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Freitag, 30. August 2013

Gut gebrüllt, Löwenmäulchen

In unserer Reihenhaussiedlung gibt es ein großes Gemeinschaftsbeet. Es ist arg gebeutelt, der Boden wie Staub und augenscheinlich ohne Leben. Das Kugelahorn-Trio darin macht die Situation nicht besser und säuft den letzten Rest Bodenfeuchtigkeit aus dem ohnehin schon kargen Erdreich.

Dort zu gärtnern ist eine echte Herausforderung. Ich versuche daher immer, Stauden zu pflanzen, die Kummer gewohnt sind und mit wochenlanger Dürre und schlimmem Wurzeldruck zurecht kommen. Es ist nicht einfach - selbst die so anspruchslosen Kronen-Lichtnelken (Lychnis coronaria) sind dort immer kurz vor einem Nervenzusammenbruch - und ich auch. Nur Margeriten, Lavendel, Frauenmantel und Salbei trotzen allen widrigen Bedingungen. Der Gilbweiderich vertrocknet in den meisten Jahren oder wird von Blattwespenlarven gefressen.

Dieses Jahr aber dachte ich mir, Spornblumen mit ihrem sonnigen, robusten Wesen wären eine gute Wahl mit Standortvorteil. Also säte ich Samen von meiner Pflanze in das große Beet aus.
 
 
Da ich also ohnehin schon mit der Spornblumen-Brille unterwegs war, passierte ein kleines Malheur, aber immerhin ein schönes: Weil im botanischen Garten eine Mulde zum Zwischenlagern von pflanzlichen Abfällen zum Inventar gehört, muss ich geradezu zwanghaft bei jedem Besuch dort hineinschauen, um etwaige Staudenschätze vor dem Tod im Kompostwerk zu retten. Das ist zugebenermaßen nicht immer eine olfaktorisch Offenbarung, aber so bin ich schon an wunderbare Fingerhüte und einen besonders reizenden Bartfaden (Penstemon hirsutus) gekommen.


Und dieses Mal entdeckte ich sie - Spornblumen! Was für ein wunderbarer Zufall! Mit perfekt topfförmigem Wurzelballen, aber abgeschnittenen Blüten. Ein bisschen komisch kam mir das schon vor - Centranthus als Saisonbepflanzung von Kübeln - aber botanische Gärten sind eben anders, dachte ich mir. Zum Glück nahm ich nicht alle zehn Pflanzen mit, sondern nur vier, denn zuhause kamen mir erste Zweifel an der Identität meiner Fundstücke. Diese Spornblumen sahen irgendwie komisch aus - ihr Anblick kam mir aber trotzdem sehr bekannt vor. War das alles doch nur Wunschdenken gewesen?

Zum Glück hatte ich meine Beute noch nicht in das Gemeinschaftsbeet gestopft und vor den Nachbarn als Spornblumen angekündigt, die die Rettung aus aller Tristesse bringen sollten, denn plötzlich fiel mir ein, was das war: Löwenmäulchen! Verblühte noch dazu. Auch schön, aber leider einjährig und definitiv keine Spornblumen, so sehr man sie auch drehte und wendete. Ich war so sehr auf diese Staude fixiert gewesen, dass ich sie in allem und jedem gesehen hatte.

Ab in den Kompost also mit den abgeblühten Stängeln? Wer mich kennt, weiß, dass ich sowas nur ganz schweren Herzens über selbiges bringe. Außerdem kann doch wohl niemand ernsthaft dem lustigen Großmaul namens Antirrhinum majus widerstehen.




Also habe ich die armen Pflanzen in Töpfe gestellt, gedüngt und gegossen, bis sich tatsächlich nun Ende August neue Blüten gezeigt haben - bei immerhin einem Viertel der geretteten Pflanzen. Also genau einer. Gekostet hat dieses Experiment rein gar nichts, wird den Hummeln aber sicher gut schmecken. Außerdem kann ich so noch Samen für das nächste Jahr gewinnen.



Und das alles nur, weil ich dummerweise die Löwen für Spornblumen gehalten habe...

Samstag, 15. Juni 2013

Steinreiche Spornblume

So langsam verstehe ich, warum die Spornblume (Centranthus ruber) genau gegenüber der Rose de Resht ihre blühenden Zelte aufgeschlagen hat. Sie hat sich dort selbst angesiedelt, und das war gar kein Zufall, da steckt der große Plan dahinter, die Welt erröten zu lassen. Zumindest meinen Hauseingang. Ist doch schön, wenn die Stauden mitdenken und bei der Gartenplanung behilflich sind. Das tun ja viele Pflanzen, die sich selbst aussäen, aber die gute Centranthus geht sogar noch einen Schritt weiter und sucht sich von ganz alleine eine Stelle, wo sie einen Partner findet, der nicht nur zur selben Zeit, sondern zu allem Überfluss auch noch in der derselben Farbe blüht. Ich selbst hätte es nicht besser planen können, vor allem, weil ich natürlich im Leben nicht auf die Idee gekommen wäre, die Staude einfach in pure Steine zu setzen, ohne Erde weit und breit. In der Kieselsteinrinne der Dachtraufe fühlt sie sich aber so richtig sauwohl, also darf sie da bleiben.


Ich komme bald nur noch mit der Machete zur Haustür, weil Signora Spornblume sich so breit macht, aber es sei ihr gegönnt. Denn dieses Jahr hat sie sich mit der edlen Rose auf der anderen Seite des Weges scheinbar abgesprochen - beide blühen um die Wette, so dass es eine wahre Freude ist, nach Hause zu kommen. 

Das Empfangskomitee in Rot macht sich zwar äußerst wichtig und stellt sich gerne in den Weg, aber die letzten Meter waren noch nie so unterhaltsam. Finde ich zumindest. Briefträger und Zeitungsbote aber werden vor allem die breite Staude sicher sehr verfluchen, wenn sie keine Schlangenmenschen sind. Vielleicht verpassen sie ihr sogar einen Tritt, wenn keiner hinschaut, aber das ist mir egal. Da müssen sie durch. Denn nie hätte ich es für möglich gehalten, dass Centranthus zu so einem beeindruckenden Busch heranwachsen könnte, so ganz ohne Substrat an den Wurzeln.



Ein paar Meter weiter macht es ihr eine Akelei nach, auch da werde ich schauen, ob sie zur Blüte kommen wird.

Pflanzen, die sich von Berufswegen stark durch Samen verbreiten, werden immer mal wieder an Stellen keimen, wo die Bedingungen nicht optimal sind. In meinem Garten sind die schon froh, wenn sie einen Platz finden, an dem noch niemand anderes seine Wurzeln in Erde räkelt. Man kann die Sämlinge einfach wieder entfernen und an besserer Stellen setzen, oder - wenn sich einfach keine findet - abwarten, was passieren wird. So kann man ungeahnte Erkenntnisse gewinnen - lassen sich womöglich immer wieder abgeschriebene Standortansprüche widerlegen? Sind die Stauden vielleicht gar nicht so wehleidig?

Im Falle der Spornblume lassen sich auch andere Experimente durchführen, etwa: Wie schmal darf ein Weg sein, bevor er den Namen nicht mehr verdient? Oder wie tolerant sind Briefträger, wenn sie von einer Pflanze angefallen werden? Egal, wie das Ergebnis ausfallen wird, meine Centranthus hat sich den außergewöhnlichen Standort verdient!

Dienstag, 1. Januar 2013

Die heimlichen Stars 2012

Ein neues Jahr fängt an und es ist Zeit für den obligatorischen Rückblick. Dieses Mal möchte ich aber nicht meine eigenen mehr oder minder guten Vorsätze aufschreiben und schon gar nicht den Erfolg der letztjährigen kritisch überprüfen (ihr wisst ja, wie das ist), sondern mal wieder die Prominenz im Reihenhausgarten zu Wort kommen lassen. Diese VIPs, über die ich mich 2012 gefreut habe, sollen heute inklusive Paparazzi-Fotos vorgestellt werden. Wie sich sicher jeder denken kann, ist die Prominenz hier allerdings rein pflanzlicher Natur, das macht auch das Zeigen von Oben-Ohne-Fotos einfacher.

Und so machen wir heute zur Abwechslung mal eine kleine Oscarverleihung - Vorhang auf!

Da wäre zum einen die spontane Spornblume (Centranthus ruber), die ganz ohne Erde und freiwillig in der Traufrinne an der Hauswand wächst, womit sie sich gleich noch den Tapferkeitsorden des Jahres verdient hat. Ich hatte letzten Winter schon darüber berichtet, aber dann kam ja noch der zweistellige Kahlfrost. Überlebt hat nur das Exemplar, das ich noch rechtzeitig mit Tannenreisig in Deckung gebracht hatte. Alsdann hieß es, die Staude vor feindlichen Übergriffen zu schützen, denn ein bisschen illegal war ihr Platz ja schon, und so war sie auch einigen Ordnungsfanatikern ein Sporn im Auge. Aber ich habe mich stets tapfer dazwischen geworfen, so dass ich im Sommer in den Genuss ihrer Blütenpracht kam. Wenn man genau hinschaut, sind ihre Flugsamen sogar ein bisschen golden - sie veranstaltet ihre eigene kleine Preisverleihung.


Mittlerweile hat sie damit reichlich Nachwuchs in den umliegenden Pflasterfugen verteilt - sie erhält damit auch noch den Oscar für die beste Nebenrolle (wenn auch etwas neben der Spur).

Meine langjährige Hausmarke, die immer wieder aus selbst gesammelten Samen vermehrte Kapuzinerkresse, hat letztes Jahr beschlossen, sich zur Abwechslung einmal dezenter zu kleiden. Statt wie jede Saison davor in knalligem Orange die Diva zu spielen und jede Party zu sprengen, nun wieder in zartem Apricot. Eindeutig der Oscar für das beste Kostüm, und noch ein Grund mehr, seine eigenen Pflanzen nach Samen abzusuchen statt immer neue zu kaufen:


Mein langjähriger Regieassistent, der gute alte Korallenstrauch (Solanum  pseudocapsicum), schlug auch 2012 wieder alle Rekorde und ist kein bisschen leise geworden. Blüht und fruchtet, dass es eine Pracht ist, trotz fortgeschrittenen Alters und ohne Schönheitschirurgie! Eindeutig keine Wegwerfpflanze - er erhält damit den Oscar für die besten visuellen Effekte,  Schattenspiel inklusive:


Den Oscar für die beste Hauptrolle erhält das längste Gemüse der Welt, das sich letzte Saison dazu herabgelassen hat, zaghaft zu blühen. Das ist das erste Mal in der Gartengeschichte meines Topinambur-Wildwuchses im Alcatraz-Beet. Immer ein wenig auf der dominanten Seite, muss man doch seiner Wuchskraft Respekt zollen. Weiter so!



Der Oscar für den besten Schnitt geht an die gute alte Katzenminze (Nepeta fassenii), denn es gibt nur wenige Stauden, die so lange blühen, wenn man sie rechtzeitig zurückschneidet, und dabei so anspruchslos sind. Dazu ist sie ein echter Publikumsliebling - bei Bienen und Hummeln genauso wie bei diesem winzigen Purpurzünsler (Pyrausta), der scheinbar Nachwuchs auf der Katzenminze heranziehen wollte:




Ein Frohes Neues Jahr 2013 wünsche ich allen meinen Lesern, ihr bekommt den Oscar für das beste Publikum!

Montag, 16. Januar 2012

Die Wüste lebt

Ach, wie schön sind Spornblumen. Führen einen wirklich tadellosen Lebenswandel, sehen stets adrett aus mit ihrem glänzenden immergrünen Laub, und erfreuen auch noch die Insektenwelt. Trockenheitsresistent ist Centranthus ruber außerdem noch, was eine ungemein praktische Zugabe darstellt.


Ihre Blütezeit ist erfreulich lang mit guter Fernwirkung im größeren Bestand.


Mit jeder guten Eigenschaft dieser mediterranen Wunderblume steigt selbstverständlich auch die Begierde, ihrer habhaft zu werden. Und so habe ich jahrelang versucht, es ihr im Garten schmackhaft zu machen. Ich habe ihre Samen verstreut, Sämlinge ausgepflanzt, mit Kompost gelockt - aber es half alles nichts. Die Blume war bockig. Wo ich sie haben wollte, wollte sie nicht. Unser Verhältnis blieb entsprechend unterkühlt. Zum Glück aber lungern ein paar Häuser weiter einige Exemplare herum, die ihre Flugsamen freigiebig in alle Winde zerstreuen. Und siehe da - die Windrichtung war mir hold. 

Nicht dass jetzt jemand denkt, die Sämlinge hätten sich hübsch im Beet einquartiert. Nein, das kann ja jeder. Stattdessen waren sie in ihrer Platzwahl etwas unkonventionell. Daher bitte ich Ordnungsfanatiker, lieber wegzusehen bei dem Anblick, der jetzt folgt. Nur für hartgesottene Pflanzenliebhaber ist dies hier zu ertragen, ohne dabei schamhaft so rot zu werden wie die Blüte der Spornblume selbst:


Die nächstbeste Pflasterfuge wird gleich mitbesiedelt

Richtig, sie wachsen ausschließlich in und an der mit Kieselsteinen gefüllten Rinne, die nach altem westfälischen Volksglauben die Hausfassade vor Schmutzspritzern schützen soll. Mit der unfehlbaren Sicherheit eines botanischen Spürhundes haben sie die wahrscheinlich einzige vakante Stelle im ganzen Garten gefunden - abgesehen von der Dachrinne. Hier sind die Pflänzchen konkurrenzlos, da will sonst keiner freiwillig wachsen. Und dieses völlige Fehlen von lästiger Wurzelkonkurrenz und Verschattungsversuchen bereits etablierter Widersacher hat diesen Flecken wohl für Quereinsteiger so überaus attraktiv gemacht.

Diese Gesteinsbrockenödnis hatte bisher überhaupt gar kein pflanzliches Leben hervorgebracht. Jeder Samen, der dort aus Versehen keimte, war verloren. Ich gestehe, ich habe schon des Öfteren überlegt, diese Wüste mit Steinbrech oder anderen Pflanzen zu beleben, mich aber nie so recht getraut - was sollen denn die Nachbarn denken? Dieser Fall aber war ja nun völlig anders gelagert - schließlich war Centranthus ruber hier aus freien Stücken eingezogen. Das ist doch im wahrsten Sinne ein Geschenk des Himmels! Allein, was sie bloß versorgungstechnisch an diesem Habitat findet, ist mir schleierhaft. Dieser Ort ist in etwa so einladend wie eine Autobahnbaustelle, und noch dazu im Halbschatten. Erde und Nährstoffe dürften hier nur als Spurenelemente vorhanden sein - dennoch wachsen und gedeihen die fröhlichen Blumen. In diesem Winter sind sie sogar schon ganz proppere Kerlchen geworden. Wikipedia weiß auch hierauf eine Antwort: "Als Standorte werden Fels- und Mauerspalten, Felsschutt und Wegränder bevorzugt.". Bingo, das trifft alles gleichzeitig auf meine Steinrinne zu!


So viel Tapferkeit muss doch belohnt werden, oder? Was meint ihr - lässt mich die Duldung dieser Lückenbüßervegetation zum Messie werden oder trägt so ein Blümchen zum Ambiente bei? Mein Mann jedenfalls möchte, dass dieses "Unkraut" dort schleunigst verschwindet, und zwar am besten gestern. Ich bin dafür, die spontanen Spornblumen zu belassen. Dass die Insektenwelt sich hocherfreut zeigen wird, steht schließlich außer Frage.