Neulich war ich ja bei winterlichen Temperaturen in London, und natürlich muss frau dort eines tun: Shoppen. Die Gärtnerin interessieren selbstredend vor allem Mitbringsel, die es hierzulande nicht zu kaufen gibt. Und davon hat es reichlich in den Läden - vor allem Kew Gardens bietet eine Palette von schönen Dingen feil, so dass man sich immer wieder die Dimensionen seines Koffers plastisch vor Augen halten sollte, um nicht hoffnungslos dem Kaufrausch anheim zu fallen. Da gibt es Samen, seltenere Blumenzwieblelsorten, Anzuchtsets und viel britischen Humor (zum Beispiel ein Buch mit dem lustigen Titel "Fifty Sheds of Grey").
Ich konnte dort auch nicht lange widerstehen. Denn als in Kew die Rotkehlchen so nett in den Gewächshäusern herum hüpften und wie auf Bestellung für angenehme akustische Untermalung sorgten, fielen mir siedend heiß meine eigenen Gartenbewohner wieder ein. Die meisten orangefarbenen Sänger kennen nämlich den Luxus einer beheizten Unterkunft nicht und müssen sich daher mehr Fettpölsterchen anfuttern. Doch woher soll die Insektennahrung kommen im ewigen Eis des diesjährigen sogenannten Frühlings?
Und genau als Lösung für dieses Problem sah ich in einer der Verkaufsabteilungen in Kew diese so herzzerreißend wie unwiderstehlich aufgemachte Packung.
Der Inhalt des hübschen Beutels: Doping für Rotkehlchen und andere Insektenfresser. Das hochenergetische Futter enthält Insekten, Rosinen, Honig und andere Kalorienbomben für Singvögel. Das Zeug musste einfach mit, denn die Engländer kennen sich schließlich aus mit der Ganzjahresfütterung von gefiederten Gartenbewohnern, oder?
Und wer bitteschön würde Rotkehlchen denn nicht mögen? Von hinten eher unauffällig tragen sie vorn eine prächtige orangefarbene Warnweste. Sie singen wunderschön auch bei winterlicher Dunkelheit und helfen manchmal
ganz unerschrocken bei der Gartenarbeit mit, indem sie tollkühn dem
Spaten folgen, um Insekten und Würmer abzustauben. Dazu noch die großen Kulleraugen und fertig ist der Liebling aller Gärtner.
Wieder zu hause in Deutschland war das Wetter dann auch so richtig unfreundlich - der Garten lag unter einer neuen Schneedecke begraben, und die Rotkelchen guckten so wie ich etwas sparsam. Ein guter Zeitpunkt also, um die Athletenmahlzeit an den Vögeln auszuprobieren. Der Inhalt des Beutels roch nicht übel, war aber durch das Vorhandensein von (toten) Mehlwürmern gut von einem Müsli für Menschen zu unterscheiden. Vorsichtshalber aber immer für eine ausreichende Beleuchtung beim Frühstück sorgen, um nicht im morgendlichen Delirium die Packungen zu verwechseln!
Als ich dann mit einem Teller voll des guten Stoffs an Frau Katze vorbeiging in Richtung Terrassentür, hätte ich bereits ahnen sollen, dass es ein Problem geben würde: Das Pelztier folgte mir erwartungsvoll und hoffte offensichtlich auf ein deftiges zweites Frühstück. Probehalber hielt ich ihr den Teller hin, woraufhin sie genüsslich an seinem Inhalt roch und schon gierig zum Verspeisen des selbigen ansetzte. Lieber schnell raus in den Garten mit dem Vogelfutter, eine maßlos enttäuschte Katze zurücklassend.
Dort platzierte ich den Teller auf einem umgedrehten Blumentopf mitten auf dem Rasen, um auch beobachten zu können, ob die Leckerei angerührt würde. Wurde sie auch prompt, allerdings nur von den Kohlmeisen, das Rotkehlchen hüpfte immer nur desinteressiert an dem Angebot vorbei und pickte sich noch nicht einmal die Rosinen heraus. Dann trat schließlich Nachbars Katze auf den Plan, lief zielstrebig auf die Produktpräsentation zu und machte sich über die unverhoffte Mahlzeit her. Obwohl ich lieber das Rotkehlchenfutter in der Katze hätte als das Rotkehlchen selbst, griff ich ein und nahm dem Sofatiger den Teller wieder weg.
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Kew Gardens |
Also musste ein katzensicherer Aufstellort her. Satte Rotkelchen schienen zum Staatsakt zu werden - auch an dem neuen, versteckteren Platz entdeckten sie das kalte Buffet nicht. Vielleicht hätte ich die ganze Packung als Werbung daneben stellen sollen? Stattdessen probierte ich lieber die Bodenvariante aus und schüttete die Energienahrung dorthin, wo sowohl der orangene Sänger als auch die Heckenbraunelle gern vorbei flanieren.
Wer dann durch Abwesenheit glänzte, war die Zielgruppe. Es drängte sich die Frage auf, ob ich vielleicht auch original britische Rotkehlchen hätte mitbringen müssen? Dann verschnabulierten in einer konzertierten Aktion mehrere Buchfinkenmännchen in Kürze das komplette Insektenfresserfutter. So war das zwar nicht gedacht, aber immerhin sind die auch ein bisschen rot an der Brust. Ich sorgte eifrig für Nachschlag. Am Ostermontag hatten die Herren Besuch bekommen von der ausländischen Verwandtschaft und luden ihre internationalen Gäste zum Essen ein: Zwei ebenso prachtvolle wie hungrige Bergfinken nahmen unter der Federführung der Einheimischen am Festbankett teil - äußerst elegant gekleidet in der zarten Farbe von Orangeneis. Beide Arten profitieren als Waldbewohner von dem Futterangebot in Bodenhaltung, da sie naturgemäß in der Laubstreu nach Nahrung stöbern - akrobatische Kunstflugmanöver am Futterspender sind ihre Sache nicht. Die nordischen Bergfinken, die uns nur im Winter beehren, hatte ich bis dahin noch nie in meinem winzigen Garten zu Gast, so dass das Rotkehlchenfutter am Ende doch noch zu einer kleinen Sensation geführt hat. Zwar anders als erhofft, aber diesmal hat wenigstens die Gefiederfarbe annähernd gestimmt.
Wenn der "I love robins"-Beutel leer ist, pflanze ich etwas hinein - Katzenminze vielleicht? Die Rotkehlchen bekommen dann in Zukunft doch lieber wieder Haferflocken, das ist auch günstiger.