Rosen sind elegant und riechen angenehm. Zierlauch strebt die perfekte Kugelform an. Farne versuchen sich in geradezu angeberischer Symmetrie. Doch zwei andere Pflanzen möchte ich heute vorstellen, die schon ohne Blüte das Blatt zur Kunstform erheben.
Im Falle der Wilden Karde ist "erheben" auch durchaus wörtlich zu nehmen. Anfangs, also letzten Sommer, noch eine bodenständige, wenn auch borstige Rosette, überragt sie mich jetzt und bietet Unterhaltung auf jeder Ebene.
Da wären zunächst die stängelumfassenden Blätter, die perfekte Schalen bilden, wie eine grüne Blumenvase. Regenwasser bleibt hier stehen und wenn man dieses Minigewässer mikroskopiert, findet man Wimpertierchen darin, die dort vor sich hin dümpeln. Allerhand fällt hinein, von Apfelbaumlaub bis hin zu Blütenblättern. Manchmal ertrinkt ein Insekt daran, so tief sind die Pfützen. Ameisen werden so aber wirkungsvoll am Aufstieg gehindert, ob über die Nordwand oder anders herum.
Es wurde lange angenommen, dass die Karde sich über in die Wasserpfützen gefallene Insekten sogar mit zusätzlichem Stickstoff versorgen kann, aber erst kürzlich experimentell bestätigt: In diesem Versuch führte eine künstliche Impfung der Wasserreservoirs mit toten Insekten tatsächlich zu einem höheren Samenanstatz als in der darbenden Karden-Kontrollgruppe - die Karde als Karnivore!
Fliegende Blattläuse können zwar nicht über Wasser gehen, aber finden im Fluge trotzdem ein Plätzchen an der Pflanze. Aus den Pfützen erheben sich Nebentriebe, die später genauso wie die Spitze Blüten tragen werden. Wäre ja schade, wenn so eine majestätische Pflanze nur eine Blüte hätte.
Die Blätter sind unterseits bewaffnet wie ein Haifisch, der Stängel lädt auch nicht gerade zum Knuddeln ein.
Das Bemerkenswerte an dieser Pflanze ist ihr Überlebenswille. Ich habe sie bei einem Spaziergang gejätet herum liegen sehen und mitgenommen. Genau so sah sie anfangs auch aus: Mitgenommen eben. Doch sie erholte sich und breitete sich aus, obwohl der Frauenmantelnachbar ganz schön drängelte. Die Traubenhyazinthen mussten im Herbst durch ihre Blätter hindurchwachsen und Fakir spielen.
Ende Mai war sie schon größer, konnte sich aber immer noch hinter den Akeleien verstecken - und dann ging die Post ab!
Lange dauert es nicht mehr und diese Stiel-Ikone wird aufblühen, zur Freude der Hummeln und später der Stieglitze, die die Samen fressen.
Eine andere Staude, die ganz ungeniert das Blühen verweigern ganz, ohne dass ich ihr böse bin, ist die Etagenzwiebel (Allium cepa var. viviparum, syn. Allium x proliferum). Dieser Spargeltarzan kommt einfach mit allem davon. Statt Blüten entwickeln sich oben Brutzwiebeln, die auch sofort wieder Blätter treiben können. Später fällt der ganze Stängel um und die Zwiebclchen können anwurzeln. So bewegt sich die Zwiebel wie eine dicke grüne Spannerraupe durch den Garten, weshalb sie auf Englisch Egyption Walking Onion genannt wird.
Die Zwiebelchen und das Laub kann man essen, wenn man es über sích bringt, sie zu ernten, denn die Verrenkungen dieser Pflanze sind sehr unterhaltsam. Manchmal bilden sich an der Brutzwiebel an Ort und Stelle gleich neue Brutzwiebeln, wenn sie ein langes Blatt getrieben hat und es mit der Vermehrung sehr ernst meint. So ist der Name Etagenzwiebel wirklich gerechtfertigt.
Guten Morgen Elke,
AntwortenLöschendie Karde hatte sich letztes Jahr als Rosette urplötzlich in meinem Garten eingefunden und zunächst dachte ich an ein Verbascum und war einigermaßen überrascht, was sich anschließend daraus entwickelte.
Und die Etagenzwiebel dachte ich auch im Beet entdeckt zu haben, jedenfalls so ähnliche Blüten...wie spannend Natur doch sein kann.
Lieben Gruß und komm gut durch das heiße Wochenende, Marita
Na super, jetzt ist mein Kommentar weg. =/
AntwortenLöschenEgal, ich wollte nur sagen, dass ich mir Kardenblätter noch gar nie so genau angeschaut hab. Die Blüten haben mich geblendet... also danke für den inetressanten Exkurs. :-)
Und beide Namen für die verrückte Zwiebel finde ich großartig!
LG
Centi (heute ohne Google)
Moin Elke,
AntwortenLöschenich glaube die Wilde Karde hatte ich auch schon mal in meimem Vorgarten, habe sie wohl aber, Asche auf mein Haupt, herausgenommen, weil ich gar nicht wusste was das war. Und diese Wasserfalle für Insekten, einfach genial. Schon echt klasse was die Natur so alles zu bieten hat, wenn man sich die Zeit nimmt und beobachtet.
Das wären beides Pflanzen, die ich mir gerne fönnen würde...
AntwortenLöschenHerzlichst
yase
liebe Elke, die Karde hat später wunderschöne Samenkapseln, die man früher auch in der Textilverarbeitung verwendete. Sie versamt sich aber auch gerne. Ich entdeckte mal einen aufgegebenen Garten, da konnte ich viele der Kardenstände sammeln. Schön wie du den Blick auf ungewohntes Lenkst. Lg von Frauke
AntwortenLöschenLiebe Elke,
AntwortenLöschenwir haben so viel Karden im Garten und sie sind wirklich eine super Insektenweide. Ich bin mal auf dieses Jahr gespannt, denn mir ist aufgefallen, dass es schon im vorigen Sommer nicht mehr so viele Hummeln gab. Mal sehen, ob sie kommen, wenn die Karden blühen. Das mit den Wasserpfützen und der Ernährung über Insekten wusste ich noch gar nicht. Danke für die Info!
Liebe Grüße, Ute
Soviel Interessantes hast du über die Karde berichtet. Ich finde sie überwiegend an Feldrändern und einmal hatte ich eine im Garten, konnte ebenfalls regen Besuch von Insekten beobachten. Das mit dem Wasserspeicher wußte ich nicht, die Natur überrascht immer wieder.
AntwortenLöschenLiebe Sonntagsgrüße
Edith
Ich finde es immer wieder interessant und spannend, bei Dir vorbeizuschauen. Ich glaube, ich habe diese Pflanze noch nie gesehen! Jedenfalls kommt sie mir überhaupt nicht bekannt vor. Man denkt immer, man würde so halbwegs die gängigen Pflanzen kennen, wird aber dann doch eines Besseren belehrt.
AntwortenLöschenViele Grüße von
Margit
Tatsächlich hast Du zwei Pflanzen beschrieben, die mich auch brennend interessieren. Bei der Karde bin ich ja immer am Überlegen, ob ich es auf meinen 180 qm riskieren soll. Ich habe so gar kein Talent zum Fakir, aber der vorwurfsvolle Blick des Stieglitz, als er lustlos am Samenstand eines Alliums herumkaute hat mich wieder voll auf die "Haben-Möcht" Schiene zurückgebracht und Dein Post hat mir jetzt den Rest gegeben. Das sind schon wirklich tolle Pflanzen. Ob meine Trichterbromelien und epiphytischen Orchideen dann wohl auch verkappte Insectivoren sind? Interessant ist ja auch die lange Blütezeit. Die rund 2000!!! Einzelblüten eines Blütenstandes fangen ja erst einmal nur in der Mitte zu blühen an. Erst Wochen nach dem Verblühen des mittleren Blütenringes bekommst Du dann einen langen Nachschlag oben und unten. Ok, ich brauch doch noch eine, danke fürs Vorstellen und eine gute Woche. LG Wurzerl
AntwortenLöschenHallo Elke,
AntwortenLöschendiese Karden kenne von der Landschaft draußen reichlich. Schon da gefallen sie mir persönlich so gar nicht, sind mir suspekt, fremd und weisen mich ab. Die Etagenzwiebel allerdings, die ist genau mein Ding ;-) Die wird auch gern von Besuchern mit genommen als Trophäe für daheim. Die ist auch für den Blumenkasten also fast für jeden, der Gärtnern will, geeignet. Also trag ruhig bei Freunden und Bekannten zur Erhaltung dieser interessanten Gemüseart bei. Viele Grüße, der Achim
Hallo Elke,
AntwortenLöschenKarden hab ich schon so oft gesehen und gar nicht gewusst, was das für interessante Pflanzen sind. Dankschön fürs Vorstellen .-)
Ganz viele Grüße von Urte