Samstag, 16. November 2024

Gewickelt, nicht geschreddert

Wenn ich im Herbst und Winter hinten im Garten die nicht-heimische, wuchernde Goldnessel jäte, habe ich oft ein langes, holziges, seilartiges Etwas in der Hand. Ich zerre dran und es ist in etwa so, als würde man ein Boot zu sich heranziehen, nur dass keins in Sichtweite kommt, sondern stattdessen die Hecke ruckt und wackelt und bedrohlich nah kommt. Wenn das passiert, habe ich wieder einmal einen Trieb vom Wilden Wein erwischt, der sich anschickt, tarnfarben und bodennah klammheimlich den Garten zu erobern. Während er ganz schön ist, wenn er die Terrassenwand begrünt, möchte ich ihn dann aber nicht in jedem Gehölz erwischen. Er soll bitteschön nicht alles einwickeln.

Also beherzt dran gezogen, bis es nicht mehr geht, und möglichst viel abgeschnitten. Da kann man ganz schön Meter machen. Was tun mit den langen Seilen? Im Kompost verrotten sie nicht gut, häckseln ist auch schwierig. Also wickle ich sie ein und winde einen Kranz draus. Das geht ganz einfach, sieht gut aus und so können die Triebe vergehen, ohne irgendwo wieder anzuwachsen.

 

 Bei diesem dicken Ding hatte ich mal richtig viele Triebe zur Hand und bin richtig durchgedreht:



Doch das Einwickeln geht nicht nur mit Wildem Wein. Mit Efeu mache ich es genauso, wenn er am Boden lang kriecht, nur dass ich bei diesen Ranken die Blätter vorher abstreife, weil sie sonst braun werden und der Kranz doof aussieht. Entgegen der Wuchsrichtung mit einem Handschuh bewaffnet lassen sich die Blätter schnell entfernen.



Erst vor kurzem habe ich festgestellt, dass sich auch frisch geschnittene Bambusäste, die von nebenan immer wieder meinen Garten erobern wollen, prima für Kränze eignen. Sie sind erstaunlich biegsam und halten lang. Wenn die vertrocknen, hält das Gebinde umso besser, weil sie dann hart und störrisch werden. Da kann nichts mehr aus dem Leim gehen.

Mit ein paar kleinen habe ich das neue Totholz geschmückt.


Dieser große sieht allerdings noch irgendwie unvollendet aus und wirkt eher wie ein unbequemer Hula-Hoop-Reifen:



Wickelt ihr auch Kränze, vielleicht aus ganz anderen Ranken oder Zweigen?

Samstag, 9. November 2024

Wie Kompost nichts wird

Der Wald hat's gut, der wirft einfach alles, was er nicht mehr braucht, auf den Waldboden und irgendwann wird wieder Erde draus. Ob Laub, Früchte, Nadeln oder Totholz, irgendwie kann sich alles mit der Zeit wieder so verwandeln, dass es von den Bodenpartikeln nicht mehr zu unterscheiden ist. Der Wald hat aber auch eines, das wir nicht haben: Geduld. Der kann Jahre darauf warten, dass ein Stück Baum wieder zu etwas Bröseligem zerfällt, indem Wurzeln wurzeln können. Wir dagegen hätten gern sofort aus den Gartenabfällen Kompost gemacht, aber ein bisschen plötzlich! Dafür schaffen wir uns Thermokomposter an, die auch Tempokomposter heißen könnten, so sehr versprechen sie im Gegensatz zur offenen Rotte, dass aus dem ganzen Klumpatsch etwas Braunes, Krümeliges wird, gern auch homogen und fein wie Blumenerde aus der Tüte. Gut riechen soll es nebenbei auch noch.

Doch auch die schnellen Brüter können keine Wunder vollbringen. Ob nach einem Jahr wirklich so etwas wie Erde dabei rauspurzelt, hängt eher von den inneren Werten ab als vom Drumherum.



Hier also ein paar Regeln, damit aus den Gartenabfällen alles wird, bis hin zur Ursuppe, aber mit Sicherheit kein Kompost, oder wenn doch, dann nur mit einigen Jahren Wartezeit.

Das Rezept zu Keinkompost geht so:

  • Ganze Äste auf den Komposthaufen stapeln, möglichst dick und lang. Jetzt hat man einige Jahre nicht mehr viel zu tun, da sich um das ganze harte Lignin im Holz die Pilze kümmern. Und die haben alle Zeit der Welt, denn so ein Ast hat's in sich. Besser sind gehäckselte Zweige - und selbst, wenn die nicht verrotten sollten, stören die kleinen Stücke kaum bei der Verwendung als Mulch.


  • Kiloweise Rasenschnitt in den Thermokomposter kippen. Das sieht so hübsch grün und fluffig aus, nett garniert mit Gänseblümchenblüten. Was soll daran verwerflich sein? In Wahrheit ist das ein Garant für große Hitze und großen Gestank, da sich um diese weichen, stickstoffhaltigen Teile Bakterien kümmern. Und weil das Ganze so feucht ist, legen die richtig los. Dabei entsteht schnell eine grüne, stinkende Pampe, die dank der raschen Umsetzung so heiß wird, dass die Kompostwürmer fliehen müssen. Besser ist angetrockneter Rasenschnitt oder alles gut gemischt mit holzigeren Bestandteilen.

  • Massenhaft Efeutriebe in den Komposter geben. Die sind wie Gummi und halten ewig, wurzeln oft sogar weiter und kommen seitlich aus dem Komposter wieder raus. Sie sollten lieber kleingeschnitten werden.

  • Zu viel Gemüse oder Obst einwerfen. Das lockt gern Ratten an, daher wenigstens für einen gut abgesicherten Komposter sorgen, der unten mit einem Gitter abgesichert ist. Da Gemüse eher feucht und nährstoffreich ist, sollte es in Massen mit holzigen Materialien gemischt werden.

  • Verpackungen auf den Kompost geben, die kompostierbar sein sollten. Meist meint dies, dass sie in den großen Kompostieranlagen gut verrotten, weil dort höhere Temperaturen erreicht werden. Nur Folien und Schalen mit dem Hinweis heimkompostierbar haben eine Chance auf Nimmerwiedersehen.
  • Den Komposter auf einer versiegelten Fläche aufstellen. Dann wandern kaum Kompostwürmer ein und man muss sie zu ihrem Glück zwingen. Zu viel Schnellkomposterpulver vergrault Würmer durch Hitzeentwicklung, da es Bakterienstämme enthält (siehe Grasschnitt).



Fallen euch noch weitere Kompost-Malheure ein?


Samstag, 2. November 2024

Grüne Tomaten

Dieses Jahr bin ich etwas größenwahnsinnig geworden und habe Fleischtomaten herangezogen. Fünf Samen hatte ich bekommen von der äußerst robusten Sorte 'Vivagrande'. Und es keimten alle. Nun sind Fleischtomaten aber nichts für Ungeduldige. Während man Cocktailtomaten rasch naschen kann, brauchen die Kaventsmänner Zeit, immerhin hat die Pflanze auch sehr viel Arbeit mit dieser fulminanten Frucht, die in mühevoller Kleinarbeit mit Wasser und Samen gefüllt werden will. Am Ende soll sie auch noch gefälligst erröten.

Da ich kein Gewächshaus habe, werden die ersten Früchte dann bei mir auch erst im September reif. Da kann man schon mal hibbelig werden, doch es bringt einfach nichts, die Tomaten anzufeuern. Während also Terrasse und Rosenbogen von gigantomanischen Tomatenpflanzen berankt wurden, dauerte es lange, bis sich erste Blüten und Früchte zeigten.

Am Ende war ich auch noch die ersten beiden Septemberwochen im Urlaub. Das hatte ich schon mal - als ich wieder nach Hause kam, waren zwar viele dicke Tomaten rot geworden, aber auch rasend schnell schon wieder braun und ungenießbar durch einen zünftigen Befall mit der guten alten Braunfäule. Da fragt man sich dann schon, wozu man sich ab März die Mühe macht, die Biester erst im Wohnzimmer und dann draußen zu hätscheln?

Dieses Jahr war es auch wieder sehr nass und meist kühl gewesen - was wäre also mit dieser Sorte? Wieder ein Totalausfall?

Nicht mit 'Vivagrande'! Diese fantastische Sorte ist wirklich hart im Nehmen! Sie hat eine sehr gute Resistenz gegenüber der Kraut- und Braunfäule, ist dabei aber trotzdem samenfest und keine F1-Sorte! Sie eignet sich wirklich gut für den Freilandanbau, wie ich mich überzeugen konnte, doch in einem kühlen nassen Sommer und noch dazu im Halbschatten kann auch sie keine Wunder vollbringen.

Ein paar Blattläuse hat sie bekommen, aber keine Braunfäule.



Man findet also im August kein matschiges Häufchen Elend am Stiel vor, sondern immer noch eine prächtige Pflanze. Mitte September nach dem Urlaub konnte ich 1 kg rote Tomaten ernten.

Sie hat mir sogar Herzen gebastel, mehrfach! Das hat noch keine Tomate für mich getan!





Im Oktober ging es aber nicht mehr so flott weiter. Die grünen Prachtburschen zierten sich seitdem. Nun habe ich sie doch reingeholt und mit Äpfeln vergesellschaftet. Eine nach der anderen werden langsam rot. So komme ich doch noch auf mehrere Kilogramm Tomaten.

Mit der Sorte bin ich voll auf zufrieden. Ich habe auch schon Samen geerntet. Für das nächste Jahr...

Samstag, 26. Oktober 2024

Poolparty

Unsere Regentonne hat einen Deckel. Das ist gut, denn dann ertrinken keine Vögel darin und auch Mückenlarven können sich nicht im Wasser entwickeln. Stattdessen hocken aber ganz oft Tiere am Beckenrand, und zwar innen im Dunklen, die nicht so gertenschlank sind wie Mücken: Bei jedem Öffnen muss ich Asseln oder auch mal Tausendfüßer aus dem Wasser retten, weil sie ihren Schwimmreifen wieder nicht angelegt hatten und beim Lüften des Deckels irgendwo abgerutscht sind. Die passen also offenbar noch zwischen Deckel und Tonne hindurch.

Ein Rätsel sind jetzt im Herbst aber die vielen Springschwänze, die sich in Rudeln auf dem Wasser tummeln - Poolparty im Finstern? Die meisten der Schwimmer gehören zur Art Vertagopus arboreus. Und wenn die im Wasser leben würden, würden sie ja aquaticus heißen anstatt arboreus, oder? Eine faszinierende Farbe haben sie ja schon, als wären sie einer blauen, glitzernden Lagune entsprungen. Sie sollen trotzdem eher an Bäumen, unter Rinde, an Holzzäunen und Totholz leben.






Was machen sie dann in der Regentonne? Und sind sie dort glücklich, Poolparty hin oder her?  Der Wellengang ist zwar meist gering, außer, ich hole Wasser aus der Tonne, aber trotzdem - so recht vorstellen kann ich mir nicht, dass sie freiwillig aufs Wasser gehen.

Sie bilden auch immer schnell Schicksalsgemeinschaften und versuchen, auf dem Rücken größerer Tiere ihre Furca einzusetzen, um doch noch in Sicherheit springen zu können. Große Sprünge machen sie trotzdem nicht. Wie man sieht, können sie sich auf dem Wasser aber häuten.

Diese Aggregation enthält auch noch einen braunen Entomobrya-Springschwanz, der im Sommer eher an Holz vorkommt und gegen Herbst Richtung Boden in die Laubstreu wandert, aber nicht ins Nasse:

Das vergleichsweise riesige graue Tier habe ich nicht erkennen können.

Hier haben sie sich sogar alle auf ein Floß gerettet - könnt ihr erkennen, was es ist?


Richtig, ein Birkensame, der sich hervorragend als Boot eignet.


Entweder sie verwechseln die zugegebenermaßen recht holzähnliche Regentonne mit einem Baum und klettern auf demselben Wege hinein wie die Asseln, weil sie grundsätzlich Feuchtigkeit mögen, oder aber sie werden mit dem Regen vom Dach gespült. Dachpfannen sind ja Holz auch nicht so unähnlich, auch dort wachsen Moose.

Das hieße wiederum, dass die Kanalisation voll sein müsste mit diesen kleinen blauen Schlümpfen, die sich unglücklicherweise in einem völlig falschen Lebensraum wiederfinden würden.

Vielleicht ist die Regentonne also ein Auffangbecken gestrandeter Springschwänze. Ich fische sie jedenfalls ständig daraus. Mehr kann ich nicht tun. 


Habt ihr dieses Phänomen auch schon einmal beobachtet? Schaut gern mal in eurer Regentonne nach.

Samstag, 19. Oktober 2024

Rozanne

Meine Güte, was habe ich vor 13 Jahren vom Storchschnabel 'Rozanne' geschwärmt. Damals hatte ich mich sehr gefreut, diese Sorte für 3,50 statt 7 Euro erstanden zu haben auf dem Staudengrabbeltisch. Sie hieß zu dem Zeitpunkt noch 'Jolly Bee', bis der Züchter von 'Rozanne' einen Rechtsstreit angefangen hat, seitdem heißen sie alle 'Rozanne' – und 'Jolly Bee' ward nie mehr auf einem Staudengrabbeltisch gesehen.

Dafür sah man 'Rozanne' alsbald allerorten, während die gleichnamige Fernsehserie längst abgesetzt wurde. Vom Kreisverkehr über Verkehrsinseln und Friedhöfe bis hin zu Botanischen Gärten: Wo immer ein zuverlässiger Dauerblüher für den Beetvordergrund gesucht wurde, war dieser Storchschnabel die erste Wahl. Er kann  mit seinen langen Trieben auch in andere Stauden hinein ranken, was hübsche Effekte ergibt.









Warum blüht 'Rozanne' so lange? Weil die gute Dame völlig steril ist. Statt in Samen zu investieren blüht sie immer weiter. Weswegen man sie aber auch eben ganz schlecht vermehren kann. Teilen kann man sie vorsichtig, aber eben nicht aus Samen vermehren, was für den Züchter natürlich eine Goldgrube ist. Schnecken dezimieren sie immerhin auch nicht.

Und man muss wirklich sagen, dass 'Rozanne' äußerst langlebig ist. In meinem Garten blüht sie auch nach 13 Jahren noch fröhlich vor sich hin. Sie hat etliche Stauden um sich herum kommen und gehen sehen, aber sie ist noch da.

Andere Storchschnäbel sind derweil aus der Mode gekommen, nur 'Rozanne' wird immer noch als Massenware und Staude für alle Lebenslage eingesetzt. Das große Geranium-Sammelfieber der 90er und 2000er Jahre ist längst Geschichte, obwohl mit der diesjährigen Schneckenplage eigentlich das Gegenteil passieren müsste, denn alle Arten werden von Schnecken weiträumig umgangen.

Ein Problem haben Storchschnäbel: Sie sind nicht gerade als Wildbienenpflanzen bekannt. Sie können so heimisch sein wie sie wollen, aber es gibt keine Storchschnabel-Sandbiene. Generalisierte Wildbienen wie die Gehörnte Mauerbiene mögen die frühblühenden Arten wie den Braunen Storchschnabel aber ganz gern.

Und der Pyrenäen-Storchschnabel mit den kleinen Blüten ist die erste Addresse zum Übernachten.


Den Pyrenäen-Storchschnabel brauche ich also unbedingt auch noch. Ich schätze, 'Rozanne' wird auch ihn überleben und mich sicher auch.