Herzlich willkommen beim zweiten Teil unserer Reihe "Gartenliteratur aus dem Antiquariat - brilliant oder brandgefährlich?".
Heute: Horst Köhler mit Dem Praktischen Gartenbuch von 1952, erschienen im Carl-Bertelsmann-Verlag.
Die Kapitelauswahl lässt auf den ersten Blick keine Wünsche offen: Über den Boden, Düngemittel, Gartengestaltung, Ziergarten, Rosen, Sommerblumen, Gemüse und Obst bis hin zu Zimmerpflanzen ist alles vertreten.
Ein Buch, das voll ist von poetischen Wörtern, wie "Leunasalpeter", "Ätzkalk" oder "Rhenaniaphosphat" - alles unentbehrliche Helferlein des Nachkriegsgärtners, der augenscheinlich ein grenzenloses Vertrauen in die Welt der Chemie hatte.
Dieses Gefühl beschleicht einen auch beim Betrachten der Werbung im Anhang:
Führen wir uns dieses Bild einmal genauer zu Gemüte:
Rechts sehen wir einen ungemein erfolgreichen Gärtner, der einen blühenden und ertragreichen Garten vorweisen kann, E605 forte sei's gedankt. Dass in diesem chemiegetränkten Areal Äpfel und Tulpen gleichzeitig auf der Bildfläche erschienen sind, nehmen wir jetzt mal als künstlerische Freiheit hin. Während der Gärtner rechts ohne zu Schwitzen allein mit der Kraft der Giftspritze zu arbeiten scheint, sieht man zur Linken seinen neidischen Nachbarn, der sich mit dem Spaten abrackern muss und allerhöchstens seinen Maschendrahtzaun zum Blühen bringt.
Langsam bekomme ich eine leise Ahnung, warum in Krimis immer der Gärtner der Mörder ist...
Auch der gute Horst Köhler empfiehlt das "Wundermittel" E605 gegen Insekten in den wärmsten Tönen.
Die gute alte Zeit hatte also auch so ihre Tücken und zum Glück haben sich nicht alle Bräuche in die heutige Zeit retten können. Zur Sicherung der Beerenernte wird gar dazu geraten, Amsel- und Sperlingsnester gnadenlos zu vernichten. Wer hätte danals ahnen können, dass gerade Sperlinge einmal so selten werden könnten...
Doch Hotte hat auch ein weiches Herz, das sich in dem Kapitel "Gnade vor Recht" zeigt: Schwalbenschwanzraupen wird Amnestie gewährt, weil sie hübsch, selten und so gefährlich auch nicht sind.
Vogelfütterung und Nistkastenbau werden ebenfalls nicht verschwiegen.
Dann wieder gibt sich der Autor ganz bodenständig - und beschreibt die organischen Dünger. Der geneigte Leser erfährt, welcher Dung von welchem Tier als "kalt" (Rind, Schwein, Gans) oder "warm" (Pferd, Ziege, Huhn, Schaf und Taube) gilt - denn damals hatte man die Qual der Wahl, da die Viehhaltung im eigenen und in Nachbars Garten noch weit verbreitet und ganz üblich war.
Sollten alle Stricke reißen, steht auch der Verwertung der eigenen Stoffwechselendprodukte (sic!) nichts mehr im Wege.
Das Buch hat wenige Farbtafeln, aber eine Fülle teilweise unfreiwillig komischer Zeichnungen.
Hier meine Favoriten:
Als die Bohnen laufen lernten:
Gevatter Blumentod - ist richtig aufgesetzte Heizungsluft der Hyazinthe Blumentod, oder wie jetzt?
Geradezu legendär ist diese Anleitung zum Holländern:
Wer das kapiert - Respekt! Ich gestehe: Ich tu's nicht... Man hätte wohl dabei sein müssen.
Mein Fazit: Das praktische Gartenbuch hat durchaus nostalgischen Wert und auch heute noch einen gewissen Nutzen, wenn, ja, wenn man zu differenzieren weiß. Nicht alles, was dort geschrieben steht, kann man heute unreflektiert übernehmen. Die Zeiten ändern sich und gerade den biologisch gärtnernden Lesern werden bei der Lektüre so manches Mal die Haare zu Berge stehen.
Überliest man die für heutige Gärtner so befremdlichen Praktiken, trifft man stellenweise aber auch auf ganz moderne Ansichten und gute Tipps.
Nur die Sache mit dem E605 sollte man dann doch lieber nicht zuhause nachmachen...
Genial, Du hast mir jetzt richtig Lust gemacht, mal meine alten Gartenbücher zu lesen.
AntwortenLöschenlg kathrin
Liebe Elke
AntwortenLöschenIch kann dir bestätigen, wo gestern noch Weiss war ist jetzt Grün :-( alles weg! Ich fass es kaum, wie schnell das ging, aber der Föhnsturm hat halt schon noch das seinige dazugetan und ziemlich gewütet ... und jetzt haben wir +7° - ich hoff also schon, dass es wenigstens wieder kälter wird und dann wünsch mir für euch, dass es bei euch endlich aufhört mit dem Weiss von Oben - ist ja schon recht prekär diese Tage.
Du, dein Bericht über dieses alte Buch macht wirklich Lust, mal aus der Brokenstube nach alten Gartenbüchern Ausschau zu halten - und das hab ich bereits letzten Freitag gemacht - leider erfolglos ... dafür ist mir ein kleines versilbertes Tablett über den Weg gehüpft - auch toll, gell.
Liebe Grüsse und ich hoff, du kommst gut durch den Schnee.
Ida
Dieser Blogbeitrag weckte in mir kurz den Verdacht, dass das leckere frische Obst und Gemüse aus den Gärten meiner Kindheit vielleicht doch gar nicht so gesund war wie gedacht. Von daher würde ich mich vielleicht gar nicht soo doll freuen, wenn ich diesen Ratgeber im Bücherregal meiner Vorfahren fände.
AntwortenLöschenHerzliche Grüße,
Iris
Liebe Elke, dein Post gab mir den Anlass, auch einmal im BücherRegal nach alten Gartenbüchern Ausschau zu halten...mit Erfolg
AntwortenLöschenich wünsche Dir und Deinen Lieben ein paar himmlische WeihnachtsTage, Gemütlichkeit mit viel Zeit zum Ausruhen und Genießen...
ein Neues Jahr ohne Sorgen und Nöten, aber mit ganz viel Gesundheit, Freude, Zufriedenheit...
liebe Grüße schickt Dir Traudi aus dem eingeschneiten Ostfriesland
Hallo
AntwortenLöschenWünsche Dir und deinen Lieben Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr!!!
Grüne Grüße Sandra
Liebe Elke,
AntwortenLöschenich bin eben über Deinen Kommentar bei Faun und Farn auf diese Buchbesprechung gestoßen. Wie klasse! Hast Du denn vielleicht Lust, auch bei der Blogparade mitzumachen und ein Buch vorzustellen? Würde mich wirklich freuen!
Liebe Grüße,
Caro