Wenn der Wunsch der Vater des Gedankens ist... Heiliger Strohsack - dieser alte Ausdruck befindet sich schon lange auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Redewendungen. Ich bringe ihn hier kurz mal wieder ins Gespräch, weil bei mir so etwas an der Tagesordnung ist. Wunschdenken ist mein zweiter Vorname.
Vielleicht ist das auch eine Biologenkrankheit. Wenn ich mir einen Trauerschnäpper herbeiwünsche, sehe ich in jedem Buchfink einen, ob der will oder nicht. Meistens will er nicht. Möchte ich einen Trauermantel sehen, muss jeder dahergeflogene Admiral sein Double spielen, bis ich genauer hingeschaut habe.
Und so war es wohl auch im vorletzten Winter, als ich im Wald einen Fruchtstand mit fedrigen Flugsamen fand. Toll, dachte ich, das ist doch das fabelhafte Fuchs-Greiskraut. Ein herrlicher gelber Sommerblüher, der Schatten mag und Wälder liebt. Das wäre doch genau das richtige für die Stelle zwischen Zierapfel und Haselnuss, wo so eine hochwachsende Staude gut passen würde. Also habe ich zwei Flugsamen mitgenommen und sie ausgesät. Zur Sicherheit schon im Winter, denn bei nicht ganz so gartengängigen Pflanzen weiß man nie, ob sie Frost zur Keimung brauchen.
Das hier ist das Fuchs-Greiskraut:
Im Frühling war da tatsächlich ein Keimling, der rasch wuchs. Die Schnecken wollten ihn nicht, fantastisch! Das musste ja wohl das Fuchs-Greiskraut sein, was sonst?
Also pflanzte ich den Sämling an die ihm zugedachte Stelle, als er groß genug war, um von Gießkanne und Gärtnerin entwöhnt zu werden. "Irgendwann wird dies alles hier dir gehören!" gab ich ihm noch mit auf den Weg und entließ ihn in den Kampf mit wucherndem Bärlauch, Einjährigem Silberblatt und den aufdringlichen Tentakeln vom Knotigen Storchschnabel.
Was soll ich sagen? Diese Pflanze war die Wucht! Und das, obwohl ich sie irgendwann ganz vergessen hatte, sie nicht goss und sie nicht von Konkurrenz befreite. Trotzdem war sie im nächsten Frühjahr wieder da und später im Sommer entwickelte sie ihren ersten Blütenstand. In Rosa! Da stimmte was nicht mit dem gelben Greiskraut! Um es kurz zu machen: Die Pflanze war kein biologisches Wunder, sondern ein Wasserdost.
Und jetzt finde ich die Staude viel besser als das Greiskraut. Sie wächst hoch und füllt den Raum zwischen den beiden Gehölzen, blüht lange und vielarmig wie ein Kandelaber und wird von Insekten geliebt. Doch jetzt kommt ihre eigentliche Superkraft: Der Wasserdost treibt so spät im Frühjahr aus, dass ihm der bodendeckende Bärlauch völlig schnuppe ist. Woran andere Stauden scheitern, ist Eupatorium cannabinum eine Herausforderung, die er gern annimmt und mit Bravour meistert.
Der heimische Wasserdost verträgt Sonne, einen feuchten, nährstoffreichen Boden, kommt aber auch mit Halbschatten oder Streulicht unter Bäumen zurecht.
Nur auf die Prominenz unter den Insekten warte ich noch. Während sich im Wald gerade winzige Spreizflügelfalter an ihm tummeln, und normalerweise auch Kaisermantel, Garten-Bläuling und viele andere Tagfalter, wird mein Wasserdost bisher von Tagfaltern verschmäht.
Schmeißfliegen, Honigbienen und Knotenwespen waren bisher am häufigsten an den Blüten.
Das hier ist die Gemeine Keulenschwebfliege (Syritta pipiens):
Auch die Sumpfschwebfliege (Helophilus) lungert gerne auf den Blüten herum:
Mein Liebling, der Bienenwolf, geht lieber an den ebenfalls schlüpferfarbenen Oregano.
Aber bald wird es da sicher nur so brummen und flattern. Noch nie hat mich ein eigentlich peinlicher Irrtum so sehr begeistert!