Freitag, 26. April 2013

Multikulti im Staudenbeet

Heute möchte ich einmal mit einem kleinen Psychotest anfangen. Keine Angst, nichts zum Thema "Ist meine Kletterrose eine Zicke?" oder "Hat meine Sonnenblume Burnout?". Sowas überlassen wir mal besser anderen. Also, jetzt geht's los. Nur keine Kreuze auf den Bildschirm malen, ich mach die nicht wieder weg. Und bitte ganz ehrlich sein, es ist auch wirklich nicht schlimm oder kompromittierend:

Frage 1 Mögen Sie die Farbe Blau im Garten?
A Nur am Himmel, in den Beeten dulde ich ausschließlich beruhigendes Grün.
B Gerne auch an Grünzeug.

Frage 2 Haben Sie schattige Problemzonen im Garten?
A Problemzonen? Ich? Also bitte.
B Ja, diese Ecke am Kompost, da wächst bestenfalls Moos. Mit ein bisschen Glück auch in Grün.

Frage 3 Lieben Sie Borretsch?
A Igitt, ich esse keinen Haferbrei.
B Sicher doch, die Bienen und ich.

Frage 4 Säen Sie gern Einjährige?
A Wie verrückt!
B Lieber nicht, meine Stauden kommen dann wieder mit ihrer Ellbogentaktik.

Frage 5 Mögen Sie Stauden?
A Stau-was? Nein, das ist mir zu langweilig, die kommen ja jedes Frühjahr wieder.
B Jawoll, auf die kann man sich verlassen.

Frage 6 Hat Ihr Garten ein Schneckenproblem?
A Nicht mehr - seit der Nachbar Bierfallen aufstellt, sind die alle nebenan.
B Nicht zu knapp, und dann kriegen die mit mir ein Problem.

Frage 7 Kochen Sie gern exotische Gemüse aus dem eigenen Garten?
A Was der Gärtner nicht kennt, das isst er nicht.
B Würde ich ja gerne, aber im Schatten wächst einfach nichts Essbares.

Frage 8 Haben Sie etwas für Bodendecker übrig?
A Ja klar, ich liebe Rasen. Möglichst viel davon.
B Wenn es kein ödes Friedhofsgrün ist, finde ich die ungemein praktisch.

  
Wer nun bei mindestens drei Fragen Antwort B angekreuzt hat, ist reif für ein bisschen Multikulti im schattigen Staudenbeet. Denn hier kommt der dominante Doppelgänger vom Borretsch, auch mit blauen Blüten, auch eine Boraginacee, aber ein wirklich winterharter Dauerbrenner, der sogar kaum von Schnecken angeknabbert wird, für uns aber essbar ist. Diese Staude ist hierzulande äußerst selten in Gärten zu finden. Die Briten sind da weiter - in Kew Gardens war er präsent.

Neugierig geworden? Hier ist ein Fahndungsfoto:


Erkennt jemand die Pflanze schon? Die Auslösung gibt es demnächst hier auf diesem Sender.

Montag, 22. April 2013

Kleine Blaumänner

So klein und schon so blau, und das am frühen Morgen. Das kann ungestraft nur sie, die winzige Wachablösung von Krokussen und Schneeglöckchen. Ob in sonnigen Staudenbeeten oder am Fuße alter Bäume in schütteren Rasenflächen - sie sind immer obenauf und lassen sich nicht unterkriegen. Sie legen uns nicht nur den blauen Himmel zu Füßen, sondern holen uns auch noch die Sterne vom Himmel. Die Kleinen im Blaumann, die sich so gut zum Verwildern eignen, sind zum einen der Schneeglanz (Chionodoxa), zum anderen der Nickende Blaustern (Scilla siberica).

Auf den ersten Blick sehen sie sich zum Verwechseln ähnlich: Sie sind tintenblau, neigen zur Massenvermehrung und sind von eher zierlicher Gestalt. Während die Blüten von Scilla siberica aber bescheiden gen Boden schauen und nur von Ameisen gut zu sehen sind, himmelt der Schneeglanz gern die Wolken und damit auch den Gärtner an.



Die Fernwirkung in der Masse ist enorm - und viele Gartenbesitzer lieben ja blaue Blüten, was besonders gut im Frühling zu realisieren ist, denn dann gibt es eine besonders große Auswahl. Die kleinen robusten Zwiebelblumen mit dem Tintenherz dürfen da nicht fehlen. Das Preis-Leistungs-Verhältnis dieser Zwerge ist auch unübertroffen: Man kauft ein paar Exemplare und es werden jedes Jahr wie von Zauberhand mehr. In nur wenigen Jahren blühen die Sämlinge bereits.

In vielen Stadtparks oder auf alten Friedhöfen kann man sich ein Bild davon machen, wie so ein blauer Bodenbelag aussehen kann, wenn er schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Besteht der Rasen unter den Bäumen eher aus Moos als aus Gras, sind Blaustern und Schneeglanz vor dem Raubtier Rasenmäher einigermaßen sicher.
In einem kleinen Garten wird man so etwas selten hinbekommen, es scheitert dort zunächst an den passenden Baumgiganten. Aber auch im kleineren Rahmen wird man mit den Zwiebelblumen auf Expansionskurs glücklich, unter Obstbäumen oder Sträuchern zum Beispiel - Beifallsstürme im Frühjahr sind ihnen in jedem Fall sicher.


Ein paar Dinge müssen allerdings beachtet werden, wenn es mit dem Blaumachen klappen soll: Chionodoxa forbesii samt sich besser als als C. luciliae, letzterer ist aber auch nicht untätig. Bei Blausternchen ist Scilla siberica 'Spring Beauty' zwar größer als die Art, aber auch geiziger mit Nachkommen. Während der Wachstumsperiode der Knirpse sollte man größere Erdarbeiten oder Rasenmähen an ihrem Standort meiden. Dünne grüne Stängelchen, die neben den blühenden Pflanzen aus dem Boden kommen, sind meist keine gewöhnlichen Grashalme, sondern Sämlinge, die in Ruhe gelassen werden wollen. So entsteht mit der Zeit eine richtige kleine Schonung von neuen Pflänzchen, die immer weiter ihre Kreise im Garten ziehen. Die Ameisen helfen dabei und machen den Samen Beine.

Kombinieren kann man die Kleinen mit Lungenkraut, Puschkinien oder kleinen Knollenpflanzen, die niedrige Teppiche bilden und so die zierlichen Blumen nicht unterbuttern. Lerchensporn (Corydalis cava und solida), Duftveilchen und Scharbockskraut eignen sich aufgrund gleicher Blütezeit besonders gut.

Nicht nur Gärtner lieben die blauen Invasionen. Für Bienen sind die zarten Zwerge eine wertvolle Frühjahrstracht. Leider gibt es auch einige andere Feinschmecker, die weniger pfleglich mit den Pflanzen umgehen: Nacktschnecken können über Nacht alle blauen Blüten für sich vereinnahmen und werden sie auch mit gutem Zureden nicht wieder hergeben - unsere Rache wird ihnen umso sicherer sein. Rötelmäuse sind noch weniger wählerisch, pflücken sich mal einen Blumenstrauß, mal wird gleich die ganze Pflanze dem Erdboden gleichgemacht. Vorsicht also vor Pflanzungen an Holzterrassen, die eine beliebte Mäuseunterkunft mit Direktanschluss an die Futterquellen darstellen.

Wer jetzt blaues Blut geleckt hat, sollte nur noch auf eines achten: Dass die Zwiebeln aus Kulturmaterial stammen und keine Wildfänge sind. Denn bei soviel guten Gaben, die uns die Pflanzen bescheren, kann man ihnen diesen Gefallen schon tun. Zum Glück passiert der Raubbau bei so vermehrungsfreudigen Arten aber nicht so häufig wie bei Alpenveilchen oder seltenen Schneeglöckchenarten. So viel Rücksichtnahme werden sie uns danken und dem Frühling einige blaue Stunden schenken.

Mittwoch, 17. April 2013

Der Neue

So, jetzt ist er weg, der alte Sack. Er hatte schon ein bisschen Haltungsprobleme und war ein wenig ausgefranst. Auch mit der Sauberkeit haperte es etwas in letzter Zeit. Er ließ sich nur noch hängen und war völlig ausgelaugt, in seinem Inneren irgendwie leer. Der alte musste weg, da gab es keinen Zweifel, es hatte alles keinen Zweck mehr. Unser Verhältnis war zerrüttet, genauso wie sein äußeres Erscheinungsbild. Kennt ihr das auch? Manchmal braucht man einfach einen neuen. Jetzt habe ich endlich wieder einen. Den habe ich im China-Restaurant kennengelernt. Und so sieht er aus, ist er nicht bildschön? Der ist sogar mit "Extra Parfum", mit Auszeichnung also.


Er war kostenlos und wäre ohne meine Hilfe ausgemustert worden. Leere Reissäcke wandern nämlich nach der Leerung direkt in den Hausmüll - ich habe es kontrolliert, da ist kein grüner Punkt drauf! Nun sollen in den Sack wieder Kartoffeln rein. Diesmal baue ich Linda an, denn die war dummerweise dem Kochtopf entkommen, lungerte unnütz in der Küche herum und hatte schon fleißig ausgetrieben. Jetzt darf sie im Reissack für Nachwuchs sorgen. Ich hoffe, sie weiß das Angebot zu schätzen.

Warum ich schon wieder auf dem Thema herumreite? Weil mein Artikel zum Anbau von Knollen im Sack laut Statistik der meistgelesene überhaupt ist. Ein echter Dauerbrenner, ein ganz heißes Eisen. Daher habe ich mir gedacht, noch ein paar Tipps oben drauf zu legen. Völlig gratis. Im Nachhinein sind mir nämlich noch ein paar Dinge eingefallen, die man besser machen kann. Man lernt ja ständig dazu, und warum sollte man nicht seine Pleiten auch mal niederschreiben? Hier kommen sie also, es darf gelacht werden:

  • Letztes Jahr hatte ich meine Kartoffeln im Reissack fleißig mit Kaffeetrester aus der Maschine angehäufelt. Sieht aus wie Erde und hat den Knollen offenbar gut zugesagt. Allerdings fand auch die Gelbe Lohblüte (Fuligo septica) Gefallen an diesem hausgemachten Substrat. Der Name klingt nett, oder? Ist aber ein Schleimpilz, der schön leuchtende Fruchtkörper macht. Er schadet den Kartoffeln ganz und gar nicht, ernährt sich einzig und allein von anderen Dingen, die uns Menschen nicht schmecken. Der Pilz ist lediglich ein kosmetisches Problem, aber ein großes, wenn Besuch ansteht, der zu allem Überfluss auf der Terrasse dinieren will. Also schnell alles abgekratzt, um keine Hygienefragen aufzuwerfen. Wer auf den gelben Gast verzichten möchte, sollte keinen Kaffee verwenden. Eine Garantie ist das aber auch nicht.

  • Ein weiterer Nachteil von Kaffeemaschinenabfall ist die schnelle Verfärbung des Reissacks von Blütenweiß in Richtung bräunlich. Auch das gewinnt keinen Schönheitspreis.

  • Da so ein Reissack mit dem Messer oder der Schere geöffnet wird, franst die Schnittstelle gerne aus. Wenn man nicht aufpasst, sieht die Terrasse bald aus wie nach einer mittleren Karnevalsparty. Daher den Flatterrand am besten vorsichtig mit dem Feuerzeug verschmelzen.

  • Hat man das Substrat großzügig mit selbstgemachtem Kompost angereichert, darf man sich über Wurm-Nachwuchs freuen, und zwar nicht zu knapp. Das ist der Vorteil der Koffeinkur. Um die Nutztiere nicht zu verlieren sollte man den ganzen Sack nach erfolgreicher Kartoffelernte zurück in den Komposter entleeren.

  • Da der Sack Feuchtigkeit nach unten entlässt, ist ein Abstandshalter zu wertvollen Fliesen oder Terrassenbohlen ratsam. Wie wäre es mit einem alten Topfuntersetzer aus Metall oder einem großen Teller?

Wie weit ist eure Reissack-Akquise gediehen? Hattet ihr Probleme mit der Materialbeschaffung oder ging alles glatt? Ich bin auf eure Erfahrung gespannt!

Samstag, 13. April 2013

Folien, wollt ihr ewig leben?

Manche Dinge sind ein bisschen gruselig. So wie die Dose Handcreme neulich, die jahrelang seit dem Umzug unbemerkt in irgendeinem hintersten Winkel versteckt gewesen war, und mit Sicherheit jenseits des Verfallsdatums. Normalerweise mache ich solche Behälter des Grauens nicht auf, um nicht in Ohnmacht zu fallen angesichts des blühenden Lebens darin, aber aus irgendwelchen Gründen habe ich es doch getan. Wahrscheinlich ahnte ich schon, was kommen würde: Der Inhalt sah makellos aus, keine Spur von Schimmel, Verfärbung oder sonstigem Gammel. Schönen Gruß von der Chemie. Was so lebensfeindlich ist, hält zwar lange, es macht aber auch kein gutes Gefühl, sich damit einzucremen, auch im frisch gekauften Zustand nicht.

Ähnlich unvergänglich sind auch die auf den ersten Blick so tugendhaft wirkenden kompostierbaren Folien. Als Logo prangt dort ein hübsches Pflänzchen, was große Erwartungen beim Konsumenten weckt: Gemüseschalen, die genauso hinfällig sind wie ihr Inhalt, und dabei noch Gutes tun? Das schlechte Gewissen ist beruhigt, man kann den Behälter ja am Ende der Kompostierung zuführen und dem Garten somit einen Gefallen tun. Tolle Sache, aber funktioniert das auch?

Ich habe es in anfänglicher Leichtgläubigkeit ausprobiert und die Folien meinem Thermokomposter zugefüttert. Und was ist passiert? Nichts. Bei der alljährlichen Kompostverteilung auf die Beete sehe ich jedes Mal wieder alte Bekannte: Die kompostierbaren Folien. Statt pflichtschuldig zu Staub zu zerfallen, haben sie sich wirklich kein Bisschen verändert. Ich wäre froh, wenn man mir mein Alter genauso wenig ansehen würde! So wird das Kompostieren zur Lebensaufgabe.

Dann bliebe ja als letzte Rettung noch das städtische Kompostierwerk, die erreichen schließlich viel höhere Temperaturen als mein schneller Brüter das jemals könnte. Nur leider wollen die das Zeug auch nicht haben, denn wie sollen sie die Dinger von normalen Folien unterscheiden? Die haben gar keine Zeit, auf das lustige Logo zu achten. Falls das Zeug überhaupt verrottet. Am Ende tut es das nämlich nicht, und der ganze schöne Kompost wäre durchseucht mit Klarsichthüllen. Daher wird alles entfernt nach Kunststoff aussehende aussortiert und am Ende verbrannt.

Und so wird die innovative Idee, Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen zu produzieren, ad absurdum geführt. Seitdem ich das weiß, versuche ich auf Plastik mit und ohne Prädikat zu verzichten. Entweder nehme ich loses Gemüse mit, oder - wenn es gar nicht anders geht - Schalen aus Pappe oder diese ganz dünnen Tüten. Die Supermärkte machen es einem nicht leicht, noch nicht mal bei Biogemüse.

Da gerade die etwas zart-besaiteten Tomaten gern in diesen Plastik-Aquarien verkauft werden, ist es sowieso am besten, sich von den Konsumtempeln unabhängig zu machen. Und so habe ich wieder Samen für die Terrassenzucht ausgesät. Wie letztes Jahr schon sind meine bewährten Wildtomaten Golden Currant, Fredi und Celsior mit dabei. Neu im Rennen ist die Gelbe Cerise. Am 12.3. einzeln in Kokosquelltöpfe gesteckt, sehen sie nun so aus:


Wenn die alle groß und stark werden, können mir die verflixten Verpackungsfolien im Sommer zumindest für eine Weile gestohlen bleiben.


Zum Pikieren der Pflänzchen kann man ganz einfach selbst Töpfe wiederverwenden: Auf Friedhöfen fallen um diese Zeit massenhaft kleine Plastiktöpfe an, viele in derselben Größe. Hier kann man sich kostenlos bedienen und die Behälter noch einmal benutzen.

Meine Kompostwürmer jedenfalls bekommen die sich bei der Rotte so konservativ verhaltenden kompostierbaren Folien nicht mehr vor die Nase gesetzt, denn sie werden sich ohne die nicht klein zu kriegenden Fremdkörper auch wohler fühlen.

Montag, 8. April 2013

Messerscharf

Das hier ist das wohl verkannteste Gartenwerkzeug der Neuzeit:

Das mag daran liegen, dass der natürliche Lebensraum dieses Gerätes eher in einer Küche zu finden ist als an der frischen Luft. Die Rede ist vom guten alten Brotmesser. Wenn dieses zum zahnlosen Tiger geworden ist, und das Schneiden von knackigen Krusten nicht mehr so von der Hand geht, kann es seine zweite Karriere im Garten starten. Dazu braucht es keinen dreifach gehärteten Damaszener-Stahl, die einfache Ausführung tut es auch. Denn schwaches Wurzelwerk schafft es immer noch wie sonst keiner - was ihm auf den Laib geschneidert ist, funktioniert auch draußen.

Viele Frühlingsaufgaben kann man mit ihm bewältigen: Einer der Anwendungsfälle ist das Teilen von Stauden. Hat man die erst einmal mit dem Spaten ausgehoben, macht das Messer aus einem Wurzelballen viele.

Das klappt auch bei krautig wachsenden Zimmerpflanzen, wie beim Spathiphyllum. Jetzt im Frühjahr ist Zeit für eine Inspektion: Wenn das Einblatt trotz richtiger Bewässerung (nicht zu viel und nicht zu wenig) welk aussieht und die Erde muffig riecht, sollte neues Substrat her, und zwar schnell. Wenn man gar keinen größeren Topf mehr hat, um es wieder glücklich zu machen, muss es sich zum Wohle der Schönheit unter's Messer legen. Ein Viertel des Ballens wieder mit neuer Erde zurück in den alten Topf und alles wird gut. Die anderen drei Teile kann man verschenken oder anderweitig eintopfen.

Die meisten Zwiebel- und Knollenpflanzen allerdings leben nicht so gern auf Messers Schneide. Hier ist eher Handarbeit beim Teilen gefragt.

Wer ganz neugierig ist, kann auch mal Sensemann spielen und nachschauen, wie so ein alter Wurzelballen vom letzten Jahr von innen aussieht. Die Erde der alten Tomatentöpfe oder anderer Gemüseanbauten bietet sich dafür an. Schnell mit einem scharfen Schnitt entzwei und man wird sehen, dass die Wurzeln immer an der Wand lang gewachsen sind. Jetzt kann man den Ballen von innen ausnehmen wie eine Weihnachtsgans und das wenig durchwurzelte Innere auflockern und als Anzuchterde verwenden. Aus Gründen der Hygiene allerdings nicht mehr bei derselben Pflanzenfamilie, die bereits darin gewachsen ist. Sommerblumen oder Stauden vorziehen kann man aber auch in dem alten, gut abgemagerten Gemüsesubstrat. Der Rest kann in den Kompost.

Bevor man den Töpfen so zu Leibe rückt, ist zunächst noch Schichtwechsel angesagt: Man kann jetzt noch etwaigen Aufwuchs entfernen. Meine Tomatentöpfe werden immer gern von Vergissmeinnicht besiedelt, wo auch immer die Samen hergekommen sind. Da die Vertreter im Beet diesen Winter offenbar gelitten haben, bin ich froh über den an der Hauswand unverfroren überwinterten Nachwuchs. Also einfach die oberste Schicht des Topfes abgetragen - ihr ahnt es schon: Hier kommt wieder das Messer zum Einsatz. Jetzt noch schnell in kleinere Portionen reißen und ab ins Beet. So kann der Frühling doch noch sein blaues Wunder erleben. Und das Brotmesser ist reif für die Wäsche und hat sich eine Pause verdient. Bis zum nächsten Jahr.

Mittwoch, 3. April 2013

Mühsam ernährt sich das Rotkehlchen

Neulich war ich ja bei winterlichen Temperaturen in London, und natürlich muss frau dort eines tun: Shoppen. Die Gärtnerin interessieren selbstredend vor allem Mitbringsel, die es hierzulande nicht zu kaufen gibt. Und davon hat es reichlich in den Läden - vor allem Kew Gardens bietet eine Palette von schönen Dingen feil, so dass man sich immer wieder die Dimensionen seines Koffers plastisch vor Augen halten sollte, um nicht hoffnungslos dem Kaufrausch anheim zu fallen. Da gibt es Samen, seltenere Blumenzwieblelsorten, Anzuchtsets und viel britischen Humor (zum Beispiel ein Buch mit dem lustigen Titel "Fifty Sheds of Grey").

Ich konnte dort auch nicht lange widerstehen. Denn als in Kew die Rotkehlchen so nett in den Gewächshäusern herum hüpften und wie auf Bestellung für angenehme akustische Untermalung sorgten, fielen mir siedend heiß meine eigenen Gartenbewohner wieder ein. Die meisten orangefarbenen Sänger kennen nämlich den Luxus einer beheizten Unterkunft nicht und müssen sich daher mehr Fettpölsterchen anfuttern. Doch woher soll die Insektennahrung kommen im ewigen Eis des diesjährigen sogenannten Frühlings?

Und genau als Lösung für dieses Problem sah ich in einer der Verkaufsabteilungen in Kew diese so herzzerreißend wie unwiderstehlich aufgemachte Packung.


Der Inhalt des hübschen Beutels: Doping für Rotkehlchen und andere Insektenfresser. Das hochenergetische Futter enthält Insekten, Rosinen, Honig und andere Kalorienbomben für Singvögel. Das Zeug musste einfach mit, denn die Engländer kennen sich schließlich aus mit der Ganzjahresfütterung von gefiederten Gartenbewohnern, oder?

Und wer bitteschön würde Rotkehlchen denn nicht mögen? Von hinten eher unauffällig tragen sie vorn eine prächtige orangefarbene Warnweste. Sie singen wunderschön auch bei winterlicher Dunkelheit und helfen manchmal ganz unerschrocken bei der Gartenarbeit mit, indem sie tollkühn dem Spaten folgen, um Insekten und Würmer abzustauben. Dazu noch die großen Kulleraugen und fertig ist der Liebling aller Gärtner.



Wieder zu hause in Deutschland war das Wetter dann auch so richtig unfreundlich - der Garten lag unter einer neuen Schneedecke begraben, und die Rotkelchen guckten so wie ich etwas sparsam. Ein guter Zeitpunkt also, um die Athletenmahlzeit an den Vögeln auszuprobieren. Der Inhalt des Beutels roch nicht übel, war aber durch das Vorhandensein von (toten) Mehlwürmern gut von einem Müsli für Menschen zu unterscheiden. Vorsichtshalber aber immer für eine ausreichende Beleuchtung beim Frühstück sorgen, um nicht im morgendlichen Delirium die Packungen zu verwechseln! 

Als ich dann mit einem Teller voll des guten Stoffs an Frau Katze vorbeiging in Richtung Terrassentür, hätte ich bereits ahnen sollen, dass es ein Problem geben würde: Das Pelztier folgte mir erwartungsvoll und hoffte offensichtlich auf ein deftiges zweites Frühstück. Probehalber hielt ich ihr den Teller hin, woraufhin sie genüsslich an seinem Inhalt roch und schon gierig zum Verspeisen des selbigen ansetzte. Lieber schnell raus in den Garten mit dem Vogelfutter, eine maßlos enttäuschte Katze zurücklassend.

Dort platzierte ich den Teller auf einem umgedrehten Blumentopf mitten auf dem Rasen, um auch beobachten zu können, ob die Leckerei angerührt würde. Wurde sie auch prompt, allerdings nur von den Kohlmeisen, das Rotkehlchen hüpfte immer nur desinteressiert an dem Angebot vorbei und pickte sich noch nicht einmal die Rosinen heraus. Dann trat schließlich Nachbars Katze auf den Plan, lief zielstrebig auf die Produktpräsentation zu und machte sich über die unverhoffte Mahlzeit her. Obwohl ich lieber das Rotkehlchenfutter in der Katze hätte als das Rotkehlchen selbst, griff ich ein und nahm dem Sofatiger den Teller wieder weg.

Kew Gardens

Also musste ein katzensicherer Aufstellort her. Satte Rotkelchen schienen zum Staatsakt zu werden - auch an dem neuen, versteckteren Platz entdeckten sie das kalte Buffet nicht. Vielleicht hätte ich die ganze Packung als Werbung daneben stellen sollen? Stattdessen probierte ich lieber die Bodenvariante aus und schüttete die Energienahrung dorthin, wo sowohl der orangene Sänger als auch die Heckenbraunelle gern vorbei flanieren.

Wer dann durch Abwesenheit glänzte, war die Zielgruppe. Es drängte sich die Frage auf, ob ich vielleicht auch original britische Rotkehlchen hätte mitbringen müssen? Dann verschnabulierten in einer konzertierten Aktion mehrere Buchfinkenmännchen in Kürze das komplette Insektenfresserfutter. So war das zwar nicht gedacht, aber immerhin sind die auch ein bisschen rot an der Brust. Ich sorgte eifrig für Nachschlag. Am Ostermontag hatten die Herren Besuch bekommen von der ausländischen Verwandtschaft und luden ihre internationalen Gäste zum Essen ein: Zwei ebenso prachtvolle wie hungrige Bergfinken nahmen unter der Federführung der Einheimischen am Festbankett teil - äußerst elegant gekleidet in der zarten Farbe von Orangeneis. Beide Arten profitieren als Waldbewohner von dem Futterangebot in Bodenhaltung, da sie naturgemäß in der Laubstreu nach Nahrung stöbern - akrobatische Kunstflugmanöver am Futterspender sind ihre Sache nicht. Die nordischen Bergfinken, die uns nur im Winter beehren, hatte ich bis dahin noch nie in meinem winzigen Garten zu Gast, so dass das Rotkehlchenfutter am Ende doch noch zu einer kleinen Sensation geführt hat. Zwar anders als erhofft, aber diesmal hat wenigstens die Gefiederfarbe annähernd gestimmt.

Wenn der "I love robins"-Beutel leer ist, pflanze ich etwas hinein - Katzenminze vielleicht? Die Rotkehlchen bekommen dann in Zukunft doch lieber wieder Haferflocken, das ist auch günstiger.