Samstag, 8. Juni 2024

Sensation mit Mohn

Früher sahen Urlaubsfotos anders aus, oder? Bilder vom Eiffelturm zeigten ihn und nur ihn, den Eiffelturm. Heute fotografiert man sich selbst vor dem Eiffelturm, auch wenn der vielleicht fotogener ist und nie einen Bad-Hair-Day hat. Oder einen Sonnenbrand. Kaum ein Urlaubsfoto kommt mittlerweile ohne Beweis aus, dass man höchstselbst dort war. Bei mir sehen Urlaubsfotos meist noch mal anders aus. Weder bin ich selbst drauf noch eine Sehenswürdigkeit. Die meisten Fotos zeigen Tiere oder Pflanzen, auf den meisten erkennt man nicht mal mehr den Urlaubsort.

Entweder schaue ich nach oben, ob Vögel unterwegs sind, oder nach unten, ob Insekten Dinge tun. Am langen Wochenende war ich wieder in Brandenburg unterwegs. Und da ich den Blick auf der Suche nach Krabbeltieren auf den sandigen Weg gerichtet hatte, fiel mir plötzlich etwas auf: Dort lagen kleine Fragmente von Blütenblättern herum, blaue und rote. Und dann sah ich es: Eine Röhre führte im Sand in die Tiefe und war mit roten und blauen Blütenblättern ausgekleidet, die wie ein bunter Schal das Loch einrahmten. Was war denn das?



Hier galt es, sich auf die Lauer zu legen. Schon hockte ich auf allen Vieren vor diesem Loch und wartete. zum Glück dauerte es nicht lang, bis sich etwas regte, und zum Glück kam niemand vorbei. Dann sah ich sie: Blauäugig mit großen Mandibelen: Das war die Erbauerin dieses Kunstwerks, das in nichts dem Eiffelturm nachsteht: Die Mohnbiene (Hoplitis papaveris), auch Mohn-Mauerbiene genannt, nistete hier im Brandenburger Sand.





Ihre Niströhre gräbt sie selbst und kleidet sie mit Blütenblattstückchen aus, die sie besonders gern am Mohn abbeißt und zerknüllt in den Mandiblen zum Nest trägt, wo sie damit den Gang ins Erdreich auskleidet. Vielleicht, damit der Sand nicht hinein rieselt, immerhin sprechen wir hier von der Sandbüchse Brandenburg. Ein bunter Kragen rundet das Bauwerk ab. Er wird später über dem Loch zusammengefaltet, dann wird alles mit Sand zugedeckt.

Die blauen Blütenblätter stammen von Kornblumen, die ebenfalls am Feldrand in der Nähe wuchsen, zusammen mit Klatschmohn.




Ein anderes Weibchen mochte lieber alles unifarben und verwendete nur Mohnblüten.




Die Bienen sammeln auch an Mohn Pollen, doch eigentlich brauchen sie ihn vor allem als Baumaterial. Sie besuchen viele unterschiedliche Blüten und sind polylektisch. Obwohl sie den Pollen als Larvennahrung also überall bekommen, sind sie auf Mohn angewiesen. Und auf offene Bodenstellen, die sandig sind oder sich wenigstens leicht bearbeiten lassen. Und das alles ist ein Problem.

Die Mohnbiene ist daher noch seltener als ein Acker mit Mohn und Kornblume. Sie ist in vielen Bundesländern vom Aussterben bedroht oder gilt sogar schon als verschollen. In der Schweiz ist die Art vermutlich ausgestorben. Auch in Brandenburg ist sie selten, ich habe den Fund daher an allen möglichen Stellen gemeldet.


Das war ein großes Glück, diese außergewöhnliche Biene leibhaftig zu sehen und fotografieren zu können. Das war für mich in etwa so, wie ein Einhorn zu finden.

Was kann man tun, um die Mohnbiene in Deutschland zu retten? Eine einfache Möglichkeit ist es, die extensive Landwirtschaft zu fördern, indem man Bio-Lebensmittel kauft, am besten regional. Die konventionelle Landwirtschaft mit ihren Pestiziden wird eher wenig Mohn zu Tage fördern oder die Insekten gleich direkt vergiften.

An geeigneten Stellen, wie in Brandenburg, kann es sich sogar lohnen, Klatschmohn und ein Sandarium oder sandige Wege im Garten anzubieten.

Es wäre doch jammerschade, diese hochinteressante Art zu verlieren. Nicht nur wegen der Urlaubsfotos.

17 Kommentare:

  1. eine wunderschöne und fantasievolle Bienenart * prima fotografiert und es wäre toll, wenn viele Leute so etwas sehen würden * es könnte für gross und klein ein cartoon held-in werden * ein mit mohn bekleidetes temperiertes zimmer wie einfallsreich !
    lg mo

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  2. Wie wunderbar zeigst du uns diese großen Wunder der Natur. Welch ein Kunstwerk ist dieser Bau mit diesen Blütenblättern. Ich danke dir sehr dass du uns soviel zeigst und dein Wissen teilst. Frauke

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  3. Ich sag dir was: Ich kam vor Kurzem auf die Idee, ein Büchlein mit ausgedachten Tieren zu zeichnen, und musste feststellen, dass meine Phantasie nicht mal ansatzweise an das herankommt, was es wirklich in der Natur gibt. Es gibt wirklich für jeden Lebensraum und jede Futterquelle einen angepassten Spezialisten, Tiere mit den unglaublichsten Fähigkeiten und dem schönsten oder bizarrsten Äußeren. Man ist immer wieder sprachlos.
    Ganz tolle Fotos von einer Biene, die ich auch noch nicht kannte. Das schlägt jedes Selfie!
    LG
    Centi

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  4. wow
    das ist ja fast wie ein 6er im Lotto
    da hast du wirklich unglaubliches Glück gehabt diese Bienen zu entdecken
    hoffentlich sind ihe Röhren so gut versteckt dass keiner aus Versehen
    drüber lauft der die Nase nur hoch trägt ;)
    Selfies mag ich auch nicht
    deine Bilder sind sehr schön
    liebe Grüße
    Rosi

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  5. Das ist doch ganz ehrlich auch viel spannender, als das tausendste Foto vom Eiffelturm. Und kommt mir bekannt vor. Aus manchen Urlauben haben wir nur Unterwasserbilder mitgebracht, d.h. wir müssen ganz bewusst mal eine Runde an der Luft machen, um zumindest ein paar Eindrücke von oberhalb der Wasseroberfläche als Erinnerung mitzunehmen. Und tatsächlich lag ich unter Wasser auch schon einige Zeit im Sand, um diverse Bewohner geheimnisvoller Röhren und Löcher vor die Linse zu bekommen. Wenn dann die Geduld belohnt wird, ist das jedes Mal ein Highlight!

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  6. Das war ein leicht irritierender Einstieg in die dann folgenden, wunderbaren Fotos samt Informationen. Wie gut, dass du den Blick - und natürlich die Geduld - für die besonderen Momente in der Natur hast. Das sind fantastische Bilder von mindestens ebenso fantastischen Baumeistern, liebe Elke. Von einer Mohnbiene habe ich vorher noch nie etwas gehört.
    Aber zu den Urlaubsfotos: Bei uns war es eher umgekehrt. Mein Vater hat viele Fotos gemacht und meistens seine Lieben vor irgendwelchen Besonderheiten abgelichtet. Erst als ich selbst fotografiert habe, waren die Menschen auf den Fotos verschwunden. Und genau das hat viele Freunde und Bekannte sehr überrascht.
    Ich wünsche dir ein schönes Wochenende und viele neue Entdeckungen.
    Herzliche Grüße – Elke

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  7. Die Natur ist einfach wundervoll. Ich kannte die Mohnbiene noch nicht, vielen Dank fürs vorstellen. So faszinierend wie sie den Eingang mit Mohnblüten einkleidet. Da stelle ich mir ein nach Hause kommen ganz schön vor :o)
    Liebe Grüsse
    Esther

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  8. Wunderbar und sehr interessant!

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  9. Hallo Elke,
    was für eine tolle Entdeckung! Die Röhren sehen ja sehr hübsch aus und die Blütenblätter vor dem Verschließen darüber zu falten ist klasse. Da kriegen die Bienenkinder beim Schlüpfen keinen Sand in die Augen.
    Liebe Grüße
    Susanna

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  10. Liebe Elke, weißt du, ob es die Biene auch in Baden Württemberg gibt? Ich bin begeistert von deinem Glück und natürlich möchte ich die Biene auch in meinem Garten haben! Mohn und sandigen Boden mit offenen Stellen, habe ich schonmal! Viele Grüße!

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    1. Liebe Nina,:
      in BW soll es sie geben, hier ist eine Karte der Bestandssituation in den einzelnen Bundesländern: https://www.deutschland-summt.de/wildbiene-des-monats-mai-2023-die-mohn-mauerbiene.html
      Aber ich denke, auch in BW muss man sehr viel Glück haben, sie zu sehen.
      VG
      Elke

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    2. Vielen herzlichen Dank für deine Antwort Elke! Dann werde ich mal weiter hoffen und jedes Jahr meinen Mohn erhalten, dass alles bereit ist, falls sie doch Mal vorbei kommen sollte. :) sonst ist bei uns in BW hier eher Lehmboden angesagt, ich hatte bei mir aber versucht, den so stark abzumagern und durchlässig zu machen, dass es vielleicht für bodenbrütende Bienen reicht. Schöne Woche noch!

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  11. Hallo Elke,
    hinter dieser Bine bin ich schon lange hinterher. Unser Freund Klaus (Biologe) hatte darüber erzählt und mich neugierige gemacht, ja es gibt sie hier in BW. Deine Serie ist einmalig, das sieht man auch nicht alle Tage, solche Serienfotos wünsche ich mir auch.
    Liebe Grüße
    Edith

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  12. Oh liebe Elke, was sind das für wundervolle und wertvolle Aufnahmen!!! Ich bin begeistert, Du hast wirklich ein Auge für sowas (1000 x schöner, als der Eiffelturm!!!!) Wir haben hinten im Garten einen großen wilden, sandigen Wall, auf dem auch jedes Jahr viel Klatschmohn wächst. Ich muss da mal mit Verstand schauen - vielleicht gibt es die Mohnbiene ja auch bei uns?

    Dir wünsche ich einen schönen Start in die neue Woche!!!
    Liebe Grüße sendet
    Loni x

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  13. Hallo Elke, da hast Du ja eine ganz tolle Entdeckung gemacht. Bei mir sind die Urlaubsfotos auch eher mit viel Natur gespickt. Städtereisen sind bei uns eher selten angesagt. Wir wandern gern und dabei ist dann eher die Natur mein Fotomotiv.
    Herzlichen Gruß von Marianne

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  14. Hi Elke,
    das sind Urlaubsbilder nach meinem Geschmack! Erst mal herzlichen Glückwunsch zu diesem seltenen Fund. Fontane hätte seine Freude das in seiner Mark sowas noch zu finden ist! Tolle Aufnahmen, die ein geschultes Auge zeigen, in Punkto Kleinstlebewesen. Es ist faszinierend was die Natur alles bietet! Du hast Recht, leider wird es von uns Menschen zerstört.
    LG...Stephanie

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  15. So eine tolle und interessante Entdeckung, liebe Elke und danke für deine Geduld uns diese Bilder mit samt den Infos präsentieren zu können.
    Lieben Gruß von Marita

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