlesen? Wirklich? Oder doch mogeln und als erstes die Bilder angucken und womöglich noch das Ende herausfinden? Ich gestehe, ich bin wahrscheinlich der Albtraum eines jeden Autors und gehöre zur letzteren Sorte, schließlich sind wir Menschen ja auch Augentiere.
Und so blättere ich abends auf dem Sofa völlig ahnungslos das niegelnagelneue Buch "Mein Genussgarten" von Katharina Adams aus dem Ulmer-Verlag durch, als mir auf Seite 53 plötzlich der Atem stockt: Ein riesengroßes Bild eines Blütenstandes prangt dort, begleitet von einer illustren Schar nektartrunkener Kundschaft: Eine Hummel, drei Honigbienen und ein C-Falter sitzen einträchtig auf dieser Blume - und passen dort nur alle zusammen drauf, weil es sich hier um ein wahres Monstrum handelt - mit einer Verbänderung, die nicht von schlechten Eltern ist. Wenn dort als Bildbeschreibung nicht "Ehrenpreis" (vermutlich ist es ein Veronicastrum virginicum) gestanden hätte, wäre ich gar auf die Idee gekommen, dass es ein monstergültiger Allium sphaerocephalon sein könnte, aber das Abblühen von unten nach oben sähe ihm gar nicht ähnlich.
Nun ist dieses reich bebilderte, opulente Buch aber gar kein Kuriositätenkabinett. Und eigentlich sollte ich von vorn beginnen, denn gelesen habe ich den Band am Ende natürlich doch - aber zuerst musste ich mir diese Sensation noch von der Seele schreiben. Das kommt davon, wenn man nur mal kurz gucken will.
"Mein Genussgarten" soll nämlich alle Themen beackern, die sich rund um das Thema Genießen drehen. Und da gibt es eine ganze Menge Facetten zu beleuchten: Angefangen von gemütlichen Sitzplätzen, Obst-, Gemüse- und Kräuteranbau, Feiern im Garten bis hin zum sinnvollen (und schmerzfreien) Anlegen eines Barfußpfades.
Nicht fehlen dürfen natürlich Duftpflanzen und alle streichelzarten, weich behaarten Gewächse und solche, die aufgrund glatter Frucht-Oberflächen zum Handgreiflichwerden einladen. Was auf die Ohren bekommt man mit Brunnen und leisem Wassergeplätscher. Sehr zu meiner Freude werden auch Insekten nicht als lästig empfunden, sondern als durchaus optische und akustische Bereicherung. Bienen- und Hummelgebrummel gilt ausdrücklich als förderungswürdig, daher sind auch Anleitungen für Insektennisthilfen dabei. Schmetterlinge und wie man sie bewirtet ist ebenfalls ein Thema für Genießer - sie müssen auch nicht unbedingt bunt sein, denn auch vom Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum) wird geschwärmt. Wie man Singvögel anlockt wird allerdings nicht näher behandelt.
Irgendwie schwingt der Biogarten zwischen den Zeilen immer mit - hier wird giftfrei und ohne Kunstdünger gewerkelt.
Der Untertitel des Bandes könnte zudem auch noch "günstig gärtnern" heißen, denn es gibt viele Tipps zum Sparen, Selbermachen, Recyceln und Renovieren. Nichts wird grundlos weggeworfen, Tische, Bänke und Sitzkissen werden aufgemöbelt und es wird nach kostenlosen Pflanztöpfen gesucht. Rezepte und Ideen für Geschenke aus dem Garten runden das Ganze ab.
Manchmal fehlen allerdings bebilderte Anleitungen und überhaupt Abbildungen. Die Lavendelgarbe zum Beispiel könnte ich ohne erklärende Fotos und nur mit Text nicht nachbauen, da verlässt mich meine Vorstellungskraft. Dafür hat mich der Monster-Ehrenpreis aber nachhaltig beeindruckt.
Das Thema Genussgarten wird in anderen Büchern deutlich oberflächlicher behandelt als Frau Adams es getan hat, stattdessen bekommt man hier viele wertvolle Tipps von einer leidenschaftlichen Gärtnerin, die dankenswerterweise auch in die Tiefe gehen.
Alles in Allem also ein stimmiges Buch, das ganz unkompliziert zum Selbermachen, Improvisieren und einfach nur Genießen einlädt - auch von kuriosen Gewächsen.