Donnerstag, 30. Januar 2014

Die Unberührbaren

Diese Spezies ist der Rottweiler unter den Gartenpflanzen, und sie will nicht nur spielen. Wer ihr unachtsam zu nahe kommt, wird sofort gebissen. Nein, kuschlig ist sie nicht und ganz bestimmt nicht Everybody's Darling, eher schon Staatsfeind Nummer eins für viele Gärtner. Immerhin bellt sie nicht.

Unsere wehrhafteste heimische Staude ist natürlich die gute alte Große Brennnessel (Urtica dioica). Jeder hat sicher schon unfreiwillig Bekanntschaft mit ihrem Waffenarsenal gemacht - man wundert sich jedesmal, wie der zunächst brennende Schmerz sich in ein ebenso unangenehmes Prickeln verwandeln kann, von dem man noch richtig lange etwas hat.

Man geht ihr also tunlichst aus dem Weg. Ebenso unbeliebt wie ihre brennenden Berührungsängste sind ihre Qualitäten als Unkraut: Wo sie wächst, wächst sie sehr lange, allen Jäteversuchen zum Trotz. Noch dazu keimt sie garantiert im Niemandsland an der Gartengrenze, wo man sie erst übersieht und dann auch noch schlecht hinkommt - für sie sollte Leinenzwang gelten!

Unübertroffen sind aber ihre Fähigkeiten als Dünger - Blätter ausgerissener Strünke lassen sich gut als Mulch verwenden, oder verjauchen zu einer stinkenden, aber zumindest nicht mehr brennenden Brühe. Außerdem ist sie ein professioneller Stickstoff-Spürhund - wo sie ist, ist der Boden nicht allzu nährstoffarm. Darüber hinaus läuft sie einem völlig kostenlos zu, irgendwo wird sie schon auftauchen. Essen kann man sie auch noch - und ins rechte Licht gerückt (besonders im Gegenlicht) kann sie zu allen Jahreszeiten sogar verblüffend hübsch aussehen.



Seit ich letztes Jahr im botanischen Garten eine weitere Urtica-Art entdeckt habe, sehe ich die Gattung plötzlich mit ganz anderen Augen - und zwar mit den gierigen Augen des Sammlers: Dort wird neuerdings die Pillen-Brennnessel (Urtica pilulifera) ausgestellt, und diese Prickelblume hat es mir aus irgendwelchen sonderbaren Gründen angetan.



Die kleinere Verwandte unserer Wald-und-Wiesen-Nessel stammt aus dem Mittelmeerraum und lässt sich am ehesten einjährig kultivieren. Ihre Blätter ähneln dem Wolfstrapp. Vor allem aber besticht sie mit besonders lustigen, kugeligen Blüten. Die dicken sind die weiblichen. Aber so niedlich die Bommel auch aussehen - selbst die Pillen können brennen wie die großen (ich musste es natürlich ausprobieren und mich von ihren Selbstverteidigungskünsten persönlich überzeugen).

Im direkten Vergleich sieht man aber ganz deutlich die dekorativen Qualitäten der Pillen-Pflanze:


So schafft es also auch eine Nessel, brennendes Verlangen nach noch einer neuen Gartenspezies zu schaffen, ist sie doch auch weniger ein Rottweiler als ein zickiger Zwergpudel.

Ich verspreche dir somit, liebe Pillen-Brennnessel, falls du dich entschließen solltest, in meinem Garten zu verwildern, werde ich dich auch nur ein ganz kleines bisschen als Mulch missbrauchen, und auch nur, wenn du beißt. Also, überleg's dir - die Stelle als Wachhund in meinem Garten ist vakant!

17 Kommentare:

  1. So habe ich die Brennnessel noch nie gesehen - eine sehr amüsante Beschreibung ;-) Da könnte ich mich sogar für die heimische Version begeistern - auch wenn ich einer schon mal zu nahe gekommen bin. Aber bisher hat sie in den fast 18 Jahren noch nicht den Weg zu uns in den Garten gefunden. Und einschleppen sollte ich sie lieber wohl doch nicht ...
    LG Silke

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  2. Oh wie schön, ich liebe Brennessel und lasse sie auch immer großzügig wuchern!
    Im Frühling werden die ersten zarten Blätter für Spinat und Suppe geerntet, dann die stärkeren als Tee getrocknet, die Brennesseljauche regelmässig angesetzt und im Spätsommer ernte ich dann auch die Brennesselsamen. Die südliche Verwandte ist aber auch besonders hübsch!
    Lieben Gruß, Doris

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  3. Lach...so herrlich geschrieben. Ich habe diesen bissigen Hund leider nicht im Garten, dabei würden sich meine Häschen sehr darüber freuen. Die Pillen-Brennessel ist wirklich ein absoluter Hingucker, die kannte ich noch nicht... seufz, ich möchte ich dieses Apotheker Nessie auch bei mir im Garten haben...jetzt werde ich wohl den ganzen Sommer damit verbringen, die Gärtnereien danach abzusuchen und deren Angestellten in den Wahnsinn zu treiben.
    En liebe Gruess
    Alex

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  4. Mit Rottweilern aufgewachsen bin ich natürlich nicht mit allem eiverstanden. Aber in Bezug zur Brennessel dann doch sehr!! Dieses Pillendings ist ja hübsch! Aber wenn sie auch so bissig ist....?
    Herzlichst
    yase

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  5. Mir hat die Brennessel sehr bei der Behandlung meiner Uritkaria geholfen - daher sehe ich sie als meinen Freund an und freue mich jedes Jahr über das kleine aber feine Brennesselfeld an unserem Waldrand (was ich noch nie für Jauchen genommen habe, dafür rupfe ich lieber meine Beinwell-Massen...). Zu Zeiten der schweren Urtikaria konnte ich die Brennesseln sogar anfassen, ohne dass es gebrannt hat oder dass ich die berühmten Quaddeln bekommen habe. Im Gegenteil - ich habe dann sogar Brennesseln genommen und meine Arme damit abgerieben. Das war sehr angenehm... *lach*. Inzwischen nehme ich die Urtica nur noch als Globulis, aber auch so hilft sie sehr gut. Ich glaube, dass sie doch nur kurz vor der Blüte so dolle brennt, oder ? Wie auch immer. Die Pillen-Brennessel kannte ich noch nicht, finde sie aber ausgesprochen hübsch... da muss ich mich wohl mal genauer informieren. Hab vielen Dank für den wie immer sehr informativen Text und die schönen Fotos !
    GLG, Christine

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  6. Liebe Elke, es ist erst Ende Januar und du kommst ausgerechnet auf Brennnesseln?! Ach, ich sehe schon, wegen der Eismumien da auf dem einen Bild.
    Andererseits muss ich zugeben, denke auch ich im Augenblick über Grünmaterial nach, das ich im neuen Gartenjahr zum Kompostieren, Bodenniveau-Anheben und Mulchen nutzen könnte. Ich kenne da etliche wuchernde Brennnesselmeter auf einem verwilderten Areal in der Nähe ... Falls Brennnesseln das nun nicht zum Anlass nehmen, die Beete zu übernehmen, wären die wohl ganz gut geeignet. Mit dicken Handschuhen geschnitten selbstverständlich.
    Und Mist bräuchte die Gärtnerin. Als Stickstoffanzeiger bekäme man vermutlich bei der Fuhre so manche Brennnessel gratis dazu. Aber ich verspreche, falls da so eine Pillenbrennnessel dabei ist, darf sie gern weiter wachsen.
    Immer wieder erstaunt, was du so alles weißt, Rike

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  7. Dass die Brennnessel Verwandte hat, habe ich noch nicht gewusst. Ich finde auch, dass diese Art schön ist. Einmal ganz zart und elegant und dann als Kontrast die dicken Blüten. Da bin ich gespannt ob das bei Dir eine Erfolgsgeschichte wird.
    Ein schönes Wochenende wünscht Dir Marie

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  8. In meinem Garten ist die Brennnessel auch ein Muß. Im Gänseauslauf darf sie sich unter den Obstbäumen so ausbreiten, wie sie will. Das soll gut für die Bäume sein und die Schmetterlinge haben sie auch sofort angenommen. Nach einem Beitrag in einer Fernsehsendung hab ich mal den Samen probiert, er schmeckt wirklich lecker nussig, ein gesunder Beitrag für die Küche.

    Ich freue mich schon auf weitere Beiträge von Dir.

    Liebe Grüße
    Lisa

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  9. Mein Tipp: Brennnesselsamen sammeln, trocknen und ins Müsli geben. Schmeckt lecker und ist gesund.
    Ein tolle WE Dir und Grüße
    Silvi

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  10. Liebe Elke,
    wo du immer deine bildhaften Vergleiche her hast :-)
    Da wär ich im Leben nicht drauf gekommen! Und ich
    mag sie irgenwie auch ganz gern, zumal mein Name
    in ihrer lateinischen Bezeichnung drinsteckt.
    Da fühlt man sich doch irgendwie verwandt ;-)))
    Die Pillen-Brennnessel ist ja interessant. Die würde mich
    auch sehr sehr interessieren - Wenn du mal Samen über hast :-)
    Ganz viele liebe Sonntagsgrüße
    sendet dir Urte

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  11. Ui, mit Brennnesseln im Garten konnte ich mich bislang nicht anfreunden, seien sie noch so ein guter Dünger :) Die Bommel der Nesselart aus dem Mittelmeer sehen wirklich sehr dekorativ aus, doch ich möchte mich eigentlich nicht brennen beim Jäten. Mir reichen ganz ehrlich noch die Reste der Berberitzen, die sich an den kuriosesten Stellen im Garten verstecken.

    lg kathrin

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  12. Deine Bilder sind immer absolut Professionell! Ich mag deine Art zu schreiben und Ich teile deine Meinung dem Gartencenter aus dem Weg zu gehen und sich selber auf die Suche nach neuen Pflanzen zu begeben. Vielleicht hast du ja lust dich mal in meinem Blog einzulesen: www.the-international-gardener.blogspot.com

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  13. Hallo Elke,
    Du rückst die Brennnessel fotografisch in ein so gutes Licht, dass man sie sich schon fast im Garten wünscht...;-) Brennnesseljauche setze ich jedes Jahr als Kopfdünger für die Starkzehrer an und die Rosen bekommen auch immer einen guten Schluck davon. Zum Glück muss ich nur ein paar Schritte (außerhalb des Gartens!) gehen, um welche für die Jauche zu sammeln. Außerdem gebe ich kleingeschnittene Brennnesselblätter ins Pflanzloch für die Tomaten.
    Die Pillen-Brennnessel sieht ja witzig aus, die "Pillen" erinnern irgendwie an unreife Brombeeren...

    Liebe Grüße, Bärbel

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  14. Eine wundervolle Beschreibung der Brennnessel und die Fotos sind ebenso wundervoll! =)

    Liebe Grüsse
    Nicky

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  15. Die Pillenbrennnessel kannte ich noch nicht. Sieht auf jeden Fall hübsch aus. Übrigens haben meine Kinder noch ehe sie überhaupt sprechen konnten gelernt, die reguläre Brennessel zu erkennen und sich von ihr frenzuhalten ("Sonst aua aua!"). Fand ich auch eine Leistung.

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  16. Also ich esse sie sehr gerne. Besonders lecker finde ich die Brennnesselsamen. Sie kommen fast jeden Tag auf meinen teller.

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  17. Brennessel ist, milde ausgedrückt, nicht besonders beliebt. aber für mich ist es eine der am meisten interessanten pflanzen. in der kinderzeit habe ich sie als gefährlich und geheimnisvoll empfunden. sogar jetzt wenn ich nach fototapeten blumen gesucht habe, suchte ich (vergeblich) nach einer mit brennessel, um originell zu sein :D

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