Samstag, 4. Juli 2020

Wildbienen in der Stadt

Stellt euch vor, ihr wollt morgens zur Arbeit, aber ein 40-Tonner hat die Haustür zugeparkt, sie geht keinen Spalt mehr auf. So ging es bis vor Kurzem noch vielen Bielefelder Sandbienen, denn bei Kirmesveranstaltungen oder privaten Feiern in der Nachbarschaft wurde kurzerhand auf ihren Nesteingängen geparkt. Da Home-Office für Bienen auch keine Lösung ist, mussten sie abwarten, bis die Autos wieder vom Rasen verschwunden waren. Auch blöd, wenn man als Sandbiene vollbeladen mit Pollen nach Hause kommt und das Nest nicht mehr wiederfindet. Mal abgesehen davon, dass Autos schwer sind und den Boden verdichten.

Andrena vaga


Eine engangierte Schrebergärtnerin, die auf dem Weg zu ihrer Laube immer an den zugeparkten Bienen vorbeikommt, hat die Stadt kontaktiert. Ihr waren die vielen Wildbienen am Fuße der alten Linde aufgefallen, aber eben auch die vielen Wildparker auf dem Rasen. Schnell wurde sogar noch ein Experte hinzugezogen, um die Arten zu bestimmen, und was dabei herauskam, war eine erstaunlich lange Liste:

  • Graue Sandbiene (Andrena cineraria)
  • Rotschopfige Sandbiene (Andrena haemorrhoa)
  • Weiße Bindensandbiene (Andrena gravida)
  • Gewöhnliche Zwergsandbiene (Andrena minutula)
  • Leisten-Zwergsandbiene (Andrena strohmella)
  • Große Weiden-Sandbiene  (Andrena vaga)
  • Gewöhnliche Bindensandbiene (Andrena flavipes)
  • Frühe Locken-Sandbiene (Andrena praecox)
  • Frühlings-Pelzbiene (Anthophora plumipes)
  • Rote Mauerbiene (Osmia bicornis), nicht nistend
  • Rötliche Wespenbiene (Nomada ferruginata), Kuckucksbiene bei der Frühen Locken-Sandbiene
  • Gelbfleckige Wespenbiene (Nomada flavoguttata), Kuckucksbiene bei verschiedenen Zwerg-Sandbienen
  • Gewöhnliche Wespenbiene (Nomada fucata), Kuckucksbiene bei der Gewöhnlichen Bindensandbiene
  • Rotbäuchige Wespenbiene  (Nomada bifasciata) Kuckucksbiene bei der Weißen Bindensandbiene
  • Feld-Wespenbiene (Nomada goodeniana), Kuckucksbiene bei der Grauen Sandbiene
  • Rothaarige Wespenbiene (Nomada lathburiana), Kuckucksbiene bei der Grauen Sandbiene und der Großen Weiden-Sandbiene

Die Leisten-Zwergsandbiene wird aktuell für das Weserbergland auf der Vorwarnliste geführt. Die Fläche stellt sich also als so artenreich und wichtig heraus, dass die Stadt reagierte und den Rasen mit Steinblöcken und einem Erdwall abgesperrt hat. Wegen Corona fiel auch die Osterkirmes aus, und so gab es in der Zwischenzeit zum Glück keinen Grund zum Wildparken.

Wildbienen in der Stadt haben es also nicht leicht, obwohl es dort wärmer ist als auf dem Land und weniger Pestizide verwendet werden. Dafür haben sie mit anderen Gefahren zu kämpfen, wie dick gemulchten Beeten, in denen sie keine Nester graben können, geschotterten Vorgärten oder Bauarbeiten auf Wegen, bei denen die Nester in den Pflasterfugen zerstört werden.

Andrena bicolor

...und ihr Nistplatz

Ein neues Buch aus dem Haupt-Verlag beschäftigt sich mit Wildbienen in der Stadt, mit den Gefahren, aber auch Chancen - und mit vielen Beobachtungstipps rund ums Jahr: "Wildbienen in der Stadt - entdecken, beobachten, schützen" von Janina Voskuhl und Herbert Zucchi, die sich beide für die Wildbienen in Osnabrück einsetzen.

Es werden Lebensräume vorgestellt und welche Arten man dort beobachten kann. Gute Tipps finden sich überall, zum Beispiel, wie man Ameisennester von Bienennestern unterscheidet oder wie man feststellen kann, wer genau in welchem Nest wohnt. Auch solitäre Wespen in der Stadt, wie der Bienenwolf, kommen nicht zu kurz.



Viele Projekte, die man besonders gut mit Kindern durchführen kann, finden sich ebenfalls im Buch, denn die Begeisterung für den Wildbienenschutz kann man gar nicht früh genug wecken.


Die Städte sollten wieder mehr Ruderalflächen statt Stiefmütterchenbeete anlegen, Totholz zulassen und unter den Hecken und an und auf Mauern nicht so penibel aufräumen.


So wie die Stadt Brandenburg an der Havel es macht mit vielen Bienenprojekten und Brachflächen.








Auch ich konnte beim Lesen noch viel lernen. Zum Beispiel, dass Wildbienenmännchen Duftmarken setzen, die man bei genug Aktivität und vielen Exemplaren sogar riechen kann. Ich habe auch nie darüber nachgedacht, wie eigentlich die Taufliege Cacoxenus indagator aus einem Mauerbienennest wieder herauskommt, so eingemauert und zahnlos wie eine erwachsene Fliege nun mal ist. Des Rästels Lösung: Die Larven sorgen vor, denn sie haben noch stärkere Mundwerkzeuge als die spätere Fliege und können ihrem anderen Ich den Weg bahnen.

Eine umfangreiche Literaturliste (in der erfreulicherweise auch mein Buch "Mein Bienengarten" enthalten ist) rundet das gelungene Buch ab.

Mir hat das Werk gut gefallen. Es sollte zur Grundausstattung von Kindergärten und Stadtplanungsbüros gehören, das würde den Wildbienen in der Stadt sehr helfen.

12 Kommentare:

  1. Guten Morgen Elke,
    wirklich erstaunlich, welch eine Wildbienenvielfalt da auf städtischem Grund entdeckt wurde. Ich bin mir sicher, dass es vielerorts noch unentdeckten Lebensraum gibt, der bis dahin von uns Menschen ingnoriert bzw. nicht gesehen wird. Insofern braucht es engagierte Menschen, die darauf aufmerksam machen.
    Eine kleine mir unbekannte Wespe/Biene müsste ich auch mal identifizieren.
    Lieben Gruß und ein feines Wochenende, Marita

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  2. Auf jeden Fall ist das auch ein Thema fürs Land. Hier sind gerade auf einem Kinderspielplatz ganz viele Wildbienen....
    Leider lesen die, die Wildparker oder Giftversprüher sind, nicht solche Bücher. Mein Nachbar bemerkt nicht mal, was er für einen wunderbaren Lebensraum geschaffen hatte.Das Buch werde ich mir auch mal vormerken.
    LG Sigrun

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  3. Wir hatten in unserer Stadt vor kurzem noch eine tolle blühende Fläche mit dutzenden großen Natternkopfpflanzen. Alles stand in voller Blüte, aber dann kamen mal wieder die Unwissenden und haben alles abgesenst. Dabei will unsere Stadt angeblich bienenfreundlicher werden. Da kann man nur den Kopf schütteln!
    Im nächsten Jahr habe ich viele Natterköpfe im Garten, die Blattrosetten sind schon toll gewachsen. Übrigens mit (vom letzten Jahr) "geklauten" Samen von der jetzt abgesensten Fläche. ;-)
    Viele Grüße
    Daniela

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  4. Wir hatten in unserer Stadt vor kurzem noch eine tolle blühende Fläche mit dutzenden großen Natternkopfpflanzen. Alles stand in voller Blüte, aber dann kamen mal wieder die Unwissenden und haben alles abgesenst. Dabei will unsere Stadt angeblich bienenfreundlicher werden. Da kann man nur den Kopf schütteln!
    Im nächsten Jahr habe ich viele Natterköpfe im Garten, die Blattrosetten sind schon toll gewachsen. Übrigens mit (vom letzten Jahr) "geklauten" Samen von der jetzt abgesensten Fläche. ;-)
    Viele Grüße
    Daniela

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    1. Das ist sosso schade! In dem Fall kann man sich auch an die Presse oder die Stadt wenden, obwohl es lange dauern kann, bis die Presse sich zurück gemeldet hat, wenn sie überhaupt reagieren.
      Viele Grüße
      Elke

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    2. Wir haben hier so ein Meldeportal "Sag's uns einfach", da habe ich schon hingeschrieben. :-) Wie ich sehe ist mein Kommentar doppelt angekommen. Ich hatte Probleme es abzuschicken.

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  5. Ich wußte gar nicht, dass es so viele verschiedene Arten von Wildbienen gibt. In meinem Bienenhotel sind Mauerbienen beheimatet.
    Toller Bericht. Liebe Grüße Elisabeth

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  6. Seit ich deine Bücher habe, gucke ich mir jedes Flügelwesen genau an! Schon erstaunlich, was ein bisschen Wissen und eine beharrliche Bloggerin ausrichten kann ;) - Danke dir!!!
    Wie schön, dass die Stadt ein offenes Ohr hat - hier wird einfach verstandslos abgesäbelt, zubetoniert, abgehackt....
    Herzlichst
    yase

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  7. Liebe Elke, vielen Dank für den informativen Artikel und die wunderschönen Fotos. Das Buch über die Wildbienen scheint sehr interessant zu sein. Schön, dass die Stadt so schnell reagiert hat bzw. überhaupt reagiert hat. So oft ist das bestimmt nicht der Fall.

    LG Kathrin

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  8. Gott sei Dank das es Menschen gibt die sich für Wildtiere einsetzen.
    Voraussetzung ist aber das man die Missstände auch erkennt! Das schaffen die meisten nicht. Ich hätte da meine Schwierigkeiten sowas überhaupt wahrzunehmen, deswegen Hut ab. Toll das die Behörden mitgespielt haben. Ich versuche momentan Wildbienen zu erkennen und zu bestimmen, gar nicht so einfach!
    LG...Stephanie

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  9. Liebe Elke,
    so interessant wieder dein Post :-)
    Wir haben im Hof (Kopfsteinpflaster) auch jedes Jahr viele
    Bienennester. Bestimmt sind es solche Sandbienen :-)
    Dort ist es schön sonnig und trocken und drumherum viel Garten.
    Ganz viele liebe Grüße von der Urte

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  10. Ein spannendes Thema! Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Tiere sich doch auch mitten in den Städten tummeln. In der Zeit des Lockdown hatte ich das Gefühl, dass man noch mehr beobachten konnte. Es ist gut, zu sehen, dass auch in den Stadtverwaltungen ein Umdenken einsetzt. So gibt es auch hier viele Blühstreifen und Wildblumenpflanzungen.
    viele Grüße von
    Margit

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