Dienstag, 8. Januar 2013

Die dümmsten Gärtner

Ich finde, manchmal drängt sich der Eindruck auf, dass das Gärtnern nicht als intellektuell besonders anspruchsvolles Hobby angesehen wird. Nicht so wie Schach, Klavierspielen oder das Erlernen von Alt-Aramäisch. Der beliebte Spruch "Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln" spricht es sogar ganz frech aus. Man macht sich also gleich Sorgen, wie es wohl um die eigenen geistigen Fähigkeiten bestellt ist, wenn man es geschafft hat, dem Garten ein paar kapitale Erdäpfel aus dem Kreuz zu leiern. Sind Hobbygärtner denn wirklich dümmer als die Polizei erlaubt?

Ich finde, da kann man ganz beruhigt sein, schließlich wissen wir Grünabhängigen nur zu gut, was uns die Beschäftigung mit dem eigenen Fleckchen Erde so abverlangt. Wie sonst sollte man sich denn merken, wo man vor ein paar Wochen die Blumenzwiebeln versenkt hat, damit man sie nicht versehentlich bei der nächsten Pflanzaktion verhackstückt? Das braucht das Gedächtnis eines Elefanten. Auch das Planen einer respektablen Fruchtfolge im Gemüsebeet ist kein Pappenstiel. Geradezu Übermenschliches muss man leisten, möchte man sich daran erinnern, wo noch mal die Gartenschere war, die man in den Untiefen des Geräteschrankes vermutet, aber den ganzen Winter nicht gesehen hat.
Statt stumpfsinnigem Unkrautjäten guckt man immer ganz genau hin, um nicht doch einen wertvollen Staudensämling herauszureißen. Mit ein bisschen Erfahrung kann man irgendwann unzählige Pflanzen nur anhand ihrer Keimblätter erkennen - das Bild dazu ist im Kopf feinsäuberlich abgespeichert.

Das alles trainiert nicht nur das Oberstübchen, sondern schont am Ende auch die Haushaltskasse.

Ein gutes Gedächtnistraining ist auch das Merken von lateinischen Pflanzen- oder auch Sortennamen, das sollte man gar nicht unterschätzen. Hinzu kommen ja auch noch Standortansprüche, Blütezeit und Ausbreitungsdrang.

Die mentale Auseinandersetzung mit dem Garten reißt auch dann nicht ab, wenn man ihn zeitweilig verlassen hat: Ein Spiel, das ich manchmal auf langen Zugfahrten spiele, ist ebenfalls eine gute Herausforderung für die grauen Zellen, um sich mit dem grünen Bereich zu beschäftigen: Es heißt "Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist (hier Farbe einsetzen)". Das ist ein netter Zeitvertreib, für den man nichts braucht. Außerdem kann man es ganz heimlich und alleine spielen. Ich stelle mir dann nämlich dabei vor, wie ich ein monochromes Beet gestalten würde, und vor allem: welche Pflanzen mitspielen dürfen.

Man ist erstaunt, wie viele Pflanzen einem beispielsweise für ein Gartenecke ganz in Purpur aus dem Stegreif einfallen. Da wäre zunächst eine Hecke aus Blutbuche als Umgrenzung. Als Gerüst dient eine Blutpflaume oder ein dunkellaubiger Zierapfel (z.B. Malus "Royalty"). Die Hechtrose (Rosa glauca) darf auch nicht fehlen. Für die schattigeren Bereich nimmt man Heuchera "Palace Purple", Tellima grandiflora "Purpurea" und dunkle Rodgersia, für die Sonne Sedum "Matrona" und Lysimachia ciliata "Firecracker" (Wurzelsperre inklusive, Farbe egal). Dazwischen könnte man die Wolfsmilch Euphorbia amygdaloides "Purpurea" pflanzen. Und ganz viel Iranlauch "Purple Sensation" (Allium aflatunense) als Höhepunkte im Mai.
Als Lückenbüßer darf das liebreizende Labradorveilchen (Viola labradorica) wuchern, das schön dunkles Laub hat und sich so nett ganz von allein vermehrt. Ganz ausgefallen dann wäre noch der extravagante Breitwegerich (Plantago major) "Purpurea".

Breitwegerich (Plantago major) ‘Purpurea’

Darf es noch ein bisschen mehr sein - dunkellaubige Dahlien vielleicht, damit auch die Schnecken etwas haben von der lila Laune?

In meiner Vorstellung wächst dieser Gartenbereich dann immer weiter, wird schöner und vielfältiger. Ich überlege mir außerdem schon mal, wo ich diese Pflanzen herbekomme - die Wuchervarianten, wie Lysimachia ciliata "Firecracker",  kann man sicher irgendwo abstauben. Dann fallen mir irgendwann keine Pflanzen mehr ein. Schließlich ist zuviel Purpur auch gar nicht gut, denn grüne Raupen werden dadurch enttarnt, was manchmal vom Gärtner erwünscht ist, aber auch seltene Falter treffen kann.



Ferner stelle ich zu meinem großen Unmut plötzlich fest, dass so eine violette Anlage gar keinen Platz hätte in meinem Kleinstgarten. In der nun mehr schon lückenhaften Erinnerung ist mein Revier inzwischen größer geworden als in Echt. Vielleicht bin ich also doch ein dummer Gärtner. Oder einfach nur größenwahnsinnig, wer weiß das schon?

21 Kommentare:

  1. Hi, hi....mir geht das mit Möbeln so...ich sehe ein tolles Teil, stelle mir schon die schönsten Ecken im Haus vor, wo ich es hinstellen könnte...und merke dann zu Hause, dass es nie und nimmer irgendwo hinpassen könnte, weil Haus zu klein...Ich bin, glaube ich, eine besonders trottlige Gärtnerin...ich kann mir leider überhaupt nicht merken, wo die Frühblüher stehen und heble regelmäßig beim Pflanzen die Blumenzwiebeln raus....LG Lotta.

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  2. Köstlich!
    Nein - dumm darf ein Gärtner wirklich nicht sein - zum guten Gedächtnis kommt noch eine gute Portion Kreativität und für den Plausch über den Gartenzaun Kommunikationstalent und soziale Kompetenz :-)
    Geduld braucht es auch und Gottvertrauen ... Für die Gartenblogger/innen dann noch viel technisches Verständnis.
    Also eigentlich sind alle menschlichen Eigenschaften gefragt - oder? Was haben wir für eine ganzheitliche Beschäftigung. ;-)
    Vielen Dank für diesen wunderbaren Beitrag!
    Renate

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  3. Hier mein Outing: Blumenzwiebeln verhackstücken (cooles Wort!): Ja. Keimblätter bei Sämlingen zuordnen: Ja. Garteschere finden: Ja (ist nicht schwer, da sommers wie winters am gleichen Platz). Pflanzennamen lateinisch kennen: zum Großteil : Ja. Sortennamen kennen: Nein (mit Ausnamhmen, klar). Größte, dickste Früchte (in meinem Fall Tomaten) ernten: JAAAA! Farben so pflanzen, dass sie sich vom Hintergrund nicht abheben: Leider ja, kommt vor. Alles nicht so ernst nehmen: Ja (seither geht es mir bei Weitem besser).
    Allein alles dies aus dem Stegreif aufzählen: Kann nicht mehr unter dumm laufen ;-)
    Du bringst es tatsächlich immer fertig, mich zum schhmunzeln zu bringen. Gibt es denn keinen Verlag, der deine Blogposts in einem Buch zusammengefasst mit schönen Fotos herausgibt? Da ist doch noch eine Marktlücke!!!! ich würde das Buch kaufen und auch verschenken! Diese Beiträge möchte man wirklich gerne in der Hand halten können und ich bin sicher nicht die einzige mit dieser Meinung!
    In diesem Sinne: Freue mich auf ein neues Jahr mit günstig gärtnern :-)

    Liebe Grüße
    Elisabeth

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  4. Liebe Elke,
    Wieder so treffend geschrieben!
    Ich find mich immerso schön wieder :-)
    Ganz viele liebe Grüße Urte

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  5. das mit dem zu kleinen Garten kenne ich...meiner ist nur 70 qm klein...
    darum bin ich auf einen Schrebergarten ausgewichen...jetzt liebäugele ich
    schon mit einem zweiten...........
    Ich wünsche Dir ein schönes Gartenjahr.
    Liebe Grüße Birgit

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  6. Ein wundervoller Post. Bis jetzt hatte ich auch immer recht wenig Platz im Garten, aber nun wird sich das ändern. Der neue Garten ist nicht zu groß, aber auch nicht zu klein und wenn es mal nicht regnet, gibt es auch Bilder.

    lg kathrin

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  7. Köstlich habe ich mich über diesen Artikel amüsiert.
    Eigentlich ist es umgedreht, um einen schönen Garten zu haben, muss man allerhand wissen. Sei es, wie die Erde bestimmt ist, was pflanzt man und wohin. Wie sieht es mit den Ungeziefer aus und den Schnecken die Funkien so sehr lieben, das auch noch bei Nacht.
    Die Bücher und Kataloge, die man liest usw.
    Lade Dich gern zu meinem Garten Jahresrückblick ein:
    Gärtnern in Kanada.
    LG Gisela.

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  8. Zumindest machen diese geistigen Planspiele sehr viel Spaß - stelle ich mir jedenfalls vor. Die Sache mit den dicken Kartoffeln ... da lasse ich mich gerne 'dumm' schimpfen. Wir hatten tatsächlich letztes Jahr zwei Eimer voll, zum ersten Mal seit langem wieder. Und trotz ihrer Größe haben sie hervorragend geschmeckt. Dabei war es nur ein kleines Beet.
    Liebe Gartengrüße,
    Franka

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  9. Also ich finde die Unterschiede zwischen garteln und Alt-Aramäisch lernen gar nicht sooo groß! Für beides braucht es Geduld und Ausdauer und gelegentlich wird man schief angeschaut, wenn man darüber ins Schwärmen gerät ;).
    Lieben Gruß, Doris

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  10. Liebe Elke,
    ich bin auch dafür, dass du deine Geschichten mal einem Verlag anbietest. Du solltest eine Kolumne in einer Gartenzeitschrift haben. Mich amüsieren deine Einblicke immer wieder. Ich habe mal eine Gartenecke mit weißen Blumen bepflanzt und finde das besonders für Schattenecken einen schönen Aufheller.
    Liebe Grüße, Johanna

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  11. Johanna kann ich nur beipflichten,
    mit soviel Humor und Fachwissen ist dies wirklich eine schöne Kolume für eine Zeitschrift, aber dann bist Du ja nicht mehr auf dem Blog zu lesen und das würde ich sehr vermissen!!

    wenn ich in den garten gehe erkenne ich sofort die Sämlinge und jäte drumherum,
    wohlgemeinte Gartenhilfe einer Mieterin im letztn Sommer habe ich deshalb sofort wieder nachgelasssen, sie hackte leider die Bohnen um und ließ das Unraut stehen,
    da gehe ich lieber in Ruhe meiner Artenpflege nach, Gartenarbeit sage ich lieber nicht mehr, denn es ist Gartenfreude!!

    mit meinen Enkeln klappt es da besser , kinder sehen sofort den Unterschied und freuen sich riesig auf ihre Erbsen

    und die vielen lateinischen Namen kann ich mir nicht unbedingt merken, wohl die Familie. Zu jeder Gattung weiß man einfach den Standort, die Blütezeit die Boden-, Nahrstoff- und Wasseransprüche durch langjährige Erfahrung
    Im Garten hilft nur der Speicher im Kopf und kein Internet oder Fachbuch, wenn man Selbstaussaat von Sämlinge selber ziehen will,
    ansonsten sähe ich auch in Töpfen , Reihen aus
    weiterhin so schöne Posts
    Frauke

    und meine Schwiegerelten waren auch mal die dümmsten Bauern die die dicksten Kartoffeln ernteten, dies war aber ein ausgeruhter Boden in einer alten Obstwiese!! wie sie selbst wußßten!!

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  12. Hallo liebe Elke.
    Wieder mal klasse deine Aufklärungen.Wirklich dumm darf man nicht sein beim Gärtnern sonst hat man keinen schönen Garten.Ich habe es mit den Blumenzwiebeln ich weiß auch nicht immer wo sie sind und hacke sie oft aus.Da muß ich noch daran arbeiten.Die größste Kunst ist ja zu jeder Jahreszeit was blühendes im Garten.
    Wünsche dir einen schönen Tag und liebe GRüße Jana.

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  13. Hallo liebe Elke,
    toller Beitrag, vielen Dank. Und ich erkenne mich da wieder. Man träumt den ganzen Winter, malt aus und plant was man im Garten noch alles verändern oder dazu pflanzen könnte. Und dann kommt der Frühling und ....zu wenig Platz. Manchmal wünschte ich mir, ich hätte einen größeren Garten um alle die schönen Pflanzen (die ich im Kopf habe) unterbringen zu können. Aber träumen ist ja auch schön. :-)
    LG Calendulabine

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  14. Ich habe mich wieder weggelacht-leider muss ich mich nahezu als "Intellektuelle" outen-keine dicken Kartoffeln, magere Johannisbeerenernte, die Himbeeren vom Waschbären geklaut, Blumenzwiebeln fürs Frühjahr vergessen und von Farbgestaltung keinen Schimmer. Könnte also gut promovieren-aber das macht gar nichts. Dreckige Hände, Rasengrün auf der Büx,und die wilde Piepmatzschar machen alles wieder gut. Wer braucht schon Blumen, die sehe ich in Deinem schönen Blog auch ganz fein.
    Ich freue mich trotz mangelhaften Gartengrüns über meine mini Scholle.

    Beste Grüße über den Gartenzaun, Jo

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  15. Hallo Elke,
    Du kannst nicht nur schön erzählen, sondern Du hast auch einen reichen Wortschatz. Wie das so heißt, was in unserem Garten so grünt und blüht, dafür brauche ich die tatkräftige Mithilfe meiner besseren Hälfte. Habe etwas geschmunzelt, als Du den Garten mit einem intellektuellen Anspruchsniveau in Verbindung gebracht hast. Das merke ich eigentlich bei jedem Post, dass Bloggen intellektuell anspruchsvoll ist. Bei mir sind dies ja jede Mengen Themen, die nichts mit Gärtnern zu tun haben. Da komme ich wieder zurück zu Deinem reichen Wortschatz: etwas über den Garten zu bloggen, ist stets intellektuell anspruchsvoll.

    Gruß Dieter

    p.S.:
    ist doch schade, dass Du eher selten in die Bonner Gegend kommst; evtl. hättest Du auch mal bei uns vorbei schauen können

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  16. Grins, hallo Elke, habe wieder jedes Wort verschlungen. Hey und dieses Mal hast Du sogar Häschen Gandalfs Leibspeise, Breitwegerich, aufgeführt. Ehm, also ich gehöre definitiv nicht zu den klügsten Gärtner, ich vergesse nämlich immer mal irgendein Gartenwerkzeug irgendwo und finde es dann so lange nicht mehr, bis ich ein neues gekauft habe. Natürlich taucht es dann irgendwo wieder auf. Zerhackte Frühlingszwiebeln gehören bei mir zum Gärter-Alltag *lach*. Nein ech, mein Hirn ist zu klein für meinen grossen Garten.
    Hab einen gemütlichen Abend.
    En liebe Gruess
    Alex

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  17. Liebe Elke, erst mal ein gutes neues Jahr. Dein Post ist genial geschrieben und ich hab ihn richtig aufgesogen. Ich bin eher die chaotische Gärtnerin, aber schlussendlich wird doch alles so, wie ich es gern hätte und aus diesen Erfahrungen lernt man. Aber ich bewundere jeden der sich die lateinischen Namen merken kann. GLG Petra

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  18. Hallo Elke, das hast Du wunderbar beschrieben. Wie fürchterlich ist es, wenn man eine "Pflanze" verlegt hat und nicht mehr weiß, wo das Schätzchen untergekommen ist. Gute einmal im Jahr ist das Entsetzen groß. Letztes Jahr hatte ich meinen Salvia uliginosa verloren. Weg, ich dachte schon, er läge irgendwo vertrocknet. Doch welch Überraschung, als diese schönen grünen langen Triebe wie Tentakel aus dem Gemüsebeet emporstiegen und ihre Blüten entfalteten. Welch eine Erleichterung.
    Du führst wirklich einen wunderbaren Gartenblog

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  19. Liebe Elke,
    Dein Garten ist eindeutig zu klein für Deinen gärtnerischen Intellekt. Purpurne Pflanzen finde ich auch faszinierend und habe auch etliche davon in meinem Garten. Allerdings finde ich sie im Kontrast mit frischem Grün und anderen hellen leuchtenden Farben am schönsten. Monochrome Beete finde ich derzeit (noch?) zu langweilig. Eine sehr schöne dunkellaubige Neuerwerbung gibt es übrigens seit letztem Jahr in meinem großen Staudenbeet: Penstemon digitalis 'Husker Red Strain'. Sie ist im Topf so schnell gewachsen, dass ich sie im Spätsommer beim Einpflanzen bereits teilen konnte. Ich bin gespannt, wie sie sich dieses Jahr entwickeln wird.

    Herzliche Grüße,
    Iris

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  20. Elke, danke für die köstliche erheiterung am späten nachmittag.

    Brigitte

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  21. Hier hatte ich mal Ausschau nach Deiner Tellima gehalten, liebe Elke - an anderen Stellen in Deinem Blog fand ich sie nicht.

    Liebe Grüße und einen schönen Sonntag
    Sara

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