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Samstag, 1. Juni 2024

Der Giersch muss weg?

Giersch ist garstig. In Staudenbeeten mit empfindlichen oder noch kleinen Pflanzen wuchert er in beeindruckender Geschwindigkeit alles zu und und scheint dank der Ausläufer zu springen - stets poppt er ein bisschen weiter im Beet auf. Dabei helfen ihm auch noch die Schnecken, indem sie ihn nicht fressen, sich aber sehr gut unter seinem Laub verstecken können. Eigentlich wäre er also eine sehr pflegeleichte, bodendeckende kostenlose Staude, die fast alles mitmacht und auch noch essbar ist. Ein Bodendecker also, der Unterkraut unterdrückt, wenn er nur nicht selbst als solches gelten würde. Ich jäte ihn trotz seiner Vorzüge, wenn ich ihn sehe, aber ich glaube, wenn er blühen würde, würde ich schwach werden.

Denn das muss man ihm lassen: Die Blüten sind großartig und wie erwähnt völlig ohne Mühen zu bekommen. Manchmal gibt er sich sogar richtig Mühe und blüht in Weiß und mit einem Hauch Rosé. Aber ich denke, für eine zünftige Blüte müsste man ihn gewähren lassen und darf ihm nicht durch Jäten den letzten Nerv und die ganze Kraft rauben.

In einem großen Garten habe ich ihn blühen sehen. Das sah toll aus. Man sollte den Umgang mit dem gierigen Giersch also unbedingt überdenken, denn in Säumen vor Hecken oder in Staudenbeeten mit sehr robusten anderen Gewächsen kann er durchaus kleidsam sein.

Doldenblütler sind ja sowieso in den meisten Gärten etwas unterrepräsentiert und der allgegenwärtige Giersch hilft doch gern freiwillig aus. Die Insekten lieben ihn, wie die folgenden Bilder zeigen.

Korpulenter Käfer an zarter Blüte: Rosenkäfer:


Es geht auch kleiner und schlanker: Gefleckter Schmalbock:



Der Kleine Schmalbock (Stenurella melanura):


Wieder Kleiner Schmalbock, der Grünliche Scheinbockkäfer hat sich leider kurz vorm Auslösen versteckt, dafür ist eine kleine Wespe gerade im Anflug:


Gewöhnliche Sandbiene (Andrena flavipes), schon ziemlich abgeflogen:



Sogar große Schmetterlinge mögen Giersch, hier ein älteres Tagpfauenauge, das schon ganz blass und ausgefranst ist. Wenn man sich Sandbiene und Schmetterling so anschaut, könnte man meinen, der Giersch wäre eine Pflanze für Insekten-Senioren - Pollen und Nektar sind ja auch gut zugänglich.



Wer sich doch nicht an den Giersch herantraut, wählt die Süßdolde (Myrrhis odorata). Sie blüht etwas früher, ist relativ schneckenfest und auch schattentolerant. Es gibt sogar einen Bonus: Die Samen sind essbar und schmecken nach Anis. Aus ihnen lässt sie sich auch leicht heranziehen. Insekten schätzen die Blüten und Samen sehr, vor allem die Streifenwanze.



Ein Stolperkäfer-Männchen futtert Pollen:



Also, wer ist dein Doldenblütler-Herzblatt - und wie hälst du's mit dem Giersch?

Freitag, 24. April 2015

Kulinarischer Karriereknick

Gegen einen Karriereknick ist wohl niemand gefeit, auch nicht der gute alte Beinwell. Jahrhundertelang wurde die heimische Art Symphytum officinale sowohl als Heilpflanze als auch in der Küche mit sämtlichen Körperteilen verwendet. Noch nicht mal die Wurzeln waren vor dem Verzehr sicher, obwohl sie doch so gut versteckt sind.

In neuerer Zeit schließlich, als ohnehin kaum noch jemand den Beinwell zum Abendessen eingeladen hätte, weil das Essen vornehmlich im Supermarkt wächst, erfand jemand das schöne Wort Pyrrolizidinalkaloide. Es ist nicht nur ein Zungenbrecher für Gedächtniskünstler, es verheißt auch nichts Gutes: In Tierversuchen wurde erarbeitet, dass dieser Inhaltsstoff schlecht für die Leber ist und auch sonst mit Vorsicht zu genießen. Nun verloren auch die letzten der Naturküche Aufgeschlossenen die Lust daran, etwas mit dem Beinwell anzufangen.

Dabei müsste man schon sehr viel Beinwell essen, um überhaupt ernsthaft Schaden zu nehmen. Ein paar Blättchen hier und da schaden anscheinend nicht weiter. Das sah auch die Landlust so und hat ein Rezept veröffentlicht, in dem Beinwellblätter die Hauptrolle spielen.

Ich wollte diese Idee unbedingt einmal selbst ausprobieren, unter anderem, weil knusprige Panade in einer Nebenrolle lockte. Doch den Beinwell wollte ich verschonen - nicht aus Angst vor den Unaussprechlichen, sondern weil ich doch etwas viel Besseres im Garten habe: Den Rauling (Trachystemon orientalis).


Der ist mit dem Beinwell weitläufig verwandt, soll aber laut einer türkischen Studie ein gerüttelt Maß an Antioxidantien haben. Außerdem: Können so viele Türken irren, die der raublättrigen Staude in hiesigen Schrebergärten quadratmeterweise Beetfläche zugestehen, so groß wie meine Terrasse, um ihn am Ende in die Pfanne zu hauen? Eben.


Also habe ich meinem Rauling acht Blätter geraubt. Vier davon wurden mit einer klebrigen Mischung aus Ziegenfrischkäse, Sahne und kleingehackten Kräutern aus dem Garten (Gundermann, Brennnessel und Giersch) bestrichen, und zwar auf der rauen Blattunterseite, das hält besser. Dann habe ich die restlichen Blätter auf den Käse gepappt, mit der haarigen Seite nach unten. Vorläufiges Ergebnis: Vier grüne Laub-Doppeldecker mit Käsefüllung.

Nun kommt die Panade: Die Laubflundern erst in Ei, dann in Paniermehl wälzen und in die Pfanne legen. Die Blätter brauchen nur ein paar Minuten, bis sie in einer Butter-Olivenöl-Mischung goldbraun geworden sind, dann werden sie gewendet und auch die andere Seite lecker gemacht.



Und was soll ich sagen? Es geht richtig einfach, sieht gut aus und schmeckt fantastisch. Das wäre durchaus etwas, das man in einem Sternerestaurant für 14,90 Euro mit einem Tomatensalat als Vorspeise verkaufen könnte.

Das schlechte Gewissen wegen des Blattraubs war auch unbegründet: Die Staude mit den Blüten, die immer aussehen wie auf Lockenwickler gedreht, treibt schneller wieder neues Laub als man Pyrrolizidinalkaloide sagen kann.

Wenn ich auch dem Beinwell also wieder nicht gegen seinen anhaltenden Karriereknick helfen konnte, so gehört ab sofort wenigstens der Rauling, das alte Schwarzmeergemüse, zum kulinarischen Frühlingsprogramm!

Dienstag, 1. April 2014

VIP

Vorhang auf, Tusch, Fanfare und einen ganz großen Applaus für meinen VIP (Verdammt Interessante Pflanze) im Garten, der dieses Jahr sein Debut mit einer fulminanten Blüte gibt - gleich zwei Blumensträuße voll hat er mir gebastelt.

Seine Bühnenpräsenz ist unglaublich, vor allem, weil er anstrebt, die Hauptrolle im Beet zu übernehmen - er ist ziemlich in die Breite gegangen nach nur zwei Jahren Engagement.


Die Pelzbiene (Anthophora) jedenfalls schaut sich die blühende Vorführung gerne an und bestäubt mit Freuden die borretschähnlichen Blüten. Sogar eine Ackerhummelkönigin machte ihre Aufwartung.


Es geht natürlich wieder um meinen heißgeliebten Rauling (Trachystemon orientalis), der die kleine Bühne zwischen Komposter, Kletterrose und Spierstrauch gut zu nutzen weiß, aber immerhin um diese Jahreszeit noch sparsam mit seinen elefantenohrgroßen Blättern umgeht, so dass den Pflanzen in den Nebenrollen noch eine Chance auf eine kleine Darbietung bleibt.

Die Schneeglöckchen und Scillas sollten also bis zum Ende ihrer Spielzeit durchhalten können, ohne von ihm erdrückt zu werden.
In diesem Divengehabe und seinem einnehmenden Wesen liegt die ganze große Chance von Herrn Rauling - der Giersch wird nichts zu lachen haben in seiner Nähe. Beide haben ähnliche Ansprüche und toben sich gern im Schatten unter Gehölzen aus, aber der kleinere Giersch wird kein Blatt ans Licht bekommen unter der Fuchtel von Trachystemon, dem Großen - den spielt er einfach an die Wand.

Weitere Geschwister Fürchterlich in meinem Garten, die ein gutes Bollwerk gegen Aegopodium podagraria bilden, sind der Punktierte Gilbweiderich (Lysimachia punctata) und das Mädesüß (Filipendula ulmaria). Diese wuchernde Gemeinschaftsproduktion lässt dem Giersch keine Lücke mehr, durch die er noch schlüpfen könnte.

Ein anderer VIP ist die Frühlings-Braunwurz (Scrophularia vernalis), die an einem der Lieblingsplätze des essbaren Wucherers gastiert und ihm das Leben momentan zur grünen Hölle macht - unter ihren Blattmassen muss sich der verdunkelte Doldenblüter doch sicher geschlagen geben?

Nun wird der vorsichtige Gärtner wohl zu Recht anmerken, dass meine Choreographien etwas zu wünschen übrig lassen, denn sie treiben ganz offensichtlich den Teufel mit dem Beelzebub aus, aber immerhin mit biologischen Waffen.

Doch so katastrophal wird die Inszenierung schon nicht ausgehen - die Braunwurz ist zweijährig, gibt also nur ein kurzes Gastspiel. Was dann an Sämlingen hochkommt, ist beherrschbar. Der Gilbweiderich stößt seinerseits wieder an grüne Grenzen in Form von anderen durchsetzungsstarken Stauden. Kein Problem also.

Und sollte der Trachystemon doch einmal zu sehr ausufern, kann ich ihn auch einfach aufessen - oder ganz großzügig verschenken. Er ist so selten zu kriegen, dass sich bestimmt jemand über die Diva freuen wird. Also gibt es wohl doch ein Happy End, aber nicht für den Giersch!

Mittwoch, 12. Mai 2010

Das Unkraut einfach aufessen

Neulich in der Stadt bin ich fast hintenüber gekippt, als dort töpfeweise Vogelmiere verkauft wurde.
Und auch Scharbockskraut und Schöllkraut wechseln in Versandgärtnereien für ein paar Euronen gern den Besitzer.
Ich sollte also vorsichtshalber alle meine Beikräuter in Töpfe pflanzen und hegen und pflegen - sicher kommt irgendwann die Zeit, wo sich selbst der Giersch vergolden lässt. Dann muss man gewappnet sein, um die plötzliche Nachfrage auch bedienen zu können. Man soll seinem Glück bekanntlich nicht selbst im Wege stehen.

Bis es soweit ist, ess ich ihn lieber auf.

Auf die Idee gebracht hat mich Thomas mit seinem Rezept für Gierschpesto.
Pesto ist ja immer eine gute Idee, und auch das Jäten gewinnt doch gleich einen ganz besonderen Charme, wenn jedes Blatt, das man entfernt, dem Abendessen dient.

Am Ende meiner erfolgreichen Jagd stand ich mit viel mehr Gierschblättern da, als ich anfangs dachte. Das Zeug wächst so rasant, dass das letzte Mal Jäten gar nicht mehr auffiel.

Das Pesto war auch sehr lecker. Das mach ich jetzt öfter.
Wenn man sonst schon kaum Gemüse im Garten hat, muss man eben das Unkraut ernten.

Sollte sich der Giersch wider Erwarten dann doch nicht zum kulinarischen Aufsteiger à la Bärlauch mausern, kann man ihn ja immer noch als Bodendecker mit Erfolgsgarantie verkaufen  - panaschierter Giersch ("Variegatum") hat diesen Karrieresprung übrigens bereits geschafft und ist salonfähig geworden!