Freitag, 28. Januar 2011

Moderne Zeiten

Aha. Das Trendbarometer hat also mal wieder Neues zu berichten und schon grübelt man, ob man jetzt völlig spießig und unmodern ist.
Nicht genug, dass uns die Mode jedes Jahr wieder zur kritischen Durchsicht des Kleiderschranks zwingt, jetzt macht  uns auch noch die Blumenindustrie ein schlechtes Gewissen.
Der Zimmerpflanzentrend geht nämlich weg vom kleinteiligen, wuseligen Blumenfenster, hin zu riesigen Solisten, je größer, desto besser.


Okay, mit ein paar Urwaldriesen kann ich auch aufwarten, aber das Wohnzimmerfenster sieht in der Tat aus wie ein Pflanzenkindergarten auf Wandertag - hier ein Babygeldbaum, dort ein Echeverien-Kindel, dazwischen auch noch ein Blattsteckling von Sansevieria cylindrica, der natürlich schief angewachsen ist und so lustig Schlagseite hat wie nach einer durchzechten Nacht.
Über all diesem unruhigen Gewimmel thront würdevoll mit eiserner Contenance der alte Geldbaum. Die ganze bunte Bagage wird darüberhinaus flankiert von zwei Sansevieria trifasciata-Töpfen, die streng und aufrecht wie Gouvernanten über die Krabbelgruppe wachen - so wie weiland Fräulein Rottenmeyer.
(Gibt es möglicherweise ein pflanzliches Pendant zum "Animal hoarding"? Ich mache mir ernsthaft Sorgen.)

Das Ganze Durcheinander würde eventuell so eben noch der Stilpolizei entgehen, wenn die Töpfe wenigstens einheitlich aussehen würden. Tun sie aber nicht. Schnäppchen, Geschenke und Fundstücke lassen sich in den seltensten Fällen in eine Uniform zwingen.

Frau Katze würde den Trendsettern sicher von Herzen beipflichten, denn die Fensterbank ist auch für ihren Geschmack viel zu voll. Wie gerne würde sie die ganze Fläche zu ihrem Catwalk umwidmen, aber immer steht ein blöder Topf im Weg und hindert beim Fliegenfangen und Meisenbeobachten.

Übersichtlich und aufgeräumt soll sich das Wohnzimmer gefälligst präsentieren mit dezent eingestreuten pflanzlichen "Accessoires":

Szene auf der Landesgartenschau Hemer 2010

Ach, Moden und Katze hin oder her, ich habe beschlossen, das Dilemma auszusitzen.
Das kann ich sowieso am besten. Auf dem Sofa, neben meinen Pflanzenkindern.

Ist es nicht bei der Haute Couture auch so, dass sich irgendwann jeder Trend wiederholt - kaum wartet man mal 20 bis 30 Jahre?
Genauso ist es auch bei Zimmerpflanzen. Kommt alles wieder - siehe Sansevieria trifasciata, die das Comeback des 21. Jahrhunderts feiert. So unmodern ist meine Fensterbank also doch nicht, halleluja!

Die als Stilmittel gehandelten Pflanzensolitäre sind auch vor allem eines: Sauteuer!
Gerade die in Würde gealterten, langsam wachsenden Vertreter, die so richtig was hermachen, sind unbezahlbar. Nie würde man sich verzeihen, so ein kostbares Exemplar zu Tode gegossen oder einer marodierenden Horde Spinnmilben überlassen zu haben.

Günstig und überall zu haben sind der altbekannte Gummibaum, Ficus benjamini, Dracaena marginata oder Schefflera.
Beim Discounter bekommt man so ein Exemplar in der Größe 1,40 - 1,60 Meter für etwa 10 Euro.
Die sind dann aber in dieser immer noch bescheidenen Größe gleich wieder am Rande von langweilig und haben nicht das Zeug, die eigene Wohnung zum Stilolymp zu erheben.
Gefragter ist da schon die Geigenfeige, Ficus lyrata. Die ist nicht allzu teuer und wächst schnell, allerdings auch schnell über ihre Verhältnisse hinaus, so dass alsbald Folgekosten in Form eines neuen Wintergartens anstehen - oder die Schere.

Extravagant und ein echter Blickfang ist die Drachenbaum-Sippschaft, nämlich die eher selten in Wohnungen anzutreffenden Dracaena deremenis, Dracaena fragrans und Dracaena reflexa. Letztere wächst sehr langsam, wird aber im Alter gigantisch. Am ehesten zum Turbo neigt D. fragrans. Alle genannten Drachenbäume kann man ganz einfach über Stecklinge vermehren, die im Wasserglas leicht bewurzeln.

Palmen oder gar Palmfarne sind extrem angesagt, aber leider relativ teuer und überdies eher empfindlich.


Zu meiner Ehrenrettung greift möglicherweise ein altes, ausuferndes Einblatt (Spathiphyllum) ein, welches das Wohnzimmer dominiert und vehement mit seinem Blattwerk ins abendliche Fernsehprogramm eingreift.
Irgendwie wirken in letzter Zeit selbst die Nachrichten so merkwürdig tropisch.

Letzten Endes gibt es doch auch Wichtigeres, als in Sachen Zimmerpflanzen jedem Trend hinterherzueilen. Ökologisch wäre das sowieso nicht - Wegwerfmentalität lässt grüßen.

Und haben nicht auch die teuren Geldbaummethusalems aus den Hochglanz-Werbebroschüren der Blumenindustrie mal ganz klein angefangen?
Vielleicht als Blattsteckling in einem winzigen Topf, so wie meine Kindergartengruppe.

16 Kommentare:

  1. Liebe Elke, klasse Dein Post!
    Du hast recht - es ist alles dem Life-Style unterworfen - wie arm ist doch die heutige Gesellschaft geworden, oder?
    Ich hatte diesen wundervoll bizarr anmutenden Pilz letzten Oktober beim Spazierengang gesehen...was ein schönes Geschöpf der Natur.
    HG und ein frohes Wochenende wünscht Dir
    Birgit

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  2. Danke für den interessanten Post!
    Hab erst gestern in einem angesagten Designersündhaftteuergartenfachgeschäft ein Elefantengras!!! als Überhype gesehen. In meiner Studentenzeit war der modern, ich hatte jahrelang einen, der immer gleich aussah und nicht umzubringen war, bis ich ihn anfing zu hassen, was ihn auch nicht sonderlich beeindruckte. Deswegen laufe ich schon lange keinen Trends nach, sondern hege und pfege die Pflanzen, die es bei mir mögen und das beruht Gottseidank heute auf Gegenseitigkeit!

    Liebe Grüße
    Elisabeth

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  3. Liebe Elke
    Wieder einmal mehr hast du meine Mundwinkel mit deinem Post nach oben bewegt - und du hast ja sooooo recht. Und drum, bewegen wir uns doch einfach viel freier, indem wir niche jeden Trend mitmachen und wir uns an dem freuen was uns wirklich überzeugt - und dies eben auch bei den Pflanzen. Ist sowieso viiiel interessanter und spannender!!!
    Liebste Grüsse
    Ida

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  4. Hihi, zu Beginn hätte ich fast selber ein beschämendes Gefühl entwickelt, wenn ich mich so schüchtern in meinem Wohnzimmer umgesehen hätte. Jaaaa, mit einem Gummibaum, einem fast vertrockneten Schwiegermuttersessel (Kaktus) und 3 Orchideen könnte ich dienen und natürlich die obligaten Weicheier, welche ich jeweils vor der Winterkälte ins Warme hole... aber stylisches steht da echt nix rum. Wie froh war ich doch zu lesen, dass es auch bei Dir eher kunterbunt zu geht.
    Herrlicher Post, halt eben wieder zum Schmunzeln und Wiedererkennen!
    Liebe Grüsse
    Alex

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  5. Total witzig, Dein Post! Und wie wahr.... LG und ein schönes Wochenende!
    Karoline

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  6. ..hmm.."riesige Solitäre"...da bin ich ja voll im Trend mit meiner 2x2m Zimmerlinde :-)
    Die meisten Zimmerpflanzen hat man doch (gute Pflege vorausgesetzt) einige Jahre. Ich denke, solche Trends sind was für Leute, die sich alle paar Wochen neue Pflanzen kaufen müssen, weil sie kein Talent zum Gärtnern haben. Da brauchen wir uns also nicht angesprochen fühlen ;-)
    LG Martina

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  7. Hallo Elke.
    Am meisten habe ich dein schickes Sofa bewundert,schönes Teil.
    Von den Pflanzen habe ich nicht so viel Ahnung.
    Du bist ja die Fachfrau.Nur über Rosen weiß ich einiges da befasse ich mich habe auch jede Menge im Garten.
    Wünsche dir ein schönes Wochenende und liebe Grüße Jana

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  8. Jedem Trend muss man Gott sei Dank ja eh nicht folgen :)! Ich halte es genauso wie Du, meine Töpfe sind auch nicht alle einheitlich und nicht jede Pflanze, die ich besitze, ist ein Prachtexemplar, dennoch möchte ich sie nicht sofort entsorgen.

    lg kathrin

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  9. Hallo Elke,
    vielen Dank für die "Nachhilfe" in punkto Zimmerpflanzen-Trend! Sehr amüsant und kurzweilig geschrieben noch dazu. Da schau ich gern öfter zum Schmökern vorbei!
    Viele Grüße
    Renate

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  10. Hallo Elke,
    auch wenn bei uns regelmäßig das Katzengras verkümmert, so habe ich Deinen Zimmerpflanzen-Post doch genossen. Trends laden wirklich zum Wegwerfen ein - also besser weg mit dem Trend ...
    LG Silke

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  11. Hab´die auch gesehen, die Discounter-Oschis.

    Wenn ich mit der Pflanzenmode ginge, hätte ich keine persönliche Geschichte mehr mit meinen Pflanzen.

    Das geht ganz und gar und überhaupt nicht.

    Weiß noch genau, wie ich von Pontius zu Pilatus gelaufen bin um die lieben Wacholder zu kriegen.

    Und dann der kleine Krüppel, den ich aus der Fundgrube beim Schweden gerettet und aufgepäppelt habe und der jetzt sogar Kindlein kriegt.

    Oder meine arg vergänglichen Innen-Efeu: Tapfer schlagen sie sich mit uns durch eiskalte Schlafzimmer, hochheiße Wohnzimmer und dunkle Badezimmer. Irgendwann rafft es einen jeden von ihnen hin, gnadenlos. Während ihre Genossen auf dem Balkon kraftvoll ins zehnte Jahr wachsen...

    Ach nein, Pflanzen begleiten mich.
    Und zwar länger als eine Saison.

    Danke für Deinen Post: Mir war das vorher nie bewusst.

    Ganz liebe Grüsse aus dem sonnigen Köln

    Regina

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  12. I found you on the blogs in waiting at Blotanical. Love the idea of a tropical screen over the TV, which I don't watch anyway. Our benjamina live outside on the verandah. The Sansevieria in the garden ;~) Ich stell mir vor LG heisst Liebe Gruesse? Also ...
    LG Diana of EE

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  13. "Wir sind der Trend! Wir sind der Trend!"
    Das wäre doch mal ein Schlachtruf :o)

    GlG jane

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  14. Liebe Elke, wie schaffst du das nur so herrlich zu schreiben?
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    Flüster: "Ich sag da nur "Buch schreiben...Buch schreiben...."
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    Zimmerpflanzen begleiten mich seit meiner Kindheit, damals praktisch alle aus "unmodernen" Stecklingen gewonnen. Auch heute bringe ich es kaum übers Herz was wegzuwerfen.
    Dein Chippendalesofa sieht übrigens toll aus!
    LG Carmen

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  15. Hmm, jetzt guck ich nochmals die Bilder durch, und sehe dass es nicht dein Sofa ist...
    Aber das mit dem Buch - das stimmt!

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  16. So ein Sofa kann man heute ja gar nicht mehr bezahlen.

    Warum ist das hier so leer ? kam schon lange kein beitrag mehr.

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