Samstag, 23. Juli 2022

Von Schlampen und scheinschwangeren Tulpen

Sie ist eine Pflanze für Nachtschwärmer und Frühaufsteher, denn mittags hat sie spätestens Feierabend: Die Gemeine Nachtkerze (Oenothera biennis). Sie übernimmt die Nachtschicht und netterweise gönnt sie uns auch morgens noch einen blühenden Anblick, der von Bienen rege genutzt wird, während im Dunklen Nachtfalter an den großen Blüten vorbeischauen. Die fast schon neongelbe Farbe sowie der große Abstand der Staubblätter und des Stempels vom Nektar am Blütengrund weisen schon darauf hin, dass Bienen nicht die richtigen Bestäuber der Nachtkerze sind, bei aller Liebe. Nachtfalter dagegen schweben vor der Blüte in ihrem exklusiven Nachtclub, halten ihren Rüssel in den Nektar und dürfen sich gebauchpinselt fühlen von den Pollenkörnern, den sie dann am nächsten Stempel verteilen.

 







Um die Mittagszeit herum werden die Blütenblätter dann auch schon schlaff und hängen herum wie gelbe Putzlappen.



Die zweijährige Pflanze aus Nordamerika ist bei uns heimisch geworden und sät sich reichlich an sonnigen, offenen Bodenstellen aus, auch gern in Pflasterfugen. Wenn man sie dort vorsichtig herausoperiert, kann man sie ins Beet pflanzen. Im ersten Jahr bildet sich eine flache Blattrosette. Was man nicht sieht, ist die enorme Pfahlwurzel. Die sorgt dafür, dass die Nachtkerze uns nicht nur mit ihrem Anblick einen warmen Sommerabend verschönt: Man muss sie auch in Dürrezeiten nicht weiter beachten. Eine echte Feierabendpflanze also!

Eine Sache aber kann man ihr durchaus ankreiden: Die Nachtkerze ist nicht nur eine Nachtarbeiterin, die im Dunkeln munkelt, sondern auch eine echte Schlampe. Von Blütenausputzen hat sie noch nichts gehört - die zieht sich nicht für jeden aus! Die Reste der verblühten gelben Trompeten bleiben einfach hängen, bis sie eher orangebraun und welk herumhängen. Also strahlt diese pflanzengewordene Bordsteinschwalbe schon so ein bisschen das Flair eines verlotterten Bahnhofs aus. Immerhin Südseite.


Die Blüten sind mit Pollen sehr verschwenderisch. Da dieser Fäden zieht, ist er nicht immer angenehm für die Bienen und sie wischen ihn an anderen Pflanzenteilen ab. Daher sieht die Nachtkerze stets etwas besudelt und zugestaubt aus. Wanzen laufen dann zu diesen Pollenhäufchen und futtern sie auf.



 

Wenn man sich die Mühe machen möchte, die Pflanze jeden Abend vor ihrem großen Auftritt bühnenfein zu machen, kann man an ihr herumzupfen. Je ausladender und größer so eine vielarmige Nachtkerze aber ist, umso mehr Arbeit macht das. Ich lasse es daher meist und überlasse die Blütenreste den Müllschluckern unter den Wanzen, die die vergammelten Dinger noch nach Pollen absuchen.

Was eine Nachtkerze ganz vollautomatisch ausputzen kann, ist Starkregen, habe ich am Donnerstag festgestellt…

Schnecken meiden die Nachtkerze übrigens, eine Diva ist sie also nicht! Außerdem blüht sie wochenlang. Ich musste sie noch nie gießen und jetzt hat sie auch noch zwei Tage lang über 40° in der Sonne bei schon lange andauernder Dürre ertragen, ohne auch nur die Blätter zu senken. Vielleicht sind die Blütenreste ja auch eine Art Sonnenschutz und der Pollen die Sonnencreme? Möglicherweise ist die Nachtkerze gar nicht schlampig, sondern schlau?

Es lohnt sich also trotz ihres schlampigen Verhaltens, die robuste Nachtkerze in den Garten zu holen.


_________________________


Noch ein Update zu der Tulpe mit dem werdenden Samenstand. Der hat sich als Luftnummer herausgestellt. Die Tulpe war scheinschwanger, es sind keinerlei Samen entstanden. Das unterstreicht meine Vermutung, dass das Ausputzen bei denen vergebliche Liebesmüh ist...

10 Kommentare:

  1. Bei uns im Garten gibt es die kleine Schwester der Gemeinen Nachtkerze, die Missouri-Nachtkerze. Bei ihr geht das Ausputzen etwas schneller, da die Blüten weniger und dafür größer sind. Das Verblühte ist das Problem, wenn man die Nachtkerze hübsch fotografieren will. Da bin ich in anderen Gärten schon mal versucht, das eine oder andere wegzuzupfen ... Bisher konnte ich mich aber beherrschen. 😅
    Liebe Grüße
    Susanna

    AntwortenLöschen
  2. Die Nachtkerze leuchtet wie die Nachtviole besonders abends. Da passt ihr name sehr gut.
    Mich stört Verblühtes und verwelktes nie. Es gehört zur Pflanze dazu. So bin ich auch immer irritiert, dass Rosen lt. Fachleuten immer geputzt werden. Ich habe auch ohne Rückschnitt eine schöne 2. Blüte. In den Knospen sind noch Ohrenkneifer und anderes versteckt. In der Natur ist auch niemand mit der Gartenschere und putzt.
    Viele Grüße von Frauke

    AntwortenLöschen
  3. Hallo Elke,
    die Nachtkerze wäre perfekt als trockenheitsresistente Pflanze für meinen Garten, wäre ihre Farbe nicht gelb. ;-) Ich brauche dringend weitere Pflanzen, die den Klimawandel mit Hitze und Trockenheit gut wegstecken....ich bleib da dran und werde so nach und nach die Beete "umbauen". Die Erdkröte hat sich ein neues Plätzchen gesucht, vielleicht ist sie in den Garten der Nachbarn, die einen großen Naturteich haben.
    Lieben Gruß und noch ein feines Wochenende, Marita

    AntwortenLöschen
  4. Ich freue mich jeden Morgen beim Gießen, dass ich die Nachtkerzen an zwei Stellen ohne es zu wissen, mit umgezogen habe. Auch toll für die Nachtfter neben der Weißen Lichtnelke, die ich haufenweise habe. Die Samen futtern gerne die Stieglitze. Blüten ausputzen betreibe ich selten….bei Skabiosen, die dann besser weiter blühen.

    LG Sigrun

    AntwortenLöschen
  5. Hallo Elke,
    gelb ist ansonsten ja nicht so meins, aber die Farbe der Nachtkerze mag ich seltsamerweise. Bei uns sieht man sie in diesem Jahr öfter am Straßenrand stehen. Die ansonsten große Aufräumwut unserer Gemeindemitarbeiter scheint in diesem Jahr etwas gedämpft, neue Beete mit insektenfreundlichen Blumen wurden angelegt, die Nachtkerze ist auch dabei.
    Viele Grüße
    Gabi

    AntwortenLöschen
  6. Ich sag es ja immer wieder, die Wildblumen sind zäh. Ich habe auch eine Nachtkerze im Garten, noch nie gegossen und jeden Abend erfreut sie uns mit neuen Blüten. Zusammen mit der Wegwarte sieht es hübsch aus, auch die Wegwarte noch nie gegossen und sie blüht jeden Morgen neu. So haben wir am Abend und am Morgen strahlende Blüten.
    Liebe Grüße
    Edith

    AntwortenLöschen
  7. Gerne deine bilder von der zauberhafte "onagre bisannuelle" mit deine"observations de cette plante" * finde das die gelbe blueten immer ein blickfang ist* und die ausdauer gegen trockenheit génial ! Bin gerade im Luberon und betrachte am fruehen morgen die bienen die im naturschutzgebiet fleissig sind
    Liebe gruesse mo

    AntwortenLöschen
  8. Eines Tages war eine da, jetzt sind es jedes Jahr mindestens 10. Ich mag die leuchtend gelben Blüten und die verwelkten stören mich überhaupt nicht. Bis jetzt, in diesem staubtrockenen Sommer habe ich sie noch nie gegossen und es wachsen sogar neue nach. Eine tolle Pflanze.

    AntwortenLöschen
  9. Hallo Elke,
    diese Nachteulen finde ich prima! Sie machen keine Arbeit, blühen endlos und sind echte Gestaltungswunder durch ihrem hohen Wuchs. Ich finde sie trotz ihrer alten Blütenlappen sehr Hoheitsvoll. In meinem Garten haben sie Narrenfreiheit.
    LG...Stephanie

    AntwortenLöschen
  10. hallo Elke,
    die Schlampen finde ich auch ganz toll. Die siedeln sich hier gerne mal extrem an -überall und nirgends. Dann fliegen ein paar Schlampen raus.In Nähe der Sitzplätze dürfen sie bleiben und nachsts duften.
    Ich hatte auch schon ab und zu in übersehenen Hybrid-Tulpen Samen. aber tatsächlich auch oft Nullnummern.
    Viele Grüße
    Claudia

    AntwortenLöschen

Mit der Nutzung der Kommentarfunktion erklärst Du Dich mit der Speicherung und Verarbeitung Deiner Daten durch diese Website einverstanden.