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Samstag, 22. August 2020

Wunschdenken

Wenn der Wunsch der Vater des Gedankens ist... Heiliger Strohsack - dieser alte Ausdruck befindet sich schon lange auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Redewendungen. Ich bringe ihn hier kurz mal wieder ins Gespräch, weil bei mir so etwas an der Tagesordnung ist. Wunschdenken ist mein zweiter Vorname.

Vielleicht ist das auch eine Biologenkrankheit. Wenn ich mir einen Trauerschnäpper herbeiwünsche, sehe ich in jedem Buchfink einen, ob der will oder nicht. Meistens will er nicht. Möchte ich einen Trauermantel sehen, muss jeder dahergeflogene Admiral sein Double spielen, bis ich genauer hingeschaut habe.

Und so war es wohl auch im vorletzten Winter, als ich im Wald einen Fruchtstand mit fedrigen Flugsamen fand. Toll, dachte ich, das ist doch das fabelhafte Fuchs-Greiskraut. Ein herrlicher gelber Sommerblüher, der Schatten mag und Wälder liebt. Das wäre doch genau das richtige für die Stelle zwischen Zierapfel und Haselnuss, wo so eine hochwachsende Staude gut passen würde. Also habe ich zwei Flugsamen mitgenommen und sie ausgesät. Zur Sicherheit schon im Winter, denn bei nicht ganz so gartengängigen Pflanzen weiß man nie, ob sie Frost zur Keimung brauchen.

Das hier ist das Fuchs-Greiskraut: 

Im Frühling war da tatsächlich ein Keimling, der rasch wuchs. Die Schnecken wollten ihn nicht, fantastisch! Das musste ja wohl das Fuchs-Greiskraut sein, was sonst?

Also pflanzte ich den Sämling an die ihm zugedachte Stelle, als er groß genug war, um von Gießkanne und Gärtnerin entwöhnt zu werden. "Irgendwann wird dies alles hier dir gehören!" gab ich ihm noch mit auf den Weg und entließ ihn in den Kampf mit wucherndem Bärlauch, Einjährigem Silberblatt und den aufdringlichen Tentakeln vom Knotigen Storchschnabel.

 

Was soll ich sagen? Diese Pflanze war die Wucht! Und das, obwohl ich sie irgendwann ganz vergessen hatte, sie nicht goss und sie nicht von Konkurrenz befreite. Trotzdem war sie im nächsten Frühjahr wieder da und später im Sommer entwickelte sie ihren ersten Blütenstand. In Rosa! Da stimmte was nicht mit dem gelben Greiskraut! Um es kurz zu machen: Die Pflanze war kein biologisches Wunder, sondern ein Wasserdost.


 

Und jetzt finde ich die Staude viel besser als das Greiskraut. Sie wächst hoch und füllt den Raum zwischen den beiden Gehölzen, blüht lange und vielarmig wie ein Kandelaber und wird von Insekten geliebt. Doch jetzt kommt ihre eigentliche Superkraft: Der Wasserdost treibt so spät im Frühjahr aus, dass ihm der bodendeckende Bärlauch völlig schnuppe ist. Woran andere Stauden scheitern, ist Eupatorium cannabinum eine Herausforderung, die er gern annimmt und mit Bravour meistert.

Der heimische Wasserdost verträgt Sonne, einen feuchten, nährstoffreichen Boden, kommt aber auch mit Halbschatten oder Streulicht unter Bäumen zurecht.


 

Nur auf die Prominenz unter den Insekten warte ich noch. Während sich im Wald gerade winzige Spreizflügelfalter an ihm tummeln, und normalerweise auch Kaisermantel, Garten-Bläuling und viele andere Tagfalter, wird mein Wasserdost bisher von Tagfaltern verschmäht. 

Schmeißfliegen, Honigbienen und Knotenwespen waren bisher am häufigsten an den Blüten. 

 

 Das hier ist die Gemeine Keulenschwebfliege (Syritta pipiens): 



Auch die Sumpfschwebfliege (Helophilus) lungert gerne auf den Blüten herum: 

Mein Liebling, der Bienenwolf, geht lieber an den ebenfalls schlüpferfarbenen Oregano.


Aber bald wird es da sicher nur so brummen und flattern. Noch nie hat mich ein eigentlich peinlicher Irrtum so sehr begeistert!

Samstag, 25. Juli 2020

Minzenmonster

Manche Pflanzen sind wie Tintenstrahldrucker - erst bekommt man sie für ganz wenig Geld oder sogar geschenkt, aber kaum gehen ein paar Jahre ins Land entstehen ungeahnte Kosten oder im Falle des Grünzeugs ungeahnte Aufwände, sie wieder loszuwerden oder einzudämmen. Denn natürlich bekommt man eher solche Stauden geschenkt, die jemand anderem schon zu den Beeten herauskommen. Ob das Wort Rabatte wohl von Rabatt kommt?

Wenn das wuchernde Ungetüm dann aber dazu noch so gut riecht und schmeckt wie eine Minze, bekommt man schnell einen träumerischen Tunnelblick und malt sich in Gedanken schon aus, wie man jeden Tag frischen Pfefferminztee trinkt, bis in alle Ewigkeit.

Und mit dieser Ewigkeit ist durchaus zu rechnen, denn natürlich trinkt man dann doch nicht jeden Tag Pfefferminztee und die Minze hat Zeit, in alle Himmelsrichtungen zu wuchern. Mit ihren Ausläufern steht ihr schließlich der ganze Garten offen. Und schon riecht es beim Rasenmähen minzig, beim Jäten oder auch nur beim Flanieren an den Rabatten entlang.

Ich dachte letztes Jahr, da bin ich aber diesmal schlauer und pflanze die auf der Tauschbörse erstandene Minze mal lieber in einen Topf. In einen richtig großen, der sich für Madame Minze anfühlt wie die freie Wildbahn. Letztes Jahr passte sogar noch eine Tomate daneben. Diesen Sommer blicke ich vom Wohnzimmer aus in ein Meer aus Pfefferminzblüten, während sich die arme Tomate schüchtern darunter wegduckt und mich verflucht.





Sieht aber schon schön aus, diese Minzwiese mit eingebauter Aromatherapie. Sogar die kuschelweichen Blüten duften, wenn man mit ihnen knuddelt.

Die Bienen und Schwebfliegen freuen sich jedenfalls. Als Stargast war sogar die Hornissenschwebfliege nicht mehr wegzukriegen von der Minze. Die hat für eine Fliege einen ziemlich langen Rüssel und kann den Nektar in den kleinen schweinchenrosa Einzelblüten gut erreichen.




Hier eine Mistbiene:



Unter den Hummeln sind es Erd- und Steinhummel, die auf Minze fliegen:


Auch ein anderes gelb-schwarzes Insekt schaut gern vorbei: Der Bienenwolf (Philanthus triangulum), in diesem Fall die Bienenwölfin. Die kann sich ewig an den Blüten aufhalten. Manchmal schwebt sie vor der Pflanze und stürzt sich überfallartig auf die Blüten, als wären sie Beute. Hat sie sich dann für eine Nektarquelle entschieden, schmiegt sie den Hinterleib ganz eng an die Blüten, als könnten sie entkommen. Die Honigbienen hat sie ignoriert, sie hatte vor allem Hunger.








Gegenüber Hummeln sind die Bienenwölfinnen desinteressiert, rempeln sie höchstens einmal versuchsweise an.

Diese hier ist in Lauerstellung und hätte jetzt doch gern mal eine Honigbiene zwischen die Mandibeln bekommen. Wie ein Jagdhund hebt sie ein Vorderbein an:


Überraschend ist der Besuch der Löcherbienen an der Minze, die sonst eher auf Korbblüten eingeschworen ist.


Auch Furchenbienen finden sich an der Minze ein, hier ein Männchen von Lasioglossum calceatum:


Dank der Blüten und der Insekten ist es nun auch erstmal vorbei mit Spitzenschneiden zum Teetrinken. Aber das wird schon wieder - einfach abwarten und Melissentee trinken. Die wuchert schließlich auch und steht in einem anderen Topf...

Sonntag, 13. Juni 2010

We apologize for any convenience

Ich fahre gerne Zug. Wirklich. Einfach nur dasitzen, aus dem Fenster schauen, lesen oder seinen Gedanken nachhängen. Wenn die Mitreisenden das zulassen und man nicht die ganze Zeit panisch auf die Uhr schaut, weil der ICE wieder mal kurz vor dem Umsteigebahnhof unvermittelt auf offener Strecke anhält und der Anschlusszug wenn man es mal brauchen kann natürlich keine Verspätung hat.
Nirgendwo sonst bekommt man soviel Nervenkitzel geboten (außer vielleicht beim Zahnarzt) inklusive einem umfassenden Fitnessprogramm beim Sprinten zum Anschlussgleis. Wer das Risiko liebt, der sollte einmal versuchen, aus einem hoffnungslos verspäteten Intercity am Berliner Hauptbahnhof Tief kommend einen auf dem obersten Gleis abfahrbereiten ICE nicht zu verpassen (Hoffnungslos verspäteter Intercity ist übrigens eine Tautologie, wie der Weiße Schimmel).
Trotz allem: Ich fahre gerne Zug. Wenn sich der reservierte Sitzplatz nicht gerade samt halbem ICE wegen der Achse des Bösen in der Werkstatt befindet, kann man die Zeit wirklich genießen und erreicht Ziele, die man mit dem Auto auch bei Vollgas und unter Umgehung sämtlicher Verkehrsregeln in derselben Zeit niemals schaffen würde.

Diesmal war Göttingen das Ziel: Die alte Universitätsstadt mit gleich drei botanischen Gärten. Soviel Luxus ist ja an sich schon Verlockung genug.
Der ersten Verlockung musste ich allerdings schon auf dem Marktplatz trotzen: Ein Stand mit Kräutern, Heil- und Duftpflanzen, die man selten leibhaftig vor sich sieht, bzw. von deren Existenz man noch nicht mal ahnen konnte. Der Gärtner erklärte kompetent und freundlich alle seine Schätze und ich war schon versucht, wenigstens die Mohnbrötchenblume (Scrophularia chrysantha) mitzunehmen, aber ich habe doch keinen Platz mehr im Garten. Diese stark behaarte Staude ist völlig winterhart, eine gute Bienenweide und die Blätter duften wirklich verblüffend nach frischgebackenen Brötchen! Wenn es zuhause mal nur zum Toastbrot reicht - diese Pflanze zaubert Sonntagsflair auf den Frühstückstisch.
Ein paar Straßen weiter wurden in einem Buchladen die schönsten historischen Rosen und dazu passende Stauden verkauft, zudem konnte man Rosentorte kosten (lecker!). Zum Glück hilft auch Zugfahren ganz hervorragend gegen den Kaufrausch, sonst müsste ich mir jetzt einen Zweitgarten zulegen.

Die Göttinger scheinen Rosen wirklich zu lieben, das zeigte auch der Spaziergang durch die Innenstadt und schließlich der alte botanische Garten:
Die Anlage ist völlig kostenlos zu besichtigen und schafft es trotzdem, mehrere Gewächshäuser zu unterhalten, darunter ein altes Farnhaus von 1875, das jahrzehntealte Geweihfarne enthält, die vermutlich älter sind als ich. Das Viktoriahaus zeigt wunderschöne Seerosen, die namengebende Victoria cruciana sowie eine Reihe Tillandsien:


Das Wüstenhaus bietet sogar eine besondere Attraktion, nämlich frei lebende, gefräßige Raubtiere (betreten auf eigene Gefahr!): Eine Kolonie des Bienenwolfes, der sich in dem trockenen, warmen Klima wohl fühlt und im Boden seine Nester anlegt:



Der historische Gartenteil enthält einen Rosengarten mit ausschließlich ebensolchen Sorten, eine schöner als die andere. Umgeben von Stauden und anderen Bauerngartenpflanzen wirken sie einfach umwerfend:


Gallica- und Alba-Rosen in mehreren Sorten stehen neben Moosrosen und umrahmen den Mittelpunkt, den ein riesenhaftes Exemplar von Rosa alba "Maxima" (1450) krönt:


Am Nachmittag fing es leider an zu regnen und wir haben die anderen botanischen Gärten nicht mehr anschauen können.

Zurück am Bahnhof erheiterte die Lautsprecherdurchsage anlässlich einer rekordverdächtigen Zugverspätung auf dem Nachbargleis: "We apologize for any convenience". Kein Grund sich zu entschuldigen, Göttingen, wir kommen trotz der vielen Annehmlichkeiten gerne wieder - wenn ich Platz geschaffen habe für die Mohnbrötchenblume.